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Auf der Krankenstation von Zirells Basis hatte für Nidell gerade die Nachtschicht begonnen. Die junge Tindaranerin war gerade dabei, einige Akten auf den neuesten Stand zu bringen, als sich vor ihrem geistigen Auge über den Neurokoppler plötzlich das Gesicht des sehr erschrocken dreinschauenden Avatars des Stationsrechners zeigte. „Was ist los, IDUSA?“, fragte Nidell ebenfalls sehr alarmiert. „Es geht um Diran!“, sagte der Avatar schnell. „Er hat gerade ein Herzkammerflimmern erlitten!“ „Ich komme, IDUSA!“, sagte Nidell entschlossen, stand von ihrem Sitzkissen auf, zog ihren Neurokoppler ab und raste in das Krankenzimmer, in dem Diran lag. Die Büroarbeiten hatte sie in Ishans Sprechzimmer erledigen dürfen.

An ihrer neuen Wirkungsstätte angekommen schloss sie sofort wieder ihren Neurokoppler an einen Port in der Nähe des Biobettes an, um wieder mit IDUSA kommunizieren zu können. Der Rechner hatte dies registriert und ihre Reaktionstabelle umgeladen. Jetzt zeigte sie ihr auch einen medizinischen Monitor.

Sofort waren Nidell die Graphiken aufgefallen. Die versierte medizinische Assistentin wusste auch gleich, was sie bedeuteten. Diran war kurz vor dem Tod! Das war ihr klar. „Sie sehen ja, was los ist, Nidell.“, sagte IDUSA. „Ich benötige Ihre Erlaubnis, um den Schock auszulösen, der sein Herz wieder in den normalen Rhythmus bringt!“ „Die hast du, IDUSA!“, sagte Nidell fest. „Also gut.“, sagte der Rechner nüchtern. „Treten Sie bitte ca. zehn Schritte vom Biobett zurück, Nidell.“ „Das musst du mir nicht sagen, IDUSA!“, sagte die medizinische Assistentin, die jetzt zunehmend nervöser wurde. „Schließlich habe ich eine medizinische Ausbildung!“ „Meine Programmierung diktiert mir, die Personen, die mit mir zusammenarbeiten, über alle Eventualitäten zu informieren.“, sagte der Rechner. „Ausnahmen sind nicht vorgesehen, da auch ausgebildete Fachkräfte manchmal aus Nervosität Fehler begehen könnten. Würden Sie beispielsweise Ihre Hände am Patienten haben, während ich den Schock auslöse, würden Sie einen Schaden erleiden. Als Rechner dieser Station muss ich meine Crew vor Schaden bewahren und muss Sie daher informieren.“ „Schon klar.“, sagte Nidell und ging vorsichtshalber noch einen Schritt zurück. Sie wollte IDUSA von vorn herein verdeutlichen, dass sie die Situation im Griff hatte, auch wenn es aus Sicht des Rechners vielleicht nicht so aussah. IDUSA hatte ja auch Nidells medizinische Werte und wusste daher genau, wie nervös sie war, auch wenn die junge Tindaranerin dies nicht zugab.

Vor Nidells geistigem Auge wurde eine Skala mit Zahlen sichtbar, die sich von zehn abwärts Richtung null bewegten. Dann sah sie das Symbol eines Blitzes vor sich. Jetzt wusste Nidell, dass IDUSA den Schock ausgelöst hatte.

Auf dem Monitor vor Nidells geistigem Auge gab es keine Veränderung. „Darf ich die Leistung erhöhen, Nidell?“, fragte IDUSA. „Warte!“, befahl die medizinische Assistentin und ging zum Replikator, um eine Patrone mit einer Einheit Adrenalin zu replizieren. IDUSA, die dies durchaus bemerkt hatte, sagte darauf: „Wenn ich Sie nicht so gut kennen würde, Nidell und nicht wüsste, wie besonnen Sie sind, würde ich dies jetzt nicht ausführen, da die Entscheidung über die Gabe von Medikamenten eigentlich zunächst dem Urteil des leitenden medizinischen Offiziers obliegt. Sie, als Medical Assistant, haben diese Freiheit normalerweise nicht.“ „Ich weiß.“, sagte Nidell. „Aber dann verständige Ishan, IDUSA! Diran stirbt uns sonst unter den Händen!“ Der Avatar vor Nidells geistigem Auge nickte und dann führte IDUSA beide Befehle aus. Das kam für Nidell etwas überraschend. Die Erklärung des Rechners hatte offenbar nicht ausgereicht, um ihre Zweifel darüber zu beseitigen, dass sie das Adrenalin trotz IDUSAs Bedenken doch bekommen würde.

Mit der Patrone in der Hand ging Nidell hinüber zu einem Regal, auf dem einige Hyporen aufgereiht waren. Einen nahm sie herunter und steckte die Patrone auf. Dann ging sie damit zu Diran zurück und spritzte ihm das Medikament direkt ins Herz. Dass sie damit ein hohes Risiko einging, wusste Nidell. Aber sie wollte Diran auf keinen Fall verlieren!

Sie wandte sich IDUSA zu. „Schock ihn noch mal!“, befahl sie. „Aber mit der gleichen Stärke wie gerade! Ich will ihn ja nicht grillen und ich denke, das willst du auch nicht!“ „Das ist korrekt, Nidell.“, sagte der Rechner und führte Nidells Befehl aus. Tatsächlich begann Dirans Herz für wenige Sekunden im normalen Rhythmus zu schlagen. Dann aber verfiel es sofort wieder ins Flimmern. „Also gut, Diran.“, sagte Nidell. „Dann machen wir das eben anders!“

Sie atmete einmal tief durch und begann damit, sich auf Dirans Gesicht zu konzentrieren. Alsbald tauchte das Bild einer Felsenhöhle vor ihrem geistigen Auge auf. Ihre Wände bestanden aus Steinen, welche die Form von Buchstaben hatten. Hier konnte die junge Telepathin jetzt genau den Wortlaut des Banns ablesen. Sie, die sprachlich sehr versiert war, hatte auch sofort jenen Fehler gesehen, den Tolea gemacht hatte. Erschrocken wollte sie zunächst zurückweichen, aber dann gebot ihr ihr Pflichtbewusstsein doch, weiter nach Diran zu suchen, den sie auch bald in der Mitte der Höhle fand.

Der Vendar schien sehr froh, ihr endlich ansichtig zu werden. Jedenfalls konnte man das aus seinem Verhalten schließen. Nidell El Tindara!, dachte Diran. Ich bin so froh, dass du da bist! Bitte lass mich nicht mehr allein und vor allem lass nicht zu, dass ein Mächtiger aus dem Kontinuum noch einmal meinen Geist betritt! Bitte lass es nicht zu!

Nidell hatte genau jene Angst gespürt, die sich hinter diesem doch nicht sehr rationellen Wunsch Dirans verbarg. Sie und er wussten genau, dass, wenn es hart auf hart käme, sie allein sicher keine Chance hatte, Diran gegen Tolea oder einen anderen Mächtigen zu verteidigen. Sie wusste aber auch, wie verzweifelt der Vendar war. Dass in so einem Moment schon einmal die Angst mit einem durchgehen konnte, war ihr klar.

Sie visualisierte ihre ausgestreckte Hand. Dann dachte sie: Wir werden alles tun, was wir können, um dir zu helfen, Diran! Aber du darfst dich nicht abwenden und uns nicht verlassen, hörst du?! Du musst hierbleiben! Du musst durchhalten! Du darfst uns nicht verlassen! Wir werden einen Weg finden, um dir zu helfen. Darauf gebe ich dir meine Hand! Wenn du ebenfalls noch einen Funken Glauben daran hast, dann schlag ein!

Sie spürte seine Hand. „IDUSA, jetzt!“, befahl sie völlig außer Atem und angestrengt. „Sie müssen zuerst die telepathische Verbindung zu Diran lösen.“, sagte der Rechner. „Sonst könnte Ihnen der Energiestoß vielleicht auch schaden.“ „Das nehme ich in Kauf!“, sagte Nidell. „Was kann mir schon passieren, außer dass es ein bisschen wehtut! Na los, IDUSA!“ „Na gut.“, sagte IDUSA und löste den Schock aus. Tatsächlich verzog Nidell schmerzhaft das Gesicht und gab einen Schrei von sich. Von der Intensität, mit der dieses Ereignis selbst bei dem bewusstlosen Diran und somit auch bei ihr angekommen war, war sie offenbar überrascht worden.

„Es tut mir leid, Nidell.“, entschuldigte sich der Rechner und ihr Avatar vor Nidells geistigem Auge sah sie mitleidig an. „Ich wollte Ihnen nicht wehtun.“ „Schon gut, IDUSA.“, sagte Nidell mit blassem Gesicht. „Ich habe das wohl einfach unterschätzt. Was macht sein Herz?“ Sie deutete auf Diran. „Es schlägt wieder gleichmäßig.“, sagte der Rechner. „Sie haben das Martyrium gerade also nicht umsonst durchlitten. Ich habe Ishan alle Daten gegeben. Er war gerade live dabei. Die Tatsache, dass er Androide ist, verkürzt die Kommunikationswege zwischen ihm und mir doch sehr. Es kann sogar sein, dass er gleich Commander Zirell mitbringt. Ihnen aber rate ich, sich erst einmal zu setzen.“ „OK, IDUSA.“, sagte Nidell und zog sich eines der Sitzkissen näher an Dirans Bett, die im Krankenzimmer für Besucher an der gegenüberliegenden Wand standen. Dann setzte sie sich darauf und wartete auf die Dinge, die da kommen würden.

IDUSA hatte Ishan bereits in dem Moment über die Situation informiert, in dem Nidell das Medikament für Diran repliziert hatte. Der Androide hatte, sobald er ihr Rufzeichen im Display der Sprechanlage erkannt hatte, sofort sein Haftmodul aus der Tasche geholt und es angeschlossen. So konnte er sich viel direkter mit dem Rechner verständigen und wusste genau, was sich auf der Krankenstation zugetragen hatte. Parallel dazu hatte er mit Hilfe seines Sprechgerätes Zirell verständigt. Seine Stimme hatte er ja zur Kommunikation mit IDUSA nicht benötigt und außerdem war er multitaskingfähig. So hatten Zirell und er sich jetzt vor der Tür des Arbeitsbereiches des Mediziners getroffen. Der kurze Abriss der Situation, den der Arzt seinem Commander gegeben hatte, hatte Zirell sehr neugierig werden lassen.

„Ich bin gespannt, was deine Assistentin jetzt wieder angestellt hat.“, sagte Zirell und grinste ihn an. Sie wollte sichergehen, dass ihm klar war, dass ihr Satz nicht ganz ernstgemeint war. „Oh ich denke, Nidell wird gute Gründe für ihr Handeln haben.“, sagte Ishan. „Sie ist sehr pflichtbewusst und sehr verantwortungsvoll und würde sicher nichts tun, das unseren Patienten gefährden würde.“ „Und warum hat IDUSA dich dann aus dem Bett geklingelt?“, fragte Zirell flapsig. „Ich meine, warum hat sie dich aus dem Schlafmodus geholt?“ „Weil Nidell ein Medikament repliziert hat.“, sagte Ishan. „Das darf sie nicht ohne mein OK und das weiß IDUSA. Ich habe es ihr gegeben, nachdem sie mich über die Situation informiert hat. Nidell wird es Diran längst verabreicht haben.“ „Du kannst mir nicht zufällig sagen, worum es da ging?“, fragte Zirell. „Das könnte ich schon.“, sagte Ishan. „Ich fürchte nur, dass dich das ganze medizinische Fachchinesisch langweilen würde.“ „Oh das denke ich auch.“, stöhnte Zirell. „Also lassen wir es dabei.“ Der Androide nickte.

Sie betraten die Krankenstation. Sofort fiel Ishans Blick auf die blasse Nidell, die immer noch an Dirans Bett saß. „Was ist hier geschehen, Nidell?“, fragte er ruhig. Er hatte die Informationen zwar schon von IDUSA bekommen, wollte aber für Zirell noch einmal eine Zusammenfassung von Nidell persönlich bekommen. „Diran hatte einen Herzstillstand.“, sagte Nidell immer noch sehr fertig. „IDUSA musste ihn schocken und ich habe ihm Adrenalin verabreicht. Als das nicht half, habe ich telepathischen Kontakt zu ihm aufgenommen und seinen Geist in unserer Welt zu halten versucht. Dann habe ich IDUSA noch einmal befohlen, ihn zu schocken. Das hat sie auch getan, obwohl sie erst Einwände hatte. Auf die hätte ich wohl auch hören sollen. Das Erlebnis war ganz schön heftig. Aber wenn ich das nicht versucht hätte, wäre Diran jetzt sicher tot.“ „Trotzdem bist du ein sehr hohes Risiko auch für dich selbst eingegangen.“, tadelte Ishan seine Assistentin. „Du hättest auch von ihm mitgerissen werden können. Vielleicht wäre es dir dann nicht mehr gelungen, dich von ihm zu lösen und dann hätte ich jetzt hier zwei tote Patienten und die einzige, die mir dazu etwas hätte sagen können, wäre IDUSA gewesen. Vorausgesetzt natürlich, du hättest den Neurokoppler aufbehalten.“ „Ich weiß, dass meine Aktion vorschnell und vielleicht nicht ganz überlegt war.“, entgegnete Nidell. „Aber ich hatte keine Zeit und es ist ja nichts passiert.“

Zirell, die im Hintergrund gewartet hatte, schritt jetzt zu den Beiden und mischte sich ins Gespräch: „Weil du ganz unverschämtes Glück hattest, Nidell! Ich an deiner Stelle hätte lieber gewartet, bis jemand da ist, der mich im Notfall retten kann.“ „Die Zeit hatte ich nicht.“, sagte Nidell. „Oder wäre es euch allen etwa lieber gewesen, wenn Diran gestorben wäre?“ „Sicher nicht.“, sagte Ishan. „Aber ich war ja schon unterwegs. Du hättest IDUSA auch sagen können, sie soll mich herbeamen, statt hier die leichtsinnige Heldin zu spielen!“ „Sie hat dich also parallel informiert?“, fragte Nidell verwundert. „Natürlich hat sie das.“, sagte der Arzt. „Spätestens dann, als du das Medikament angefordert hast. Aber du weißt doch auch, dass sie dann so etwas tun muss!“ „Stimmt.“, sagte Nidell kleinlaut. „Ich habe wohl einfach nicht nachgedacht. Bitte entschuldige, Ishan. Es wird nicht wieder vorkommen.“ „Das hoffe ich.“, sagte der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein nüchtern.

Zirell wendete sich Ishan zu und deutete auf Diran, während sie fragte: „Warum hat sein Herz überhaupt mit dem Schlagen aufgehört? Ich meine, wenn er träumen würde und das Albträume wären, die ihn in Todesangst versetzen würden, dann würde man das doch auch an den anderen Kurven sehen. Aber du hast mir gegenüber nie etwas in deinen Berichten erwähnt.“ „Nun.“, sagte Ishan. „Es gibt noch eine Erklärung. Aber dafür muss ich weiter ausholen. Seine Muskeln werden langsam atrophisch. Das bedeutet, sie bilden sich zurück, da er sich jetzt nicht bewegt. Außerdem ist Muskelgewebe das erste, das vom Körper abgebaut wird, wenn er in eine ernährungsbedingte Zwangslage gerät. Dass ist jetzt der Fall, weil Diran nicht isst. Der Tropf kann nur eine Grundlage bilden. Die Nahrung komplett über einen so langen Zeitraum ersetzen kann er nicht. Das bedeutet, irgendwann fängt sein Körper an, Eiweiße und andere Stoffe aus sich selbst zu beziehen. Ich weiß. Es wäre vielen sicher lieber, das würde bei den Fettzellen anfangen, aber das sind Reserven, die auch gut isolieren. Ein Körper, der auskühlt, erhöht automatisch seinen Stoffwechsel und das macht so eine Extremsituation nur noch extremer. Das heißt …“ „Ich weiß, ich weiß, Ishan!“, fiel ihm Zirell harsch ins Wort. „Aber was hat das alles mit seinem Herzen zu tun?!“ „Tja.“, antwortete Ishan. „Auch das Herz ist ein Muskel, Zirell.“ „Ich verstehe.“, sagte die ältere Tindaranerin betroffen. „Das bedeutet aber auch, dass sich Shimar mit dem Ausführen meiner Befehle, was Tolea angeht, wohl beeilen sollte. Ich frage mich, was er da die ganze Zeit tut und wo er eigentlich ist! Er hat sich seit Stunden nicht gemeldet!“ „Nun, das ist eigentlich nicht seine Art, Zirell. Da hast du wohl Recht.“, sagte Ishan. „Das weißt du auch. Dazu ist er viel zu pflichtbewusst. Ich persönlich gehe eher davon aus, dass er vielleicht gerade in Schwierigkeiten steckt, aber keine Möglichkeit hat, sich zu melden. Er hat es immerhin mit einer selbstmordgefährdeten Q zu tun und die ist unberechenbar. Verzweifelte Wesen tun manchmal verzweifelte Dinge, die sie später sehr stark bereuen.“ „Trotzdem werde ich IDUSA sagen, sie soll versuchen, ihn zu erreichen!“, sagte Zirell. „Wir brauchen Diran gegenüber eine sichere Position, was die Situation angeht. Er darf nicht das Gefühl haben, dass wir ihn im Stich lassen! Sonst wäre Nidells Versprechen an ihn umsonst gewesen und er würde uns auch nicht mehr vertrauen. Dann bestünde vielleicht tatsächlich noch die Möglichkeit, dass er sich davonmacht und ich könnte ihn sogar verstehen.“ „Tu das.“, sagte Ishan. „Worauf du dich verlassen kannst.“, sagte Zirell. „Aber vorher würde ich Diran noch einmal selbst versichern, dass wir alles tun werden, um ihm zu helfen und dass das nicht nur ein leeres Versprechen war, um ihn hier zu halten. Bitte überwache die Verbindung, Ishan!“ „In Ordnung.“, sagte der Androide sachlich und sah Zirell an. Da seine Augen wie die Sensoren eines Erfassers funktionierten, benötigte er ein solches Gerät nicht. Aber er war immer auch in Bereitschaft, sofort zum Medizinschrank zu gehen, sollte er einen alarmierenden Wert bei Zirell oder Diran feststellen.

„Du kannst beginnen.“, gab er ihr Bescheid. „Also gut.“, sagte Zirell und konzentrierte sich, wie es Nidell auch zuvor getan hatte, auf Dirans Gesicht. Auch sie fand sich bald in der gleichen Höhle wieder, in der die medizinische Assistentin auch zuvor mit Diran gewesen war. Auch nach ihrer Hand griff der Geist des Vendar sofort. Keine Angst, Diran., dachte Zirell beruhigend. Wir sind alle bei dir und werden dir helfen, das durchzustehen. Bitte schütze mich vor mir selbst, Zirell El Tindara., bat Diran. Sorge dafür, dass ich nie wieder einem von Sytanias Vendar begegne, solange der Bann aufrecht ist. Das verspreche ich dir!, dachte Zirell fest. Und aus deinem Gefängnis kriegen wir dich auch noch irgendwie! Tolea ist daran schuld. Sie soll auch die Suppe auslöffeln, die sie dir eingebrockt hat!

Die Höhle begann plötzlich zu erzittern und einzelne kleine Steine fielen herab. Zirell dachte sich, dass dieses Erdbeben wohl durch Dirans Angst ausgelöst worden war. Schon gut., dachte sie. Dann werden wir einen anderen Weg finden, hörst du?! Einen anderen Weg, Diran! Ich kann verstehen, dass du Tolea und ihren Artgenossen nicht mehr vertraust nach dem, was dir passiert ist!

Das Beben hatte aufgehört. Offenbar hatten Zirells Gedanken ihn doch sehr beruhigt. Ich muss jetzt leider wieder gehen, Diran., verabschiedete sich Zirell. Ich danke dir, Zirell El Tindara.“, erwiderte Diran und ließ, wenn auch widerwillig, ihre mentale Hand mit der seinen wieder los.

Zirell atmete tief aus, nachdem sie die mentale Verbindung zu Diran wieder getrennt hatte. „Er hat furchtbare Angst, Ishan.“, sagte sie mit betroffenem Ausdruck im Gesicht. „Angst.“, antwortete der Androide. „Das ist fürwahr ein Zustand, der für einen Vendar-Krieger nicht erstrebenswert und sicher auch sehr beschämend ist.“ „Das stimmt.“, sagte Zirell. „Deshalb ist es umso wichtiger, dass ich bald weiß, wie weit Shimar mit seiner Mission ist! Ich muss ihn so schnell wie möglich erreichen! Benötigst du mich hier noch?“ „Nein.“, sagte Ishan. „Nidell und ich werden uns jetzt allein um unseren Patienten kümmern können.“ „In Ordnung.“, sagte Zirell erleichtert und wandte sich zum Gehen. Sie würde in die Kommandozentrale gehen und von dort versuchen, Kontakt zu Shimar aufzunehmen.

Mit ihren beiden Begleitern hatte Shorna inzwischen die Brücke der Electronica, ihren Arbeitsplatz, erreicht. „So.“, sagte sie. „Ich muss Sie bitten, hier nichts anzufassen.“ „Das tun wir schon nich‘.“, entgegnete Hein mit einem breiten Grinsen. „Wir sind ja schließlich keine lütten Büdels mehr.“ „Wie meinen?“, fragte die Genesianerin irritiert. „Er meint, dass wir ja schließlich keine kleinen Kinder mehr sind.“, übersetzte Caroline. Sie kannte seinen Sprachgebrauch und wusste, dass er oft norddeutsche Ausdrücke in seine englischen Sätze einfließen ließ. Das war eine seiner Eigenarten, die sie sehr an ihm liebte. Die Beiden waren nämlich tatsächlich schon eine Weile zusammen. Shimar hatte also gar nicht so falsch gelegen, als er Kairon das mit der Zusammengehörigkeit gesagt hatte.

Caroline wandte sich mit etwas peinlich berührtem Blick jetzt ihrem Freund zu: „Das kannst du machen, wenn wir allein sind. Aber sie kann dich nicht verstehen und das ist gar nicht gut.“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Er nickte ihr nur zu, denn seine Aufmerksamkeit war schon wieder auf Shorna gerichtet, die sich jetzt Sensora zuwandte: „Allrounder, vielleicht könnten Sie uns einige schöne Bilder auf den Hauptschirm zaubern.“ „Oh sicher, Warrior.“, lächelte die Androidin, die an der Feier nicht teilgenommen hatte, weil sie fand, dass ihre Anwesenheit dort ja sowieso keinen Einfluss auf sie selbst hatte. Wie alles andere auch würde sie es neutral betrachten und der Effekt einer Erholung oder gar eines freudigen Ereignisses würde sie nicht tangieren. Sie fand es also effizienter, weiter das Schiff zu fliegen.

Sensora schaltete die Außensicht auf den Hauptschirm. Außer einigen Sternen aber war dort nichts zu sehen. „Das ist das, was wir sehen, wenn wir unseren Dienst hier verrichten.“, erklärte Shorna. „Für Sie beide mag das spektakulär erscheinen, aber für uns …“

Sensora hatte sich kurz von ihrem Platz entfernt, weil ihr etwas aufgefallen war. Sie hatte ein Geräusch gehört, dessen Quelle sich direkt hinter Shorna befinden musste. Dann hatte sie ihr zugeflüstert: „Pst, Warrior.“, und nach hinten gezeigt, bevor sie wieder auf ihren Platz ging, um so zu tun, als sei überhaupt nichts gewesen.

Shorna hatte sich auf ihre Anregung hin tatsächlich ihren Begleitern zugewendet, die jetzt einander gegenüberknieten. Für die Genesianerin war das ein sehr merkwürdiger Anblick. Bevor sie aber fragen konnte, ob alles in Ordnung war, wurde sie bereits des Grundes für dieses Verhalten ansichtig. Caroline holte nämlich plötzlich tief Luft und sagte: „Es gibt doch nichts Romantischeres als die Sterne und sie sind auch das passende Ambiente für das, was ich vorhabe, nämlich dich zu fragen, Hein Schmitt. Ich möchte dich nämlich fragen, ob du mein Mann werden willst!“ „Oh, mein Schietbüdel!“, sagte Hein erfreut und warf seine Arme um sie. Dann drückte er sie fest an sich und antwortete: „Genau das wollte ich dich auch gerade fragen. Ich meine natürlich, ob du meine Frau …“ „Aber sicher!“, sagte Caroline und beide küssten sich.

Shorna stand da wie vom Donner gerührt und brachte keinen Ton heraus. Das war sehr schlecht, da Caroline ihr gleich darauf die Frage stellte: „Warrior, Ihr kommandierender Offizier darf doch Trauungen vornehmen, oder?“ Shorna nickte immer noch sehr irritiert. Dann stammelte sie, was für eine Genesianerin sicher ungewöhnlich war: „Heißt das etwa, Sie wollen jetzt gleich …“ „Genau das.“, sagten Hein und Caroline gemeinsam. „Na, dann werde ich mal alles in die Wege leiten.“, sagte Shorna und winkte ihnen, ihr wieder zurück in die Offiziersmesse zu folgen.

„Warrior!“ Sensoras Ausruf hatte sie kurz innehalten lassen. Ein letztes Mal drehte sie sich um und sah Sensora auffordernd an. „Richten Sie Shimar bitte aus, ich erlasse ihm die Schuld, in der er laut Times Meinung bei mir stünde. Ich weiß, dass das Time nicht gefallen könnte, aber Shimar hat nur getan, was notwendig war, um Toleas Leben zu retten. Außerdem hat Time schon richtig festgestellt, dass unser junger Freund ja angeblich in meiner Schuld stünde.“ Sie betonte das Meiner noch besonders stark. „Also bin ich auch die, welche sie ihm erlassen kann. Da kann er gar nichts tun. Ich weiß, dass ich unserem Commander damit jede Grundlage entziehe, eventuell ein schlechtes Gewissen bei Shimar hervorzurufen, aber das ist ja auch nicht nötig.“ „Ich werde es ausrichten, Allrounder! Vielleicht hätten Sie sich aber auch mit ihm nur auf andere Zahlungsbedingungen einigen müssen.“, sagte Shorna zwar schmissig, aber dennoch mit einem Grinsen und ging dann endgültig mit Caroline und Hein von der Brücke. Insgeheim war sie froh, dass sie Sensora mit ihrer Nachricht auf ein anderes Thema gelenkt hatte. Der gegenseitige Antrag von Caroline und Hein hatte sie nämlich sehr verwirrt und sie hasste Verwirrung! Eigentlich, so dachte sie zumindest, war es ja üblich, dass der Antrag nur von einer Person gestellt wurde, aber so etwas hatte sie noch nie gesehen. Sie war sehr gespannt, wie Time auf den Wunsch von Caroline und Hein nach einer sofortigen Blitzhochzeit reagieren würde.

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