- Schriftgröße +

 

Jenna und Maron hatten sich die Aufzeichnung von Dirans Schiff angesehen. „Was für ein verdammter Schauspieler!“, rief Jenna aus und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht, McKnight.“, sagte Maron. „Ich denke, diesen Jungen, diesen Mirdan, werden wir uns gut merken müssen, Er scheint sehr clever zu sein und wenn er so eine Aufgabe bekommt, dann halten Sytania und ihre Leute sicher große Stücke auf ihn. Ich denke, wir sollten, nein, wir dürfen, ihn auf Grund seines geringen Alters auf keinen Fall unterschätzen!“ „Ganz genau.“, stimmte die hoch intelligente Halbschottin dem demetanischen Ersten Offizier zu. „Aber mir tut nach wie vor Diran leid. Er ist total hereingelegt worden. Ich bin überzeugt, Mirdan hatte alle Kenntnisse, die ihn auch so aus der Situation befreit hätten.“ „Davon gehe ich auch aus, McKnight.“, sagte Maron. „Es hätte ja sein können, dass Diran nicht anbeißt.“ „Hätte können.“, sagte Jenna frustriert. „Aber ich denke, dass Sytania und ihre Leute genau wussten, wie gutmütig Diran ist und dass er leicht auf ein unschuldiges Gesicht und einen Novizen in einer scheinbar verzweifelten Situation hereinfallen würde.“ „Wie konnten Sytanias Leute überhaupt von der Sache mit dem Bann erfahren, Techniker?“, fragte der Agent. „Haben Sie dazu eventuell auch eine Idee? Ich meine, gegen geistige Spionage Sytanias könnten sich Tolea und ihre Leute doch sicher abschirmen, oder?“ „Natürlich.“, sagte Jenna. „Aber ich halte Sytanias Vendar für den Grund, aus dem sie von dem Bann über Diran erfahren konnte. Sie besitzen eine interdimensionale Sensorenplattform, über die auch Drohnen gestartet werden können, die so weit oben operieren können, dass sie mit dem bloßen Auge nicht zu sehen sind. Sie haben starke Sensoren, die alles in ihrer Reichweite sehr genau aufzeichnen können. Wenn dann am Bildschirm noch ein guter Lippenleser sitzt, kann es durchaus sein, dass sie alles beobachtet und leider genau die richtigen Schlüsse gezogen haben, Sir. Darauf haben sie dann diesen Plan gefasst und ausgeführt. Ich weiß, meine Theorie klingt abenteuerlich, Agent. Aber …“ „Aber sie klingt für mich verdammt richtig, McKnight.“, sagte Maron. „Ich denke, wenn ich an Sytanias Stelle wäre, dann würde ich es genauso machen. Zumal dann niemand meine Aktionen spüren könnte, der mir gefährlich werden könnte. So einfach könnte mir dann ja auch keine Schuld nachgewiesen werden. Aber woher haben Sie das mit der Plattform, Jenna?“ „Joran hat es uns gegenüber doch auch schon oft bestätigt, Agent.“, sagte Jenna. „Ah ja.“, sagte Maron. „Ich wollte nur sichergehen.“

Maron rief sich das Bild von Diran noch einmal in Erinnerung. Dann fragte er: „Würde sich irgendwie beweisen lassen, dass Diran nicht schuldhaft gehandelt hat, Jenna?“ „Ich denke, das ginge durchaus.“, sagte die Technikerin. Wir werden die gleiche Methode benutzen, die auch Mirdan benutzt hat.“ „Sie meinen die Aufzeichnung, nicht wahr?“ „Genau, Sir.“, sagte McKnight. Dann gab sie IDUSA einige Gedankenbefehle über den Neurokoppler, die sie aber auch zu Marons besserem Verständnis laut aussprach: „IDUSA, die Aufzeichnung zu Zeitindex 3352619 zurückfahren und das Bild von Diran vergrößern und auf das Möglichste heranzoomen!“ Der Avatar vor ihrem geistigen Auge nickte und IDUSA führte den Befehl aus.

Maron und Jenna sahen in das jetzt übergroß dargestellte Gesicht Dirans, das sie so beide noch nie gesehen hatten. „Kann IDUSA seine Augen in den Fokus rücken, Techniker?“, fragte der erste Offizier. „Warum sagen Sie ihr das nicht selbst, Sir?“, erkundigte sich McKnight. „Ich dachte, Ihre Probleme bezüglich der Kommunikation mit ihr gehören der Vergangenheit an.“ „Das stimmt schon, Techniker.“, sagte Maron. „Aber ich habe immer noch starke Schwierigkeiten damit, mir vorzustellen, was mit tindaranischer Technologie möglich ist und was nicht. Aber gut. IDUSA, kannst du Dirans Augen noch einmal speziell beleuchten?“ „Sicher, Agent.“, sagte der Rechner und dann veränderte sie das Bild erneut.

Über Dirans Gesicht wurde jetzt ein erleuchteter Rahmen gelegt, in dem nur seine Augen überlebensgroß zu sehen waren. „Danke, IDUSA.“, sagte Maron und sah sich das neue Bild genau an. Dann sagte er: „IDUSA, stelle diesem Bild eines von Dirans normalem Gesicht gegenüber! Lege auch hier den Fokus auf seine Augen!“ „Sie wollen total sicher sein, Sir.“, sagte Jenna. „Nicht wahr?“ „Oh ja, McKnight.“, sagte Maron. „Das will ich. Ich bin über alle Grenzen hinaus als der Pannemann bekannt, der sich schon so oft bei seinen Ermittlungen geirrt hat und ich habe das starke Gefühl, Zoômell und Tamara würden meine Ergebnisse in der Luft zerreißen, wenn sie nicht eindeutig sind.“ „Tamara?“, fragte Jenna. „Beabsichtigen Sie etwa auch, Ihre Ergebnisse der Sternenflotte mitzuteilen?“ „Unter Umständen bleibt mir keine Wahl, Techniker.“, sagte Maron. „Die Situation scheint alle Universen über kurz oder lang zu betreffen. Auch das der Föderation. Ich weiß aber auch, dass gerade deren Regierung sich oft schwertut mit dem Glauben an Dinge, die sich im Dunklen Imperium abspielen oder dort zumindest ihren Anfang nehmen. Deshalb benötigen wir hieb- und stichfeste Beweise, die unsere Theorien untermauern, Jenna.“ „Das denke ich mir, Agent.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin. „Zumal laut dem, was Diran aus Versehen Mirdan mitgeteilt hat, ja auch die Einhörner auf eine Art in die Sache verwickelt sind, die man Einhörnern eigentlich nicht zutraut.“ „Dann müssen Sie etwas anderes gehört haben als ich, McKnight.“, sagte Maron. „Diran hat zu Mirdan doch nur gesagt, dass die Einhörner entzweit seien, oder?“ „Und was bitteschön soll das heißen, Agent?“, fragte Jenna. „Es heißt, dass sie sich gestritten haben, oder es vielleicht noch immer tun.“, sagte Maron. „Das ist richtig.“, bestätigte Jenna. „Aber würde man so etwas im Allgemeinen Einhörnern zutrauen?“ „Sicher nicht, Techniker.“, sagte der Demetaner und zog die Stirn kraus. Das tat er immer dann, wenn er überlegte. „Einhörner gelten bei den Meisten, insbesondere bei den Humanoiden, als heilige und so tugendhafte Wesen, dass so etwas wie Streit oder gar Krieg bei ihnen gar nicht vorkommen kann.“ „Richtig.“, sagte Jenna. „Und da bei Politikern ja nicht sein kann, was nicht sein darf, wird man uns wohl erst dann Glauben schenken, wenn die Beweislast geradezu erdrückend ist. Aber selbst dann ist es nicht sicher, weil manche Parlamentarier die Fakten dann trotzdem immer noch gern ignorieren, bis es zu spät ist und dann schreit man nach Crews, die alles wieder richten sollen.“ „Das ist wohl richtig, Jenna.“, seufzte Maron. „Und gerade deshalb finde ich, wir sollten zu den Beweisen zurückkehren.“

Er konzentrierte sich noch einmal genau auf die Bilder vor seinem geistigen Auge, die ihm der Neurokoppler zeigte. Da er wusste, dass Jenna das Gleiche sehen musste, fragte er sie gleich darauf: „Sehen Sie das Gleiche, das ich sehe, Techniker? Sehen Sie, dass er unter einem fremden Einfluss stehen musste, als er das Vorhaben Toleas an Mirdan verriet?“ „Durchaus, Sir.“, sagte Jenna. „Seine Pupillen sind eng gestellt und sein Blick geht an Mirdan vorbei. Das bedeutet, sein Gehirn ist nicht klar. Normalerweise sieht man jemanden ja genau an. Wenn man sich mit ihm unterhält. Ich bin keine Ärztin, Agent. Ich bin Ingenieurin. Aber sogar für mich sind dies eindeutige Symptome. Selbst ich weiß, dass Dirans Gehirn nicht klar war, als er sich mit Mirdan unterhalten hat.“ „Wir sollten diese Bilder auf einen Datenkristall ziehen.“, schlug Jenna vor. „Falls es gelingt, Diran aus dem Koma zu holen, wird er sich bestimmt des Hochverrats bezichtigen und dann ist es wichtig, dass wir eine Möglichkeit haben, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.“ „Wie kommen Sie darauf, Techniker?“, fragte Maron. „Ich kann mir zwar vorstellen, dass es Ishan irgendwie gelingen könnte, ihn aus dem Koma zu holen, aber dann wird er sich doch sicher nicht an die Vorkommnisse erinnern, oder? Wir haben doch gerade festgestellt, dass er sich seines Tuns gar nicht bewusst sein kann.“ „Und wie erklären Sie dann seine Absicht, sich das Leben zu nehmen?“, fragte Jenna. „Oder zumindest die, zu verhindern, dass er die Information noch weitergeben kann?“ „Das kann ich mir nicht erklären, Techniker.“, sagte Maron. „Aber ich.“, sagte Jenna.

Sie ließ IDUSA die beweisträchtigen Bilder auf einen Datenkristall kopieren und dann wurde die Aufzeichnung zu jenem Punkt zurückgefahren, an dem Mirdan überhaupt das Aufzeichnen verlangt hatte und von dort noch einmal abgespielt.

Jetzt fiel es Maron wie Schuppen von den Augen. „Ach das meinten Sie!“, sagte er. „Sie meinten den Moment, als sich Diran die Aufzeichnung noch einmal mit Mirdan ansah, um zu überprüfen, ob er diesem armen verzweifelten Jungen auch tatsächlich alles richtig erklärt hatte. Dabei hat er natürlich auch seine eigene Stimme gehört, die Mirdan alle Pläne verraten hat. Das wird ihn sehr beschämt haben. Das hat der Kleine leider sehr geschickt gemacht.“ „Allerdings.“, sagte Jenna. „Und deshalb müssen wir auch umso mehr Geschick darin walten lassen, ihn von seiner Unschuld zu überzeugen. Außerdem müssen wir einen Weg finden …“

IDUSA hatte vor ihren geistigen Augen die Hand gehoben. Das tat sie immer dann, wenn sie jemanden auf etwas aufmerksam machen wollte. Außerdem leuchtete ein Licht an der virtuellen Konsole der Sprechanlage, die beide vor sich sahen. „Was gibt es, IDUSA?“, fragte Agent Maron. „Ich habe Ishan für Sie, Agent.“, sagte der Rechner. „Stell ihn durch!“, sagte Maron. Der Avatar nickte.

Der Demetaner wurde des Bildes des Androiden vor seinem geistigen Auge über den Neurokoppler ansichtig. „Ich höre, Ishan.“, sagte er. „Maron, es ist uns gelungen, Diran aus dem Koma zu holen.“, sagte Ishan zur Antwort. „Er verlangt allerdings, von dir sofort vernommen zu werden. Du sollst urteilen, ob er ein Hochverräter ist oder nicht.“ „Interessant.“, sagte Maron. „Das Problem ist nur, dass ich kein Richter bin, sondern eher der Exekutive, als der Judikative angehöre.“ „Aber du musst doch auch wissen, ob jemand verhaftet werden kann, weil er dieses oder jenes Verbrechen verübt hat oder nicht.“, sagte der Arzt. „Also wird dein Urteil hoffentlich genug Gewicht haben, um ihn zu überzeugen.“ „Das hoffe ich.“, sagte Maron. „Aber ich habe auch noch etwas, das ich dir zeigen möchte und bei dem ich auch auf dein Urteil hoffe, Ishan. Es hängt sogar mit Dirans Selbstbezichtigung zusammen.“ „Darauf bin ich gespannt, Maron.“, sagte Ishan. „Gut.“, sagte Maron. „Dann werde ich mich jetzt auf den Weg zu dir machen. Sag deinem Patienten bitte, ich sei unterwegs.“ „In Ordnung, Maron.“, sagte Ishan und beendete die Verbindung.

Der demetanische Agent stand auf. „Ich muss gehen, Techniker.“, sagte er und drehte sich von ihr, die an ihrer Arbeitskonsole sitzengeblieben war, fort. „Aber bleiben Sie bitte in Bereitschaft. Irgendwie habe ich ein komisches Bauchgefühl. Ich spüre geradezu, dass wir Sie und Ihre Programmierkenntnisse heute vielleicht sogar noch benötigen werden. Es könnte sein, dass wir eine Simulation benötigen, um Diran das eine oder andere zu verdeutlichen.“ „Das ist kein Problem für mich, Sir.“, sagte Jenna. „Dann schreibe ich uns was Schönes!“ Bei ihrem letzten Satz grinste sie ihn an. „In Ordnung, McKnight.“, sagte der Erste Offizier und ging.

Ishan und Nidell waren immer noch damit beschäftigt, Diran davon zu überzeugen, dass er wahrlich nichts Böses getan hatte. Zumindest konnte er nichts für die Dinge, die passiert waren. Allerdings sollte sich das als ein unmögliches Vorhaben herausstellen. „Ihr könnt mir sagen, was ihr wollt!“, sagte Diran. „Ich habe doch meine eigene Stimme in der Aufzeichnung gehört, wie sie Mirdan von Toleas Vision und der Weissagung berichtet hat. Wer außer mir soll das denn getan haben?“ „Niemand streitet ab, dass du das getan hast.“, sagte Ishan. „Wir sagen nur, dass es nicht deine Schuld war. Du standst unter Toleas Bann und das hat Mirdan eiskalt ausgenutzt. Woher er und Sytania diese Information hatten, wissen wir noch nicht, aber eines ist sicher. Du warst zumindest vermindert schuldfähig.“

Maron hatte die Krankenstation betreten und Ishans letzten Satz aufgenommen: „Ishan hat Recht, Diran.“ Dann hatte er sich zu dem Vendar ans Bett gesetzt.

„Ich grüße dich, Agent Maron.“, sagte Diran jetzt schon weniger aufgeregt und gab ihm schwach die Hand. „Hallo, Diran.“, sagte Maron ruhig. „Willkommen unter den Lebenden. Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ „Das lag sicher nicht in meiner Absicht, Agent.“, sagte der Vendar und sah ihn beschwichtigend an. „Das kann ich mir denken.“, sagte Maron. „Du hast dich sicher nicht mit dem Vorsatz ins Koma gebracht, uns alle nur zu erschrecken.“

Diese Art des Gesprächs hatte er mit Absicht gewählt, um Diran ganz vorsichtig wieder auf das eigentliche Thema zu lenken, ohne dass dieser etwas davon merken sollte, dass man dabei war, die Schwere seiner Schuld festzustellen. Hätte der Agent dies zu offensichtlich getan, dann hätte Diran sich sofort blockiert und wäre für eine Befragung sicher nicht mehr zugänglich gewesen. Das konnte sich der Demetaner sehr wohl denken. Deshalb kam es ihm wohl besser und strategisch günstiger vor, die Befragung von hinten durch die kalte Küche zu beginnen.

Diran setzte sich in seinem Bett auf und Nidell schob ihm eilig ein Kissen in den Rücken. Durch das lange Liegen war seine Muskulatur sehr stark geschwächt und es würde bestimmt noch einigen Trainings bedürfen, bis er wieder der Alte war. „Nein.“, sagte der Vendar. Ich wollte euch auf keinen Fall erschrecken. Aber ich wollte verhindern, dass noch mehr von unseren Plänen an Sytanias Ohren gerät. Das, was ich getan habe, ist nicht zu entschuldigen, Agent Maron! Es ist nicht zu entschuldigen!“

Maron zog das Pad aus der Tasche, auf dem er die Daten, die Jenna und er aus der Aufzeichnung gezogen hatten, gespeichert hatte. Dann rief er die Datei auf und hielt Diran das Bild genau vor die Augen, während er sagte: „Dessen bin ich mir nicht so sicher, Diran. Du standst nämlich unter dem Einfluss des Bannes, den Tolea über dich verhängt hatte, als du das getan hast. Sie hat sicher nicht gewollt, dass du zum Verräter wirst, aber sie hat sich wohl im Eifer des Gefechts falsch ausgedrückt und deshalb bist du ungewollt zum Verräter geworden. Aber die Schäden sind wohl repariert, soweit ich das verstanden habe. Sonst wärst du ja jetzt sicher nicht wach.“

Ishan trat hinzu und bestätigte: „Das ist wohl wahr und es zeigt auch, wie gut du das, was ich dir neulich bezüglich psychischem Einfluss auf die Gesundheit erklärt hatte, sehr gut verstanden hast, Maron. Dank einer direkten Datenverbindung während einer Reise in Dirans Seele, die Kairon und Shimar gemeinsam unternommen hatten, konnte ich genau sehen, dass sie den Bann zwar nicht löschen, aber ihn umschreiben konnten. Jetzt wird Diran nur noch jedem Freund von unseren Plänen berichten, der von seiner Art ist.“ Er hatte den Freund noch gesondert betont. „Das glaube ich nicht.“, sagte Diran. „Wie wollt ihr das denn gemacht haben?“ „Hattest du zufällig einen verrückten Traum, kurz bevor du aufgewacht bist?“, fragte Maron und gab sich große Mühe, sehr unschuldig dreinzuschauen. „Den hatte ich in der Tat.“, sagte Diran. „Ich sah Shimar El Tindara und Kairon aus dem Raum-Zeit-Kontinuum, wie sie … Aber kann denn das sein, Agent? Kann es denn wirklich möglich sein, dass sie …“ „Ja, das kann es!“, sagte Maron mit viel Überzeugung in der Stimme. „Dein Unterbewusstsein glaubt bereits daran. Sonst hätte es dir ja sicher nicht erlaubt aufzuwachen und dein Bewusstsein werden wir auch noch überzeugen.“

Er wandte sich Ishan zu: „Darf ich mal deine Konsole benutzen?“ „Tu dir keinen Zwang an, Maron.“, erwiderte der Arzt. „Danke.“, sagte der demetanische Agent und setzte sich auf ein Sitzkissen an der Konsole. Dann schrieb er eine SITCH-Mail an Jenna, in der er ihr Instruktionen zum Schreiben einer bestimmten Art von Simulation übermittelte. Das tat er deshalb auf diesem Weg, da Diran nicht mitbekommen sollte, worum es ging. Dies war wichtig, um den Überraschungseffekt später optimal ausnutzen zu können.

Danach wendete er sich noch einmal Ishan zu: „Ich denke, McKnight wird nicht lange zum Schreiben der Simulation brauchen. Ist es irgendwie möglich, Diran in die Simulationskammer zu bekommen?“ „Mit einer Gehhilfe sicher.“, sagte Ishan. „Aber ich werde Nidell als medizinische Fachkraft mitschicken.“ „Das ist völlig in Ordnung.“, sagte Maron. „Wir werden uns also wieder hier treffen, sobald Jenna die Simulation fertig hat.“ „OK.“, sagte Ishan. Dann verließ Maron wieder die Krankenstation.

Shimar hatte Zirell gemeldet, dass seine Mission erfolgreich verlaufen war und hatte sich dann, nachdem sie ihn entlassen hatte, in sein Quartier zurückgezogen. Hier hatte er sich nur noch mit einem schweren Seufzer auf sein Bett fallen lassen. Allerdings hatte er aus Routine den Neurokoppler aufbehalten, ein eindeutiges Signal für IDUSA, dass sie seine Tabelle zwar auf den Port in seinem Schlafzimmer umladen, sie aber noch nicht löschen sollte. So waren die Gedanken des jungen Fliegers für den Rechner der Station nach wie vor ein offenes Buch.

„Es beschäftigt Sie zweifelsfrei immer noch, dass sich Kairon wie ein Anfänger verhalten hat.“, stellte sie fest. „Da hast du Recht, IDUSA.“, sagte Shimar. „Aber jetzt ist mir eigentlich gar nicht nach reden. Ich möchte nur noch schlafen, also lass mich!“

Er drehte sich zur Wand, nahm den Koppler aber immer noch nicht ab. „Ich kann und darf Ihnen leider nicht so ohne weiteres abnehmen, dass Sie nicht mehr mit mir reden wollen.“, sagte der Rechner. „Sie haben mir noch immer kein eindeutiges Signal gegeben. Sie haben den Neurokoppler immer noch auf.“ „Na schön.“, sagte Shimar, dem es eigentlich jetzt wie ein unwiderstehliches Angebot vorkam, dass sie so auf die Einhaltung der Protokolle drängte. Er wusste, dass sie nichts dafür konnte, weil sie eben ein Computer war. Es war ihm andererseits aber auch so ganz recht.

„Weißt du, IDUSA.“, begann er damit, ihr sein Herz auszuschütten. „So ein Mächtiger, der ist schlimmer als ein kleines Kind!“ „Wovon reden Sie genau?“, erkundigte sich der Rechner. „Was genau ist bei der Reise in die Seele denn passiert?“ „Ach, IDUSA.“, seufzte Shimar. „Die Daten hast du doch alle schon.“ „Ich habe die kalten Fakten.“, sagte IDUSA. Aber ich habe leider nicht Ihre Sicht. Also kann ich auch nicht entscheiden, ob und wie ich Ihnen helfen kann.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Kairon spuckt immer verdammt große Töne, wenn es darum geht, über uns Sterbliche zu urteilen. Dann sagt er immer, wir können ja noch nicht dies und wir können ja noch nicht das und dafür müsse man Verständnis haben. Das hat mich hoffen lassen, er käme besser in der Welt der Sterblichen Klar. Aber kaum lässt man ihn mal allein, macht er einen Fehler nach dem anderen. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann hätte er in Dirans Seele mehr kaputtgemacht als geheilt!“ „Sind Sie da jetzt nicht ein bisschen hart?“, fragte IDUSA. „Nein!“, sagte Shimar fest. „Das finde ich nicht. Er tut doch immer so allwissend. Dann soll er es auch beweisen!“ „Aber vielleicht kann er das nicht.“, sagte der Rechner.

Shimar stützte den Ellenbogen seines rechten Arms auf die Matratze auf und legte seinen Kopf in seine nach oben offene Hand. „Was meinst du damit?“, fragte er dann. „Bitte lassen Sie uns eine kleine hypothetische Reise machen.“, sagte IDUSA. „Stellen Sie sich vor, Sie müssten beispielsweise plötzlich in der tindaranischen Steinzeit zurechtkommen. Obwohl Sie aus einem Zeitalter der Hochtechnologie kommen, würden Sie dort wohl einige Schwierigkeiten im Alltag haben und so mancher würde sich wohl über Ihre Unfähigkeit wundern und vielleicht auch ärgern. Sicher würde es dann auch einige geben, die genauso reagieren würden wie Sie jetzt.“ „Du hast da einen kleinen Fehler gemacht, IDUSA.“, sagte Shimar. „Du hast gesagt, dass ich Schwierigkeiten hätte, obwohl ich aus einer Zeit der Hochtechnologie stammen würde. Aber das ist nicht ganz richtig. Ich hätte wahrscheinlich eher Schwierigkeiten, gerade weil ich … Ach, jetzt weiß ich, was du meinst. Kairon hat damit Probleme, weil er von uns viel zu weit weg ist, nicht wahr?“ „Das ist korrekt.“, sagte der Rechner. „In der Theorie kann man vieles behaupten, aber die praktische Umsetzung muss deshalb noch lange nicht immer gelingen.“ „Oh dann habe ich Kairon wohl die ganze Zeit über ziemliches Unrecht getan.“, sagte Shimar kleinlaut. „Ich glaube, es wird allerhöchste Zeit, dass ich mich bei ihm entschuldige. Danke, IDUSA. Dein sachlicher Blick auf die Situation hat mir gerade die Augen geöffnet.“ „Gern geschehen, Shimar.“, sagte der Computer der Station. „Aber wir sollten dringend etwas tun, um Ihre Laune wieder zu heben. Wenn Sie mit der Trauermiene Kairon gegenübertreten, dann wird er denken, jemand sei gestorben.“ „Und was willst du tun, um das zu erreichen, IDUSA?“, fragte Shimar. „Warten Sie ab.“, sagte IDUSA und der Avatar vor seinem geistigen Auge grinste ihn an. „Also gut.“, sagte Shimar. „Ich vertraue dir.“ Er legte sich wieder entspannt auf den Rücken.

Ich hatte Heimaturlaub und war in meinem Haus gerade mit täglichen Arbeiten beschäftigt, als das Sprechgerät mich aus der Routine holte. Ich war darüber ganz froh, denn ich hatte es langsam echt satt, mich mit den Nachbarn ständig nur über die jetzt des Öfteren vorkommenden Regenschauer zu unterhalten, über die man sich beschwerte. In meinem Heimatjahrhundert war das zwar auch schon mal vorgekommen, aber ich hatte den Eindruck, dass die Leute im 30. Jahrhundert sehr verwöhnt waren, was gutes Wetter anging. Dank der Wetterkontrollstationen war das ja auch kein Wunder. Mir allerdings kam es schon lächerlich vor, dass man sich über ein paar Tropfen Regen so aufregte. Wenn mich noch einmal jemand darauf ansprechen würde, das stand für mich fest, dann würde ich durchdrehen. Für mich, die ich ja ursprünglich aus einer Zeit kam, in der das Wetter noch naturbelassen war, war schlechtes Wetter etwas ganz Normales. Ich ahnte ja noch nicht, was für Vorboten das waren.

Ich drehte mich also dem Computer zu, der mir gerade gesagt hatte, dass ein Ruf eingegangen war und der mir auch den Speichernamen für das Rufzeichen vorgelesen hatte. „Annehmen!“, befahl ich und nahm das Mikrofon in die Hand. Dann sagte ich: „Hallo, Srinadar!“, und grinste breit. „Woher wusstest du, dass ich es bin?“, fragte ein etwas verwirrter Shimar. „Gib es zu. Du hast einen Vorleser unter dem Tisch.“ „Wohl eher im Hausrechner.“, sagte ich. „Neulich war ein Techniker da, der einiges umgestellt hat. Er meinte, dass es zu meiner eigenen Sicherheit besser ist, wenn mir der Rechner immer automatisch das Rufzeichen oder den Speichernamen vorliest, wenn ein Gespräch eingeht. Aber ich nehme an, du wolltest mich überraschen. Oh nein! Die schöne Überraschung! Jetzt habe ich sie dir kaputtgemacht!“ „Ist ja nicht so schlimm, dass du auf deine Sicherheit achten willst, Kleines.“, sagte Shimar tröstend. „Du kannst ja nichts dafür. Aber den Techniker bringe ich um!“ Er grinste hörbar bei seinem letzten Satz. Daher wusste ich, dass er es nicht ernst gemeint hatte. „Hey.“, sagte ich und grinste ebenfalls.

„Leider muss ich dir jetzt etwas sagen, das nicht so lustig ist, Kleines.“, sagte Shimar und wurde von jetzt auf gleich sehr ernst. „Es geht um die Dimensionen. Du hast ja sicher auch schon gemerkt, dass sich einiges geändert hat, nicht wahr?“ „Wenn du auf das Wetter hinauswillst.“, sagte ich. „Dann schon. Die Wetterkontrollstationen werden dem Regen manchmal schon nicht mehr Herr und …“ „Jenn’ sagt, das kommt von der Ladungsverschiebung innerhalb der interdimensionalen Schicht und die kommt, wie wir jetzt wissen, wohl daher, weil sich die Machtverhältnisse bei den Einhörnern und somit auch bei den Quellenwesen sehr stark verschoben haben. Du musst das deinem Commander erzählen, Kleines. Du musst! Vielleicht müssen wir zusammen das Schlimmste verhindern. Sag ihr, sie kann von Zirell alle Daten kriegen, die sie will. Das ist zwar ein sehr innoffizieller Weg, aber eure Regierung ist ja leider dafür bekannt, Dinge, die sie nicht versteht, unter den Teppich zu kehren und sie aussitzen zu wollen in der Hoffnung, sie würden sich von allein erledigen. Was ich dir gerade gegeben habe, war nur ein kurzer Abriss.“ „Warum haben sich die Machtverhältnisse verschoben, Srinadar?“, fragte ich. „Kissara wird mich das bestimmt auch fragen.“ „Weil sich Valora und Sytania höchstwahrscheinlich zusammengetan haben.“, sagte Shimar. „Die Leitstute der Einhörner und Sytania?“, fragte ich ungläubig. „Aber warum sollten sie … Ach du meine Güte!“ Mir war es wie Schuppen von den blinden Augen gefallen. „Du meinst, weil Invictus … Ist das bestätigt?“ „Noch nicht offiziell.“, sagte Shimar. „Aber du musst es Kissara sagen, Kleines! Versprich mir das!“ „Sicher.“, sagte ich. „Verlass dich auf mich.“ „Ich danke dir.“, sagte Shimar noch, bevor er die Verbindung wieder beendete.

Ich war nachdenklich zurückgeblieben. Natürlich würde ich Kissara alles sagen. Die Situation war sicher viel zu pikant, als das damit noch länger gewartet werden konnte. Ich wusste nur noch nicht, was man da tun könnte und vor allem durfte, denn die Föderation hatte sich ja nicht in die Belange anderer Gesellschaften einzumischen. Aber wenn das stimmte, dann waren alle Dimensionen bedroht und es war nicht nur ein einfacher Ehestreit unter Einhörnern. Wenn, dann waren auch wir betroffen und hatten verdammt noch mal jedes Recht, uns unserer Existenz zu erwehren. Ich würde also die nächste Gelegenheit nutzen, Kissara aufzuklären. Was sie dann daraus machte, war ihr überlassen.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.