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Joran war nach einem langen erquickenden traumlosen Schlaf in seinem Bett in seinem und Jennas Quartier erwacht. Es war zwar schon drei Uhr am Nachmittag gewesen, aber das nahm ja nicht Wunder, wenn man bedachte, dass er gerade eine anstrengende Nachtwache in der Kommandozentrale hinter sich gebracht hatte. Er fühlte sich sehr wohl. So wohl, wie er sich meistens am Anfang eines Sifa-Zyklus fühlte. Dieses Gefühl war für ihn normal. Er hatte nur noch nicht so früh damit gerechnet.

Er stieg aus den warmen weichen in bunten Frühlingsfarben gehaltenen Kissen und tippte mit seinem rechten Zeigefinger auf ein Feld an seinem Nachttisch. Augenblicklich öffnete sich die Schublade und er nahm eine kleine lederne Hülle heraus, die rot war und von vendarischen Hieroglyphen verziert wurde. Den kleinen Knebel, welcher die Hülle verschloss, drehte er nur etwas herum, bis er durch das Knopfloch am Deckel passte. Dann zog er ihn heraus und öffnete den Deckel. Zum Vorschein kam ein kleiner Kristall, den sich Joran sofort mit einer Hand in den Nacken legte. Genau dorthin, wo sich seine Sifa befand. Dann sah er wie gebannt auf das Display seines Sprechgerätes, das auf dem Nachttisch stand. Drei Minuten lang verharrte der Vendar in dieser Stellung. Eine Zeit, die ihm besonders lang vorkam.

Endlich hatte der Zeitmesser seines Sprechgerätes die letzte Sekunde gezählt. Erleichtert nahm Joran den Kristall aus seinem Nacken und sah ihn sich an. Er hatte sein Aussehen von weiß auf pechschwarz verändert. Das war einer chemischen Reaktion zwischen seiner Sifa und dem Kristall geschuldet. „Na ja.“, stellte Joran fest. „Dann werde ich Ishan wohl etwas früher aufsuchen müssen, um mir das Medikament geben zu lassen, das meiner Sifa das Tragen eines Energiefeldes vorspielt, damit ich nicht zur Gefahr für meine telepathischen Kameraden werde. Aber jetzt werde ich erst einmal in aller Ruhe frühstücken und mich dann waschen.“

Er drehte sich der kleinen Konsole zu, die direkt gegenüber seines Bettes war. Dort hatte er in einer Art digitalem Bilderrahmen ein Bild von Jenna, das er jetzt zärtlich in die Hand nahm, um es mit sich zu dem braunen Tisch im Wohnzimmer seines Quartiers zu tragen. Dort stellte er es genauso zärtlich genau in der Mitte ab. Das war eine Tradition, die er eingeführt hatte, wenn sie ihm keine Gesellschaft leisten konnte.

Der Vendar drehte sich dem Replikator zu: „IDUSA, ich würde gern frühstücken.“ „Oh sicher, Joran.“, entgegnete die elektronische Stimme des Rechners freundlich. „Möchten Sie Tchalback wie immer?“ „In der Tat!“, lächelte Joran mit einem sehr sicheren Ausdruck im Gesicht. „Aber dieses Mal nehme ich Tchalback A la Sternenflotte, denke ich. Du weißt schon. Das ist das mit Schafskäse drin.“ „Das ist das Rezept, auf das Allrounder Scott Sie brachte, nicht wahr? Deshalb haben Sie es auch unter Tchalback A la Sternenflotte in meiner Datenbank abgespeichert.“ Joran bestätigte nur mit einem Kopfnicken und einem fast lasziv anmutenden Blick. „Sie müssen das ja sehr genießen.“, analysierte der Rechner. „Das tue ich auch.“, gab Joran zu. „Aber das ist auch meinem Zustand geschuldet. Wenn du mich scannst, dann wirst du feststellen, dass ich am Anfang eines neuen Sifa-Zyklus bin. Eine Woche früher als sonst. Das ist nicht schlimm. Es ist nur ungewöhnlich.“ „Soll ich Ishan bereits informieren?“, fragte IDUSA. „Das wird nicht nötig sein.“, sagte Joran. „Das tue ich schon selbst. Aber du könntest mir tatsächlich noch einen Gefallen tun. Repliziere mir bitte noch ein großes Glas terranischen Ananassaft. Meine Telshanach liebt ihn und ich möchte gern wissen, ob er wirklich so gut ist.“ „In Ordnung.“, sagte IDUSA und ließ ein Licht am Auswurffach des Replikators aufleuchten.

Joran drehte sich diesem zu und entnahm ein Tablett aus dem Fach, auf dem sich eine große weiße bauchige Schüssel mit Tchalback mit Schafskäse in extra großen Würfeln garniert mit einer Olive, ein großer Löffel, einige Servietten und ein einem mittelalterlichen Bierhumpen nachempfundener weißer bauchiger Krug aus Steingut mit dem gewünschten Ananassaft darin befanden. Dies alles trug er nun zu seinem Platz. Dabei sah er das Essen an, als wollte er es bereits mit den Augen verschlingen. „Geben Sie mir bitte Bescheid, wie Ihnen der Saft gefallen hat!“, bat IDUSA noch über den Lautsprecher. „Das werde ich tun, IDUSA.“, sagte Joran. „Das dachte ich mir.“, sagte der Rechner. „Immerhin sind Sie als ein Mann bekannt, der sein Wort hält.“ „Korrekt.“, sagte der Vendar gleichmütig.

Joran drehte Jennas Bild mit dem Gesicht in seine Richtung. Dann wendete er sich dem Glas auf seinem Tablett zu und hob es an die Lippen. Dabei sagte er: „Dies probiere ich für dich, Telshanach!“, und nahm einen für uns sicher riesig anmutenden Schluck. Dann ließ er den Humpen wieder sinken, leckte sich die Lippen, flüsterte etwas in seiner Muttersprache, die vom Klang her auch Elemente aus dem Arabischen oder dem Altägyptischen enthalten könnte, in seinen Bart, holte tief Luft und stieß laut auf. Dieses Verhalten zeigte er normalerweise nur dann, wenn er allein war. Allein wähnte er sich auch jetzt. An IDUSA, die ja immer da war, hatte er nicht mehr gedacht. „Mahlzeit, Joran.“, sagte der Rechner nüchtern. „Mir ist bekannt, dass in Ihrem Kulturkreis ein solches Verhalten verdeutlichen soll, dass es Ihnen sehr gut geschmeckt hat. Nur, denke ich, dürfte dies jetzt der gesamten Station bekannt sein bei der Lautstärke.“ Joran drehte sich dem Mikrofon verschämt zu: „Vergib mir, IDUSA.“ „Schwamm drüber.“, sagte IDUSA. „Ich werde es niemandem sagen, wenn Sie es nicht wünschen.“ „Ich wünsche es nicht.“, sagte Joran. „Also gut.“, sagte der Rechner. „Aber ich darf dann doch wohl annehmen, dass Ihnen der Saft schmeckt?“ „In der Tat.“, sagte Joran und seine Zunge glitt aus seinem Mund, um einige Runden um denselben zu drehen. „Es ist noch genug da.“, beruhigte ihn IDUSA. „Ihr Krug ist noch bis zur Hälfte gefüllt.“ „Na dann!“, sagte Joran und widmete sich seinem Frühstück.

Jenna und Shannon waren im Maschinenraum von Zirells Basis ohnehin gerade mit der Wartung von Jorans Schiff beschäftigt, als sie Zirells Ruf erreichte. „Kümmert euch bitte um Jorans Schiff.“, sagte die Kommandantin. Shimar benötigt seine Unterstützung.“ „Wir sind eh gerade dabei, Zirell.“, hatte Shannon an der Sprechanlage entgegnet, an der sie das Gespräch entgegengenommen hatte. „Die Systeme der Station brauchen uns im Moment nicht. Sie schnurren wie ein Haufen sich sehr wohl fühlender Kätzchen.“ „Dann ist ja gut.“, sagte Zirell. „Sobald ich Joran erreicht habe, schicke ich ihn zu euch.“ „Is’ geritzt.“, antwortete die blonde Irin flapsig und beendete die Sprechverbindung.

Jenna war an ihre Assistentin herangetreten. „Was ist los, Shannon?“, fragte sie. „Ach.“, machte die Angesprochene. „Wir sollen nur das tun, mit dem wir sowieso schon gerade beschäftigt sind. Zirell will, dass wir das Schiff von Ihrem Freund auf Herz und Nieren untersuchen. Sie hat gesagt, Shimar würde ihn brauchen. Er schafft da wohl was nicht ganz allein.“ „Also gut.“, sagte Jenna und holte ihre Werkzeugtasche, die sie kurz abgestellt hatte, von der Konsole. Dann begleitete sie Shannon an Bord von Jorans Schiff, einer nagelneuen IDUSA-Einheit, die dem Vendar erst vor kurzer Zeit vom tindaranischen Militär zur Verfügung gestellt worden war. Die Zusammenkunft hatte das aber nur erlaubt, weil es auf Zirells Basis eine Sondersituation gab. 281 Alpha war die einzige Station mit zwei gleichwertigen Patrouillenfliegern und Joran hatte außerdem noch einen Sonderstatus, da er der einzige war, der sich ausreichend mit Sytania auskannte, die ja die größte Feindin der Tindaraner war.

Die beiden Technikerinnen schlossen ihre Neurokoppler an zwei Ports in IDUSAs Cockpit an, was das Schiff sofort veranlasste, ihre Reaktionstabellen zu laden. Dann sahen sie in das Gesicht eines freundlich lächelnden Avatars. „Hallo, Jenna, hallo, Shannon.“, begrüßte sie diese. Was verschafft mir die Ehre, dass Sie mich zu zweit warten?“ „Offensichtlich.“, antwortete Jenna. „Muss es schnell gehen, IDUSA. Joran und du, ihr müsst Shimar und seinem Schiff helfen. Aber Shannon weiß da wohl mehr. Sie hat mit Zirell gesprochen.“

Der Avatar warf Shannon einen auffordernden Blick zu. „Genaues weiß ich leider auch nicht, IDUSA.“, gab die blonde Irin zu. „Zirell hat nur eine Andeutung gegenüber mir gemacht. Es ist wohl ziemlich dramatisch. Aber mehr weiß ich leider auch noch nicht.“

Jenna gab dem Schiff den Gedankenbefehl zum Einleiten einer Selbstdiagnose. Dann teilte sie die Arbeit ein: „Shannon, Sie gehen in die Wartungsschächte und schauen nach der Hardware, ich kümmere mich um IDUSAs Computer.“ „Also gut.“, sagte Shannon und ging wieder in Richtung Achterkabine, nachdem sie ihren Neurokoppler abgezogen hatte. Jenna und das tindaranische Schiff waren jetzt allein.

„Denken Sie, dass Shimar Diran gefunden haben könnte, Techniker McKnight?“, fragte das Schiff. „Ich denke schon.“, antwortete Jenna. „Aber irgendwas scheint da nicht zu stimmen. Zirell würde Joran mit Sicherheit nicht hinterher schicken, wenn da nicht etwas Schlimmes passiert wäre.“ „Glauben Sie an die Theorie von Sianach?“, wollte IDUSA wissen.

Jenna fuhr zusammen. „Woher weißt du das denn?!“, fragte sie mit etwas Entsetzen in der Stimme. Sie wusste genau, dass Zirell eigentlich strenge Order gegeben hatte, dass, solange noch nichts bewiesen war, die Sache mit dem Bann nicht an die große Glocke gehängt werden sollte. „Die IDUSA-Einheit der Station war so frei, mir über die Sache zu berichten.“, erklärte das Schiff. „Aber Sie und ich wissen, dass wir sehr gut im Bewahren von Geheimnissen sind.“ „Das stimmt.“, bestätigte Jenna. „Und von mir wird auch niemand etwas erfahren.“ Sie hob ihre rechte Hand, als wollte sie es dem Schiff gegenüber schwören.

Die Technikerin zog ein Pad aus ihrer Tasche und schloss es an einen Port an. „Was bedeutet das, Techniker McKnight?“, fragte IDUSA. „Das ist nur das externe Sicherheitsprogramm.“, sagte Jenna beruhigend. „Das kennst du doch schon.“ „Ach ja.“, erkannte das Schiff. „Aber ich scheine mit meiner Software wohl nicht ganz bei der Sache. Bitte entschuldigen Sie. Es war nicht böse gemeint. Ich wollte auf keinen Fall Ihre Arbeit behindern.“ „Ist schon gut, IDUSA.“, sagte Jenna. Dann aber fiel ihr vor Staunen die Kinnlade herunter. „Das könnt ihr also auch schon simulieren?“, fragte sie. „Was meinen Sie genau, Techniker?“, fragte IDUSA. „Ich meine, dass ihr also auch schon simulieren könnt, mit euren Gedanken nicht ganz bei der Sache zu sein. Ihr kommt uns organischen Wesen ja wirklich immer näher. Da tut die tindaranische Rechtsprechung wirklich gut daran, wenn sie euch mit uns gleichsetzt. Aber sag mir doch mal den Grund, aus dem du nicht ganz bei der Sache bist. Vielleicht kann ich dir ja auch helfen. Ich meine, es wäre bestimmt nicht gut, wenn du bei deiner Mission so durch den Wind bist, dass Joran wegen dir in Schwierigkeiten gerät.“ „Meinen Piloten in Schwierigkeiten zu bringen liegt mir fern.“, antwortete das Schiff. „Aber glauben Sie wirklich, dass Sie in der Lage sind, mir zu helfen? Ich meine, Sie sind Ingenieurin und keine Psychologin. Im Allgemeinen …“ „Und du bist ein Raumschiff und keine Organische.“, sagte Jenna. „Auch wenn du die gleichen Rechte und Pflichten vor dem Gesetz hast. Aber rein technisch gibt es da doch noch gravierende Unterschiede und wer könnte dir da besser helfen als ein Ingenieur oder eine Ingenieurin?“ „Da haben Sie Recht.“, gab IDUSA zu. „Also.“, sagte Jenna. „Wo klemmt denn die Festplatte?“ „Wissen Sie.“, sagte IDUSA. „Ich sorge mich um unser aller Sicherheit. Die Dimensionen scheinen doch sehr angegriffen zu sein und niemand, noch nicht einmal Sie, scheint die Ursache zu kennen. Wie wird das nur weitergehen?“ „Oh, IDUSA.“, sagte Jenna langsam und beruhigend. „Ich bin sicher, da wird schon irgendwann eine Lösung gefunden werden. Aber vielleicht kannst du ja auch indirekt dazu beitragen, indem du dich mit Joran um das kleine Problem kümmerst, das Shimar wohl nicht allein lösen kann. Damit würdet ihr ihn sicher schon sehr entlasten und er könnte sich um alles andere kümmern. Aber dazu musst du wirklich voll bei der Sache sein, IDUSA.“ „Ich danke Ihnen, Techniker McKnight.“, sagte Jorans Schiff. „Aber Sie scheinen auch nicht ganz bei der Sache zu sein. Ich nenne Sie die ganze Zeit über Techniker McKnight und das wundert Sie nicht im Geringsten.“

Jenna stutzte. Ihr war tatsächlich erst jetzt aufgefallen, wie Recht das Schiff mit ihrer Einlassung gehabt hatte. Sie hatte aber auch gleich eine Erklärung parat. „Ich denke.“, sagte sie. „Dass ich das auch schon von Agent Maron gewohnt bin, der leider immer noch nicht aus seiner Haut kann, was alte Gewohnheiten von der Sternenflotte angeht. Er siezt mich ja auch, nur weil ich Terranerin bin. Aber mit Shannon macht er es ja genauso. Ich verstehe schon, was dich stört. Aber du kannst mich ruhig weiterhin Jenna nennen. Einen tindaranischen Ingenieur würdest du ja auch nicht mit Nachnamen ansprechen.“ „Das würde ja auch nicht möglich sein.“, sagte IDUSA. „Weil er so etwas im eigentlichen Sinne ja gar nicht hat. Aber trotzdem danke für die Erlaubnis, Jenna.“ „Gern geschehen, IDUSA.“, lächelte McKnight und setzte ihre Arbeit fort.

Shannon war wieder aus den Wartungsschächten gekommen. „Es sieht alles sehr gut aus, Jenn’.“, meldete sie etwas flapsig gegenüber ihrer Vorgesetzten. „Die Befürchtung, IDUSA sei nicht ganz dicht oder hätte einige Schrauben locker, kann ich also nich’ bestätigen.“ „Das kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen, Shannon.“, sagte Jenna und musste lachen. „Bei mir war auch alles ohne Befund. „So, so.“, sagte Shannon. „Und was is’ mit dem Leck in der Warpplasmaleitung, das sie neulich gemeldet hat?“ „Oh, da gab es kein Leck, Assistant.“, sagte Jenna. „Das lag nur an einem defekten Sensor, den ich doch letzte Woche längst ausgetauscht hatte. Der hat ihr das eingeredet. Erinnern Sie sich?“ „Ach ja.“, sagte Shannon. „Jetzt fällt es mir auch wieder ein. Na dann is’ ja alles in Butter und wir warten nur noch auf den Ehrengast.“ „Genau.“, bestätigte Jenna.

Joran hatte inzwischen sein Frühstück beendet. Er hätte aber am liebsten den Teller und das Glas noch so lange ausgeschleckt, bis sie blitzsauber gewesen wären. Er bedauerte sehr, dass in seinem Glas nicht noch mehr von dem guten Ananassaft gewesen war. Obwohl er sich den allerletzten Schluck noch bis zum Ende aufgehoben hatte, war es für ihn eine große Enttäuschung, feststellen zu müssen, dass sein Glas leer war.

Er sah kurz auf den Zeitmesser an seinem Sprechgerät und beschloss, sich noch ein Glas voll zu gönnen, denn seine nächste Schicht würde im Normalfall erst in zwei Stunden beginnen. Was Zirell für ihn geplant hatte, wusste er ja noch nicht.

Er stand also auf und ging in Richtung des Replikators. Dabei sprach er vor sich hin: „Oh ihr Götter! Womit habe ich so etwas Gutes nur verdient wie diesen …“

Ein jähes Geräusch ließ ihn innehalten und sich umdrehen. Das Geräusch war von der Sprechanlage verursacht worden, die jetzt nach seiner Aufmerksamkeit piepte. Im Display sah der pflichtbewusste Vendar sogleich das Rufzeichen des Arbeitsplatzes seiner Kommandantin. Er nahm das Mikrofon in die Hand und drückte den Sendeknopf: „Was gibt es, Anführerin Zirell?“ „Es tut mir leid, dass ich dich wecken muss, Joran.“, sagte Zirell. „Aber Shimar braucht deine Hilfe. Jenna und Shannon warten bereits dein Schiff. Bevor du fragst: Sie tun es deshalb zu zweit, damit es schneller geht. Wir haben eine Situation, in der es um Leben und Tod für Diran geht. Du musst ihn Shimar abnehmen. Er hat nämlich andere Befehle. Bring ihn bitte sofort her und übergib ihn dann an Ishan. Er wird sich um den Rest kümmern. Aber Shimar wird dir noch etwas mitgeben, was du Agent Maron geben wirst.“

Joran war erschrocken. Die Erwähnung des Namens eines seiner besten Freunde und die Schilderung der Situation, in der er sich offensichtlich befand, hatten ihn kurz zur Salzsäule erstarren lassen. Dann aber löste er sich wieder aus dieser Haltung und sagte: „Ich werde mich sofort darum kümmern, Anführerin!“ Dann beendete er die Verbindung und verließ schnellen Schrittes das Quartier. Seinen eigenen zustand, der für Shimar durchaus eine Gefahr bedeuten konnte, hatte er in diesem Moment völlig vergessen.

Jenna und Shannon hatten alle Luken an Jorans Schiff wieder geschlossen und waren an ihren Arbeitsplatz im Maschinenraum der tindaranischen Basis zurückgekehrt. Hier vertrieben sie sich jetzt die Zeit mit warten. Dabei unterhielten sie sich über dieses und jenes. Vor allem interessierte Shannon, was aus der Sache mit dem Ananassaft geworden war. Joran hatte nämlich in ihrem Beisein einmal davon gesprochen, ihn irgendwann einmal probieren zu wollen. „Denken Sie, er macht es bald?“, fragte sie in Jennas Richtung. Die hoch intelligente Halbschottin, die sich im Gegensatz zu ihrer Assistentin an solchen Trivialitäten nicht lange aufhielt, sah sie fragend an: „Was meinen Sie, Shannon.“ „Stichwort Ananassaft.“, grinste die blonde Irin. „Ich wette mit Ihnen, dass er mit diesem feierlichen Tun wartet, bis Sie bei ihm sind.“ „Na gut.“, sagte Jenna. „Die Wette gehe ich ein. Aber Sie kennen Joran nicht. Ich wette mit Ihnen, dass er es bereits getan hat und mir mit Absicht nichts davon gesagt hat, weil er einen Weg finden will, mich damit zu überraschen.“ „Na gut.“, sagte Shannon. „Die Wette steht wie ’ne Eins. Ach, Jenn’, um was wetten wir eigentlich?“ „Na, lassen Sie mich mal überlegen.“, sagte Jenna. „Wie wäre es, wenn wir um die nächste Schicht hier wetten. Die Gewinnerin bekommt frei.“ „Einverstanden.“, sagte Shannon. „Dann würde ich aber an Ihrer Stelle schon mal meinen Kaffeevorrat auffüllen, damit Sie wach bleiben.“ Sie grinste.

Joran hatte den Maschinenraum betreten. Sein Weg führte den Vendar sofort zu Jenna, die er gleich mit seinen scharfen Augen erspäht hatte. Er umarmte sie und drückte ihr einen feurigen leidenschaftlichen Kuss direkt mitten auf den Mund. Dabei musste er sich so angestrengt haben, dass er wirklich etwas außer Atem kam. Aber genauso gut konnte das auch an der Erregung liegen, in die ihn ihr Anblick regelmäßig versetzte. Dann sagte er: „Guten Morgen, Telshanach und auch dir einen guten Morgen, Shannon O’Riley. Ich würde sehr gern noch bei euch bleiben, aber Anführerin Zirell hat leider sehr dringende Befehle für mich. Ist mein Schiff flugbereit?“

Jenna stand einfach nur da und schmachtete zu ihm hoch. Zu ihm, der mit seinen 2,30 m weitaus größer als sie war. Weiter aber tat sie nichts, was dann dazu führte, dass Shannon ihn angrinste und sagte: „Also gut, Grizzly. Dann muss ich das Heft wohl in die Hand nehmen. Komm mal mit mich mit!“

Sie führte ihn zu seinem Schiff, das er sofort bestieg und dem er dann befahl, die Abdockprozedur einzuleiten. Dann kehrte sie zu Jenna zurück, die noch immer nichts an ihrer Haltung verändert hatte. „Was is’ mit Ihnen denn los?“, flapste sie Jenna entgegen. McKnight reagierte nicht. „Hey, Jenn’!“, sagte Shannon jetzt etwas lauter. „Jemand zu Hause?“

Shannon knuffte sie unversehens in die rechte Seite. Sie wusste, dass Jenna hier kitzelig war. „Was soll das?!“, entfuhr Jenna schließlich ein spitzer Schrei. „Es is’ mir gerade scheißegal, ob sie mich wegen tätlichen Angriffs auf eine Vorgesetzte vor das tindaranische Kriegsgericht schleifen wollen!“, schnodderte ihr Shannon zu. „Aber ich will jetzt endlich wissen, was hier gerade los war! Und tut mir leid! Aber irgendwie musste ich Sie ja wieder in die Realität zurückholen.“ „Ist schon gut.“, sagte Jenna. „Vor Gericht werde ich Sie nicht bringen. Es war ja auch nur, weil er nach Ananassaft geschmeckt hat. Nach Ananassaft! Verstehen Sie, Shannon? Ich denke jetzt ist klar, wer hier den vielen Kaffee trinken muss, um wach zu bleiben.“ Die blonde Irin machte ein mürrisches Gesicht und gab einen auf Missfallen hindeutenden Laut von sich. Dann sagte sie: „Hätte ich da bloß nich’ von angefangen.“ „Tja.“, sagte Jenna. „Man muss eben aufpassen, welche Geister man ruft, Assistant. Ist er schon weg?“ Shannon nickte und zeigte in Richtung Fenster, hinter dem Jorans Schiff als immer kleiner werdender Schatten gerade noch zu sehen war. Jenna warf ihm noch einen schmachtenden Blick hinterher. Dann hauchte sie säuselnd: „Ananassaft.“

Auch Shimar und sein Schiff waren in Wartestellung. Aber der Avatar zeigte deutliche Anzeichen dafür, dass ihr wohl etwas auf der Seele lag. Jedenfalls sah sie Shimar entsprechend an. „Was gibt es denn, IDUSA?“, fragte der junge Tindaraner Anteil nehmend. „Ich denke, dass Zirell sich von ihren Gefühlen hinreißen lassen hat, als sie Ihnen unsere neuen Befehle übermittelte. Ich hoffe, Sie nehmen diese nicht all’ zu wörtlich. Tolea dürfte nicht sehr erbaut darüber sein, wenn sie von Ihnen auf ihren Fehler aufmerksam gemacht wird. Sie mag zwar keine von den alten Q mehr sein, die dies zweifelsfrei als Anmaßung betrachten würden, aber ich bin sicher, sie wird selbst schon gesehen haben, was sie da angerichtet hat und das wird sie traurig bis depressiv stimmen. Eine depressive Q dürfte in meinen Augen ähnlich zu bewerten sein wie ein verwundetes Tier, wenn es seinem Jäger gegenübersteht, nämlich als sehr gefährlich! Zumindest deuten alle Simulationen, die ich mit den Daten, die ich bisher von Tolea sammeln konnte, durchgeführt habe, darauf hin. An Ihrer Stelle würde ich extrem vorsichtig sein, Shimar. Wenn Sie Zirells Befehle wörtlich nehmen sollten, was das Herzerren Toleas angeht, käme ich auch in einen schweren Datenkonflikt. Es stünden sich die Direktive, dass ich Sie schützen soll und die, dass ich, wie Sie auch, unter Commander Zirells Kommando stehe, gegenüber. In diesem Fall müsste ich mich weigern, Sie ins Raum-Zeit-Kontinuum zu bringen.“ „Keine Sorge, IDUSA.“, sagte Shimar. „Zirell weiß das ja auch und sie hat mir ja nicht umsonst freie Hand gegeben, was die Ausführung ihrer Befehle angeht. Sie weiß, dass ich nicht dumm bin und schon weiß, wie man mit einer in die Enge getriebenen, vielleicht sogar depressiven, Q umgeht. Öffne mal die Datenbank mit den Neuralmustern. Dann zeige ich dir was.“ „Also gut.“, sagte IDUSA und tat, was ihr Shimar soeben befohlen hatte.

Der junge Tindaraner begann damit, sich auf jenes Vorhaben, das er seinem Schiff zeigen wollte, zu konzentrieren. Das bedeutete, Dass er sich das Gefühl vorstellte, das er hatte, wenn er Kairons Gegenwart wahrnahm. Dies kam bei IDUSA als Negativ zu Kairons Neuralabdruck an, den sie durchaus in ihrer Datenbank finden konnte. „Ich verstehe nicht.“, sagte das Schiff. „Commander Zirells Befehl an uns lautete eindeutig, nach Tolea zu suchen und nicht nach Kairon. Außerdem können Sie ja Ihre telepathischen Fühler nicht so einfach über die dimensionalen Grenzen hinaus benutzen. Welchen Zweck verfolgen Sie also mit diesem Tun?“ „Ganz einfach.“, erklärte Shimar. „Ich habe dir doch gerade gesagt, dass ich nicht so verrückt sein werde und mich mit Tolea anlegen werde. Schon gar nicht in dem Zustand, in dem sie jetzt vielleicht ist. Ich denke nämlich, dass du mit deiner Analyse ihres seelischen Zustands durchaus Recht haben könntest. Nein, nein! So dumm bin ich nicht. Es kann also nicht schaden, sich von Zeit zu Zeit mal etwas Unterstützung zu besorgen. Kairon würde uns bestimmt helfen. Er hat sicher ein Interesse daran, dass die Dimensionen heil bleiben und wenn er dafür seine Schwester wachrütteln muss, wäre das sicher auch kein Problem für ihn. Ich denke nur, dass wir ihn zunächst einmal darüber informieren müssen. Offenbar hat sich Tolea mit dem, was sie getan hat, telepathisch von ihm abgeschirmt. Also weiß er vielleicht gar nicht, was sie getan hat. Das heißt, wir müssen es ihm wohl oder übel sagen. Dass er das nicht sehr schön finden wird, lässt sich denken und er wird vielleicht auch wütend auf Tolea werden, aber das müssen wir riskieren. Ich weiß auch, dass ich Kairon so nicht finden kann. Aber das war ja auch nur für dich. Du solltest erfahren, was ich vorhabe. Dass ich es erst im Raum-Zeit-Kontinuum wirklich anwenden werde, versteht sich von selbst.“

Der Avatar des tindaranischen Patrouillenschiffes atmete erleichtert auf und löste sich aus ihrer starren Haltung. Dann sagte sie: „Wissen Sie was? Ich bin heilfroh, dass ich Sie als Piloten habe und nicht irgendeinen hirnampotierten Befehlsempfänger!“ „IDUSA!“, rief Shimar aus. „Woher nimmst du eigentlich diese Art von Sprüchen?!“ „Sie wissen.“, sagte das Schiff. „Dass Miss O’Riley von Zeit zu Zeit meine Sprachroutinen etwas aufpeppt.“ „Oh ja.“, sagte Shimar. „Das weiß ich sehr genau und es gefällt mir! Das kannst du ihr ruhig sagen.“

Er setzte sich zurecht. „Es wird wohl noch etwas dauern, denke ich, bis Joran hier eintrifft. Wie geht es Diran?“ „Dank Ihres Eingriffs.“, sagte IDUSA. „Ist er erst einmal stabil. Aber ich denke, Joran sollte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Dann könnte es nämlich für Diran auch kritisch werden. Selbst wenn ich Ihnen die nötigen Medikamente replizieren würde, dürften Sie ihm diese immer noch nicht verabreichen. Außerdem wissen wir ohne eine genaue Untersuchung gar nicht so genau, was Diran fehlt. Diese kann aber nur auf unserer Basis vorgenommen werden, weil es dort die nötigen Geräte und das nötige Fachpersonal gibt.“ „Ich weiß.“, sagte Shimar. „Dann werden wir wohl noch etwas länger warten müssen.“

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