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Im Raum-Zeit-Kontinuum war ein junger Vendar hastig in einem Park unterwegs. Er schien nach etwas oder jemandem zu suchen. Jedenfalls schaute er immer wieder um sich. In seinem Blick war die schiere Verzweiflung zu lesen. Er zitterte auch leicht. Was immer es auch war, das ihn umtrieb, es musste eine sehr beängstigende Wirkung auf ihn gehabt haben.

Endlich schien er zu sehen, was er sehen wollte. Jedenfalls wandelte sich sein Gesichtsausdruck plötzlich von verzweifelt in mäßig erleichtert, als er einer kleinen blassen Hand ansichtig wurde, die ihm zwischen zwei Büschen hindurch zuwinkte. Er ging auf die Büsche, die ca. 1,80 m hoch waren und gezackte grüne Blätter trugen, zu. Hinter ihnen erspähte er das Gesicht seiner Gebieterin Tolea.

Einigen von euch wird es jetzt zwar komisch vorkommen, dass eine Bewohnerin des Raum-Zeit-Kontinuums auf die Hilfe von Vendar zurückgreift, da dies zu Zeiten von Captain Picard nie der Fall war, aber Tolea wusste, dass dies in Zeiten, in denen Sytania die erklärte Feindin ist, die dies ohne Rücksicht auf Verluste auch tat, sehr wohl nützlich sein konnte. Deshalb hatten sie und ihresgleichen auch damit kein Problem gehabt, als sich Diran und auch einige andere Vendar ihnen angedient hatten.

Diran hatte sie nun also erreicht und stand nun neben ihr, die ihn aus einem blassen hohlwangigen Gesicht heraus anblickte. Sie sah, zumindest aus seiner Sicht aus, als hätte sie Jahre lang nicht geschlafen oder gegessen. So hatte der immer sehr mitfühlende Diran seine Gebieterin noch nie gesehen. Mit einem mitleidigen Blick drehte er seine Augen langsam zu ihr. Aber sie schien ihn nicht wirklich wahrzunehmen. Ihr Blick war extrem entrückt. Sie sah fast teilnahmslos aus.

Jetzt beobachtete Diran sogar, wie sie plötzlich nach hinten fiel. Blitzschnell hatte er sich um sie herum bewegt und sie aufgefangen. Als trainierter Vendar-Krieger fiel ihm das nicht sehr schwer. Sowohl körperlich, als auch mental auf der Höhe und jederzeit auf der Hut zu sein, empfand Diran sogar als seine Pflicht!

Er spürte genau, wie stark Tolea, die er jetzt in seinen Armen hielt, zitterte. Etwas sehr Schlimmes musste geschehen sein. Etwas so Schlimmes, dass es sogar eine Mächtige wie Tolea buchstäblich umhauen konnte. Er würde herausfinden müssen, was es war, wenn er ihr helfen wollte, was er seinem eigenen Empfinden nach auch musste, denn sie war sehr nah an einer Ohnmacht.

Er hob sie auf und trug sie zu einer nahen Wiese. Hier legte er sie vorsichtig ab, um ihr dann noch ein Kopfkissen aus Blättern und Moos zu fertigen. Danach berührte er vorsichtig ihre Stirn. Was er dort spürte, war das gleiche Gefühl, das er verspürt hatte, als er den Park betreten hatte. Sie musste ihn also unbewusst telepathisch zu sich gerufen haben. Zwar konnte er, als so genannter passiver Telepath nichts anderes tun, als nur ihre Not zu spüren, er wusste aber jetzt, dass sie es war, die in ihm den Zwang ausgelöst hatte, in den Park zu gehen.

Diran begann damit, sich so stark auf dieses Gefühl zu konzentrieren, wie er es nur konnte. Er musste einfach herausfinden, was mit ihr geschehen war. Er versuchte, sich an das Gefühl von Sytanias Gegenwart zu erinnern aus der Zeit, in der er und Jorans Truppe, zu der er gehört hatte, der Kronprinzessin des Dunklen Imperiums noch gedient hatten. Tatsächlich schien er Ausläufer dieses Gefühls wahrzunehmen. Aber er konnte sich keinen Reim darauf machen, denn, so sehr er sich auch anstrengte, konnte er nicht wirklich ausmachen, ob sie die alleinige Schuldige an Toleas Zustand war. Da war noch etwas anderes! Etwas, das er nicht einordnen konnte.

Er fasste sich schließlich ein Herz und begann damit, sie sanft, aber bestimmt zu schütteln. Zwar hatte er das Gefühl, sehr anmaßend gegenüber ihr zu sein, aber er dachte sich auch, dass diese Ohnmacht, würde sie lange andauern, selbst eine Mächtige wie Tolea überfordern könnte, zumal sie offensichtlich auch durch eine Mächtige oder ein mächtiges Geschehen ausgelöst worden war. Sterbliche würden Tolea nichts anhaben können, das wusste er. Zumindest nicht ohne Rosannium. Aber dies hier war zweifelsfrei etwas ganz anderes. „Bitte, Gebieterin.“, flüsterte Diran in ihr rechtes Ohr, das er zu sich herangezogen hatte, während er ihren Kopf hielt. „Bitte wacht auf!“ Er dachte, dass er, so seltsam es auch klingen mag, sie so besser erreichen würde, als wenn er laut mit ihr spräche. Er dachte sich, dass er auf so eine kurze Entfernung den Schall besser an sein Ziel bringen könnte, als wenn der Wind die Chance bekäme, ihn zu verwehen.

Endlich schlug Tolea die Augen auf und tat einen tiefen Atemzug. „Oh, Diran!“, sagte sie erleichtert. „Mein lieber und vertrauter Diran! Bist du es wirklich?“ „Ja, ich bin es, Herrin.“, sagte Diran leise und tröstend. „Was soll ich tun, um es Euch zu beweisen?“ „Leg deine Hand auf mein Gesicht!“, befahl Tolea mit noch immer etwas schwacher Stimme. „Mach es so, dass ich dich riechen kann!“ Diran nickte und führte aus, was Tolea ihm soeben befohlen hatte. Es kam dem Vendar zwar auch sehr merkwürdig vor, was sie da verlangt hatte, aber er ahnte wohl schon, dass sie eine so starke Vision gehabt haben musste, dass sie ihren eigenen Sinnen nicht mehr traute. Das bestätigte sich noch umso mehr, als Diran spürte, dass ihr Gesicht nass von Tränen war. Sofort zog er ein Taschentuch aus der Brusttasche seiner Uniform und hielt es vor sie hin. Dann bat er: „Bitte erlaubt mir, Eure Tränen zu trocknen, Gebieterin. Ich verspreche auch bei meinem Leben, niemandem aus meiner Truppe zu verraten, dass Ihr selbst in Eurer Bewusstlosigkeit geweint habt.“ Er hob die rechte Hand: „Ich schwöre! Die Götter mögen meine Zeugen sein!“ „Pass auf, was du dir wünscht, Diran.“, sagte Tolea. „Mit den Göttern der Vendar würde noch nicht einmal ich mich anlegen. Also, wenn es hart auf hart käme, könnte selbst ich dir vielleicht nicht mehr helfen und das wäre sicher sehr bedauerlich für uns beide. Aber ja, du darfst meine Tränen trocknen und du darfst, nein, du sollst sogar, allen in deiner Truppe erzählen, was hier geschehen ist. Oh, Diran, es war so schrecklich! Es war so schrecklich!“

Wieder drohte sie, ziemlich schnell das Bewusstsein zu verlieren. Er setzte sich hinter sie auf den Boden und zog ihren Körper an sich. So konnte er sie in eine aufrechte Haltung bringen. Er hoffte so, eine weitere Ohnmacht verhindern zu können. „Bitte bleibt bei mir, Gebieterin.“, flüsterte er. „Bitte sagt mir doch, was Euch so verzweifeln lassen hat. Ich bin doch jetzt bei Euch und Ihr seid somit nicht mehr allein in Eurem Kummer. Aber, bitte empfindet dies nicht als anmaßend, wenn ich Euch helfen soll, dann müsst Ihr schon offen sprechen. Sonst kann ich nichts tun.“ „Oh, Diran!“, rief Tolea schluchzend aus. „Ich habe das Ende aller Welten und aller Zeiten gesehen! Alles, egal ob sterblich oder mächtig, alles wird vergehen! Sie sind entzweit! Oh, Diran, sie sind entzweit! Das bedeutet das Ende!“ „Wer ist entzweit, Herrin?“, fragte Diran. „Wer ist … Oh nein! Bei allen Göttern!“

Ihm war schlagartig klar geworden, wen sie nur meinen konnte. Als ihr Vertrauter hatte er mehr Einblick in die Geheimnisse der Mächtigen, als es so mancher seiner Untergebenen hatte. „Ihr sprecht doch nicht etwa von den Einhörnern! Sie sind Verwandte der Quellenwesen und somit für das Gleichgewicht im Dunklen Imperium zuständig, falls sich die Kräfte dort zu weit verschieben. Sagt mir bitte nicht …!“

Sie riss sich plötzlich von ihm los und sah ihn fest und streng an. Dann sagte sie: „Tshê, Vendar! Jedem, der von deiner Art ist, wirst du berichten, was sich hier zugetragen hat! Wir werden Hilfe brauchen, wenn das hier wieder ins Lot kommen soll! Die Vendar werden es ihrerseits wieder an ihre Verbündeten weitergeben! Das wirst du ihnen sagen!“ Diran nickte. Hätte sie nicht das Wort Tshê benutzt, was zwar im Vendarischen nur so viel wie Achtung, oder merke auf bedeutet, zumindest, wenn es von einem Normalsterblichen verwendet wird, dann hätte er bemerken müssen, welches Risiko ihr Befehl enthielt. Da das Wort aber, wenn es von einem Mächtigen gegenüber einem Vendar gebraucht wird, einen regelrechten Bann bei ihm auslöst, bemerkte er dies nicht. Aber auch sie hatte nicht bemerkt, in welche Situation sie ihn damit gebracht hatte. Sie hatte nicht gesehen, dass er jetzt jedem Vendar, aber auch wirklich jedem, gezwungen sein würde, ihr Gespräch offenzulegen. Er nickte ihr nur zu und ging dann wider, um ihren Befehl auszuführen.

In ihrem und Telzans Haus im Dunklen Imperium hatte Cirnach, die Ehefrau und somit automatische Stellvertreterin des Anführers der Vendar von Sytania, vor dem Bildschirm ihres Hausrechners gesessen, dem sie befohlen hatte, sich mit der interdimensionalen Sensorenplattform, die den Vendar gehörte, in Verbindung zu setzen und die Sensoren auf das Raum-Zeit-Kontinuum auszurichten. Sie wusste, Tolea und deren Bruder Kairon waren zwei, die man immer auf der Rechnung haben musste. Das hatte die Erfahrung ihr schon zur Genüge gezeigt. Warum sie allerdings die Plattform und Technologie, also nicht den ihr von Sytania gegebenen Kontaktkelch benutzte, lag, zumindest für sie, ganz klar auf der Hand! Eine mentale Sondierung durch den Kelch hätten Tolea oder Kairon unter Umständen spüren und Gegenmaßnahmen einleiten können. Dann hätte sie unter Umständen nicht mehr gesehen als eine Wand aus Nebel. Technik aber würde ihre mentale Alarmglocke nicht tangieren, das wusste die schlaue Vendar. So hatte sie zwar keine Möglichkeit, direkt an den Gesprächen teilzuhaben und sie Wort für Wort zu belauschen, sie war aber eine relativ gute Lippenleserin und Körperhaltungen und Gesichter interpretieren, das konnte sie genauso gut. Sie hätte nur etwas hören können, wenn sie der Plattform befohlen hätte, eine der an sie gebundenen Spionagedrohnen zu starten und in die Atmosphäre zu schicken, aber das war ihrer Meinung nach gar nicht nötig. Sie hatte auch so genug gesehen. „Wie schwach Tolea doch jetzt ist!“, rief sie schadenfroh aus. „Und wenn ich das hier richtig sehe, dann hat sie uns gerade eine riesige Chance gegeben, ohne es zu wollen.“

Sie grinste böse und wandte sich dem Mikrofon des Computers zu: „Mishar, Aufzeichnung zu Zeitindex 283,935 zurückfahren und Gitter Z4 auf Maximum vergrößern! Dann Aufzeichnung weiterlaufen lassen!“ „Befehl wird ausgeführt.“, meldete die nüchterne männliche Stimme des Rechners zurück.

Cirnach drehte sich wieder dem Bildschirm zu. Hier sah sie jetzt im Vordergrund genau Toleas Lippen, wie sie sich zum Wort Tshê formten. „Das Bannwort!“, rief Cirnach begeistert aus. „Sie hat das Bannwort benutzt! Zumindest denke ich das. Aber da hat sie einen großen Fehler gemacht. Wenn ich mir ihre Lippenbewegungen so weiter ansehe, kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass sie dem armen bedauernswerten Diran jetzt befohlen hat, allen von seiner Art, denen er je begegnet, von ihrem und seinem Gespräch zu berichten! Wir haben also eventuell eine Chance, Informationen aus erster Hand zu erhalten. Wir müssen ihm nur eine kleine Falle stellen! Aber bevor ich Sytania davon berichte, muss ich zuerst ganz sicher gehen.“

Sie zog ein Pad aus einer Schublade ihres schweren Schreibtisches hervor, das auch eine Kamera hatte. Diese richtete sie jetzt auf ihr eigenes Gesicht und sagte: „Tshê!“ Diese Aufzeichnung speicherte sie ab und schloss das Pad an den Rechner an. Dann befahl sie: „Mishar, das Bild in Gitter Z4 mit dem Inhalt des Pads an Port 2 unter Berücksichtigung der biologischen Unterschiede vergleichen! Sind die Lippenbewegungen identisch?“ „Affirmativ!“, kam es sachlich zurück. „Sehr gut!“, freute sich Cirnach. „Das werde ich gleich Sytania berichten!“

Sie befahl dem Rechner noch, die Datei mit ihren Lippenbewegungen, sowie das Bild aus der Aufzeichnung der Plattform auf das Pad zu ziehen. Dann beorderte sie ihn, die Verbindung zur Plattform abzubrechen und sich herunterzufahren. Sie wollte wohl keine unnötigen Spuren hinterlassen. Cirnach wusste schließlich auch, dass Spionage sozusagen zum guten Ton zwischen Feinden gehörte und sie wollte einem eventuellen Spion von Logar nicht die Möglichkeit geben, ihre Schritte etwa an einem versehentlich offen gelassenen Bildschirm zurückverfolgen zu können. Dann machte sie sich mit dem Pad in der Hand auf den Weg in Sytanias Palast. „Die Prinzessin wird sich freuen.“, freute sich Cirnach diebisch. „Oh ja! Sie wird sich sehr freuen!“ Mit einem Lied auf den Lippen schritt sie von dannen.

Das Jagdglück war Telzan tatsächlich hold gewesen und er hatte zwei größere Hasen erlegt, die er und Mirdan sich jetzt schmecken ließen, nachdem sie diese über der restlichen Glut an zwei kräftigen Ästen, die sie als Spieße umfunktioniert hatten, gegrillt hatten. Mirdan hatte eine Keule in der Hand und war dabei, sie abzunagen. Er sah sehr gedankenverloren aus und das Stück Fleisch drohte bereits, ihm aus der Hand zu fallen. „Worüber denkst du nach?“, fragte Telzan mit noch leicht gefülltem Mund. „Ich habe mir gerade etwas überlegt, Ausbilder.“, sagte Mirdan. „Ich glaube nämlich, Ausbilder, dass wir größer denken müssen, wenn wir Erfolg haben wollen.“ „So, so.“, sagte Telzan. „Du denkst also, wir sollten größer denken. Was meinst du damit genau?“

Mirdan erschrak. Er hätte es zwar mittlerweile gewohnt sein müssen, dass sein Ausbilder ihn und auch alle anderen Novizen zum Teil sehr hart anfasste, aber trotzdem hatte er immer wieder das Gefühl, alles was er sagte oder tat falsch zu machen. Aber andererseits konnte Telzan damit auch erreichen wollen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Ein Vendar-Krieger sollte zu keinem Zeitpunkt Furcht zeigen. Zumindest nicht im Idealfall. Vielleicht wollte Telzan damit auch testen, wer sich ins Bockshorn jagen und einschüchtern ließ und wer nicht.

Mirdan entschied sich, eher zur zweiten Gruppe zu gehören. Er stand auf, sah Telzan fest an und sagte: „Wir können nicht nur die Föderation als unseren Feind betrachten, Ausbilder. In Astra Fedaria gibt es auch noch andere, die Sytania als ehrlos betrachten und die zwar im Normalfall auch die Feinde der Föderation sind, aber sich durchaus auf ihre Seite stellen würden, wenn es gegen Sytania ginge, weil sie in ihren Augen ehrlos ist, was auf die Föderation nicht zutrifft.“ „Von wem sprichst du, Mirdan?!“, fragte Telzan, dem sehr wohl klar war, wie sehr Mirdan um den heißen Brei schlich. „So oft, wie du das Wort Ehre gerade verwendet hast, kannst du allenfalls an die Klingonen gedacht haben.“ „An die dachte ich auch.“, sagte Mirdan. „Aber nur in zweiter Linie. Die können wir nicht ködern oder ablenken. Da müssen wir wohl durch. Aber es gibt noch eine zweite Macht, mit der wir rechnen müssen, bei der das aber umso besser geht. Die hätten wir dann also vom Hals, wenn mein Plan klappt.“ „Von wem redest du?!“, wiederholte Telzan mit Nachdruck und tat unwissend. Mit seinem Verhalten wollte er Mirdan, der seiner Meinung nach immer noch nicht genug Mut gezeigt hatte, endlich aus der Reserve locken. Wenn seine Strategie aus Zuckerbrot und Peitsche mit mehr Peitsche als Zuckerbrot bei Mirdan aufging, würde er ihn zu einem starken Krieger formen können. „Ich spreche von den Genesianerinnen, Ausbilder!“, sagte Mirdan schließlich so fest er konnte. Dabei betonte er die Genesianerinnen besonders. „Wie sollen wir die deiner Meinung nach kriegen, he?!“, fragte Telzan streng. „Prätora Shashana ist gegen Sytanias Schliche gefeit! Sie ist zu schlau, um auf sie hereinzufallen. Was immer wir auch tun, oder was immer wir ihr auch erzählen mögen, sie wird immer auf der Hut sein! Sie kennt Sedrin El Demeta und die kennt Sytania zur Genüge. Shashana hat von ihr viel zu viel gelernt! Sie wird nicht …“ „Aber ich will Shashana doch auch gar nicht.“, beschwichtigte Mirdan. „Nein, Ausbilder, es geht mir um etwas ganz anderes.“ Er machte eine dramatische Pause und fuhr dann fort: „Nicht alle Genesianerinnen waren mit Shashanas jüngster Politik einverstanden. Einige dieser abtrünnigen Prätoras sind mit ihren Clans an den Rand des genesianischen Reiches gezogen. So weit von Shashana weg, wie es nur eben geht, wie ich hörte. Vielen von ihnen gefällt vor allem Shashanas neueste Politik bezüglich der Freiheit der Männer nicht. Überleg doch, Ausbilder! Wen macht Valora für ihre seelischen Wunden verantwortlich?“ „Invictus!“, grinste Telzan, dem so langsam klar wurde, worauf Mirdan hinaus wollte. Er wollte seinen Schüler aber dazu bringen, seinen Gedanken weiter zu spinnen. Außerdem wollte er sehen, ob beide die gleiche Idee gehabt hatten. „Die Abtrünnigen.“, sagte Mirdan. „Sind sehr radikal, was die Behandlung von Männern und deren Sünden und Verfehlungen angeht. Hier treffen sich ihre und Valoras Ziele. Es dürfte ihr ein Leichtes sein, sich als ihre Verbündete, oder vielleicht sogar als ihre Göttin zu verkaufen. Das Ganze dürfte sogar vor Shashanas Augen geschehen. Denn sie muss ja schließlich über einen drohenden Bürgerkrieg informiert sein. Sonst macht es ja keinen Sinn. Wenn sie also die ach so verblendeten Kräfte im eigenen Reich mit allen Mitteln bekämpfen muss, kann sie nicht der Föderation helfen.“

Telzan schluckte seinen Fleischrest herunter, der die gesamte Zeit über, in der er seinem Schüler jetzt geduldig zugehört hatte, in seiner rechten Backentasche geruht hatte. Dann sagte er, während er sich die Hände mit ein paar Blättern säuberte, sich dann damit auf seine Schenkel klopfte und breit grinste: „Aus dir, Mirdan, wird noch einmal ein exzellenter Stratege werden, fürwahr!“ „Du bist also mit meinem Plan einverstanden, Ausbilder?“, versicherte sich Mirdan. „Und wie ich das bin, mein bester Schüler!“, sagte Telzan. „Und wie ich das bin! Rasch! Lass uns zu den Pferden zurückkehren und wieder zu Sytania reiten. Ihr werden wir dann deinen Plan präsentieren. Ich bin sicher, er wird ihr genauso gut gefallen, wie er mir gefallen hat! Zur Belohnung darfst du ihn ihr auch allein erklären! Über die genauen Details können wir ja dann immer noch mit ihr und Valora sprechen, wenn es so weit ist. Wie ich die Situation einschätze, wird das nicht das Einzige sein, was sie heute in gute Stimmung versetzt hat.“ „Was meinst du, Ausbilder?“, fragte Mirdan. „Denkst du, sie hat gespürt, dass sich Valora ihr angedient hat?“ „Sicher.“, sagte der Vendar-Anführer. „Sie hat ja ihre eigene Macht mit der von Sytania vereint, als sie ihr Brandzeichen angenommen hat. Das wird unserer Herrin sehr gefallen haben. Aber nun komm! Wir sollten sie nicht länger warten lassen.“

Er warf die Reste ihrer Mahlzeit auf den Boden. „Das ist für die Füchse.“, sagte er. „Die müssen ja schließlich auch leben.“ Dann machte er eine auffordernde Geste in Mirdans Richtung: „Los jetzt! Oder willst du hier Wurzeln schlagen wie die Bäume?“ Mirdan schüttelte entschlossen den Kopf und folgte ihm.

Cirnach war in Sytanias Schloss angelangt und hatte ihren Thronsaal erreicht. Hier hatte einer der Wächter, ein ihr und Telzan untergebener Vendar, die schwere Tür geöffnet und sie angekündigt. Jetzt stand sie neben der Prinzessin, die auf ihrem Thron saß und die Vendar erwartungsvoll ansah. „Was führt dich zu mir, Cirnach?“, fragte Sytania. „Ich habe eine Entdeckung gemacht, Herrin.“, sagte Cirnach und zog das Pad aus der Tasche ihrer Uniform. „Eine Entdeckung hast du also gemacht.“, sagte Sytania etwas gelangweilt. „Nimm es mir nicht übel, aber primitive Technologie langweilt mich doch zutiefst. Ich hoffe, dass sich hinter diesem Pad etwas verbirgt, das sich lohnt angesehen zu werden.“ „Mit Verlaub, Gebieterin.“, entgegnete Cirnach mit einem teuflischen Grinsen auf den Lippen. „Es wird Euch gefallen, was ich Euch zu zeigen habe. Das Opfer Eurer kostbaren Zeit wird also nicht umsonst gewesen sein, was ich Euch sage. Es war sogar sehr gut, dass ich Technologie benutzt habe. Sonst hätte ich die Informationen, die ich Euch jetzt geben kann, sicher nicht bekommen können. Tolea hätte dann nämlich sofort …“ „Tolea!!!!“, kreischte Sytania so laut, dass selbst die Wände erzitterten. „Was hast du mit diesem Weib zu schaffen, das sich mit Sterblichen abgibt und auch noch auf deren Seite ist! Ich verlange sofort eine Erklärung! Sofort, Cirnach!“

Die Vendar atmete tief durch, machte ein betont entspanntes Gesicht und sagte dann: „Ausspioniert habe ich sie für Euch, Herrin. Dazu habe ich die Sensorenplattform benutzt, die uns Vendar gehört. Ich bekam heraus, dass Toleas Alarmglocken geläutet haben, was Eure Pläne angeht. Sie will ihren Diener Diran benutzen, um allen Vendar zu erzählen, was Ihr vorhabt. Die sollen es dann ihrerseits wieder ihren Herren und Verbündeten sagen. Aber wir, Herrin, wir haben auch eine Chance, etwas von dem Wissen und von ihren Plänen abzugreifen, wenn wir es richtig anstellen.“

Sie rief die Datei im Pad auf und zeigte Sytania die Bilder. „Das sind deine Lippen und die von Tolea.“, stellte die imperianische Königstochter fest. „Genau.“, sagte Cirnach. „Und was fällt Euch auf?“

Wieder zeigte sie Sytania die Bilder. Dieses Mal aber mit Ton und Animation. Den gab es ja zumindest bei ihrer eigenen Aufzeichnung. „Das Bannwort!“, rief Sytania begeistert aus. „Oh, Cirnach. Sie muss nicht ganz bei sich gewesen sein! Sie war sicher durch ihre Vision sehr verwirrt und geschockt. Dabei hat sie gar nicht gemerkt, was für einen großen Fehler sie gemacht hat! Der arme bedauernswerte Diran wird also zum Verräter werden können, ohne es zu wollen.“ Sie lachte gemein. „Ja.“, bestätigte Cirnach. „Muss er doch jedem, der von seiner Art ist, jetzt davon berichten, soweit ich es von Toleas Lippen lesen konnte. Tolea hätte eben besser aufpassen müssen, was sie befiehlt, wenn sie einen Vendar unter den Bann stellt.“ „Das stimmt.“, sagte Sytania. „Aber das hat sie nicht.“ Beide Frauen lachten böse.

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