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Jenna hatte das Schreiben ihres Programms beendet und dies auch gleich Maron mitgeteilt, der noch immer auf der Krankenstation gewartet hatte. Dort hatte er vergeblich versucht, Diran davon zu überzeugen, dass jetzt alles wieder in Ordnung war.

„Lass uns jetzt bitte alles vorbereiten, um Diran in die Simulationskammer zu bringen.“, hatte er sich schließlich an Nidell gewendet. Die medizinische Assistentin hatte darauf nur genickt und war dann in Richtung eines Regals verschwunden.

Maron hatte sich Diran zugedreht, der jetzt wieder an das Kissen gelehnt in seinem Bett saß. „Es geht gleich los, Diran.“, sagte der Spionageoffizier. „Wir werden dir gleich beweisen, dass du bestimmt keinem Feind mehr gegen deinen Willen irgendwelche Informationen geben wirst!“ „Ich bin mir da nicht so sicher wie du, Maron El Demeta.“, entgegnete der Vendar. „Ich mag durch Shimars und Kairons Eingriff erwacht sein, aber ich denke, dass bei dieser Sache etwas schiefgelaufen ist. Viele, die so etwas erlebt haben, gerade mit Shimar, sprechen von einem euphorischen Gefühl danach, was aber bei mir gänzlich ausgeblieben ist. Deshalb denke ich noch immer nicht, dass Toleas Bann besiegt werden konnte und ich noch immer eine Gefahr für euch bin. Es wäre sicher weitaus besser gewesen, ihr hättet mich nie wieder erweckt!“

Dem demetanischen Agenten stockte der Atem. Mit so einer Äußerung Dirans hatte er nicht gerechnet. Der Mund stand ihm weit offen und der Vendar konnte gut sehen, wie sehr sein Gegenüber nach Luft schnappte. „Hattest du wirklich erwartet, dass ich euch allen dankbar um den Hals falle, Maron El Demeta?!“, fragte Diran scharf. „Wenn du das erwartet hast, dann muss ich dich leider schwer enttäuschen. Alle, die eine Reise in die Seele bisher erlebt haben, sprechen davon, dass sie die Gewissheit hatten, ihr Problem sei gelöst! Diese habe ich nicht! Also, ich bleibe dabei! Es ist etwas falschgelaufen und der Bann ist noch immer aktiv!“ „Na schön!“, sagte Maron kämpferisch. „Wenn du es auf eine Konfrontation hinauslaufen lassen willst, dann kannst du das gern haben! Ich bin gewillt, dir auf jede auch nur erdenkliche Art und Weise zu beweisen, dass alles in Ordnung ist! Die Frage ist nur, ob du diese Herausforderung annehmen willst, oder dich feige hinter deiner Krankheit versteckst!“ Das Wort feige hatte der Erste Offizier noch stark betont. Das war ein kleiner strategischer Schachzug gewesen. Wusste er doch, dass sich ein Vendar niemals gern feige nennen ließ und sicher alles dafür tun würde, diesen Ruf wieder loszuwerden.

Nidell war zurückgekehrt und hatte eine Art Gurt mitgebracht, an dessen unterer Seite sich Emitter für Magnetfelder befanden, die Richtung Boden ausgerichtet waren. Außerdem hatte sie eine kleine silberne Fernsteuerung mit Touchpad in der Hand, die wohl per drahtloser Verbindung mit der Technik in dem Gurt verbunden sein musste. „Was ist das?“, fragte Diran. „Eine Gehhilfe.“, sagte Nidell und machte sich daran, ihm den Gurt um die Hüften zu schnallen. Diran warf ihr währenddessen nur einen widerwilligen Blick zu. Es gefiel ihm gar nicht, dass Maron ihn gerade als feige betitelt hatte und jetzt bezeichnete sie ihn auch noch nonverbal als schwach, indem sie ihm dieses Ding umschnallte. „Es ist nötig.“, erklärte Nidell ruhig und leise. „Während deiner Zeit im Koma haben sich deine Muskeln zurückgebildet und du wirst zu schwach zum Gehen ohne das Gerät sein. Falls du fallen solltest, kann keiner von uns dich allein halten und du wirst dich verletzen. Das Gerät verhindert auch das. Seine Felder, die sich gleich rund um dich herum aufbauen werden, halten dich in Waage. Du musst nur noch einen Fuß vor den anderen setzen.“ „Ach, also schön.“, sagte Diran und seufzte. „Aber ihr werdet schon sehen, dass das alles nichts bringt.“

Aus dem Gerät in Nidells Hand ertönte ein Signal, als sie die Schließe des Gurtes geschlossen hatte. Das sagte ihr, dass die Gehhilfe aktiv und funktionsbereit war. Dann gab sie einige Befehle in die Fernsteuerung ein. Diran spürte den Aufbau der Felder. „Na, wie ist das?“, grinste ihm Nidell zu. „Besser als ich dachte.“, sagte Diran und machte ein beeindrucktes Gesicht. „Bitte hilf mir aufstehen! Jetzt werde ich Maron El Demeta begleiten, um ihn endgültig von der Wahrheit zu überzeugen!“ „Na dann komm!“, sagte Nidell und stellte sich links neben sein Bett. Dann reichte sie ihm eine Hand. Mit der anderen hielt und bediente sie die Fernsteuerung. Diese war so klein, dass ihr das durchaus möglich war, was auch durchaus im Sinne des Herstellers lag. Durch Nidells Programmierung passte sich das Gerät jeder von Dirans Bewegungen sofort automatisch an.

Maron war zur Tür gegangen und hatte IDUSA den Befehl erteilt, sie zu öffnen und im offenen Zustand zu blockieren. Das hatte der Rechner auch getan. Zu dieser Tür waren jetzt auch Nidell und Diran auf dem Weg. Um ihn leichter dirigieren und im Notfall auch besser eingreifen zu können, hatte die tindaranische medizinische Assistentin ihren Patienten noch immer an der Hand. So ging es nun in Richtung Simulationskammer.

McKnight hatte sie dort bereits erwartet. „Da sind Sie ja endlich, Agent.“, lächelte sie ihren Vorgesetzten an. „Darf ich erfahren, was da so lange gedauert hat?“ „Oh ja, das dürfen Sie, McKnight.“, sagte der Agent. „Es lag an Diran hier. Er beharrt immer noch auf der irrigen Annahme, dass ihm Shimar und Kairon nicht helfen konnten und dass es quasi nur so eine Art Zufall war, dass er aufgewacht ist. Ich musste einen kleinen psychologischen Trick anwenden, um ihn überhaupt dazu zu bringen, mit hier herzukommen. Ich hoffe, dass Ihr Programm den Rest erledigen wird, Techniker!“ „Versprechen kann ich nichts, Sir.“, sagte Jenna. „Schließlich bin ich nur eine kleine Ingenieurin und keine Psychologin. Ich kann vielleicht gut Programme schreiben und wenn Diran ein Computer wäre, dann hätte ich sicher meine Methoden, aber …“ „Jetzt seien Sie doch nicht immer so bescheiden, Jenna.“, sagte Maron. „Als ob Sie nur auf dem einen Gebiet ein Genie wären. Sie haben uns aber schon viel zu oft bewiesen, dass Sie das auch auf anderen Gebieten sein können.“ „Da habe ich vielleicht einfach nur Glück gehabt, Agent.“, sagte Jenna und lächelte verlegen.

Nidell hatte die Hand gehoben. „Wir sollten Dirans Gesundheit nicht länger strapazieren, als es unbedingt nötig ist, Maron.“, sagte sie und zeigte mit einem sorgenvollen Ausdruck auf Diran. „Also schön.“, sagte Maron. „Fangen wir an!“

Alle setzten sich auf die Sitze. Auch Diran bekam dafür die notwendige Unterstützung von Nidell. Dann legten alle die Köpfe in die Mulden hinter den Sitzen und Jenna befahl IDUSA, ihr Programm zu starten.

Man fand sich in einer Parklandschaft wieder, die etwas an Logars Schlosspark erinnerte. An den Rändern der leicht verschlungen wirkenden Wege waren große alte Bäume aller Art zu finden. Die Luft roch angenehm nach Sommerblumen und in den Bäumen zwitscherten Vögel. „Was soll mir das denn beweisen?“, fragte Diran etwas gelangweilt, der sich, wie alle anderen auch, stehend auf einem breiten Weg wiedergefunden hatte. Dass er jetzt eine Gehhilfe trug, hatte Jenna in dem Programm berücksichtigt. Schließlich hatte sie es sich denken können, da er ja gerade erst aus dem Koma erwacht war.

Eine Staubwolke näherte sich ihnen und der scharfe laute Hufschlag eines heransprengenden Pferdes war zu hören. „Wer kommt denn jetzt?!“, fragte Diran überrascht. Bevor er allerdings eine Antwort erhalten konnte, hatte der Reiter sie erreicht, angehalten und hatte das Visier seiner Rüstung hochgeklappt. Diran sah jetzt ein großes weißes Pferd, einen fast noch etwas wild scheinenden starken Hengst mit Schaum vor dem Maul und einen darauf sitzenden Vendar in schimmernder Rüstung, auf der überall der Drudenfuß zu sehen war. Jetzt sah er außerdem in ein bekanntes und ihm sehr verhasstes Gesicht. „Telzan!“, begann er einen Satz und spuckte aus. „Was willst du von uns?!“ „Von deinen Begleitern will ich gar nichts!“, lachte Sytanias oberster Vendar. „Aber von dir! Ich hörte, dass du uns Informationen frei Haus lieferst! Also, Diran, raus damit! Was planen du und deine Freunde?! Was planen sie, he?! Ich warte!“

Abwartend stand Diran da und wartete darauf, was sein Körper wohl tun würde. Würde er in irgendeinen bewusstlosen Zustand fallen, wie er es auf der Aufzeichnung gesehen hatte, oder würde gar nichts passieren? Aber auch die Dinge, die sich gerade in seinem Gehirn abspielten, konnte er nicht glauben. Plötzlich waren alle Informationen über die Pläne wie verschüttet und er kam nicht mehr an sie heran. Er stellte sich Telzan sogar voller Selbstvertrauen entgegen und schrie ihn an: „Sag deiner Herrin, Sie soll dich das nächste Mal nicht mehr auf so eine aussichtslose Mission schicken! Auf meine Informationen kann sie lange warten!“

Aus den Büschen stürmte plötzlich eine Gruppe Vendar hervor, die alle Logars Zeichen, zwei nebeneinander sitzende geflügelte Löwen, trugen. Angeführt wurden sie von Iranach, seiner obersten Vendar, die ihren Soldaten schnell einige knappe Befehle zurief, wonach ein Teil von ihnen mit gezogenen Waffen auf Telzan losging, während zwei vom Rest Diran hinter Iranach auf ihr Pferd, eine muskulöse schwarze große Stute, setzten. Dann ging es im vollen Galopp hinter den nächsten Baum. „Ich habe dich gerettet, weil du im Besitz wichtiger Informationen sein sollst.“, sagte Iranach. „Was für Informationen sind das? Insbesondere interessiert mich und meinen Herrn Logar eine gewisse Prophezeiung.“

Ohne zu zögern begann Diran: „Die Hydra der Eifersucht wird erwachen. Entfesseln wird sie des Krieges Drachen. Sodann werden alle Lande beben. Es wird viel Leid und Kummer geben. Doch Recken, die Kommen auf vielen Wegen, werfen sich tapfer dem Bösen entgegen. Wen das Schicksal sich wünschen will in diesem Stand, den wird es erwählen durch Kindeshand.“ Dann endete das Programm.

Diran konnte die Wahrheit, mit der er jetzt offensichtlich konfrontiert worden war, nur schwerlich verstehen. Telzan hatte er nichts sagen können, Iranach aber schon. Das würde ja bedeuten, dass der Bann tatsächlich besiegt war. Im gleichen Moment stellte sich auch jene Freude darüber ein, die er vorher sehr vermisst hatte.

Der Vendar wusste nicht mehr wo hin mit seinen Gefühlen. Am liebsten hätte er die ganze Welt umarmt. Wenn er das aber jetzt Nidell, Maron oder gar Jenna zuteilwerden lassen durfte, dann wäre ihm schon sehr geholfen. Zögernd breitete er seine Arme in Richtung Jenna aus und warf ihr einen fragenden Blick zu. „Nur zu!“, forderte sie ihn auf. „Dann sagte sie an Nidell gewandt: „Hilf mal!“

Die medizinische Assistentin hatte verstanden und stellte die Gehhilfe so ein, dass Dirans Vorhaben für ihn kein Problem mehr darstellte. „OK.“, sagte sie dann in Richtung des Vendar, der sofort sein Vorhaben in die Tat umsetzte. „Oh wie konnte ich nur an euch zweifeln?!“, fragte Diran mit sehr erfreuter Stimme. „Wie konnte ich nur an euch und euren Fähigkeiten zweifeln?! Bitte vergebt mir, dass ich euch nicht glauben wollte. Bitte vergebt mir! Jetzt weiß ich, dass alles in Ordnung ist. Oh ja! Jetzt weiß ich es! Sie ist endlich da. Die Gewissheit ist endlich da!“

Er konnte sich der Tränen nicht erwehren, die im gleichen Moment über sein Gesicht rannen. Dies war ihm aber offensichtlich sehr unangenehm. So unangenehm sogar, dass er sofort versuchte, sein Gesicht zu verbergen. Jenna aber strich ihm nur beruhigend über den Kopf und machte: “Sch, Diran. Es ist schon in Ordnung. Jetzt ist alles wieder in Ordnung. Du kannst dich ausruhen. Die schwere Last wurde von deiner Seele genommen.“ „In der Tat, Jenna McKnight.“, sagte Diran. „Und das haben allein du und deine Freunde vollbracht! Bitte sag Shimar El Tindara, dass es doch funktioniert hat! Ich würde es gern auch Kairon ausrichten, aber der ist nicht mehr hier auf der Basis. Das würde ich schließlich spüren. Du weißt, dass wir Vendar die Anwesenheit von Telepathen spüren können.“ „Das ist mir bekannt.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin. „Sonst könntet ihr sie ja nicht im Auftrag eurer Gebieter jagen, um ihnen Energie zu nehmen. Ich weiß, dass du dies niemals tun würdest, wenn dein Gegenüber das nicht will. Aber vor Jorans Rebellion gegen Sytania …“ „Davor hätte ich das wirklich jederzeit getan. Da hast du Recht, Jenna.“, fiel ihr Diran ins Wort.

Jenna spürte, dass er beträchtlich zu zittern begonnen hatte. Sofort warf sie Nidell einen fragenden und alarmierten Blick zu. „Wir sollten ihn zurückbringen.“, sagte die junge Tindaranerin. „Er hat für heute wirklich genug durchgemacht.“ „OK.“, sagte Maron. „Soll IDUSA euch beamen?“, fragte Jenna. „Das wäre vielleicht ganz gut, McKnight.“, sagte der erste Offizier. „In Ordnung.“, sagte Jenna und erteilte dem Rechner der Station die entsprechenden Gedankenbefehle über den Neurokoppler, die von IDUSA auch prompt ausgeführt wurden.

Nidell, Maron und Diran fanden sich wenige Sekunden später auf der Krankenstation wieder, wo sie von einem neugierig dreinschauenden Ishan erwartet wurden. „Wie ist es gelaufen?“, erkundigte sich der Arzt bei Maron. „Oh es ist sehr gut gelaufen, Ishan.“, sagte der Agent mit zufriedener Miene. „Diran glaubt jetzt endlich, dass wir den Bann so umgeschrieben haben, dass er dem Feind keine Informationen mehr geben kann, selbst dann, wenn er es wollte. Er ist auch endlich in jenen euphorischen Zustand gekommen, der nach einer Heilung durch eine Reise in die Seele normal ist.“ „Aha.“, sagte der Arzt. „Eine Verzögerung! Faszinierend! Ich werde dieses Phänomen wohl weiter erforschen müssen.“ „Vielleicht ist die Erklärung aber auch ganz einfach.“, sagte Maron. „Vielleicht ging es nur deshalb erst nicht, weil Diran selbst noch zu geschockt war.“ „Das könnte natürlich sein.“, sagte Ishan. „Jedenfalls würde es sehr gut ins Profil eines Vendar passen, für den Verrat das weitaus schlimmste Verbrechen darstellt, das er begehen kann. Du könntest Recht haben, Maron. Vielleicht ist die Erklärung ja wirklich nur so einfach. Aber jetzt sollten wir zuerst einmal unseren Patienten wieder ins Bett bringen.“ Damit winkte er Nidell, die sofort ausführte, was er gerade gesagt hatte. „Dann werde auch ich wieder gehen.“, sagte Maron und verließ die Krankenstation.

Auf dem Planeten Celsius war ein oranger Jeep mit Fließheck auf einer Landstraße, die durch einen dichten Wald führte, unterwegs. Es handelte sich um ein älteres Modell, das sehr gut zu seinem Fahrer passte, denn auch er war ein älterer Terraner. Es handelte sich nämlich um Scotty, der von einer Spazierfahrt kam und der jetzt spontan beschlossen hatte, noch einmal bei seiner guten Freundin Ginalla einzukehren, wie er es nun schon fast jeden Sonntag getan hatte. Allerdings sollte gleich etwas geschehen, das seinen Plänen ein spontanes Ende bereiten sollte.

Plötzlich gab es ein knisterndes Geräusch aus dem Antrieb seines Fahrzeuges und die Stützen, die dafür sorgten, dass es nicht mit den Antriebsspulen direkt auf dem Boden auflag, wenn es anhielt, trafen so hart auf, dass Scotty trotz Sicherheitskraftfeld kurz aus dem Sitz gehoben wurde. „Na, was machst du denn da mit dem alten Scotty, mein Freund?!“, sagte er ruhig. „Lass mal sehen, was du hast!“

Der gewissenhafte Techniker stieg aus und ging nach vorn, wo er eine Klappe an seinem Fahrzeug öffnete, die ihm einen Einblick in den Wartungsschacht für den Antrieb erlaubte. Was er dort allerdings sah, erschreckte ihn zutiefst! „Ach du meine Güte!“, rief er aus. „Wer hat denn hier so eine riesige Grillparty veranstaltet?! Na, eines lässt sich mit Sicherheit sagen. Die Systeme sind gut durch!“

Er schloss die Klappe wieder und ging bedient zum Führerhaus zurück. Hier stieg er wieder ein und sah sich das Display des ins Armaturenbrett eingebauten Sprechgerätes an. „Wenigstens scheint das noch zu funktionieren.“, atmete er auf und suchte sich aus dem Adressbuch das Rufzeichen der zentralen Pannenhotline heraus. Diese war für alle Planeten in der Föderation zuständig und ihre Mitarbeiter hatten den gesamten Überblick über alle Pannendienste. Sie konnten also genau sagen, wo noch Kapazitäten in der Nähe des Standortes des verunglückten waren und so konnte viel schneller und weniger umständlich Hilfe geschickt werden. Auch Kingsleys Firma war dort angemeldet.

Scotty zeigten sich die Statur und das Gesicht eines freundlich dreinschauenden Terraners auf dem Display seines Sprechgerätes. Der Mann war etwa 1,80 m groß, trug einen feinen weißen Anzug und rote Schuhe, hatte ein ordentlich glattrasiertes Gesicht und kurzes braunes Haar.

„Zentrale Pannenhotline der Föderation, mein Name ist David Harper, Wo liegt Ihr Problem?“, meldete er sich mit seiner warmen freundlichen Stimme. Diese Stimme beruhigte Scotty sofort unterbewusst, was er zum eigenen Erstaunen erst spät registrierte. Er war überzeugt, dieser Mann würde sogar einen nervösen Familienvater wieder beruhigen können, der mit seinen quengelnden Kindern auf einer Urlaubsreise in eine ebensolche Lage wie er jetzt gekommen war. Auf hoch schwangere Frauen oder ähnliche Akutfälle hätte er bestimmt die gleiche Wirkung. Scotty war sicher, dass man Harper entsprechend geschult hatte, aber ein gewisses Talent hatte er auch sicher schon mitbringen müssen.

Der Techniker hatte beschlossen, ihm nicht zu sagen, dass er vom Fach war, als er antwortete: „Hi, Mr. Harper! Ich bin Montgomery Scott und brauche Hilfe. Ich glaube, bei meinem Jeep hat irgendwas gerade den gesamten Antrieb gegrillt. Ich denke, ich brauche einen Schlepper!“ „Da haben Sie alles richtig gemacht, als Sie uns gerufen haben, Mr. Scott.“, erwiderte Harper. „Während wir hier sprechen, extrapoliert unser Computer bereits Ihre Position. Ah, sehen Sie. Er hat Sie schon gefunden. In der Nähe Ihrer Position befindet sich sogar auch gleich ein Pannendienst, an den ich Ihre Koordinaten weitergeben werde. Es handelt sich um die Firma Felix’ findige Fehlerfüchse. Haben Sie damit ein Problem?“ „Nein.“, sagte Scotty. „Gut.“, sagte Harper. „Dann übersende ich jetzt den Auftrag. Laut den Berechnungen unseres Systems wird es ungefähr nur 10 Minuten dauern, bis jemand da ist.“ „OK, Mr. Harper.“, sagte Scotty. „Ich warte. Es bleibt mir ja auch nichts anderes übrig.“ „In Ordnung, Mr. Scott.“, antwortete der freundliche SITCHer und beendete die Verbindung.

Rona und Meroola waren gerade von einem Einsatz gekommen und mit ihrem Dienstfahrzeug auf dem Weg zurück in Kingsleys Firma. „Uff.“, wendete sich Meroola an ihre Kollegin, die den Jeep fuhr. „Ich bin heilfroh, wenn wir bald die Hände in den Schoß legen dürfen. Heute war echt ein stressiger Tag!“ „Da hast du Recht, Mary.“, sagte Rona. „Vor allem stört mich, dass 90 % der Fehler, die wir heute repariert haben, vermeidbar gewesen wären. Entweder, die Leute schaffen sich Isolatoren an, oder sie bleiben zu Hause, wenn die Sonne Grillparty feiert!“ „Ja, ja.“, stimmte Meroola zu. „Die Protuberanzen. Aber findest du nicht, dass sie in letzter Zeit etwas zu häufig auftreten? Ich sage dir, Rona, Im Universum stimmt was nicht! Darauf verwette ich sogar mein Leben!“ „Oh die Wette würdest du sogar haushoch gewinnen, denke ich.“, antwortete die junge kesse Celsianerin.

Das piepende Sprechgerät begrub die Träume der Frauen von einem frühen Feierabend. „Oh nein!“, stöhnte Rona und nahm das Gespräch entgegen, nachdem sie den Jeep auf einem Seitenstreifen zum Stehen gebracht hatte. Am anderen Ende der Verbindung war Lara. „Ich habe einen Auftrag für euch.“, sagte sie. „Aber das wird bestimmt der Letzte für heute. Seid ihr noch auf der Landstraße zum Wald?“ „Ja, da sind wir, Lara.“, sagte Rona leicht genervt. „Gut.“, erwiderte Kingsleys Sekretärin. „Bei Kilometer 140 wartet Kundschaft auf euch.“ „OK, Lara.“, sagte Rona. „Wir übernehmen.“ Dann hängte sie das Mikrofon wieder ein und fuhr den Jeep langsam wieder auf die Straße. „Oh nein, Überstunden!“, stöhnte Meroola. „Dabei habe ich mich schon so darauf gefreut, bei Ginalla in aller Ruhe ein kühles Rootbeer zu zischen.“ „Ginalla?!“, fragte Rona verwundert. „Ihr habt euren Streit also beigelegt?“ „Man arrangiert sich.“, antwortete Meroola. „Sie gibt mir immerhin eine Wohnung und etwas zum Essen. „Ich wäre ja schön doof, wenn ich die Hand beißen würde, die mich füttert.“ Rona nickte nur zustimmend.

Sie hatten bald Scottys Jeep gesehen. „OK, ein Terraner.“, stellte Rona fest. „Den sprichst du an. Mein Englisch ist unter aller Sau!“ „Ha, ha.“, grinste Meroola. „Aber weil du es bist, mache ich mal eine Ausnahme.“

Rona brachte den Jeep zum Stehen und die Frauen schulterten ihre Werkzeugtaschen, um dann aus dem Fahrzeug zu steigen und die Unfallstelle zu betreten, die Scotty inzwischen vorschriftsmäßig mit Warnbojen vorn und hinten in jeweils drei Metern Abstand zum eigenen Fahrzeug abgesichert hatte. Die Silhouette der Celsianerin war für Scotty nichts Neues. Aber er beobachtete umso genauer die kleine Gestalt, die neben ihr ging. Sie hatte die typische Statur einer Platonierin, aber das typische Gesicht einer Ferengi.

„Hallo, Mr. Scott.“, sprach Meroola ihn an. „Mein Name ist Meroola Sylenne, das ist Rona Maryssa. Wir sind heute Ihre Pannenhelferinnen von Felix’ findigen Fehlerfüchsen! Also, wo tut’s dem Schätzchen denn weh?“ Sie deutete auf Scottys Jeep. „Ich denke, es ist der Antrieb.“, sagte Scotty traurig. Der Jeep hatte ihn schon begleitet, solange er auf Celsius lebte und war ihm sehr ans Herz gewachsen. Wer wusste, was er für eine Beziehung zu den Maschinen der Enterprise gehabt hatte, für den war das sicher nicht verwunderlich.

„Wir kümmern uns drum!“, sagte Meroola fest, warf ihrer Kollegin einen auffordernden Blick zu und marschierte schnurstracks auf den vorderen Teil des Fahrzeugs zu. „Entsichern Sie mal die Klappe!“, rief sie meinem Mann noch zu. Scotty nickte und drückte auf den entsprechenden Knopf am Armaturenbrett. „Danke!“, sagte Meroola und hob die Klappe hoch. Der Anblick, dessen sie jetzt allerdings ansichtig wurde, ließ sie nur mit dem Kopf schütteln und eine Reihe von Lauten von sich geben, die Scotty Böses ahnen ließen. Auch Rona stimmte in diese Art der Kommunikation ein. „Oh!“, machte Meroola. „Uff!“, ergänzte Rona. „Oh ha!“, erwiderte dann wieder Meroola. Dann drehte sie sich ihrer Kollegin zu und fragte: „Schrottplatz?“ „Schrottplatz!“, bestätigte Rona. Dann wendete sie sich an Scotty: „Mr. Scott, ich fürchte, wir müssen Ihren Liebling zur letzten Ruhe betten. Wieso haben sie eigentlich keine Isolatoren und was machen Sie auf der Straße, wenn schon Felder mit Protuberanzen angesagt werden, die durchziehen? Sind Sie etwa einer von denen, die glauben, es trifft nur immer die anderen, he?!“

Meroola knuffte sie unsanft in die Seite. „Hey!“, flüsterte sie ihr zu. „So behandelt man keine Kunden. Er mag zwar schon der Zehnte sein, den wir ohne Isolatoren antreffen, aber das hat uns nicht zu jucken. Du weißt doch, wie unsere Firmenphilosophie lautet.“ „Ja, das weiß ich.“, gab Rona mürrisch zu, der es gar nicht gefiel, von einem Neuling zurechtgewiesen zu werden. „Ich bin nur einfach genervt.“

Scotty war klar geworden, dass der Abschied von seinem langjährigen Begleiter jetzt wohl tatsächlich drohte. Er hatte das zwar auch schon festgestellt, wollte es aber nicht glauben und war deshalb für eine zweite Meinung sehr dankbar gewesen. Allerdings hatte er nicht gedacht, dass diese die seine so extrem bestätigen würde. „Ladies.“, sagte er und warf ihnen einen fast bettelnden Blick zu. „Gibt es denn da wirklich keine Möglichkeit?“ „Technisch gesehen.“, erwiderte Meroola tröstend, die jetzt auch den Eindruck hatte, sich für Ronas Verhalten entschuldigen zu müssen. „Gebe es da bestimmt eine Möglichkeit. Nur würde der Aufwand sehr groß sein. Es wäre sicher viel weniger umständlich, wenn Sie sich einen neuen Jeep besorgten, Mr. Scott.“ „Also gut.“, sagte Scotty und strich ein letztes Mal über die Hülle seines Fahrzeugs. Irgendwo hatte er ja auch eingesehen, dass Meroola Recht gehabt hatte. „Mach’s gut, mein alter Freund.“, sagte er.

Rona ging ins Fahrzeug der Pannenhelferinnen zurück und begann damit, Scottys Jeep mit dessen kleinem Transporter zu erfassen. Meroola führte Scotty derweil ein Stück an die Seite. Dann wurde der Jeep auf die Ladefläche gebeamt und Rona schaltete die Kraftfelder ein, die ihn sichern sollten.

„Sollen wir Sie noch mitnehmen?“, fragte Meroola. „Wenn Sie mir den Gefallen tun würden, Ladies?“, fragte Scotty für seine Verhältnisse schon sehr höflich. „Ich wollte zu Ginalla. Dort trinke ich manchmal einen und sonntags auch mal zwei.“ „Das liegt ja auf meinem Nach-Hause-Weg!“, rief Meroola begeistert aus. Dann wandte sie sich Rona zu: „Könntest du dich dann um den Rest kümmern?“ „Lass mal stecken.“, flapste Rona. „Das mache ich schon.

Sie deutete auf die hintere Tür zur Fahrgastzelle und auf die Beifahrertür: „So, und nun rein mit euch. Schließlich will ich hier keine Wurzeln schlagen!“ „Danke, Ladies.“, sagte Scotty und stieg hinten ein, während sich Meroola wieder auf ihren Platz neben ihrer Kollegin begab. Dann ging es so in Richtung von Ginallas Bar.

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