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Kairon hatte inzwischen die Achterkabine von Shimars Schiff betreten. Hier hatte er sich zunächst etwas erschrocken, denn das, was er hier zu sehen bekommen hatte, war für ihn etwas eigentümlich. Auf dem Boden war ein Rasen und auch Kübel mit Blumen standen in den Ecken. Diese dufteten sogar. Auch die Luft erinnerte an die in einem Park. Sie war sogar leicht in Bewegung. Hätte es nicht die Sitze gegeben, dann hätte Kairon wetten können, dass er sich in einem Park in seiner Dimension oder auf irgendeinem Planeten befinden würde.

Der Mächtige fasste nach dem Neurokoppler, den er immer noch auf dem Kopf hatte. Das Kabel hing aber herunter, ohne dass es mit einem Port verbunden war. Es konnte also keine Simulation sein, was er dort sah. Mit Hilfe ihrer Umweltkontrollen, des Transporters und des Replikators musste IDUSA diese Umgebung tatsächlich geschaffen haben. Kairon dachte sich allerdings, dass das Gezwitscher von Vögeln, das er ebenfalls wahrnehmen konnte, wohl aus ihrem Bordlautsprecher kommen musste, der sich irgendwo hinter den Pflanzen versteckte. Sicher hatte sie dies mit Absicht so gemacht, damit er ihn nicht sah und es ihm leichter fiel, sich in ihrer Gegenwart zu entspannen.

Kairon sah sich weiter um. Er wusste, um mit ihr kommunizieren zu können, wäre eine Verbindung über den Neurokoppler von Vorteil. Nur konnte er die Ports, die dazu notwendig waren, leider nicht sehen. Er wusste jedoch, dass sie auch ein Mikrofon besaß.

Er setzte sich auf einen der Sitze, holte tief Luft, räusperte sich und sagte dann laut in den Raum: „Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, IDUSA. Aber wenn wir miteinander reden sollen, dann brauche ich einen Port für den Neurokoppler. Könntest du mir bitte einen ausleuchten? Du hast deine Technik nämlich so geschickt versteckt, dass …“

Weiter kam er nicht, denn im gleichen Moment zeigte sich ihm jene junge Tindaranerin, die er schon die ganze Zeit über im Cockpit gesehen hatte. Er war irritiert, sie vor seinem geistigen Auge zu sehen, obwohl er den Neurokoppler gar nicht eingesteckt hatte. „Hi.“, hörte er ihre ihm inzwischen sehr gut bekannte Stimme sagen. „Da bin ich schon.“ „Warum kann ich dich jetzt sehen und hören?“, fragte Kairon. „Weil es hier einen integrierten Simulator gibt.“, sagte IDUSA. „Techniker McKnight war so freundlich, ihn einzubauen.“ „Ich verstehe.“, sagte Kairon. „Also wieder eine dieser Sonderanfertigungen. Ich bin sicher, das hat sonst kein Schiff des tindaranischen Militärs.“ „Das stimmt in diesem Fall sogar.“, sagte IDUSA. „Aber viele von Techniker McKnights Erfindungen sind mittlerweile Standard bei uns geworden.“ „Interessant.“, erwiderte der Mächtige. „Aber mich würde mal was ganz anderes interessieren, IDUSA. Du kommunizierst jetzt gerade mit mir, aber Shimar und du, ihr müsst das ja auch tun. Wie geht das? Kannst du so etwas wie an zwei Orten gleichzeitig sein?“ „In gewisser Hinsicht.“, erklärte der Rechner. „Ich habe einfach einen zweiten Task geöffnet, in dem die Kommunikation zwischen uns beiden jetzt abläuft. Shimars und meine Kommunikation oder gar meine Reaktionsfähigkeit auf seine Befehle sind nicht beeinträchtigt.“ „Ach so.“, sagte Kairon.

Sie ließ es für ihn aussehen, als würde sie sich neben ihn setzen. Dann fühlte es sich an, als würde sie ihm ihre Hand auf die rechte Schulter legen. „Ich darf doch, oder?“, fragte sie. „Sicher.“, sagte Kairon. „Dein Befehl lautet ja, mich zu therapieren, wenn ich deinen Piloten richtig verstanden habe.“ Er gab einen schweren Seufzer von sich. „Mir ist durchaus verständlich, dass die Situation für Sie nicht einfach ist, Kairon.“, sagte IDUSA und ihr Avatar vor seinem geistigen Auge lächelte ihn an. „Mir ist klar, dass Sie sich sehr ohnmächtig fühlen müssen. Das ist für einen Mächtigen sicher kein gutes Gefühl.“ „Du hast Recht.“, gab Kairon schließlich zu und begann sogar zu weinen. IDUSA ließ ein Blinklicht über dem Auswurffach des Replikators aufleuchten, aus dem Kairon gleich darauf eine Packung Taschentücher zog, die er eilig aufriss, um einige davon sofort zu benutzen. „Was mache ich hier eigentlich?!“, fragte er schließlich mit etwas Wut in der Stimme, die aber auf keinen Fall ihr galt. Kairon war nur sauer auf sich selbst. „Ich sitze hier und heule einem Computer etwas vor!“ „Einem Computer.“, ergänzte IDUSA. „Der aber in der tindaranischen Rechtsprechung den gleichen Status wie ein Organischer genießt. Es wäre also das Gleiche, als sprächen Sie mit Shimar, zumindest rein juristisch. Aber ich weiß schon, was das Problem ist. Sie, als Mächtiger, können nicht damit umgehen, auch einmal machtlos zu sein und ihr Wohlergehen und das ihrer Schwester womöglich in die Hände von Sterblichen geben zu müssen. Ich kann das sehr wohl nachvollziehen. Mein Vergleich mit dem ersten Computer überhaupt kam nicht von ungefähr.“

Wieder verzog Kairon traurig das Gesicht. Jeder ihrer Sätze traf wie ein Pfeil in den mittleren Ring auf einer Zielscheibe. „Du.“, sagte Kairon schließlich. „Du gehst ja noch neutral damit um. Aber ich könnte mir vorstellen, dass so mancher Organische, wie du es nennst, mich gern fallen sehen hat und jetzt sicher über mich spotten würde angesichts der dummen Fragen, die ich schon gestellt habe. Dass dein Pilot fast an mir verzweifelt und sicher langsam stinksauer auf mich ist, weil er das Gefühl haben muss, ich würde die Operation eher behindern, als eine Hilfe zu sein, kann ich verstehen.“ „Shimar ist nicht sauer auf Sie.“, sagte IDUSA. „Er hat meinen Vorschlag nur angenommen, damit es für uns alle drei leichter wird.“ „Dann bin ich ja froh.“, sagte Kairon. „Weißt du, IDUSA, ich will mich ja gar nicht so verhalten, aber ich bin nun einmal ein blutiger Anfänger, was die direkte Zusammenarbeit mit Sterblichen auf ihre Art angeht. Sicher habe ich mir ein anderes Ziel gesetzt, aber …“ „Grau ist alle Theorie, doch für die Praxis taugt sie nie!“, stöhnte IDUSA. „Dazu kommt noch, dass Sie emotional involviert sind, weil es um Ihre Schwester geht. Aber vielleicht habe ich ja gerade das Passende für Sie.“

Wieder blinkte das Lämpchen am Auswurffach. Kairon drehte sich hin und holte ein Tablett heraus, auf dem ein Teller mit einem pilzähnlichen Gewächs stand. „Dieser Pilz enthält einen Wirkstoff.“, klärte IDUSA ihn auf. „Der bei sterblichen Telepathen in der Lage ist, die Kommunikation zwischen den zur Telepathie notwendigen Nervenzellen zu erleichtern. Theorien tindaranischer Ärzte nach könnte das auch bei Mächtigen funktionieren. Ich weiß, Sie benötigen sicher keine Almosen, aber schaden kann es bestimmt auch nicht. Wir können ja jetzt noch nicht sagen, wie sich die Situation entwickeln wird.“ „Also gut.“, sagte Kairon, nahm sich den Pilz und sah ihn sich an. „Muss ich damit noch irgendwas machen?“ „Nein.“, sagte IDUSA. „Einen Tipp hätte ich für Sie aber noch frei Haus. Shimar sagt, es empfehle sich, das Fruchtfleisch mitzuessen, statt den Pilz einfach nur auszusaugen, oder sich einen Sud zu bereiten, wie es die Meisten tun. Er hat mit so etwas Erfahrung Dank meines Freundes Kamurus. Eine lange Geschichte.“ „Na, wenn Shimar und dieser Kamurus das sagen …“, sagte Kairon und biss in den Pilz.

Als er damit fertig war, grinste er sie zufrieden an. „Also, dein Pilot und dieser Kamurus haben Recht. Das war wirklich gut. Du kannst … Warte mal!“

Er hatte etwas gespürt, das ihn gleichzeitig alarmiert, aber auch erfreut hatte. „Da draußen hat sich gerade etwas geändert.“, sagte er. „Ich glaube, irgendwas hat die Anführerin unserer Gegner so verwirrt, dass Toleas Verbindung zu ihr zusammengebrochen ist. Vielleicht können wir das ausnutzen!“ „Betrachten Sie diese Information als bereits bei Shimar.“, sagte IDUSA. „Sekunde.“, sagte Kairon. „Kannst du etwa Informationen von einem Task zum anderen verschieben?“ „Ich bitte Sie!“, antwortete IDUSA leicht genervt. „Kopieren und einfügen kann heute jeder primitive Hausrechner.“ „Ich fragte ja auch nur.“, sagte Kairon und stellte sich vor, ihr einen beschwichtigenden Blick zuzuwerfen. Dann sagte er nur noch: „Zeig mir die Tür. Ich muss wieder ins Cockpit!“ „OK.“, sagte das Schiff. „Wenn Sie sich wieder gut genug dafür fühlen?“ Kairon nickte energisch und sie leuchtete ihm zum Ausgang.

Caroline hatte sich tatsächlich mit der Besatzung der Electronica ausgetauscht. Diese Daten hatte sie auch an ihre Leute weitergegeben. Da sie auch den Schriftwechsel zwischen Sensora und ihr enthielten, war die Wirkung auf die anderen genauso wie bei ihr gewesen. Auch sie waren ob der Tatsache, dass eine Sternenflottenoffizierin zu solchen Worten griff, sehr verwirrt. Diese Verwirrung hatte auch bei ihnen ausgereicht, um für ein mittleres temporäres Chaos in ihren Köpfen zu sorgen. Das sorgte wiederum dafür, dass Toleas Verbindung zu ihnen abbrach. Dies teilte Hansson Yetron auch mit, als Sensora sie auf ihre Anfrage hin mit dem ersten Offizier verband. „Die ganze Situation beginnt langsam für mich Sinn zu machen, Agent.“, sagte sie. „Jetzt verstehe ich auch, warum ich mich gerade fühle, als sei ich aus einem Traum aufgewacht. Ich erinnere mich nur noch, dass ich nichts mehr wollte, als diesen Kometen zu zerstören. Aber es wurde uns doch allen immer beigebracht, dass Tolea und ihr Bruder unsere Freunde seien. Warum also wollte Tolea, dass wir eine solche Schuld auf uns laden, indem wir sie ermorden?“ „Darüber haben wir bedauerlicherweise noch keine Daten, Ms. Hansson.“, sagte Yetron. „Aber die Electronica ist ein Forschungsschiff und wir haben eine Menge Sensoren an Bord, mit denen sich diese Fragen sicher beantworten lassen. Jedenfalls können Sie sicher sein, dass wir uns nicht so einfach mit den sichtbaren Tatsachen abspeisen lassen werden. Dafür haben wir schon zu viel gesehen. Bleiben Sie in Bereitschaft, Caroline, aber bitte tun Sie sonst nichts. Sie können die Operation jetzt getrost uns überlassen. Ich habe die Präsidentin über die Umstände informiert. Von ihr haben wir Befehl, die Situation genau zu erforschen, bevor es zu unüberlegten Handlungen kommen könnte, die wir später alle bereuen könnten.“ „Von was für einer Art Situation reden wir hier, Agent?“, fragte Hansson. „Denken Sie, jemand hat Tolea gezwungen, sich umzubringen und will uns als Werkzeug benutzen? Aber dagegen könnte sie doch vorgehen, oder?“ „Es gibt Dinge.“, sagte der Demetaner wohlwissend, dass er jetzt etwas sagen würde, dass sie durchaus in den falschen Hals bekommen könnte. Aber es ging nicht anders. „Die Zivilisten nicht über das Geflecht zwischen den Mächtigen wissen dürfen, damit eine Panik vermieden wird. Deshalb dürfen wir von der Sternenflotte diese Dinge auch nicht weiter mit Ihnen diskutieren, Caroline. Es tut mir leid. Sie sollen nur wissen, dass Sie ruhig abrücken und die Situation uns überlassen können.“ „Also gut, Agent.“, sagte Hansson. „Ich vertraue Ihnen. Mit unseren veralteten Waffen hätten wir ja sowieso alles nur verschlimmert. Der Komet wäre nur in mehrere Teile zerbrochen, wenn wir so weitergemacht hätten und das hätte eine viel größere Gefahr für uns alle bedeutet. Wir werden jetzt abrücken.“ Damit gab sie ihren Leuten den Befehl zum Rückzug und die Shuttles flogen in Formation davon, eine Tatsache, die auch Sensora dem sehr erleichterten Yetron meldete. „Also gut, Sensora.“, sagte der Demetaner. „Geben Sie Cenda Bescheid. Sie soll ein Trümmerteil an Bord beamen und es Scientist Ketna auf der Krankenstation überantworten. Die soll es dann im Labor einer geringen Dosis Rosannium aussetzen. Wenn aus dem Trümmerteil eine Gewebeprobe Toleas wird, dann haben wir zumindest auch einen physischen Beweis.“ „Verstanden, Sir.“, sagte die Androidin und leitete alles in die Wege.

Dass Yetron und seine Leute leider zu früh aufgeatmet hatten, sollte sich zur gleichen Zeit herausstellen, denn auch Tolea hatte vor ihrem geistigen Auge gesehen, dass die Siedler abgezogen waren. Na gut. Dann werden eben Sie zu meinem Mörder, Agent Yetron. Sie und Ihre Leute müssen doch in erster Linie die eigenen Leute schützen. Ich bin gespannt, wie Sie reagieren, wenn ich die Siedler offensichtlicher bedrohe! Das eben Gedachte hatte Tolea nur bei sich selbst gedacht, ohne jedoch eine Verbindung zu Yetron aufzubauen. Hätte sie das getan, wäre das ja ihrem Plan auch ziemlich abträglich gewesen.

Sie änderte ihren Kurs so, dass sie der Umlaufbahn eines der Monde um einen der besiedelten Planeten sehr nah kam. Das war etwas, das weder Sensora, die das Verhalten des Kometen genau beobachtet hatte, noch Shorna am Waffenpult entgangen war. „Mr. Yetron, Tolea hat ihren Kurs geändert.“, meldete Sensora. „Sie fliegt gefährlich nah an einem der Monde von Kinas Eins vorbei. Sie hat in ihrer Gestalt als Komet so viel Masse, dass sie diesen durchaus aus seiner Umlaufbahn verdrängen könnte. Ich hoffe, ich muss Ihnen nicht erklären, was das für die Ozeane auf dem zu 90 % mit Wasser bedeckten Planeten und somit auch für die Siedler bedeuten würde!“ „Auf den Schirm, Allrounder!“, befahl Yetron ruhig, der sich selbst ein Bild von der Situation machen wollte. Sensora nickte und führte seinen Befehl aus.

Der Demetaner sah jetzt, dass die Situation tatsächlich sehr kitzelig war. Trotzdem lag es ihm fern, in einer zu schnellen Reaktion extrem auf die neue Bedrohung zu reagieren. „Schalten Sie die Beobachtung auf Kinas Eins um, Sensora!“, befahl er. „Sofort, Agent.“, erwiderte die Androidin und tat, was er ihr soeben gesagt hatte. „Ich bin jederzeit bereit für unsere Bohrung, Sir.“, sagte Shorna von ihrem Arbeitsplatz aus.

Yetron hatte sich jetzt auch die Bilder von Kinas Eins angesehen. Er hatte genau sehen können, dass die Spiegel der beiden größten Meere bereits sehr stark angestiegen waren und der Mond seine Umlaufbahn verlassen hatte. „Offensichtlich.“, stellte er fest. „Zieht Tolea es vor, die Siedler zu bedrohen. Aber dann müssen wir eben sie bedrohen. Ich tue das nicht gern, da sie eine Freundin ist. Aber sie lässt uns wohl keine Wahl. Shorna, programmieren Sie den Phaser auf Bohrmodus und nehmen Sie eine Zielerfassung vor! Es dürfte ja ohnehin dauern, bis er den richtigen energetischen Sättigungsgrad erreicht hat, nicht wahr, Warrior?“ „Das ist korrekt, Sir.“, sagte die versierte Waffenoffizierin. Aber bitte machen Sie sich bewusst, dass, sobald der Countdown ab zehn rückwärts begonnen hat, der Vorgang nicht mehr abgebrochen werden kann.“ „Dann hoffe ich, dass sich Tolea vorher besinnt.“, sagte der Demetaner.

Sensora und Shorna warfen ihrem Vorgesetzten einen unsicheren Blick mit einem auf großes Missfallen hindeutenden Ausdruck im Gesicht zu. „Mir gefällt das auch nicht, Ladies.“, versuchte der Erste Offizier sie zu beruhigen. „Aber offensichtlich ist Tolea in ihrer Verzweiflung zu allem entschlossen. Wenn wir ihr etwas entgegensetzen wollen, müssen wir wohl oder übel die gleiche Entschlossenheit an den Tag legen. Ich setze ja immer noch auf den letzten Rest Vernunft, der hoffentlich noch in ihr ist und auf ihre fast liebesähnliche Beziehung zu uns Sterblichen, die sie ja eigentlich niemals bedrohen, geschweige denn verletzen wollte, wenn sie bei Verstand wäre. Wir werden ja nur etwas deutlicher. Sie, Shorna, müssen vielleicht gar nicht feuern.“ „Das hoffe ich inständig, Mr. Yetron.“, sagte die Genesianerin nervös.

Kairon war bei Shimar in IDUSAs Cockpit angekommen. Aus dem Augenwinkel heraus hatte der Mächtige gesehen, dass auch er etwas gegessen haben musste. „Hat IDUSA dir auch …?“, fragte er. „Das hat sie.“, sagte der Tindaraner. „Sie meinte, es sei wohl besser so, wenn sie uns ein bisschen dopen würde. Man wüsste ja nie. Aber mich irritiert, dass du, als Mächtiger, ihre Hilfe überhaupt angenommen hast.“ „Sie hat mir den Kopf gewaschen.“, sagte Kairon.

„Gentlemen!“ IDUSAs plötzlicher Ausruf über den Bordlautsprecher hatte beide sofort wieder die Neurokoppler einstecken lassen, was sie veranlasst hatte, ihre Reaktionstabellen zu laden. Dann zeigte sie ihnen wortlos die Bilder von außerhalb ihrer Kanzel. Jetzt sahen auch Kairon und Shimar genau, was Tolea tat und vor allem, wie die Electronica darauf reagierte. „Oh nein!“, rief Shimar aus. „Sie blufft.“, beruhigte ihn Kairon. „Sie will nur erreichen, dass man endlich auf sie schießt. Sie wird niemals Sterblichen etwas antun wollen.“ „Time und seine Leute sind da wohl anderer Meinung.“, stellte Shimar fest. „Kairon, ich könnte Sie direkt mit …“, setzte IDUSA zu einem Vorschlag an, aber im gleichen Moment legte sich eine Art Energieschleier über die Kommunikationseinrichtungen der Electronica. Er trug Toleas Signatur, wie das tindaranische Schiff feststellte und ihrem Piloten und dessen Freund meldete. Gleichzeitig tauchten auch die Siedler wieder auf, die sich die Bedrohung offenbar nicht mehr gefallen lassen wollten.

„Tolea scheint zu allem entschlossen!“, resignierte Kairon. „Das mag ja sein!“, sagte Shimar. „Aber das sind wir auch. Die mögen zwar auf den Kometen schießen wollen, aber ich glaube kaum, dass sie es riskieren werden, das Leben eines Alliierten Soldaten und eines diplomatisch hoch angesehenen Zivilisten in dessen Begleitung und deren Schiff zu gefährden. Komm, IDUSA!“

Er gab ihr einige Gedankenbefehle, auf welche hin sie die Schilde hob und sich dann von ihm in Richtung der Oberfläche des Kometen steuern ließ. „Du willst landen?“, fragte Kairon verwirrt. „Was denn wohl sonst!“, sagte Shimar mürrisch und sehr auf sein Vorhaben konzentriert. „Irgendwie müssen wir denen ja zeigen, dass wir alle nicht bei Toleas Plan mitmachen werden und dass ihr Blut nicht an unseren Händen kleben wird! Zumindest dann nicht, wenn ich es verhindern kann!“ „Na gut.“, sagte Kairon mutig. Er vertraute Shimar und da er selbst keine Idee hatte, erschien ihm diese auf jeden Fall besser, als nur dazusitzen und gar nichts zu tun.

Cenda, die celsianische Chefingenieurin der Electronica, hatte tatsächlich ein etwa 20 mal 20 cm großes Stück des Kometen, das abgebrochen war, mit dem Transporter aufgenommen, an Bord des Schiffes gebeamt und es dann von ihrem Assistenten Switcher auf die Krankenstation bringen lassen, wo es sofort in einen Probenbehälter verpackt wurde, um so in ein Gerät im Labor zu gelangen, das in der Fachsprache die Künstliche Umwelt genannt wurde. Es handelte sich dabei um einen runden silbernen Metallbehälter, der hermetisch abgeriegelt werden konnte und der direkt an die Umweltkontrollen des Schiffes angeschlossen war. So war es möglich, dort drin jede Art von Atmosphäre zu generieren.

Ketna, die zeonide Ärztin, sah dem Androiden Switcher noch nach, als er die Krankenstation wieder verließ. Dann wandte sie sich Solthea, ihrer orkanischen Assistentin, zu: „Sagen Sie dem Computer, er soll die Probe in der Künstlichen Umwelt mit einem Milligramm Rosannium pro Sekunde bestrahlen, Assistant! Aktivieren Sie das Mikroskop und stellen Sie mir die Werte auf meine Arbeitskonsole!“ „Aye, Madam!“, nickte Solthea schmissig und tat, was ihre Vorgesetzte ihr gerade aufgetragen hatte.

Beide beobachteten die Vorgänge in der Künstlichen Umwelt am Bildschirm. „Was glauben Sie, können wir damit beweisen?“, fragte Solthea. „Ich meine, die Brückenoffiziere haben uns nicht alles gesagt. Die Mail von Agent Yetron enthielt nur einen Hinweis, dass es sich um eine Beweisführung für die Tatsache handeln soll, dass es sich bei dem Kometen da draußen angeblich um Tolea handeln soll.“ Sie sah Ketna verwundert an. „Ich weiß auch nicht mehr, Assistant.“, sagte die Ärztin. „Aber ich bin sicher, dass Mr. Yetron allen Grund hat, mit den Informationen sehr vorsichtig umzugehen. Er will sicher nur vermeiden, dass die falschen Leute das Falsche erfahren. Zumindest schätze ich ihn so ein. Der Agent ist immer sehr vorsichtig und überlegt genau was er tut.“ „Ich weiß.“, sagte die immer etwas ängstlich wirkende Orkanierin. „Auf diese Weise hat er uns ja auch schon durch viele unbequeme Situationen geführt. Denken Sie, er hat Time informiert?“ „Das wird er wohl pflichtgemäß getan haben, Solthea.“, beruhigte Ketna sie. „Aber wir haben gar keine Zeit, uns über so etwas Gedanken zu machen. Wir sollten lieber unser kleines Experiment hier genau protokollieren.“

Wie auf Stichwort hatte sich am Bildschirm plötzlich etwas verändert. Die Struktur der Probe hatte begonnen sich aufzulösen und es schien, als würde sie sich neu gruppieren. Solthea, die dies zuerst gesehen hatte, zeigte aufgeregt auf den Monitor. „Also gut.“, sagte Ketna. „Beschleunigen wir den Prozess ein wenig! Computer, den Beschuss mit Rosannium auf zwei Milligramm pro Sekunde erhöhen!“

Ein Signal kündete vom Ausführen der Befehle. Dann sahen Ketna und Solthea, wie sich langsam eine ihnen sehr wohl bekannte Struktur zu bilden begann. „Das wird tatsächlich zu Haut, Assistant.“, staunte Ketna. „Da hatte Mr. Yetron wohl tatsächlich mal wieder den richtigen Riecher. Jetzt können wir allen beweisen, dass das da draußen tatsächlich Tolea ist!“ „Sie kennen aber doch die Regierung, Madam.“, sagte Solthea vorsichtig. „Denen gegenüber müssen wir schon Beweise erbringen, die hieb- und stichfest sind. Computer, sobald es möglich ist, die Hautprobe identifizieren!“ „Sehr gut.“, sagte Ketna und warf ihrer Assistentin einen anerkennenden Blick zu. „Genau das Gleiche wollte ich ihm auch gerade befehlen.“

Der Rechner gab ein weiteres Signal von sich. Dann hörten beide die elektronische Stimme sagen: „Die DNS in der Probe konnte eindeutig Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum zugeordnet werden.“ „Da haben wir es!“, skandierte Ketna. „OK, Solthea. Ich werde zur Brücke gehen und Mr. Yetron persönlich informieren! Sagen Sie dem Computer, er soll die Künstliche Umwelt abschalten. Ich werde die Probe in einen durchsichtigen Zylinder umpacken!“

Damit zog sie sich medizinische Handschuhe an und wartete, bis ihre Assistentin ihren Befehl ausgeführt hatte. Dann schüttete sie die Probe einfach von dem einen undurchsichtigen Zylinder in ein Exemplar, in das man von allen Seiten hineinsehen konnte. Danach sagte sie nur noch: „Übernehmen Sie hier, Assistant!“, und war aus der Tür.

Yetron schien sehr dankbar, als Ketna mit dem Zylinder in der Hand die Brücke betrat. Langsam waren dem Ersten Offizier die Argumente gegenüber Caroline ausgegangen, mit denen er sie beruhigen konnte und mit denen er verhindern wollte, dass sie und ihre Leute auf eigene Faust versuchen würden, den Kometen zu zerstören. Das Gesicht der Ärztin im Türrahmen war daher für ihn wie eine Erlösung. „Sagen Sie mir bitte etwas Positives, Scientist!“, flehte er sie an. Sie aber lächelte nur stumm, trat zu ihm an seine Arbeitskonsole heran und stellte den Zylinder dort ab.

Der Demetaner nahm ihn auf und betrachtete ihn genau. Dann fragte er: „Was genau haben wir hier, Ketna?“ „Eine Hautprobe von Tolea höchst persönlich, Sir!“, sagte die Ärztin mit einem stolzen Blick in seine Richtung. „Wir haben die Probe aus dem Kometen, die uns Cenda gegeben hat, mit Rosannium beschossen und das ist daraus geworden!“ „Sehr schön, Scientist.“, sagte der Agent. „Ich werde auch diese Daten Hansson zukommen lassen. Sensora, kümmern Sie sich darum!“ „Ich werde meiner Assistentin sagen, sie soll die Protokolle des Experiments direkt an Sensoras Arbeitsplatz schicken.“, sagte Ketna. „Darf ich Ihre Sprechanlage benutzen, Agent?“ Yetron nickte wortlos und stand auf. Dann sagte er: „Bedienen Sie sich!“

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