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Yetron hatte sich in der Zwischenzeit mit den Daten beschäftigt, die ihm von IDUSA zugespielt worden waren. Da das tindaranische Schiff den Befehl ihres Piloten allerdings sehr wörtlich genommen hatte, hatte sie ihn auch laufend über die Dinge informiert, die Shimar und Kairon getan hatten. Der Demetaner hatte daraus geschlossen, dass beide wohl jetzt sehr erschöpft sein mussten und nicht in der Lage sein würden, Tolea bei ihrer Rückverwandlung zu helfen. Dass Tolea zwischenzeitlich auch in der Gestalt eines Kometen an Bord der Electronica war, hatte Sensora auch dem Ersten Offizier gemeldet.

Yetrons Gesicht bekam immer mehr Sorgenfalten, je mehr er sich mit den Daten beschäftigte. Er gelangte immer mehr zu der Ansicht, dass es nicht gut war, würden Zivilisten zu viele Informationen über das wahre Ausmaß der Situation bekommen. Er dachte da vor allem an Caroline. Dass sie noch einen Begleiter hatte, der ebenfalls nicht allzu genau Bescheid wissen durfte, wusste er nicht.

Yetron hatte das Pad, in dem er die Daten gespeichert hatte, irgendwann beiseite gelegt. Dann hatte er sein Handsprechgerät aus der Tasche gezogen und das Rufzeichen des Gerätes seines Vorgesetzten eingegeben. Der hatte sich dann auch gleich gemeldet: „Was gibt es, Agent?“ „Ich muss Ihnen etwas Betrübliches mitteilen, Commander.“, sagte der Demetaner. „Angesichts der Tatsachen halte ich es aber für besser, wenn gewisse Zivilistinnen in die Situation nicht allzu sehr involviert werden, Sie verstehen?“ „Hängt Ihre Vorsicht etwa mit den Daten zusammen, über denen Sie gerade brüten?“, wollte Time wissen. „Positiv, Commander.“, sagte Yetron. „Und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn das Ergebnis unter uns bliebe. Wir müssen die Präsidentin informieren. Daran besteht kein Zweifel und ich denke dass auch unser junger tindaranischer Freund, sowie Mr. Kairon alles wissen dürfen. Nur …“ „Verstehe.“, sagte Time. „Sie meinen, dass wir Miss Hansson und ihre Begleitung besser erst einmal außen vor lassen sollten, bevor die was in den falschen Hals kriegen. Eine Massenpanik ist sicher das Letzte, das wir jetzt gebrauchen können. Aber wie lösen wir das?“ „Ich würde sagen, wir bitten unseren Warrior dazu. Nachdem sich alle bei allen überschwänglich bedankt haben, könnte sie den Zivilisten ganz unverblümt und harmlos eine Schiffsführung anbieten. Ihre Dienste als Waffenoffizierin werden ja, dem Himmel sei Dank, im Augenblick nicht benötigt. Also hat sie Zeit und keiner wird argwöhnisch werden, da es ja sogar für Zivilisten logisch sein dürfte, dass die Situation jetzt viel zu friedlich für Waffengewalt ist.“, führte der Demetaner listig grinsend aus. „Oh, Yetron!“, sagte Time mit viel Erleichterung in der Stimme. „Wenn ich Sie nicht hätte und die dicken Kartoffeln!“ „Das Angebot an Sättigungsbeilagen wäre zweifelsfrei recht eintönig.“, scherzte Yetron. „Wie machen Sie das nur, Agent?“, fragte Time. „Wir stehen vor einem Problem, dann macht es laut Yetron und Sie haben eine Lösung! Wie geht das? Können Sie mir das nicht beibringen?“ „Gewisse Talente hat eben ein jedes Wesen, Commander.“, sagte Yetron bescheiden. „Ich werde den Warrior informieren und ihr sagen, dass sie ihre Galauniform entknittern soll.“ Er lächelte bei seinem letzten Satz freundlich ins Mikrofon.

Die Türen, die den Hauptgang, in dem Time wartete, von den Schleusen trennten, öffneten sich. „Ich denke, ich muss schlussmachen, Agent.“, sagte er. „Wir finden später sicher noch ein stilles Eckchen, in dem Sie mir alles auseinandersetzen können.“ „In Ordnung, Sir.“, sagte Yetron und beendete die Verbindung.

Time steckte sein Sprechgerät wieder ein, setzte ein freundliches Gesicht auf und drehte sich in die Richtung, aus der die Gäste jetzt auf sein Schiff kamen. „Ladies und Gentlemen.“, sagte er. „Ich bin Commander Peter Time. Willkommen an Bord der USS Electronica. Wir haben eine Menge zu besprechen. Bitte folgen Sie mir.“ Damit ging er allen voran in Richtung des nächsten Turbolifts.

Shimar war aufgefallen, dass Kairon die gesamte Zeit über die Augen nicht von Caroline gelassen hatte, die rechts neben Hein genau vor ihnen ging. „Starr sie bitte nicht so an.“, flüsterte er dem Mächtigen zu. „Das sieht ja aus, als wärst du ehrlich in sie …“ Kairon nickte verstohlen. „Ach du Sch…!“, sagte Shimar. „Und ich hatte meine kleine Spitze vorhin eigentlich eher als Scherz gemeint. Ich hoffe, ich muss dir nicht erklären, was da für Komplikationen auf dich zukommen können.“ „Na ja.“, sagte Kairon. „Ein anderer unserer Mitbürger hat da aber auch schon Erfolg gehabt.“ „Du denkst doch nicht etwa an Q und Jenny Q.“, sagte der tindaranische Patrouillenflieger. „Doch.“, sagte Kairon. „Genau an die Beiden habe ich gedacht.“

Shimar atmete tief durch. Dann bat er Kairon neben sich in eine Nische, an der sie zufällig vorbeigekommen waren: „Bitte lass uns hier mal unter vier Augen reden!“ Dabei hatte er ein sehr energisches Gesicht aufgesetzt. „Jetzt hör mir mal zu!“, sagte Shimar. „Du magst zwar der Vorsitzende eures hohen Rates sein, aber es dürfte so sicher wie das Amen in der Kirche sein, dass selbst du für so etwas nicht noch einmal die Mehrheit kriegen würdest!“ „Warum nicht.“, argumentierte Kairon. „Die Meinung unserer Leute zum Umgang mit euch Sterblichen hat sich, vielleicht auch durch das zutun von mir und meiner Schwester, sehr zum Positiven gewandelt.“ „Na.“, sagte Shimar mit einer fast streng anmutenden Falte über dem rechten Auge, die sich langsam zu bilden begann, je mehr er über die Situation nachdachte. „Das war ja bestimmt nicht nur dein Verdienst! Jenny und ihr Mann haben ja schon viel früher angefangen, zu einem guten Verhältnis zwischen uns und euch beizutragen, auch wenn sie ihn dahingehend erst einmal erziehen musste! Aber ich weiß schon, warum du dich hier als großer Held hervortun willst. Ich denke aber ernsthaft, dass du dir das aus dem Kopf schlagen kannst, weil …“

Er musste ernsthaft überlegen. Ihm war gerade klargeworden, dass die Liebe ja keine Logik kannte und er mit Argumenten sicher wenig ausrichten konnte. „Weil was, he?!“, verhörte Kairon ihn jetzt.

Hilflos hatte sich Shimar im Korridor umgesehen. Derweil war sein Blick auf das Grüppchen um Time gefallen, das jetzt auch stehengeblieben war. Dabei hatte er gesehen, wie Hein vorsichtig einen Arm um Caroline gelegt hatte. Sie hatte dies nur lächelnd quittiert. „Weil sie schon jemanden hat!“, sagte er schließlich.

Kairon sah sich Hein von oben bis unten an. Dabei fiel ihm seine für einen solchen Anlass sicher recht ungehobelt scheinende Kleidung auf und er dachte sich: Was will sie mit dem?!

Time hatte gesehen, dass die Beiden zurückgeblieben waren. Er drehte sich um und fragte in Shimars Richtung: „Darf ich wissen, wo das Problem liegt, Gentlemen?“ „Es ist nichts, Commander.“, sagte Shimar, um Kairon nicht zu verpetzen. Bei nächster Gelegenheit aber würde er einen Weg finden müssen, mit dem sehr lebenserfahrenen, weil älteren, Kommandanten über die Situation reden zu können, denn er befürchtete, dass das Verhalten Kairons eventuell zu einem Krieg zwischen Mächtigen und Sterblichen führen könnte, wenn er sich nicht wieder in den Griff bekam. Vielleicht waren seine Befürchtungen ja auch total unbegründet, aber die Geschichte hatte gezeigt, dass wegen der Liebe auch schon sehr verlustreiche Kriege geführt worden waren und angesichts der im Moment herrschenden Situation war so etwas das Letzte, das man jetzt gebrauchen konnte!

„Wenn nichts ist.“, sagte Time. „Dann können wir ja weitergehen, oder?“ „Ich denke schon, Commander.“, sagte Shimar. „Kairon war nur etwas erschöpft und benötigte eine kleine Pause. Aber ich denke, jetzt geht es schon wieder.“ „Na dann los!“, sagte Time. Dann setzten sie ihren Weg fort.

Von Komplikationen ganz anderer Art hatte im gleichen Moment auch Cenda erfahren. Durch den Sucher des Transporters hatte sie lange Zeit Tolea beobachtet, die noch immer als Komet im Frachtraum lag und keine Anstalten machte, sich wieder in ihre eigentliche Gestalt zu verwandeln. Der Chefingenieurin hatte die Sache starke Sorge bereitet. Sie wusste schließlich, dass ein sehr großer Teil des Kometen aus reinem Eis bestand und dieser Teil lief jetzt Gefahr zu schmelzen, da sich die Temperatur im Frachtraum ja der des restlichen Schiffes angeglichen hatte und nicht mehr den hohen Minus-Temperaturen wie im Weltraum entsprach. Früher oder später musste dies zu Konsequenzen führen. Sie hoffte sehr, Tolea würde sich telepathisch in ihren Kopf loggen, als sie dachte: Tolea, verstehen Sie mich?! Sie müssen sich zurückverwandeln! Leider geschah nichts dergleichen.

Ihre einzige Idee war jetzt nur noch, Scientist Ketna zu verständigen. Vielleicht wusste ja die Ärztin eine Lösung. Sie betätigte also die Sprechanlage, die sie sofort mit der Krankenstation verband. Dann sagte sie: „Scientist, bitte treffen Sie mich vor Frachtraum Eins. Wir haben ein Problem!“ „In Ordnung, Techniker.“, sagte Ketna, die zwar noch nicht wusste, was sie erwarten würde, dennoch aber ziemlich neugierig war. Schließlich kam es recht selten vor, dass die Chefingenieurin sich mit der Ärztin vor einem Frachtraum traf, um Probleme zu wälzen. Wenn sie über die Geschichte nachdachte, dann war das eigentlich noch nie passiert, zumindest soweit sich Ketna selbst erinnern konnte.

Die Zeonide mit den langen gelben Haaren, die sie bei der Arbeit aus Gründen der Sauberkeit immer unter einem Netz trug, wandte sich ihrer Assistentin zu: „Solthea, Sie übernehmen hier!“ „Ja, Madam.“, sagte die Orkanierin und nickte schmissig. Ketna verließ den Raum.

Auch Cenda hatte ihren Arbeitsplatz ihrem Assistenten übergeben und war zum Frachtraum gegangen, wo sie und Ketna sich auch bald trafen. „OK, Techniker.“, sagte die Ärztin. „Was ist hier los?“

Statt zu antworten legte Cenda einen Finger auf den Sensor der Tür des Frachtraums, worauf sich diese langsam öffnete. Dann winkte sie Ketna, ihr zu folgen, was sie auch tat. Nun standen beide Frauen vor dem Kometen, der fast den gesamten Raum einnahm. Wenn Cenda ihn nicht genau in der Mitte materialisieren lassen hätte, wäre es sicher viel problematischer geworden. So aber konnten ihn sich beide von allen Seiten ansehen.

„Das ist also Tolea.“, sagte Ketna, nachdem sie einmal um den Kometen herumgegangen war. „Ja.“, sagte Cenda. „Das ist zumindest das, was jetzt im Moment noch von ihr übrig ist. Aber wenn sie sich nicht zurückverwandelt, dann sehe ich schwarz.“ „Dem kann ich mich nur anschließen.“, sagte Ketna. „Aber es ist schwer zu sagen, ob sie sich nicht zurückverwandeln will, oder es nicht kann. Ich meine, wenn ihr Ziel tatsächlich war, ihrem Leben ein Ende zu setzen, dann könnte sie dies immer noch erreichen, wenn der eisige Teil von ihr schmilzt und der Rest dann nur noch aus einer Reihe unzusammenhängender Felsen bestünde.“ „Na, das könnten Sie doch leicht herausfinden, Scientist.“, sagte Cenda. „Das stimmt allerdings.“, sagte Ketna und zog ihren Erfasser. Als sie das Gerät allerdings auf Tolea richtete, begann sein Alarm sofort zu schrillen. „Um Himmels willen!“, rief die Ärztin aus, die ihr Arbeitsgerät vor Schreck fast fallengelassen hatte. „Sie muss ihr telepathisches Zentrum total überfordert haben! Ihre neurale Energie ist sehr unregelmäßig! Wenn ihr niemand hilft, wird sie binnen zwei Stunden tot sein! Aber unter diesen Umständen kann ich ihr nicht helfen! Schließlich bin ich Ärztin und keine Geologin! Was ist mit dem Transporter, Techniker? Könnte man den nicht benutzen? Ich meine, eine Probe ihrer intakten DNS hätten wir!“ „Tut mir leid, Ketna.“, sagte die Ingenieurin. Aber wenn sich etwas im Puffer befindet, wird es erst einmal zu einer Menge Daten. Dieser Komet würde so eine große Menge produzieren, dass der Speicher dann schon voll wäre. Wir hätten keinen Platz mehr, um die verwandelten Daten unterzubringen, bevor die Materialisierung erfolgen kann! Außerdem wären die Prozessoren des Transportersystems dann auch total überfordert! Aber was ist mit dem Tindaraner und Kairon? Könnten die nicht?!“ „Die Beiden dürften zu erschöpft sein.“, sagte Ketna und deutete auf das Display ihres Erfassers. „Dieses Muster weist darauf hin, dass sich Tolea mit ihnen einen Kampf geliefert hat.“ „Verdammt!“, fluchte Cenda. „Dann bleibt uns ja nur noch eine Möglichkeit.“ „Genau.“, sagte Ketna. „Obwohl ich diese angesichts der Umstände nur sehr ungern einsetzen würde.“ „Ich auch.“, sagte Cenda. „Mir wird auch mulmig bei dem Gedanken an die R-Lösung.“ „Sie meinen R wie Rosannium, Techniker, nicht wahr?!“, vergewisserte sich Ketna. Cenda nickte nur mit blassem Gesicht. „Na gut.“, sagte Ketna. „Ich wollte nur sicher gehen, dass wir beide das Gleiche meinen.“

Die Celsianerin nahm ihr Sprechgerät aus der Tasche und gab das Rufzeichen ihres Arbeitsplatzes ein. Dann sagte sie: „Switcher, leiten Sie das Strahlungsprotokoll für Frachtraum eins ein und leiten Sie dann Rosannium in die Atmosphäre. Am besten …“, sie sah Ketna fragend an. „Lassen Sie ihn mit einem Milligramm pro Sekunde beginnen.“, sagte Ketna. „Mehr traue ich mich im Moment nicht.“ „OK.“, sagte Cenda. Dann nahm sie das Mikrofon wieder vor ihren Mund und sagte: „Beginnen Sie mit einem Milligramm pro Sekunde, Assistant! Schön vorsichtig, Mr. Switcher! Wir wollen Tolea schließlich helfen und sie nicht umbringen. Und halten Sie auf jeden Fall diese Verbindung!“ „Aye, Techniker.“, sagte der Androide. „Beginne Einleitung ab jetzt!“

Ketna und Cenda warteten ab, was jetzt geschehen würde. Da beide Nicht-Telepathinnen waren, machte ihnen das Rosannium nichts aus. So konnten sie in aller Ruhe zusehen, wie sich Tolea tatsächlich wieder in ihre ursprüngliche Gestalt verwandelte. „Es klappt!“, rief Cenda erleichtert aus. „Hatten Sie etwa etwas anderes erwartet?!“, fragte Ketna ebenfalls sehr erleichtert.

Bevor Cenda aber noch etwas erwidern konnte, tat Tolea einen tiefen Atemzug, der sie aber aufgrund des Rosanniums in der Atmosphäre sofort wieder bewusstlos werden ließ. „Switcher!“, schrie Cenda in ihr Sprechgerät. „Sofort die Atmosphäre hier wieder reinigen lassen!“ Dann sprintete sie zum nächsten Replikator und replizierte ein Überlebenspaket, dessen Maske sie Tolea sofort auf das Gesicht pflanzte. „Bravo, Techniker!“, sagte Ketna erleichtert. „Sie haben in meinem Erste-Hilfe-Kurs neulich ja wirklich gut aufgepasst!“ „Man tut, was man kann.“, sagte Cenda bescheiden. „Aber jetzt sollte Switcher Sie und Ihre Patientin dringend auf die Krankenstation beamen, damit es schneller geht.“ „OK.“, sagte Ketna. „Dann sagen Sie ihm mal Bescheid.“ Cenda nickte und tat, was ihr die Ärztin gerade aufgetragen hatte. Dann sah sie dem Vorgang noch zu, bevor sie selbst wieder an ihre Arbeit ging.

 

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