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Sytania war allein. Endlich war sie allein! Endlich würde sie Valora zur Verantwortung ziehen können! Was war ihr nur eingefallen, sie so zu enttäuschen?! Warum hatte sie die Reaktion der Obersten Prätora nicht vorausgesehen und sich entsprechend vorbereitet?! Auch sie konnte schließlich in die Zukunft sehen und hätte nicht so blauäugig an die Situation herangehen dürfen, wie Sytania fand. Sie hätte eine Strategie ersinnen müssen, die es den Genesianerinnen unter Shashana auf keinen Fall erlaubt hätte, Meilenstein zu benutzen! Die Königstochter wusste zwar selber nicht genau, wie diese Strategie aussehen sollte, aber sie hätte mindestens erwartet, dass sich Valora mit ihr zusammenschließen und mit ihr über dieses Thema reden würde. Mehr hatte sie ja gar nicht verlangt!

Sie begann damit, sich auf das Gesicht Valoras zu konzentrieren. Im gleichen Moment aber wurde ihr klar, dass sie von dieser wohl ignoriert wurde, was Sytania noch wütender machte.

Sofort rief sie nach ihrem Stallburschen und ließ sich ihr Pferd, einen feurigen schwarzen Hengst, satteln. Sie würde Valora jetzt persönlich aufsuchen und ihr dann ein gehöriges Donnerwetter verpassen!

Aber nicht nur für Sytania gab es eine Menge offener Fragen. Auch Lostris hatte nach dem Zwischenfall mit Meilenstein begonnen, sich die eine oder andere Frage zu stellen. War das wirklich die Wächterin von Gore? Sollte es wirklich so einfach sein, eine Göttin zu besiegen? War die Reaktion der Marionetten nicht eher die gewesen, die Geschöpfe von Sytania zeigten, wenn ihre Verbindung zu ihr durchgeschnitten wurde? Was war, wenn es Sytania tatsächlich gelungen war, den Clan der Rotash zu infiltrieren? Die Rotash mochten zwar gesellschaftlich ausgestoßene sein, aber sich mit der Ehrlosen, wie Sytania unter den Genesianern genannt wurde, einzulassen, das war nun wirklich weit unterhalb ihrer Würde! Zumindest empfand Lostris das so. Wenn sie eines Tages Prätora der Rotash war, das hatte sie sich einmal geschworen und jetzt noch umso mehr, dann würde sie versuchen, ihren Clan in jedem Fall wieder der genesianischen Gesellschaft anzugliedern. Ihre Mutter mochte sich in der Rolle der Ausgestoßenen gefallen, aber sie nicht! Lostris hatte sich gefühlt, als wäre sie aus einem langen Albtraum aufgewacht. Die eigentliche Idee war schon lange vorher in ihr gereift, ihre Erfahrung bei der Schlacht um die genesianische Heimatwelt hatte sie nur hervortreten lassen.

Sie beschloss, noch an diesem Tag ein Zeichen zu setzen und ihre Mutter mit ihren Erkenntnissen zu konfrontieren. Würde Leandra ihr nicht glauben, so würde ihr wohl nichts bleiben, als sich von ihr abzuwenden, ein Schritt, den sie eigentlich vermeiden wollte, aber wenn es nicht anders ging, dann würde sie ihn wohl gehen müssen!

Sie war den Gebeten in einem der neuen Tempel, den sich Valora und Sytania bauen lassen hatten, heute mit Absicht ferngeblieben. Eine Tatsache, die ihrer Mutter nicht entgangen war. Sofort hatte sie Lostris in ihrem gemeinsamen Haus aufgesucht. „Warum warst du nicht beim Gebet, Tochter?!“, hatte Leandra gefragt.

Lostris stand auf und hielt ihr provokativ die Faust hin. Dann sagte sie: „Weil ich mit Sicherheit niemanden anbeten werde, die uns nur für ihre eigenen Ränkespiele benutzt, Mutter!“, sagte die junge Erbprätora. „Ich weiß nicht, was dieses Wesen tatsächlich mit uns vorhat, aber eines steht für mich fest! Wer immer sie auch ist, sie ist niemals die Wächterin von Gore! Niemals! Und das kann und werde ich dir jetzt beweisen!“

Sie zog ihren Erfasser. Hierauf hatte sie alle Daten gespeichert, die sie während des Kampfes bekommen hatte. Dann hatte sie die merkwürdige Hirnfrequenz ihrer neuen Göttin genau analysieren lassen und das Gerät hatte ihr gesagt, dass die Mischfrequenz zu 50 % aus den Werten Sytanias bestand. Das hatte ihr schon gereicht! Sie wollte gar nicht mehr wissen, wer das zweite Wesen war. Dass die Ehrlose offensichtlich mit irgendeiner Art von Trick versuchte, die Genesianer auf ihre Seite zu bekommen und sie sogar zu unterwandern, indem sie diese dazu brachte, nach Marionetten zu verlangen, die nur das täten, was sie wollte, war für die junge Erbprätora ein schrecklicher Gedanke gewesen. Würde ihre Mutter nicht aufwachen, dann würde sie einen Weg finden müssen, ihre Herrschaft über die Rotash auf die eine oder andere Art zu beenden. Sie zu töten wäre ihr sicher nicht so einfach möglich, denn das Wesen hatte ihr, genau wie Lostris selbst, ja die Unsterblichkeit verliehen, aber Lostris wusste, dass es nur einer entsprechenden Dosis Rosannium bedurfte, um dies zu beenden.

Leandra sah sich mit den Bildern ihrer eigenen Schande konfrontiert. Sytanias Namen im Display zu lesen, war für sie wie ein Stich ins Herz. Von Kindesbeinen an war sie so erzogen worden, dass sich eine genesianische Kriegerin nie mit der Ehrlosen, also mit Sytania, einlassen durfte. Sytania hatte schließlich keinen einzigen Funken Ehre im Leib. Sie war noch schlimmer als jede dreckige Krämerseele von Ferengi und erst recht noch schlimmer als jede ausgestoßene Kriegerin, der man ein Verbrechen zur Last legte. Zu sehen, dass sie offenbar tatsächlich auf sie hereingefallen war, machte Leandra so wütend und verzweifelt über sich selbst, dass sie zu einer Kurzschlusshandlung griff, um ihren Fehler zu vertuschen. „Bitte gib mir deinen Erfasser, Tochter.“, bat sie und sah Lostris dabei mild an. „Ich will mir selbst ein Bild machen.“ „Also gut, Mutter.“, sagte Lostris erleichtert und gab ihr das Gerät, jedoch ohne zu ahnen, was jetzt geschehen würde.

Leandra legte das Gerät vor sich auf den Boden, machte einige Schritte rückwärts und zog dann ihren Phaser. Dann stellte sie ihn auf die höchste Stufe ein und feuerte auf den Erfasser, von dem nichts mehr übrigblieb. Dann warf sie Lostris einen verächtlichen Blick zu und sagte: „Das war mal ein Beweis, du Ungläubige! Niemand wird von deinen sündhaften Versuchen erfahren, die Göttlichkeit der Wächterin von Gore in Frage zu stellen!“

Verärgert hatte Lostris das Verdampfen des Gerätes mit angesehen. Sie war wütend auf sich selbst. Wie hatte sie so einfach auf den plötzlichen Meinungsumschwung ihrer Mutter hereinfallen können? Warum hatte sie ihr das Gerät einfach so gegeben, ohne ihre Absichten zumindest zu hinterfragen? Ihr hätte doch klar sein müssen, dass Leandra so handeln würde, da sie zu gläubig und verblendet war, um ihr wirklich zuzuhören!

Lostris wusste, dass sie jetzt eine andere Möglichkeit finden musste, um ihrer Mutter zu zeigen, auf welchem Holzweg sie war und wohin der Glaube an Sytania und dieses fremde Wesen sie bringen würde. Sie würde es zunächst mit Argumenten versuchen und erst wenn es gar nicht mehr anders ging, würde sie eine Überraschung benutzen, die sie sich vom heimatlichen Replikator bereits extra anfertigen lassen hatte.

„Ich stelle nicht die Göttlichkeit der Wächterin von Gore in Frage.“, argumentierte Lostris. „Ich stelle nur die Göttlichkeit derer in Frage, die sich gegenüber uns als die Wächterin auszugeben versuchen! Namentlich sind das Sytania und ein fremdes Wesen, dessen Namen ich nicht kenne. Laut der Erfasserbilder haben sie sich telepathisch vereint, um uns in die Irre zu führen, damit wir nicht merken, wer sie sind. Aber ich habe ihr Geflecht durchschaut, Mutter! Ich weiß, dass sie uns nur benutzen. Ich weiß, dass sie uns nur für ihre eigenen Spiele benutzen! Die Genesianer sind eine stolze Rasse, die sich von niemandem benutzen lassen sollte, Mutter! Von niemandem und zu keinem Preis! Wo ist dein Stolz, Mutter?! Wo ist dein Stolz als Kriegerin der Genesianer?!“ „Oh du!“, sagte Leandra und funkelte sie böse aus ihren Augen an. „Du hast leicht Reden! Du musstest noch nie die Zeit der Schande durchleben! Du weißt nicht, welches Leid und welche Schmach das bedeutet!“ „Aber die Zeit der Schande brachte dir mich!“, erwiderte Lostris erschrocken. „Ja!“, gab Leandra zu. „Sie brachte mir dich! Das ist aber auch das einzig Positive daran! Aber jetzt muss das ja keine von uns mehr erleben. Jetzt müssen wir ja nur beten und uns wird gegeben!“

Lostris wurde immer wütender. Sie hatte genau gesehen, wer und vor allem was ihnen gegeben worden war, nämlich nur ein Haufen Marionetten, die nichts, aber auch gar nichts mit den stolzen Kriegerinnen gemein hatten, als die sie ihre eigene Rasse in Erinnerung hatte. Und für so etwas hatte ihre Mutter sich und ihre Ideale verkauft?!

Sie fühlte etwas in ihrem Stiefel. Jenes Etwas, das sie dort bisher noch gut versteckt gehalten hatte. Jetzt aber war ihre Wut zu groß geworden. Also zog sie es hervor. Es handelte sich um einen Wurfspeer, der ganz aus einem rosannium-haltigen Kristall bestand. Er maß ca. 50 cm und hatte eine schmale Klinge. Seine Spitze aber war selbst nur sehr kurz, also unfähig, lebenswichtige Organe zu verletzen, würde der Speer auf sein Opfer treffen. Dies hatte sie aber alles beabsichtigt. Schließlich wollte sie ihrer Mutter ja ihren Fehler aufzeigen und ihr noch eine Chance geben. Wenn sie sterben würde, gebe es diese Möglichkeit schließlich nicht mehr. In der Mitte des Speers gab es einen gut ausbalancierten Griffpunkt, mit dem man ihn wie einen Dartpfeil gut lenken konnte.

Diesen balancierte sie jetzt in ihrer nach hinten ausgestreckten rechten Hand aus. Ihr rechter Fuß stand etwas nach hinten versetzt und ihr Gewicht war ebenfalls dorthin gerichtet, als wollte sie ausholen, um den Speer dann mit der Wucht ihres gesamten Körpers in Leandras Richtung zu werfen.

„Du bedrohst deine eigene Mutter, Lostris?!“, fragte Leandra erschrocken, da sie mit einer solchen Aktion ihrer Tochter nie im Leben gerechnet hätte. „Ja, das tue ich, Mutter!“, sagte Lostris fest. „Der Speer wird dich nicht töten können. Die Spitze ist zu kurz. Egal wo ich dich treffe, es werden keine lebenswichtigen Organe verletzt werden können. Ich will ja nur erreichen, dass du nachdenkst und das kannst du ja nicht mehr, wenn du tot bist. Aber er wird in der Lage sein, dir schwere Verletzungen zuzufügen. Du hast die Wahl! Lass von deiner Verblendung ab oder erleide dein Schicksal!“ „Aber bedenke doch, was uns der Glaube an diese Beiden für Vorteile gebracht hat.“, sagte Leandra zu ihrer Verteidigung, die inzwischen sehr blass geworden war. Sie wusste genau, dass Rosannium all ihre Unsterblichkeit zerstören konnte. Das hatte sie ja schließlich bei den Marionetten gesehen. Trotzdem konnte sie einfach nicht zugeben, dass sie sich da offensichtlich auf einen Kuhhandel eingelassen hatte, von dem nur eine einen echten Vorteil hatte, nämlich Sytania! Deshalb sagte sie: „Aber denk doch an deine Schwester, Lostris!“ „Welche Schwester?!“, fragte Lostris wütend. „Ich habe nie eine gehabt. Das Einzige, das ich hatte, war eine Puppe, deren Fäden von Sytania und ihrer neuen Freundin gezogen wurden. Hätte ich damals schon gewusst, was ich heute weiß, dann hätte ich sie mit den eigenen Händen umgebracht, genauso, wie ich es mit dir tun werde, wenn du diesem Glauben, der die genesianische Rasse der Lächerlichkeit preisgibt und uns zu Marionetten der Ehrlosen machen wird, nicht abschwörst! Bitte zwing mich nicht dazu, diese Waffe gegen dich zu benutzen, Mutter. Bitte wach auf! Wach auf! Wach auf!“ „Du bist die, deren Seele den falschen Weg beschritten hat, Lostris!“, rief Leandra aus. „Warum willst du denn einen Glauben verweigern, der dir so viele Vorteile …“ „Du dreckige Krämerseele!“, rief Lostris wütend aus, hob ihren rechten Fuß, drehte sich ein und stellte ihn dann vor dem anderen wieder hin. Ihr Ausgestreckter Arm schleuderte den Speer mit einer solchen Wucht in Leandras Richtung, dass er sie beim Auftreffen umwarf und dann, da seine Spitze auf einen Knochen getroffen war, abbrach. Das war kein Wunder, denn Lostris hatte ihre gesamte Kraft und ihr gesamtes Gewicht in den Wurf gelegt. Da der Speer ja nur aus Kristall bestand, war es also nicht weiter verwunderlich, was jetzt passierte. Der Schaft flog durch die Energie, die beim Bruch freigesetzt worden war, noch einmal quer durch den Raum und bohrte sich schließlich durch die scharfe Kante bedingt, die sich beim Abbrechen der Spitze gebildet hatte, in die nächste Wand, die der gefallenen Prätora genau gegenüberlag. Die Spitze war tief in der Wunde verblieben.

Lostris war erschrocken über das, was sich hier gerade abgespielt hatte. Dass ihr Wurf eine solche Wucht haben würde, das hatte sie sich nicht vorstellen können. Auch hatte sie nicht gedacht, dass ihre Mutter jetzt bewusstlos vor ihr liegen würde. Aber die Kombination aus Rosannium und dem Auftreffen auf dem harten Boden hatte wohl auch ihr Übriges dazu getan.

Sie ging vorsichtig näher und betrachtete ihre Mutter ein letztes Mal. „Warum hast du nicht auf mich gehört, Mutter?“, fragte sie betroffen. „Ich hoffe, wenn du aufwachst, wirst du über das nachdenken, was uns hierhin gebracht hat. Tochter bekämpft Mutter. Schwester bekämpft Schwester und damit meine ich nicht nur im biologischen Sinn. Der Bürgerkrieg wegen unseres Glaubens muss aufhören! Er muss aufhören! Ich werde tun, was ich tun muss!“

Sie drehte sich traurig fort und ging. Sie wusste, oder zumindest hoffte sie darauf, dass eine von Leandras Getreuen sie irgendwann finden würde und sich ihrer annehmen würde. Aber auch Lostris selbst wusste jetzt auch ziemlich genau, was sie tun musste. Sie würde zu Shashana überlaufen und ihr von den neuesten Entwicklungen berichten. Vielleicht würden sie und die Oberste Prätora ja doch noch einen Weg finden, Leandra und ihre Anhängerinnen wieder auf den richtigen Weg zurückzuführen.

Valora hatte sich im Wald der Einhörner in eine stille Ecke zurückgezogen. Ihr war klar, was Sytania von ihr gewollt hatte und sie hatte sich sehr geschämt. Sie befürchtete, dass die Verbindung mit der Königstochter, die sie doch jetzt so dringend brauchte, vielleicht in die Brüche gehen könnte. Sie hatte ja, obwohl sie noch viel mächtiger als Sytania war, jenen Schritt Shashanas schließlich auch nicht vorausgesehen. Sicher hatte man den gleichen Vorwurf auch der mächtigen Prinzessin machen können, aber es war ja ohnehin müßig, darüber weiter nachzudenken. Was geschehen war, das war eben geschehen.

Sytania sprengte in vollem Galopp heran. Valora wollte sich noch unsichtbar machen, aber es war zu spät. „Es wird dir nichts mehr nützen, dich zu verstecken!“, schrie Sytania, die ihr Pferd zwar angehalten, den Damensattel aber nicht verlassen hatte, das Einhorn sowohl telepathisch, als auch verbal mit extremer Wut in der Stimme an. „Du Versagerin wirst mir jetzt Rede und Antwort stehen! Wie konnte es dazu kommen? Warum hast du Shashanas Schritt nicht …“ Das Gleiche könnte ich auch über dich sagen, meine nachlässige Freundin!, dachte Valora fest uns selbstbewusst. Von Reue oder gar Demut war nichts bei ihr zu spüren. Auch du hast die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen! Auch du hättest ihre Strategie vorausahnen können und uns dieses Debakel damit ersparen können! „Das hätte ich wohl.“, musste Sytania zugeben. „Aber du, die du noch weiter in die Zukunft sehen könntest, als ich es je könnte, hättest …“ Wenn ich das jetzt tue., erwiderte Valora. Dann fällt mir aber auf, dass sich alles zum Besten für uns wenden könnte, trotz der Tatsache, dass wir diesen Fehler gemacht haben. „Ja.“, sagte die imperianische Prinzessin. „Aber nur, weil meine Vendar den Karren für uns aus dem Dreck ziehen werden! Lass dir aber nie wieder einfallen, so einen Fehler zu machen! Nie wieder, Valora, hörst du?! Sonst lasse ich dich mit deinem Krieg gegen Invictus allein und dann wird der wohl ewig dauern, weil ihr gleichstark seid! Dann hat er zwar keine wirklichen Aussichten, ihn zu gewinnen, du aber auch nicht! Denke darüber nach, Valora! Denke gut über meine Worte nach!“

Sie gab ihrem Pferd eine strenge Parade mit dem rechten Zügel, worauf sich das ausgebildete Schlachtross sofort mit einem Sprung umdrehte. Dann tippte sie ihn mit der mitgebrachten Gerte im hinteren Teil seiner rechten Seite an und drückte ihr linkes Bein in seine linke Flanke, worauf er aus dem Stand angaloppierte. Dann ritt sie mit wehenden Haaren und wehendem Kleid davon und ließ Valora geknickt zurück. Das Einhorn würde jetzt einen Weg finden müssen, alles wieder gut zu machen und sich ihrer Freundschaft wieder als würdig zu erweisen. Aber wenn Valora so in die Zukunft sah, dann würde sich da ziemlich bald schon eine Gelegenheit ergeben.

Lostris‘ Hoffnung, dass ihre Mutter bald gefunden würde, hatte sich inzwischen auch erfüllt. Allerdings war es nicht wirklich eine ihrer Getreuen gewesen, die sie gefunden hatte, sondern nur eine, die so tat, als sei sie es. Diejenige, die Leandra nämlich in ihrem Haus gefunden hatte, war Adriella, bei der es sich um eine Spionin Elarias und Shashanas handelte, wie ihr schon wisst.

Adriella hatte ein Gerücht gehört, demnach es zu einem lautstarken Streit zwischen der Prätora und ihrer Tochter gekommen war. Eine andere Kriegerin, die wohl in der Nachbarschaft wohnte, hatte etwas mitbekommen und es ihr gesagt. Da Adriella sich immer über alles informieren wollte und musste, was im Clan der Rotash vor sich ging, war dies für sie ein willkommener Anlass, das Gerücht zu überprüfen und gleichzeitig eine Möglichkeit herauszufinden, ob und in wie weit es zu einem Bruch zwischen Mutter und Tochter gekommen war. Dessen hatten Shashana und Elaria sie außerdem auch ohnehin beauftragt.

Mit einem unschuldigen Gesicht hatte sie das Haus betreten, nachdem sie bemerkt hatte, dass der Computer die Eingangstür wohl im offenen Zustand blockiert hatte. Noch im Weggehen hatte Lostris ihm das befohlen, um die Möglichkeit zu schaffen, Ihrer Mutter Hilfe zukommen zu lassen.

Adriella zog ihren Erfasser und beugte sich über die vor ihr am Boden liegende Prätora. Was sie sah, gefiel ihr im ersten Moment sehr, denn sie wusste, dass dieses Bild nur bedeuten konnte, dass Lostris versucht hatte, ihre Mutter wieder vom rechten Weg zu überzeugen. Dies durfte sie sich aber nicht anmerken lassen.

Sie holte ein medizinisches Notfallset aus einem Versteck in ihrer Tasche und hielt dann einen kleinen zylindrischen Gegenstand über die Wunde, in den sowohl ein kleiner chirurgischer Transporter, als auch ein Hautregenerator eingebaut waren. Dann programmierte sie dieses Gerät so, dass es zuerst die Spitze des Speers aus der Wunde entfernte, um sie dann vollständig zu schließen.

Leandra schlug gleich darauf die Augen auf. Sofort nahm Adriella ihren Kopf in ihre Hände. „Bitte bewegt Euch nicht zu sehr, Prätora.“, heuchelte sie Fürsorge. Es wäre ihr zweifelsfrei viel lieber gewesen, Lostris hätte ihre Mutter getötet, aber so konnte sie zumindest noch etwas aus ihr herausbekommen, das sie Shashana melden konnte. „Adriella.“, sagte Leandra mit schwacher Stimme. „Wie kommst du hier her?“ „Ich hörte Gerüchte, denen nach Ihr einen heftigen Streit mit Eurer Tochter gehabt haben sollt.“, sagte Adriella. „Worum ging es dabei und ist es überhaupt wahr?“ „Es ist wahr.“, sagte Leandra. „Und es ging um unseren Glauben. Meine arme Lostris hat den Pfad, der zu unserem Heil führen wird, anscheinend verlassen. Sie hat mich verletzt, damit ich nachdenke. Aber dafür gibt es keinen Anlass!“ „Und warum ist es dann zu dieser Sache im Kampf gegen Shashana gekommen?“, fragte Adriella, die ja unwissend tun musste, um ihre Fassade aufrecht zu erhalten. „Sie denkt.“, sagte die verblendete Kriegerin. „Dass dies ein Beweis dafür wäre, dass die Fremde keine Göttin ist. Aber ich denke eher, dass dies eine Prüfung unseres Glaubens war. Unsere Göttin möchte wissen, ob wir immer zu ihr stehen, egal was geschieht.“ „Oh das glaube ich auch.“, sagte Adriella schnell. In Wahrheit aber dachte sie: Ihr solltet euch mal hören, Prätora. Ihr solltet mal hören, was Ihr da gerade für einen ausgemachten Unsinn von euch gegeben habt! Aber auch danke für die so großzügig an mich weitergegebenen Informationen. Jetzt wird Shashana bald wissen, dass der Clan der Rotash dabei ist zu zersplittern. Sie war heilfroh, dass Leandra keine Telepathin war.

Sie half der Prätora auf und brachte sie in ihr Bett. Dann sagte sie: „Ihr solltet schlafen, Prätora. Morgen wird die Welt schon wieder viel besser aussehen.“ „Ich denke, du wirst Recht haben.“, sagte Leandra und schlief vertrauensvoll ein. Adriella aber ging zurück in ihr Haus, um dort sofort ihre neuesten Erkenntnisse an Elaria und Shashana weiterzugeben.

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