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Jenna und Shannon hatten sich auf Zirells Basis mit Dirans Schiff beschäftigt. Nachdem sie die Hardware genau untersucht hatten, war nun die Software dran. Natürlich hatte die Technikerin Maron bereits von der fremden DNS in Kenntnis gesetzt, die sie auf dem Schiff gefunden hatten und die auf keinen Fall zu Diran gehörte. Der Kriminalist hatte die Daten, die er über McKnights Erfasser bekommen hatte, sofort durch die Datenbank gejagt, allerdings hatte er dabei keine Erkenntnisse gewonnen, da weder die tindaranischen Rechner, noch die Rechner der Sternenflotte in der Lage waren, sie korrekt zuzuordnen. Wie sollten sie auch? Schließlich war Mirdan dort noch nie auffällig geworden. Es ahnte ja niemand, dass sich das bald ändern sollte und man sich Mirdan sehr gut merken müssen würde. Auf diese Feststellung hin hatte Maron Jenna befohlen, das Schiff weiter zu untersuchen. Wenn sich dieser fremde Novize an Bord aufgehalten hatte, dann hatte er ja sicher mit Diran interagiert und das Schiff musste darüber ja sicher Daten haben. Die hoch intelligente Halbschottin hatte zwar angemerkt, dass sie ungern in die Systeme des Schiffes eines Freundes einbräche, aber da Dirans Leben am seidenen Faden hing und ihm wohl nur geholfen werden konnte, wenn man herausfand, was ihm geschehen war, heiligte wohl in diesem Fall der Zweck die Mittel.

Die Technikerin hatte IDUSA also befohlen, eine Datenverbindung zu Dirans Schiff aufzubauen. Dabei hatte sie einen Datenkristall mit einem Programm in das Laufwerk ihrer Arbeitskonsole eingelegt, das im Notfall alle Codes herausbekommen konnte, die Diran zur Sicherung seiner Dateien verwendet hatte. „Finden Sie diese Methoden nicht moralisch etwas fragwürdig, Jenna?“, hatte IDUSA gefragt. „Du hast Recht.“, hatte Jenna geantwortet. „Eigentlich sind sie das ja auch. Aber im Moment haben wir keine Wahl, IDUSA. Wir werden es Diran, falls er je wieder aufwacht, später sicher erklären müssen. Das weiß ich auch. Aber ich bin sicher, er wird es verstehen. Vielleicht ist das die einzige Möglichkeit, sein Leben zu retten, IDUSA. Agent Maron hat mir gesagt, er übernehme die volle Verantwortung, falls Diran gegen uns später Anzeige erstatten möchte.“ „Also gut, Techniker.“, sagte IDUSA und initiierte die von Jenna gewünschte Datenverbindung, obwohl ihr Avatar sie immer noch so ansah, als hätte sie damit gewaltige moralische Bauchschmerzen. Im Prinzip begrüßte Jenna das Verhalten des Avatars, auch wenn es ihr im ersten Moment eine unbequeme Situation beschert hatte. Aber sie wusste jetzt auch, dass ihre moralischen Subroutinen intakt waren, eine Tatsache, die sie sehr erleichterte. Sie hatte auch auf keinen Fall vor, das jemals zu ändern, obwohl sie es sicher gekonnt hätte, aber ihr Verständnis des tindaranischen Rechtssystems an sich verbot ihr diese Handlung bereits.

Jenna war überrascht über den Umstand, dass sie das Programm offenbar gar nicht benötigen würde. Vor ihrem geistigen Auge baute sich nämlich bereits das Bild eines normalen Eingangsbildschirms auf, den jeder Vendar beim Start der Systeme seines Schiffes auch sehen würde. „Jetzt sag mir bitte nicht, dass wir schon drin sind, IDUSA!“, sagte Jenna erstaunt. Sie konnte nämlich, da sie Jorans Muttersprache ja lernte, bereits die Titel der einzelnen Icons auf dem Schirm gut lesen. „Doch, das sind wir, Techniker McKnight.“, erwiderte IDUSA. „Ich halte für möglich, dass Diran das genauso eingestellt hat. Offenbar sollten wir sofort Zugriff bekommen, damit wir herausfinden können, was dem Bedauernswerten geschehen ist.“ „Da bin ich aber froh!“, sagte Jenna erleichtert. „Ich hatte nämlich schon befürchtet, er hätte alle Sicherheitsvorkehrungen fallen lassen.“ „Halten Sie Diran wirklich für so nachlässig, Jenna?“, fragte IDUSA. „Eigentlich nicht.“, sagte die Technikerin. „Es hätte mich doch sehr gewundert. Aber was du sagst, halte ich auch durchaus für möglich. Er wird seinem Rechner tatsächlich befohlen haben, uns Zugriff zu geben, sobald er eine tindaranische Signatur oder eine bekannte DNS erkennen kann. Du hast ja gesehen, was bei Shimar passiert ist.“ „Bestätigt.“, sagte der Stationsrechner. „Ich habe sogar die entsprechenden Befehle in den Systemdateien gefunden.“ „Wenn du schon mal beim Suchen bist.“, sagte Jenna. „Dann schick doch auch das DNS-Profil des Vendar-Novizen mal durch die Maske. Das Schiff müsste uns ja dann alles zeigen können, was es zu ihm hat.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte der Rechner und tat, was Jenna ihr aufgetragen hatte.

Tatsächlich konnte IDUSA wenig später mit einem Ergebnis aufwarten. „Ich habe etwas gefunden, Techniker!“, sagte sie und zeigte Jenna den Dateinamen, unter dem die Aufzeichnung der Unterhaltung zwischen Diran und Mirdan abgespeichert war. „Gib Agent Maron Bescheid!“, befahl McKnight. „Ich denke, es wäre gut, wenn wir uns das zusammen ansehen würden.“ „Sofort, Techniker.“, sagte der Rechner und machte sich daran, Agent Maron zu lokalisieren und ihm Jennas Nachricht zu überbringen.

Joran und Maron waren in der Kommandozentrale allein. Der Vendar hatte immer wieder verstohlen zu dem Demetaner hinübergeblickt. Ihm war aufgefallen, wie nachdenklich sein langjähriger Kamerad und Vorgesetzter gewesen war. Er beschloss, ihn einfach mal nach dem Grund zu fragen. Es könnte ihm ja sicher nicht viel passieren und er könnte ihm vielleicht sogar helfen. Schließlich hatte er einige Jahre mehr an Lebenserfahrung vorzuweisen, als Maron es hatte.

Joran drehte sich also in Marons Richtung und fragte gerade heraus: „Was ist dir, Agent Maron?“ Der Demetaner, der die Sprechweise des Vendar bereits zur Genüge kannte, sah nur kurz auf. Dann sagte er: „Ach, es ist nichts, Joran.“ „Vergib mir, Agent!“, sagte Joran fest, aber dennoch freundlich. „Aber das nehme ich dir nicht ab. Wenn du so nachdenklich bist, dann hast du meistens ein Problem. Mir ist klar, dass du das am liebsten mit dir selbst ausmachst, aber manchmal kann es auch hilfreich sein, sich einem Freund anzuvertrauen. Ich denke, dass ich im Laufe unserer langen Zusammenarbeit doch so etwas wie ein Freund für dich geworden sein müsste, nicht wahr?“

Maron zögerte. Der Hintergedanke, den Joran in seiner Frage versteckt hatte, war ihm durchaus klar. Würde er jetzt nein sagen, dann hätte er ihn sicher sehr verletzt und das lag keinesfalls in seiner Absicht. Er wusste aber nicht, ob er den Vendar, dessen Vorgesetzter er ja war, in diese Sache einbeziehen durfte. Außerdem drehten sich seine Gedanken um ein geheimdienstliches Problem und davon konnte Joran ja keine Ahnung haben. Maron wusste aber auch, dass die Vendar dafür bekannt waren, nicht nur im Kampf einen langen Atem zu besitzen. Er würde nicht lockerlassen, bis er aus Maron herausgekitzelt hätte, was sein Problem war. Er konnte also wählen, ob er es auf die harte oder die sanfte Tour haben wollte. Einen echten Weg aus der Situation heraus, das ahnte Maron, gab es für ihn also nicht.

Der Demetaner dachte eine Weile nach, entschied sich dann aber für die Flucht nach vorn. „Es geht um den Befehl, den ich deiner Freundin geben musste, Joran.“, sagte er mit immer noch sehr nachdenklichem Ton in der Stimme. „Welchen Befehl meinst du genau, Agent?“, fragte Joran. „Du hast ihr in den Jahren unserer Zusammenarbeit sicher schon viele Befehle erteilt.“ „Schon wieder!“, rief Maron aus. „Dabei ist doch eigentlich meine Rasse für ihre hinterhältigen Eskapaden bekannt!“ „Vielleicht in deinem Heimatuniversum, Agent Maron.“, sagte Joran und grinste ihn breit an. „Aber hier im Universum der Tindaraner sind wohl wir es.“ „Das scheint mir auch so.“, sagte Maron. „Aber du würdest mich ja sowieso nicht in Ruhe lassen, bis ich dir gesagt hätte, was mich belastet, stimmt’s?“ „In der Tat.“, erwiderte Joran. „Jemand, der ein Problem hat, kann sich schließlich nur schwer auf seine Arbeit konzentrieren und das ist …“ „Schon gut, schon gut.“, sagte der Demetaner genervt. „Fang bitte nicht wieder damit an! Ich habe dich ja schon verstanden. Also gut. Es geht um den Befehl, dass sie Dirans Schiff nach Hinweisen auf das, was mit Diran geschehen ist, durchsuchen soll. Dazu muss sie bestimmt einige Codes knacken und das wäre ja so etwas wie Einbruch. Diran ist ein Freund und unter Freunden tut man so etwas ja eigentlich nicht. Ich frage mich, ob das moralisch das Richtige war.“ „Wir haben keine andere Möglichkeit.“, sagte Joran. „Diran kann uns nicht helfen. Er liegt im Koma. Wir können ihn vielleicht nur mit Hilfe der Daten aus seinem Schiff daraus befreien und wir können diese nicht anders beschaffen. IDUSA-Einheiten können gefragt werden, ob sie uns diese Daten freiwillig geben, aber unsere Schiffe können das nicht selbstständig tun. Wenn dir das solche Skrupel bereitet, dann solltest du über einen Wechsel deines Berufes nachdenken, Agent Maron.“ „Gerade heraus gesprochen wie ein rechter Vendar.“, sagte Maron. „Ich kann nichts dafür, Agent.“, entgegnete Joran. „Ich bin einer.“

Ein Signal ließ die Männer aufhorchen und dann setzten beide ihre Neurokoppler wieder auf, die sie kurz abgesetzt hatten, um sich besser zueinander wenden und sich somit besser miteinander unterhalten zu können. Im gleichen Moment zeigte sich ihnen IDUSA über die Neurokoppler. Das aufgeregte Gesicht des Avatars vor seinem geistigen Auge ließ Maron bereits etwas ahnen. „Was gibt es, IDUSA?“, fragte er. „Techniker McKnight benötigt Sie im Maschinenraum, Agent.“, sagte der Rechner der Station. „Sie hat etwas gefunden.“ „Sag ihr, ich bin unterwegs!“, sagte Maron, zog seinen Koppler ab und stand von seinem Platz auf. Dann warf er Joran nur noch ein schnelles: „Du übernimmst hier!“, zu, bevor er die Kommandozentrale hastig verließ.

Zirell hatte mit Ishan in dessen Sprechzimmer Platz auf zwei Sitzkissen vor seinem Schreibtisch genommen, um mit ihm über die neuesten Nachrichten zu sprechen. „Es könnte durchaus sein, dass eine Reise in die Seele Diran helfen kann.“, sagte der Arzt. „Da stimme ich dir zu. Aber ich denke, dass auf diese Weise nur dann etwas erreicht werden kann, wenn derjenige, der sie durchführt, mindestens genauso stark wie Tolea selbst ist. Aber hier beißt sich die Katze schon wieder in den Schwanz. Durch Nidells und deine telepathischen Ausflüge in Dirans Geist wissen wir, dass er eine wahnsinnige Angst vor den Bewohnern des Raum-Zeit-Kontinuums hat. Zumindest hat sein Unterbewusstsein diese Angst.“ „Wer kann es ihm verübeln?“, fragte Zirell. „Schließlich hat ihn eine von denen ja auch in die Situation gebracht.“ „Das ist korrekt.“, sagte Ishan. „Das Problem wird nur sein.“, fügte Zirell bei. „Dass er dieser Person irgendwann wieder dienen wird.“ „Nein, Zirell.“, sagte Ishan. „Wenn es uns gelingen sollte, Dirans Trauma auf die eine oder andere Weise zu tilgen, dann dürfte das kein Problem mehr darstellen. Du darfst nicht vergessen, Zirell, dass es dann immer sein Bewusstsein geben wird, das sein Unterbewusstsein korrigiert.“ „Schön und gut.“, sagte Zirell. „Aber wie wollen wir es anstellen, dass es erst einmal dazu kommen kann? Ein einzelner Tindaraner ist viel zu schwach. Er oder sie wird an dem Bann nicht das Geringste ausrichten können. Einer allein kann diesen Posthypnotischen Befehl, wie wir es vielleicht eher nennen würden, weder ändern, noch löschen. Wir bräuchten schon die Hilfe eines Bewohners des Raum-Zeit-Kontinuums. Aber Kairon ist ja dazu im Augenblick auch nicht in der Lage.“ „Das stimmt nicht ganz, Zirell.“, sagte der Arzt. „Ich habe ihn wieder aus seiner Ohnmacht holen können, indem ich ihm eine geringe Dosis Rosannium verabreicht hatte.“

Zirell ließ seine Worte erschrocken in ihrem Kopf nachhallen. „Was hast du gerade gesagt, Ishan?!“, fragte sie empört. „Die Dosis macht das Gift, Zirell.“, beruhigte Ishan sie. „In den Händen eines Mediziners kann Rosannium auch heilen, wenn es richtig angewandt wird. Ich habe ihm nur so viel gegeben wie es brauchte, um jene Verbindung, die Sytania zu ihm aufgebaut hatte, wieder zu trennen. Dafür mussten seine telepathischen Fähigkeiten ja temporär gedrosselt werden und er musste giftig werden für sie. Ich weiß, was ich tue, Zirell! Bitte vertrau mir.“

Die Tindaranerin gab einen schweren Seufzer von sich und der bisher stark versteinerte Ausdruck ihres Gesichtes zerfloss wieder zu einem milden freundlichen Antlitz. „Es tut mir leid, Ishan.“, sagte sie. „Aber die Situation hat mich wohl zu sehr mitgenommen.“ „Das kann ich dir nicht verübeln.“, sagte der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein. „Es gibt schließlich noch eine Menge offener Fragen und du magst keine Rätsel. Zumindest hast du mir gegenüber oft diesen Eindruck vermittelt.“ „Dein Eindruck täuscht dich nicht.“, sagte Zirell. „Ich bin wirklich nicht sehr begeistert von Rätseln. Gerade dann nicht, wenn die Lösung des einen schon wieder ein weiteres aufdeckt.“ „Verständlich.“, sagte Ishan. „Aber vielleicht können wir ja …“

Die Sprechanlage hatte ihn unterbrochen. Im Display konnten sowohl Zirell, als auch er selbst das Rufzeichen des Krankenzimmers ablesen. „Ist Nidell dort?“, fragte Zirell. „Ja.“, sagte Ishan. „Ich denke, sie wird uns etwas zu sagen haben.“

Er ging zur Konsole und nahm das Mikrofon in die Hand und damit das Gespräch entgegen. Auf die Benutzung seines Haftmoduls hatte er dieses Mal mit Absicht verzichtet, um Zirell auch eine Teilnahme am Gespräch zu ermöglichen, auch wenn diese nur aus dem einfachen Zuhören bestehen würde.

„Nidell, ich höre.“, sagte Ishan ruhig und sachlich. „Bitte komm schnell her, Ishan!“, ließ sich tatsächlich die aufgeregte Stimme der jungen tindaranischen medizinischen Assistentin vom anderen Ende der Verbindung vernehmen. „Dirans Zustand hat sich verschlechtert! Ich musste Shimar wegschicken! Er ist bestimmt nicht schuld, aber …“ „langsam, Nidell.“, sagte Ishan. „Was genau ist denn mit Diran?“ „Er weist starke Anzeichen für Stress auf.“, antwortete Nidell. „IDUSA hat ein telepathisches Muster erkannt, dass dies offenbar verursacht. Sie hat es Kairon zugeordnet!“ „Interessant.“, sagte Ishan. „Dabei hat er doch zu mir gesagt, dass er schlafen möchte.“ „Offenbar hat er dich hintergangen.“, mischte sich Zirell ins Gespräch. „Korrekt.“, sagte Ishan. „Auch wenn das vielleicht auch nur auf seine eigene Hilflosigkeit zurückzuführen und ein Ausdruck dieser zu sein scheint, so kann ich doch nicht zulassen, dass er meinen anderen Patienten derart gefährdet.“

Er nahm das Gespräch mit seiner Assistentin wieder auf: „Nidell, hör mir jetzt bitte genau zu! Spritze Diran 10 mg pures Rosannium!“ „10 mg?“, fragte Nidell alarmiert. „Findest du die Dosis nicht etwas hoch?“ „Oh nein!“, sagte Ishan. „Sie dürfte gerade angemessen sein, um Kairon eine gute Lehre zu erteilen. Wenn Diran für ihn giftig wird, dann kann er die Verbindung nicht mehr halten und wird sich fragen, was der Grund für unser Eingreifen war. Dann werde ich ihm dazu einige gehörige Takte sagen müssen.“ „Also gut.“, sagte Nidell und beendete das Gespräch, um gleich darauf zu tun, wessen ihr Vorgesetzter sie gerade beauftragt hatte.

Zirell war aufgestanden. „Ich werde dir jetzt nicht länger im Weg stehen.“, sagte sie in Ishans Richtung gewandt. „Das tust du nicht.“, sagte der Arzt. „Aber es wäre in der Tat besser, du würdest gehen, damit Nidell und ich unsere Arbeit tun können.“ Zirell nickte und verließ das Sprechzimmer, um wieder zur Kommandozentrale zu gehen.

Auf dem letzten Stück dieses Weges stieß sie allerdings fast mit Maron zusammen. „Hoppla!“, sagte sie. „Jetzt hätte ich dich doch fast übersehen. Wohin denn des Weges so eilig, Maron?“ „Ich muss zu McKnight!“, sagte der erste Offizier hektisch. „Sie hat wohl etwas auf Dirans Schiff gefunden.“ „Na dann.“, sagte Zirell, warf ihm noch einen auffordernden Blick zu und schob sich dann an ihm vorbei, der in die andere Richtung davonging.

Kairon war tatsächlich von Nidells Spritze in Dirans Arm überrascht worden. Der Mächtige, der zu diesem Zeitpunkt auf einem weiteren Biobett im anderen Krankenzimmer lag, hatte eine Art Krampf verspürt, der durch seinen gesamten Körper gegangen war. Im gleichen Augenblick hatte Ishan sein Zimmer betreten und ihn mit einem typischen Blick sofort gescannt.

„Na, da haben wir ja den Lügner auf frischer Tat ertappt.“, sagte der Androide ruhig und setzte sich auf ein Sitzkissen, das er sich herangezogen hatte. Dabei hielt er aber dennoch einen gewissen Abstand zu Kairons Bett, als wollte er sagen: „Auf meine Hilfe kannst du erst mal lange warten!“ „Wovon ist hier die Rede?!“, sagte Kairon im Versuch, möglichst unwissend zu tun. „Was meinst du damit, ich hätte gelogen, Ishan?! Du solltest dich mal lieber um mein telepathisches Zentrum sorgen. Irgendetwas kann da nicht stimmen!“ Er hielt sich den Kopf. „Ich habe den Eindruck, dass mit deinem Zentrum alles in Ordnung ist.“, sagte Ishan. „Aber ich kann mir schon denken, was dein Problem ist. Du hast wohl das Rosannium und seine Wirkung gespürt, das Nidell dem armen Diran verabreicht hat, dem du an die mentale Wäsche wolltest, nicht wahr? Dabei haben wir doch etwas ganz anderes vereinbart, mein Freund, nicht wahr?“

Schwerfällig setzte sich der Mächtige auf. Dann fragte er: „Wie kommt ihr dazu, so mit mir umzugehen?!“ „Nun.“, sagte Ishan. „Dass wir so mit dir umgehen, das hast du dir selbst zuzuschreiben. Du scheinst die Situation immer noch nicht wirklich verstanden zu haben. Wir fragen uns, wie lange es noch dauern wird, bis du einsiehst, dass wir uns alle gegenseitig helfen müssen, um das hier heil zu überstehen.“ „Ach, Ishan.“, sagte Kairon. „Dass du das nicht verstehst, kann ich mir vorstellen! Du bist kein Mächtiger. Für dich ist das doch alles viel zu hoch!“ „Ah.“, machte der Androide. „Du versuchst verletzend und beleidigend zu werden, um deine Hilflosigkeit zu überspielen. Aber erstens solltest du wissen, dass mir so etwas schon als Aldaner kaum etwas ausgemacht hat und als Androide kann ich es noch umso weniger spüren. Mein analytischer Verstand sagt mir allerdings, dass es für deine Schwester und dich wohl einfacher ist, in der Theorie zu sagen, dass wir Sterblichen lernfähig und intelligent sind, es in der Praxis umzusetzen euch aber wohl noch sehr starke Probleme bereitet.“ „Du hast Recht.“, sagte Kairon. „Es ist verdammt schwer für mich, zu akzeptieren, dass ich von euch abhängig bin. Aber das hat weniger mit Toleas und meinen Theorien im Umgang mit euch zu tun, als mit meiner eigenen Person. Ich schaffe es offenbar doch nicht, den Sterblichen genug zu vertrauen. Bitte verzeih mir.“ „Du solltest den armen Diran um Verzeihung bitten und nicht mich.“, tadelte ihn Ishan. „Seinen Verstand hast du nämlich gerade aufgewühlt und in Stress versetzt.“ „Es tut mir leid.“, sagte der Mächtige. „Aber …“ „Aber für einen Mächtigen wie dich scheint es offenbar sehr schwer zu sein, die Zügel einmal aus der Hand zu geben. Das kann ich verstehen. Wenn Techniker McKnight mich an einen altertümlichen Computer aus dem 21. Jahrhundert anschließen würde und mir erklärte, dass die Funktion meiner Systeme jetzt durch ihn laufen müsste, wenn auch nur temporär, dann würde ich ihr sicher auch einige Fragen stellen, bis ich davon überzeugt wäre. Das würde ich tun, weil ich rein von der Vernunft gesteuert bin. Du aber hast Gefühle, die das Ganze für dich noch erschweren.“ „Oh ja.“, sagte Kairon. „Und das Schlimmste von ihnen ist Angst! Ich habe Angst, dass alles den Bach heruntergeht! Ihr Sterblichen habt lange noch nicht das Verständnis für …“ „Aber wir können lernen und wir lernen schnell.“, sagte Ishan. „Außerdem hat niemand gesagt, dass wir euch vollständig ausschließen würden. Wir würden gern mit euch zusammenarbeiten, um das Problem zu lösen. Das können wir aber nicht, wenn du uns beispielsweise ständig belügst und betrügst.“ „Das verstehe ich.“, sagte Kairon. „Wie soll man sich denn da noch gegenseitig vertrauen? Ich würde mich gern auch bei Diran entschuldigen. Aber immer dann, wenn ich versuche, in sein seelisches Gefängnis vorzudringen, fängt alles an zu beben und fällt fast in sich zusammen. Er könnte darunter begraben werden und dann sterben. Das ist aber das Letzte, was ich will!“ „Kein Wunder.“, sagte Ishan. „Sein Trauma wurde durch deine Schwester, also eine von euch, verursacht. Es ist ganz logisch, dass sein Unterbewusstsein Angst vor euch hat. Außerdem ist die Reise in die Seele eine Spezialität der Tindaraner! Wenn einer von ihnen die Verbindung dominieren würde und du nur der Verstärker wärst, dann könnte Diran das vielleicht leichter annehmen und es wäre sicher auch möglich, ihm zu helfen. Ich kenne sogar einen, der darin sehr gut ist.“

Er zog sein Haftmodul aus der Tasche und schloss sich damit an eine nahe Konsole an. Dann gab er IDUSA ein: Suche Shimar und schicke ihn sofort hierher!, was der Rechner auch sofort ausführte.

Kairon hatte nur bemerkt, dass er das Modul benutzt hatte. „Was hast du da gemacht?“, wollte der Mächtige von seinem künstlichen Freund wissen. „Ich habe IDUSA nur einige Befehle erteilt, die etwas mit unserem weiteren Vorgehen bezüglich Diran zu tun haben.“, sagte Ishan. In gewisser Weise stimmte das ja sogar. „Na gut.“, sagte Kairon. „Bei deinen medizinischen Fachproblemen kann ich dir wohl sowieso nicht helfen.“ „Das ist korrekt.“, sagte der Androide.

Die Tür zum Zimmer öffnete sich und Shimar betrat den Raum. Sofort wendete er sich Ishan zu: „Du wolltest mich sprechen? IDUSA sagte, es sei dringend.“ „Das ist es auch.“, sagte der Androide, holte ein zweites Sitzkissen und platzierte es neben dem Seinen. Dann deutete er darauf: „Setz dich.“ Shimar kam seiner Aufforderung nach. Jetzt saßen die Beiden vor Kairon und bildeten eine Front. Das war eine Tatsache, die der intelligente Patrouillenflieger auch längst durchschaut hatte. Deshalb flüsterte er Ishan auch zu: „Willst du versuchen, unseren Mächtigen einzuschüchtern?“ Ishan schüttelte nur den Kopf. „Ich möchte.“, sagte er dann sehr gut für alle Beteiligten hörbar. „Dass du, Shimar, gemeinsam mit Kairon eine Reise in Dirans Seele unternimmst. Aber du bist der Initiator der Verbindung und Kairon ist nur dein Verstärker. Dirans Körper dürfte Nidells Spritze mit Rosannium bereits längst abgebaut haben. Ich glaube, dass Diran dann weniger Angst haben und sich sogar von euch helfen lassen wird. Ob ihr Toleas Bann ganz löschen oder ihn nur umschreiben könnt, wird sicher von der Situation abhängen, die ihr dort vorfindet. Aber das Urteil überlasse ich ganz dir, Shimar. Ich werde natürlich versuchen, euch von außen alle medizinische Unterstützung zukommen zu lassen, die ich kann. Das heißt, ich werde Dirans Körper mit Medikamenten in Balance halten, soweit es geht. Für seinen Geist seid ihr, oder besser bist du zuständig. Ich mache mir keine großen Sorgen darum, ob du das hinbekommst. Ich bin sogar sicher, dass du es schaffen wirst. Du hast ein großes Talent, die Bilder richtig zu interpretieren, die du bei so etwas siehst und das hat schon oft zu sehr guten Ergebnissen geführt. Alle, von denen ich weiß, mit denen du das bisher getan hast, waren vollauf begeistert und die Ergebnisse sprechen für sich.“ „Na, danke für die Blumen.“, sagte Shimar flapsig. „Ich wäre dazu tatsächlich bereit. Die Frage ist aber, ob unser Mächtiger hier die Sache so akzeptieren kann.“

Ishan sah Kairon prüfend an. „Das kann ich.“, sagte dieser. „Es bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig.“ „Also gut.“, sagte Shimar und begann damit, sich zuerst auf das Gesicht Kairons und dann auf das Dirans zu konzentrieren. Zu Ishan sagte er nur noch: „Damit du’s weißt, ich fange an!“

Kairon und Shimar glitten in jenen schon sehr gut bekannten schlafähnlichen Zustand ab. Was sie sahen, kam ihnen so real vor, dass der Mächtige zunächst sehr verwirrt war. Shimar versicherte ihm jedoch, dass das ganz normal sei.

Sie fanden sich in der gleichen Höhle wieder, die auch Nidell und Zirell gesehen hatten. Auch Dirans Gefängnis war dort vorhanden. Die Buchstaben der Säulen allerdings waren zu vendarischen Symbolen geworden. „Was ist hier passiert?“, fragte Kairon und deutete auf eine der Säulen. „Ich denke, dass sich Diran immer weiter von uns entfernt.“, sagte Shimar. „Das passiert, wenn er das Vertrauen in uns verliert. Außerdem fallen viele, die einen Schock erlitten haben, wieder in ihre Muttersprache zurück. Aber ich glaube, dass ich das hier durchaus entziffern kann.“ „Dein Kumpel Joran hat dir also genug beigebracht?“, vergewisserte sich Kairon. „Davon gehe ich aus.“, sagte Shimar und probierte seine Kenntnisse gleich an dem ersten Wort aus.

Kairon war Diran hinter der Mauer aus Symbolen ansichtig geworden. „Mach dir keine Sorgen, Diran!“, rief er ihm zu. „Wir holen dich hier raus!“

Sofort begann alles wieder zu zittern und zu beben und der Trümmerhaufen, der den armen Vendar schon fast verschüttet hatte, begann noch weiter anzuwachsen. Außerdem drohte ein großer Stein Diran auf den Kopf zu fallen. Shimar konnte das nur verhindern, indem er seine telekinetischen Fähigkeiten einsetzte. Dann griff er Kairon unsanft am Arm und zerrte ihn mit sich hinter einen Vorsprung: „Komm mit!!!“ Seine Wut war ins schier Unermessliche gestiegen und er musste sich sehr zusammenreißen. „Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?!“, schrie der Tindaraner den Mächtigen an. „Du weißt doch, dass Diran viel zu große Angst vor euch hat. Was hatten wir denn vereinbart, he?!“ „Wir hatten vereinbart, dass ich nichts auf eigene Faust unternehme.“, sagte Kairon. „Aber du darfst nicht vergessen, dass diese Methode total neu für mich ist.“ „Gerade dann solltest du dich mir völlig anvertrauen!“, sagte Shimar. „Damit dir das klar ist, ich habe die Verbindung initiiert, ich kann sie auch wieder beenden! Leiste dir noch so einen Schnitzer und ich tue es, klar?! Aber dann wirst du Ishan erklären, warum wir aufgeben mussten! Ich gehe jetzt auf jeden Fall erst mal zu Diran und versuche mein Bestes, um ihn zu beruhigen!“

Er drehte sich dem Vendar in seiner Zelle zu und gab einen beruhigenden Laut von sich. Dann sagte er: „Hey, Diran, es wird alles wieder gut.“ „Das glaube ich nicht, Shimar.“, erwiderte Diran. „Nicht solange der da bei dir ist.“ „Er hat nicht viel zu melden.“, sagte der Tindaraner. „Er ist lediglich mein Verstärker. Ich brauche ihn, um überhaupt etwas gegen den Bann seiner Schwester ausrichten zu können.“

Shimar hatte kaum ausgesprochen, als das Erdbeben erneut losbrach. „Hab keine Angst, Diran!“, sagte er fest. Wenn es dir zu großen Stress macht, dass wir versuchen, ihn vollständig zu löschen, dann lass wenigstens zu, dass wir versuchen, ihn umzuschreiben.“ „Wie wollt ihr das denn anstellen?“, fragte Diran. „Da wird uns schon etwas einfallen!“, versicherte Shimar. „Es wird uns etwas einfallen, Diran! Hörst du?!“

Erleichtert nahm der Tindaraner zur Kenntnis, dass das Erdbeben aufgehört hatte. „Danke für dein Vertrauen, mein Freund.“, sagte er und schüttelte dem Vendar durch eine kleine Lücke in einem der Symbole die Hand. „Aber jetzt muss ich mich erst mal um unseren Anfänger von Q kümmern, damit der nichts Schlimmes anstellt. Oh wenn ich ihn bloß nicht so dringend brauchen würde …!“

Kairon hatte sich daran gemacht, zu versuchen, mit den bloßen Händen den obersten der Steine auf einer der Säulen aus Symbolen herunterzuziehen. Das gelang ihm aber nicht. Erst jetzt bemerkte er, dass er aus einer Nische heraus von einer merkwürdigen Kreatur beobachtet wurde, die er nur als einen vendarischen Knaben mit Flügeln auf dem Rücken wahrnahm, der ihn hämisch auslachte. „Vergiss es!“, lachte das Wesen. „Auf diese Art kommst du nicht sehr weit.“ „Wer bist du?“, fragte Kairon. „Das tut nichts zur Sache.“, sagte das Wesen. Aber wenn du willst, kann ich dir Werkzeug geben.“ „Ja.“, stimmte Kairon zu. „Tu das.“

Es gab einen schwarzen Blitz und vor Kairon lagen Hammer und Meißel. „Vielen Dank.“, sagte der Mächtige und machte sich an die Arbeit. Der geflügelte Knabe verschwand, allerdings nicht, ohne ihn vorher noch einmal auszulachen: „Du wirst schon sehen, was du davon hast. Du wirst es sehen.“

Shimar war zu Kairon zurückgekehrt. Genau hatte er gesehen, was der Mächtige da tat. Er sah allerdings auch, dass er damit gar nichts erreichte. „Was bitte hast du da angenommen?!“, fragte der Tindaraner und schaute verächtlich auf das Werkzeug, das Kairon in seinen Händen hielt. „Das waren Geschenke von einem geflügelten Jungen.“, sagte Kairon. „Er hat mir zwar gespottet, aber er hat mir am Schluss doch …“ „Gib mir den verdammten Meißel!“, schrie Shimar und schlug ihm das Werkzeug aus der Hand. Dann betastete er vorsichtig dessen Spitze. „Kein Wunder, dass du damit nicht weit gekommen bist.“, sagte er. „Das Ding ist stumpf.“ „Ach so.“, sagte Kairon. „Und ich dachte schon, dieser Stein wäre Diamant oder so etwas.“ „Oh Mann!“, stöhnte Shimar. „Ihr Götter, bitte gebt mir Geduld! Bitte gebt mir ganz viel Geduld!“

Am liebsten hätte er wohl auf der Stelle die Verbindung wieder beendet, aber sein soldatisches Pflichtbewusstsein verbot ihm das. Es verbot ihm geradezu aufzugeben, bevor die Mission nicht erfüllt war. „Ruhig, Junge, ruhig.“, flüsterte er sich auf Tindaranisch zu. „Er kann nichts dafür. Er ist ein Mächtiger und hat so noch nie gearbeitet. Normalerweise regelt er alles mit einem Fingerschnippen. Also verbuch das als Anfängerfehler und mach weiter!“

Shimar atmete tief durch, bevor er sich wieder an Kairon wandte: „Du hast das also von einem geflügelten Jungen bekommen.“, sagte er dann. „Und dieser Junge hat dich verspottet. Das bedeutet, du bist Desperan begegnet. Er ist der vendarische Gott der Verzweiflung. Von ihm etwas anzunehmen und auch noch zu glauben, es würde helfen, bedeutet, dass du der Verzweiflung genauso anheimgefallen wärst wie Diran, wenn ich nicht gekommen wäre! Was haben wir denn gesagt?“ „Wir hatten abgesprochen, dass ich nichts ohne Absprache mit dir tue.“, sagte Kairon. „Und?“, fragte Shimar frustriert. „Hast du dich daran gehalten?“ „Nein.“, gab der Mächtige zu. „Aber was macht der vendarische Gott der Verzweiflung hier?“ „Wir sind in der Seele eines Vendar.“, erklärte Shimar. „Das bedeutet, wir begegnen auch seinem Glauben. Aber du kannst von mir aus hier weitermachen, wenn du unbedingt willst. Ich suche anderswo nach Hoffnung!“

Kaum hatte Shimar ausgesprochen, erschien ein weiterer geflügelter Vendar-Junge auf der Bildfläche. Er glich mit seinem schwarzweißen Kinderfell in etwa dem ersten Knaben, hatte aber ein viel freundlicheres Gesicht. „Dein Ruf hat mich erreicht, Tindaraner.“, sagte er. „Komm mit mir.“

Shimar nickte und drehte sich ihm zu, aber Kairon hielt ihn zurück: „Halt! Du kannst doch nicht einfach …“ „Doch, das kann ich.“, sagte Shimar. „Das ist nämlich Harapan, der Gott der Hoffnung. Die Vendar glauben, dass man ihn rufen kann, indem man die Aufgabe, für die er zuständig ist, laut ausspricht.“ „Die Beiden sehen so gleich aus.“, sagte Kairon. „Das sind sie auch.“, sagte Shimar. „Laut der vendarischen Mythologie sind die Götter der Hoffnung und der Verzweiflung 1-eiige Zwillingsbrüder.“ Damit folgte Shimar dem Jungen, der ihn in eine andere Ecke der Höhle führte.

Shimar fand hier einen Maurerkübel mit einer Zementmischung und eine Kelle vor. Außerdem steinerne Symbole, die das vendarische Wort für Freund ergaben. Da dies das Gleiche war wie der Name seines Arztes, war dies für Shimar nicht unbekannt. Sobald er es sah, schien er schon zu verstehen, was Harapan von ihm wollte. „Du willst, dass ich an der Südseite der Mauer eine Säule errichte, damit das Gewölbe gestützt wird.“, sagte Shimar. Erst dann kann der Trümmerhaufen, der es jetzt noch gerade so hält, beseitigt werden und das bildet einen Ausgang für Diran, nicht wahr?“ „Richtig.“, lächelte Harapan und beförderte sich, Shimar und die Gegenstände mittels seiner göttlichen Macht an den Ort, an dem sie gebraucht wurden.

Überrascht hatte Kairon dem Treiben zugesehen. „Was bitte wird das?“, fragte er. „Das wird die Rettung für Diran.“, sagte Shimar. „Und jetzt mach dich nützlich und reich mir die Steine an!“

Missmutig tat Kairon, was Shimar von ihm verlangt hatte. Dabei hatte er sich gewundert, woher der Tindaraner so gut über das Mauern Bescheid wusste. Aber er konnte sich auch einen Grund dafür vorstellen. Shimar hatte ja eine Beziehung mit mir und mein Vater wusste, wie man Häuser baut. Ich hatte ihm sicher schon einige Fragen gestellt und über die ständige telepathische Verbindung zwischen uns konnten die Antworten durchaus einmal in seinen Geist gekommen sein, auch wenn die Verbindung jetzt gerade schlafend war, weil wir uns in verschiedenen Dimensionen befanden. Auch Shimar hatte bemerkt, dass ihm das nötige Wissen geradezu zugeflogen war. Leise hatte er daher in den Raum geflüstert: „Ich danke dir von ganzem Herzen, Kleines.“

Bald war die Mauer errichtet. „So.“, sagte Shimar. „Jetzt dürfte es noch einmal anstrengend werden.“ „Vielleicht auch nicht.“, sagte Kairon. „Jedenfalls nicht für dich. Betrachte das, was ich jetzt tue, bitte als Wiedergutmachung!“

Er konzentrierte sich auf das Bild von zu einzelnen Atomen zerfallender Materie und sah dabei den Trümmerhaufen an, der noch immer den Ausgang versperrte. Alsbald gab es einen weißen Blitz und von dem Haufen war nichts mehr zu sehen. „Das war das einzig Vernünftige, was du heute getan hast.“, sagte Shimar. „Heißt das, wir schließen wieder Frieden?“, fragte Kairon. Shimar nickte und streckte ihm die Hand hin. Der Mächtige schlug ein.

Diran war aufgestanden. „Hey, Leute, warum ist es auf einmal so hell hier?!“, fragte er erfreut, aber zugleich auch leicht irritiert. „Wahrscheinlich, weil du frei bist.“, sagte Kairon und streckte dem Vendar die Hand durch die offene Wand seiner Zelle hin. Diran nahm sie und ließ sich bereitwillig an ihr ins Freie führen. Oh wie wohltuend war dies! Wie genoss er seine neue Freiheit. Die muffige Luft in der Gefängniszelle hatte er schon lange satt gehabt. Jetzt roch es nach Wiesenblumen, Wald und allen anderen natürlichen Gerüchen, die er aus seiner Heimat kannte. „Ich danke euch, meine Freunde!“, rief Diran überschwenglich aus und küsste sogar den Boden. „Ich danke euch so sehr!“

Die Höhle und alle Dinge, die dazugehört hatten, begannen vor Shimars und Kairons geistigen Augen zu verschwimmen. Dann löste sich die Umgebung vollständig auf und beide waren wieder zurück in der Realität. „Willkommen zurück.“, sagte Ishan, der beide am Monitor überwacht hatte. „Wie mir scheint, wart ihr beide doch noch erfolgreich. Es gab am Anfang eine Reihe von Werten, die mich schließen ließen, dass es wohl Komplikationen gab, aber anscheinend bist du mit denen sehr gut zurechtgekommen, Shimar.“ „An den Komplikationen war ich nicht unschuldig, Ishan.“, sagte Kairon kleinlaut. „Es tut mir leid. Aber gut, dass du nicht mittels einer Spritze eingegriffen hast.“ „Nun.“, sagte der Arzt. „Ich war aber kurz davor. Der Stress, den euer Streit bei Diran ausgelöst hat, hätte ihn umbringen können und das hätte ich gern verhindert.“ „Das kann ich verstehen.“, sagte Shimar. „Aber woher wusstest du, dass wir uns gestritten haben?“ „IDUSA.“, sagte Ishan. „Sie hat eure Tabellen auf die Frequenz heruntergerechnet, auf der sich eure Hirnfunktionen zum Zeitpunkt der Reise in die Seele befanden. Ich hatte eine direkte Datenverbindung mit ihr über mein Haftmodul. Das bedeutet, dass ich zu jeder Zeit über alles informiert war.“ „Schon klar.“, sagte Shimar.

Nidell winkte Ishan zu. „Bitte entschuldigt mich einen Augenblick.“, sagte der Androide und ging zu seiner Assistentin hinüber, die nur auf Diran zeigte: „Seine Werte verbessern sich rapide, Ishan! Ich glaube, er wacht auf!“

Sie hatte kaum ausgesprochen, da schlug der Vendar bereits die Augen auf. „Was ist geschehen?“, fragte er. „Wo bin ich?“ „Du befindest dich auf der Krankenstation von 281 Alpha.“, sagte Ishan. „Den Göttern sei Dank.“, sagte Diran. „Obwohl es für mich sicher besser wäre, wenn ihr mich zu meinem Volk schicken würdet, damit ich dort die Strafe für Hochverrat annehmen kann, welche der Tod ist.“ „Nun mal ganz langsam.“, sagte der Arzt. „Shimar, Kairon, Nidell und ich haben dich nicht mühevoll ins Leben zurückgeholt, damit du dich gleich wieder davonstielst. Ich bin sicher, als du diesen angeblichen Hochverrat begangen hast, warst du nicht Herr deiner Sinne. Du standst unter dem Befehl deiner Herrin Tolea, die sich falsch ausgedrückt hat. Also trifft allenfalls sie eine Schuld.“ „Das kannst du gar nicht beurteilen!“, sagte Diran, so fest er es eben konnte. „Du hast mit der Verbrechensbekämpfung nichts zu tun und weißt vielleicht gar nicht so genau, was ein Verbrechen ist und was nicht! Schick Maron El Demeta zu mir! Er soll urteilen!“ „Also gut.“, sagte Ishan. Dann wandte er sich an IDUSA: „IDUSA, lokalisiere Agent Maron und schicke ihn her!“ „Sofort, Ishan.“, antwortete der Rechner. „Bist du jetzt zufrieden?“, fragte Ishan an seinen Patienten gewandt, der ihm nur zunickte und dann ruhig einschlief.

Kairon hatte sich der Tür zugewandt. „Ich werde dann auch besser meiner Schwester auf die 818 folgen.“, sagte er. „Hier kann ich ja eh nichts mehr tun.“ „In Ordnung.“, sagte Ishan. Dann verschwand Kairon in einem weißen Blitz. Auch Shimar verabschiedete sich und ging.

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