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Vor einer kleinen Bauernkarte auf Sytanias Seite des Dunklen Imperiums saßen ein kleines Mädchen und ihre Mutter nähend auf zwei alten Schemeln. Das Mädchen war Elisa. Ihre drei Onkel hatten nach dem Tod des Vaters, ihres vierten Bruders, den Hof verlassen und sich in den Wäldern durchzuschlagen versucht. So waren sie auf Logars Seite gekommen, da der Wald auch Grenzgebiet war. Sie hatten den Eindruck gehabt, der Mutter und Elisa durch ihre Dummheit mehr ein Hindernis als eine Hilfe zu sein.

Die Mutter, eine etwa 1,60 m messende ältere Bäuerin mit schwarzem Haar und abgewetzter bäuerlicher Kleidung, beugte sich jetzt über die Arbeit ihrer Tochter und besah sie sich. „Du bist sehr geschickt, Elisa.“, lobte sie mit ihrer liebevollen hellen Stimme. „Ich glaube, ich kann dich sogar das Hemd für unseren Nachbarn nähen lassen, das er von mir haben wollte.“ „Danke, Mutter.“, sagte Elisa, die sich sehr geehrt fühlte und lächelte. Sie wusste, dass es sich bei diesem Hemd um ein Sonntagshemd handelte und so fühlte sie sich sehr geehrt, in ihrem jungen Alter schon so etwas tun zu dürfen. Sie hatte eigentlich erwartet, dass die Mutter sie schelten würde, denn sie war ja bei Sytania in Ungnade gefallen und somit fiel eine Verdienstmöglichkeit für die Familie weg. Aber die Mutter war zur Pragmatikerin geworden, was auch bitter nötig war, nachdem der Mann im Haus fehlte. In den Strukturen des Dunklen Imperiums bedeutete dies in vielen Fällen einen dramatischen Einbruch. Aber sie hatten sich bis jetzt ja gut mit den Näharbeiten helfen können.

Plötzlich sah Elisa von ihrer Arbeit auf, denn etwas hatte sie am Fuß berührt. Es war eine schwarzweiße schlank gebaute kleine Katze gewesen, die auch zum Hof gehörte und jetzt laut miauend um ihre Beine strich. Ihr Schwanz wedelte aufgeregt und ihr Nackenfell war gesträubt. „Ich kann jetzt nicht mit dir spielen, Schnurrchen.“, sagte Elisa. „Ich muss arbeiten!“ „Ich glaube kaum, dass sie spielen will.“, sagte die Mutter. „Dazu ist sie viel zu aufgeregt. Aber was sie hat, weiß ich auch nicht.“

Elisa sah sich um. Sie wusste, dass das Verhalten der Katze ja irgendeinen Grund haben musste. Dabei wurde sie sehr schnell einer großen weißen Wolke ansichtig, die sich dem Hof näherte. „Es sieht aus, als würden wir Nebel bekommen, Mutter.“, sagte sie. „Ich weiß, dass dies für nachmittags sehr ungewöhnlich ist. Bitte lass uns ins Haus gehen! Ich habe Angst!“

Noch ehe die Mutter ihr antworten konnte, hörten sie und Elisa eine telepathische grausame Stimme in ihren Köpfen: Du solltest auch Angst haben, Kind! Sytania hat mich geschickt, um dich zu töten!

Elisa ließ Nadel und Faden fallen. Dann stand sie auf und rannte um ihr Leben in Richtung Wald. Sie wusste genau, dass diese Nebelwolke nur jene Schöpfung Sytanias sein konnte, die in ihrem Dorf schon viele Kinder getötet hatte. Warum sie das tat, wusste Elisa nicht, aber allein der Umstand, dass sie es tat, flößte ihr schreckliche Angst ein. Wenn es ihr aber gelingen würde, sich auf Logars Seite zu retten, dann hätte sie nichts mehr zu befürchten, das wusste sie, denn im Allgemeinen trauten sich Sytanias Schöpfungen dort nicht hin. Zu groß war ihre Angst vor Logar, der ja nun um einiges stärker war als Sytania, was die mentalen Kräfte anging. Mit einem einzigen Gedanken wäre er in der Lage, jedes ihrer Geschöpfe zu vernichten. Das wusste auch dieses Wesen.

Auf der anderen Seite der Grenze waren Iranach und ihr Schüler noch immer unterwegs. Iranach wollte noch ein grenznahes Fort besuchen, in dem ein Vendar das Kommando hatte, der seit kurzer Zeit ihr Gefährte war. Ihm wollte sie noch ein Geschenk bringen.

Talan richtete das Wort an seine Ausbilderin: „Ich hoffe, wir haben den dreien gezeigt, dass sie nicht als Räuber taugen.“ „Oh das denke ich schon.“, antwortete Iranach. „Und ich fand, du warst dabei auch sehr diplomatisch. Dein Vorschlag, ihre Erinnerungsmaschine zu erweitern, war sehr löblich.“ „Danke, Ausbilderin.“, sagte Talan. „Aber ich fand, sie sind auch gute Köche. Auf Taria in Astra Fedaria sagt man, dass die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln hätten und die hier waren ja recht ansehnlich.“ „In der Tat.“, bestätigte Iranach.

Sie ritten eine Weile schweigend weiter. Dann fragte Talan: „Was hältst du von dem Gerücht, dass es ein Wesen geben soll, das alle Kinder tötet und das Sytanias Schöpfung sein soll, Ausbilderin? Argus sprach mich neulich an und wollte wissen, was ich darüber wüsste. Er sagte mir, er habe Angst und ich, als Vendar, müsste ja über so etwas Bescheid wissen.“ „Was hast du ihm geantwortet?“, wollte Iranach wissen, ohne auf seine Frage einzugehen. „Ich antwortete, dass ihm nichts passieren könne.“, sagte Talan. „Erstens steht er unter Logars Schutz und zweitens habe ich in seinem Gesicht bereits einen leichten Bartwuchs ausmachen können. Das bedeutet, er gilt als Jugendlicher und nicht mehr als Kind. Wenn dieses Wesen also wirklich nur Kinder töten soll, dann wird es schon aus den beiden Gründen einen großen Bogen um Argus machen.“ „Sehr scharf gedacht, mein Schüler!“, lobte Iranach mit Stolz.

Elisa war nun schon seit mehreren Minuten ununterbrochen gelaufen. Ihre Füße waren kurz davor, sie nicht mehr tragen zu können. Sie war außer Atem und konnte nicht mehr. Auch sah sie, wie die gruselige Wolke sich ihr immer weiter näherte. Außer sich vor Angst schlug sie einen letzten Haken und drückte sich dann flach in eine Mulde. Sie hoffte wohl, dass das Wesen sie dann nicht mehr sehen würde.

Da sich Talan und seine Ausbilderin jetzt schon sehr nah an der Grenze befanden, war dieses Geschehen den Augen des Novizen nicht verborgen geblieben. „Bei allen Göttern!“, rief er aus. „Das ist kein Gerücht, Ausbilderin! Das ist kein Gerücht! Wir müssen sie retten! Wir müssen die Kleine retten!“

Damit legte er sein rechtes Bein hinter den Sattelgurt, drückte das linke an die Flanke seines Pferdes, ließ die Zügel ganz locker und schnalzte ihr zu. Sofort verstand die sehr aufmerksame Stute und galoppierte los. „Lauf!“, rief Talan ihr motivierend zu. „Lauf, als wolltest du den Wind fangen!“ So ging es in scharfem Tempo in Richtung Grenze. Diese überquerten sie dann und kurz darauf wurde Talan bereits Elisa ansichtig. Er nahm die Zügel rasch auf und gab seinem Pferd ein Kommando, worauf dieses kurz anhielt. Dann packte er das Mädchen am Kragen ihres Kleides und zog sie hinter sich, um ihr dann nur noch zuzurufen: „Halt dich fest an mir! Schling deine Arme um mich und halt dich so fest du kannst!“ Voller Erleichterung und Vertrauen tat Elisa, was er von ihr verlangt hatte. So ging es dann wieder über die Grenze zurück zu Iranach, die alles von fern beobachtet hatte.

Die Vendar nahm ihrem Novizen das Kind ab, damit er vom Pferd steigen konnte. Das hatte sie schon längst getan. „Es ist alles gut, Mädchen.“, sagte sie. „Du musst jetzt keine Angst mehr haben. Sytanias Schöpfung wird sich nicht zu uns trauen! Du bist in Sicherheit. Wie heißt du?“ „Elisa.“, sagte sie schüchtern. „Ich bin Iranach.“, sagte die Vendar. „Und der junge Mann hier, der dich gerade so heldenhaft gerettet hat, ist mein Novize Talan. Wir dienen Logar. Ich bin sogar seine oberste Vendar und somit seine Vertraute. Du musst also wirklich keine Angst mehr haben.“ „Ich danke euch.“, sagte Elisa. „Aber ich habe einmal Sytania gedient. Ich war ihre Zofe, bis ich in Ungnade fiel, weil ich zu viele Fragen gestellt habe.“ „Oh ja.“, sagte Iranach. „Das liebt Sytania gar nicht. Mein Gebieter Logar hingegen möchte, dass seine Untertanen lernen. Wenn du also Wissen erlangen willst, dann würde ich an deiner Stelle mit mir kommen und dich in seine Dienste nehmen lassen.“ „Ich weiß nicht.“, sagte Elisa zögerlich. „Was ist dann mit meiner Mutter?“ „Die würden wir selbstverständlich nachholen.“, versprach Iranach. „Aber als was würdet ihr uns denn beschäftigen?“, fragte Elisa. „Logar benötigt doch eher Kammerdiener als Zofen, weil er selbst ein Mann ist.“ „Du bist sehr klug.“, stellte Iranach fest. „Du kannst sehr gut argumentieren und machst dir Gedanken. Aber auch mein Gebieter möchte nicht nackt herumlaufen. Auch er benötigt Kleider und die muss schließlich jemand nähen. Deine Hände sehen aus, als seien sie sehr geschickt. Das wäre zum Beispiel doch eine Möglichkeit, findest du nicht?“ „Da hast du Recht.“, überlegte Elisa.

Ein kleiner Schatten flitzte an ihnen vorbei. Dann schmiegte sich etwas Weiches an Elisas rechten Fuß und begann zu schnurren. „Schnurrchen!“, rief sie überglücklich aus und beugte sich zu ihrem geliebten Kätzchen herunter, um es auf den Arm zu nehmen. „Ich muss dich bald verlassen.“, sagte sie dann traurig. „Ich diene demnächst Logar.“ „Aber wer sagt denn so was?“, fragte Iranach und machte sich an der Satteltasche ihres Pferdes zu schaffen, welche sie zuerst ausräumte und alle Sachen in den eigenen Taschen verstaute, um sie dann mit Laub weich auszupolstern. Dann nahm sie Elisa Schnurrchen ab und legte sie in die Tasche, um diese dann, bis auf ein kleines Luftloch, sicher zu verschließen. „So ist es sicherer für uns alle.“, sagte sie. „Schnurrchen muss keine Angst vor den großen Hufen haben und die Pferde müssen nicht aufpassen, dass sie nicht auf sie treten. Hat sie sich irgendwie merkwürdig verhalten, bevor der Nebel kam, Elisa?“ „Ja.“, sagte das Bauernmädchen. „Sie war ganz aufgeregt.“ „Dann hat das Schnurrchen versucht dich zu warnen. Katzen können Telepathie nämlich spüren genau wie wir Vendar.“, sagte Talan. „Für so eine Heldin ist sicher auch noch Platz in der Truppe von Logars Hof-Mäusefängern. Wir haben einen großen Kornspeicher im Schloss und wo Korn ist, da sind auch meistens Mäuse. Das wird ein Paradies für Schnurrchen werden!“ „Ich danke euch.“, sagte Elisa erleichtert und mit einem Lächeln auf den Lippen. All ihre Lieben würden untergebracht sein! Also war alles in Ordnung! „Ich würde mich gern in Logars Dienste nehmen lassen, Iranach.“, entschied sie dann. „Kluge Entscheidung, Elisa.“, erwiderte Iranach. Aber das hatte ich von dir auch nicht anders erwartet.“

Sie wandte sich Talan zu: „Steig auf dein Pferd und reite zum Schloss zurück! Sag unserem Gebieter, dass wir noch jemanden mitbringen!“ „Ja, Ausbilderin!“, erwiderte der Novize schmissig und tat, was ihm Iranach gerade befohlen hatte.

Iranach sah Elisa an. „Mir scheint, dass dir noch etwas auf der Seele liegt.“, sagte die Vendar. „Das stimmt.“, sagte Elisa. „Ich habe immer noch Angst vor dem Nebel. Er hat gesagt, dass er mich töten will!“ Sie begann zu weinen. „Davor musst du keine Angst mehr haben.“, sagte Iranach und holte ein Tuch aus ihrer Tasche, um Elisas Tränen zu trocknen. Dann sagte sie: „Erstens stehst du ab sofort unter dem Schutz meines Gebieters Logar El Imperia und zweitens … Sag mir, hast du schon angefangen zu bluten?“ „Nein.“, sagte Elisa.

Die Vendar zog ihren Erfasser aus ihrer Uniformtasche. Dann sagte sie: „Damit kann ich in dich hineinsehen.“ „Nein!“, rief Elisa ängstlich aus. „Das bedeutet ja, dass du mich aufschneiden musst! Bitte tu mir nicht weh, Iranach! Bitte nicht!“ „Aber nein.“, tröstete Iranach, die jetzt aber in ziemliche Erklärungsnot geraten war. Dann sagte sie: „Wenn deine Mutter die Milch für dein Frühstück erwärmt, dann gießt sie die doch auch nicht direkt ins Feuer, sondern in einen Topf, den sie über das Feuer hängt. Die Wärme macht dann den Topf ganz heiß und so wird auch die Milch heiß. Mein Kasten macht ein Licht, mit dem er in dich hineinsieht. Dann sagt er mir, was er sieht und ich kann es dann beurteilen.“ „Also gut.“, sagte Elisa und atmete auf. „Dann sag deinem Kasten, er soll sein Zauberlicht ruhig scheinen lassen.“

Sie nickte aufatmend und ließ den Erfasser über Elisa kreisen. Sie war heilfroh, dass es ihr gelungen war, dem Mädchen ihre Angst zu nehmen. Da sie oft schon mit der Sternenflotte zu tun gehabt hatte, hatten auch wir uns manchmal gesehen und so hatte sie die Methode, Erklärungen auf die Alltagssituation desjenigen zu münzen, für den sie bestimmt waren, von mir übernommen.

Die Vendar hatte den Erfasser sinken lassen. Dann sagte sie zu Elisa: „Aber du wirst es bald. Diesen Informationen nach in ca. drei Wochen. Dann bist du für das Wesen ohnehin nicht mehr interessant.“ „OK.“, sagte Elisa, die Iranach mittlerweile sehr vertraute. „Dann sollten wir machen, dass wir zu Logars Schloss kommen.“ „Ganz wie du willst.“, sagte die Vendar, hob Elisa auf ihr Pferd und stieg dann selbst in den Sattel. Dann knotete sie sich selbst einen Strick um den Leib, in den sie vorher eine Schlaufe gemacht hatte, die jetzt auf ihrem Rücken war. Daran hieß sie Elisa, sich gut festzuhalten. So ritten sie langsam in Richtung Schloss davon.

Im Ihren saß Sytania gerade vor dem Kontaktkelch und ärgerte sich. Ihre Stimmung war sowieso schon auf dem Nullpunkt gewesen, da sie die Geschicke in den Dimensionen mit Hilfe ihrer seherischen Fähigkeiten durchaus beobachtet und sich somit ein Bild über die Situation gemacht hatte, das aus ihrer Sicht nicht sehr vielversprechend aussah. Sie hatte sehr wohl gesehen, dass Iranach und ihr Novize ihrer Schöpfung deren Beute weggeschnappt hatten, aber das war ja auch nur die Spitze des Eisbergs gewesen. Alles, was davor stattgefunden hatte, hatte die Königstochter noch umso mehr in Rage gebracht.

Sie schickte nach Telzan, der wenige Minuten später bereits zu ihr geeilt kam. „Was gibt es, Gebieterin?“, fragte der Vendar in der Absicht, ihr Trost zu spenden. Er hatte genau gesehen, wie es ihr ging. „Es ist ein schwarzer Tag für uns, Telzan!“, rief Sytania mit viel Wut in der Stimme aus. „Ein verdammt schwarzer Tag!“ „Worüber sprecht Ihr genau, Hoheit?“, versuchte Telzan nachzubohren. „Wenn Ihr mir nicht sagt, was Euch auf der Seele liegt, dann werde ich euch nur schwer bis gar nicht helfen können.“ „Ach.“, stöhnte Sytania. „Sieh am besten selbst!“

Sie nahm seine rechte Hand und führte sie auf den Fuß des Kontaktkelchs. Dann legte sie selbst ihre linke Hand darauf und legte ihre rechte in seine linke Hand. Danach gab sie dem Kontaktkelch einige telepathische Befehle, die dafür sorgten, dass er das Geschehene quasi für Telzan noch einmal im Zeitraffer zusammenfasste.

Nachdem die Zusammenfassung geendet hatte, sah Telzan Sytania nur relativ neutral an und machte nur: „Ah ja, so, so, Aha, na ja.“ „Was meinst du damit?“, fragte Sytania, die seine Äußerungen nun so gar nicht einordnen konnte. „Es sieht doch gar nicht so böse für uns aus, Herrin.“, ermutigte der Vendar die Mächtige. „Was erdreistest du dich!“, rief Sytania voller Empörung aus. „Schau dir an, was in der Dimension der Föderation zum Beispiel geplant wird und sieh dir doch an, was bei den Tindaranern geschieht! Am Schlimmsten finde ich noch, was meiner armen Schöpfung widerfahren ist! Schnappt dieser Novize ihr doch die Beute vor der Nase weg und nimmt sie einfach mit sich. Aber damit nicht genug. Iranach hat sie überzeugt, jetzt Logar, meinem Vater, zu dienen! Stell dir das vor, Telzan! Meinem Vater! Sie wird ihm wertvolle Informationen …!“

Der Vendar musste laut lachen. Dann aber holte er konzentriert einige Male tief Atem, um seinen Lachkrampf zu besiegen und meinte dann: „Ein Bauernmädchen, Herrin! Ihr wollt mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass Ihr Euch vor dem wenigen Wissen eines einfältigen Bauernmädchens fürchtet! Oh, das darf ich meiner Truppe gar nicht sagen! Die würden schwer meutern!“ Er lachte erneut auf, hatte sich aber genauso schnell wieder unter Kontrolle. „Du vergisst.“, sagte Sytania. „Dass dieses Bauernmädchen für einige Zeit meine Zofe war und somit doch gefährliches Wissen angesammelt haben könnte, das sie meinem Vater jetzt über Iranach zur Verfügung stellen könnte. Iranach hat ihr Vertrauen gewonnen. Die Beiden werden viel reden, fürchte ich. Außerdem ist da noch die Sache mit dem Virus deiner Frau. Wenn die Genesianer und die Föderation sich tatsächlich einigen, dann wird es das eins zwei drei nicht mehr geben und das ist nicht unser alleiniges Problem!“

Telzan stöhnte auf, als wäre er kurz davor, die Geduld zu verlieren. Dann sagte er: „Ach, das ist gar kein Problem, Herrin!“ „Kein Problem, kein Problem?!“, rief Sytania aus. „Die Föderation ist eine Nation, die sich die Forschung auf ihre Fahnen geschrieben hat und das Humanitäre steht bei ihnen auch ganz hoch im Kurs. Ihre Oberste Direktive greift hier ja auch nicht, weil sie ja um Hilfe gebeten wurden und auf Notrufe ja reagieren dürfen und können! Also sag mir bitte sofort, wo du da kein Problem siehst!“ Ihr Götter!, dachte Telzan. Lasst Geduld vom Himmel regnen und gebt mir einen großen leeren Eimer! Dann sagte er: „Ihr habt es gerade selbst gesagt, Hoheit. Sie können auf Notrufe reagieren. Aber was ist, wenn sie es dieses Mal doch nicht können, weil Nugura El Fedaria die Hände gebunden sind?“ Er grinste sie an.

Sytania dachte kurz nach. Ihr wollte aber definitiv nicht klar werden, worauf er hinauswollte. „Ich kann dir einfach nicht folgen, Telzan.“, resignierte sie schließlich. „Das mag wohl daran liegen.“, sagte der Vendar. „Dass Ihr die Prinzipien der Demokratie nicht verstanden habt, mit Verlaub, Milady. Aber ich bin ja hier! Ich habe sie verstanden und bin sofort und allzeit bereit, Euch dabei zu helfen und Euch zu erklären, wie wir sie zu unserem Vorteil und zum Nachteil derer, die sie ja ach so hoch halten, nutzen können.“ Er setzte einen genießerischen Blick auf, als er zu ihr hinübersah. „Wisst Ihr.“, fügte er noch bei. „Die Föderation der vereinten Planeten rühmt sich immer mit der Demokratie als eine ihrer größten Stärken. Ich aber finde, dass sie im Gegensatz zur Monarchie auch Raum lässt für große Schwäche, wenn …“

Die Königstochter fuhr ungeduldig herum. Dann sagte sie: „Tu es endlich, Telzan! Erkläre mir endlich, worum es dir geht!“ „Also gut, Hoheit.“, sagte Telzan und setzte an: „Ihr wisst, dass Nugura El Fedaria alles mit ihrem Parlament absprechen muss, das sie beschließt zu tun. Ihr wisst auch, dass es dort eine besonders starke Opposition gibt, wie unsere Spione melden. Nuguras Kollegen haben sehr lange in bequemen friedlichen Zeiten gelebt. Zu viel Komfort macht träge und sie sind vielleicht nicht mehr bereit, Opfer zu bringen. Dazu kommt noch, dass die Daten, auf denen Nuguras Vorschlag basieren wird, teilweise von niemand Geringerem als Commander Peter Time zusammengetragen worden sind, der ja bei ihnen sowieso einen zweifelhaften Ruf genießt. Ich gebe zu, dass dies wohl nur geschehen ist, weil er nun mal kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht, die Wahrheit zu sagen und das empfinden sie manchmal als sehr unbequem, Aber das ist auch der Grund, aus dem sie dem Vorschlag in der Abstimmung mit sehr viel Skepsis gegenüberstehen werden und wohl auf gar keinen Fall eine unpopuläre und gefährliche Entscheidung treffen werden, wenn sie erneut gewählt werden wollen. Für das einfache Volk, also ihre Wählerschaft, die ja nichts von den ganzen internen Gesprächen weiß, sind die Genesianer die Feinde der Föderation. Das Volk wird es nicht gut heißen, wenn man denen helfen will und das werden die Politiker sehr wohl bedenken, wenn sie in zwei Tagen zur Abstimmung schreiten. Ich denke sogar, sie werden Nugura bezichtigen, ihren Verstand nicht mehr beisammen zu haben und das wird zu einem Misstrauensvotum führen. Das wiederum bedeutet, dass sie abgewählt werden wird und dann haben wir erst recht freie Bahn! Die anderen Politiker der Föderation sind so leicht zu manipulieren und Offiziere wie Time, Cinia oder Kissara haben dann keine Rückendeckung mehr für ihre Vorhaben. Wenn sie gegen ihre Befehle handeln, dann kommen sie allenfalls vor das Gericht der Föderation und werden abgeurteilt. Ihre Patente dürften ihnen entzogen werden und dann könnten sie gar nichts mehr tun, Herrin! Rein gar nichts!“ Er lachte gemein.

Beruhigt setzte sich Sytania wieder auf ihrem Thron zurecht. Das ist ein sehr schönes Bild, das du gerade gezeichnet hast, Telzan.“, sagte sie. „Ich hoffe nur, dass auch alles genauso eintritt, wie du es vorausgesagt hast.“ „Da könnt Ihr sicher sein, Milady!“, sagte der Vendar mit viel Zuversicht im Gesicht. „Darauf würde ich sogar mein Leben verwetten und Ihr dürftet es mir eigenhändig nehmen, falls ich diese Wette doch verlieren sollte!“ „Ein wahrlich hoher Einsatz, Telzan.“, sagte die Prinzessin. „Dann hoffe ich mal, dass ich ihn nicht von dir fordern muss. Das täte mir nämlich sehr leid. Du bist mein Vertrauter und mein oberster Vendar. Außerdem bist du der beste Stratege, den ich mir vorstellen kann.“

Erneut wurde sie sehr nachdenklich. „Was stört Euch noch, Hoheit?“, fragte Telzan. „Es ist Joran.“, sagte Sytania. „Oder besser gesagt, es ist das, was er in sich trägt. Seine Sifa beherbergt ein Energiefeld von den Quellenwesen, wie du weißt. Ich habe in die Zukunft gesehen und weiß daher genau, was uns blüht, wenn er dieses behält. Erlaube, dass ich dich berühre!“ „Natürlich, Herrin.“, sagte der Vendar.

Sytania legte ihre rechte Hand in Telzans Nacken. Dann ließ sie diese einige Sekunden dort liegen und nahm sie mit einem zufriedenen Grinsen wieder fort. „Deine Sifa wäre bereit.“, sagte sie. „Du und deine Frau, ihr könntet ein getarntes Veshel nehmen und damit in die Dimension der Tindaraner fliegen. Dann beamt ihr das Feld aus Jorans Sifa in die deine. Wenn du dann das Fütterungsritual an ihm durchführst, dann wird das Feld mit böser Energie durchsetzt, weil dein Charakter auch von Grund auf so richtig schön böse ist. Das wird die Pläne der Quellenwesen vereiteln!“ „In der Tat, Milady.“, sagte Telzan. „Das wird es. Mein Schiff hat eine sehr gute Tarnung. Ich habe sie heute früh erst persönlich überprüft. Sie ist zu 100 % funktionsfähig. Die Rechner der Tindaraner werden nichts anderes sehen als die normalen Wellenmuster ihrer Dimension, wenn wir einfliegen. Warum Ihr es nicht selbst mittels Eurer mentalen Fähigkeiten tut, ist mir klar. Das könnten die Tindaraner spüren und dann würden sie sich alle zusammenschließen, um ihre Dimension und somit auch Joran mit der uns allen sehr gut bekannten mentalen Mauer zu umgeben. Dagegen hättet Ihr dann keine Chance. Ich fürchte auch dann nicht, wenn Valora Euch helfen würde, denn die Quellenwesen würden auch aufmerksam und würden sich sicher auf die Seite der Tindaraner und Jorans schlagen. Nein, so geht es nicht! Aber die Benutzung von Technologie hat uns schon einmal einen großen Vorteil verschafft. Was einmal funktioniert, das wird auch bestimmt ein zweites Mal klappen! Aber warum soll ich nicht allein fliegen?“ „Weil das einfach sicherer ist, wenn ihr zu zweit seid.“, sagte Sytania. „Du wirst, wenn du das Feld hast, sofort mit dem Fütterungsritual beginnen müssen. Das bedeutet, du kannst das Veshel nicht steuern.“ „Das kann doch der Mishar übernehmen.“, sagte Telzan. „Vielleicht für einen gewissen Zeitraum.“, sagte Sytania skeptisch. „Aber was ist, wenn die Tindaraner aus irgendeinem Grund doch aufmerksam werden könnten und Dinge tun könnten, auf die der Mishar nicht programmiert ist? Wenn du weit weg im Zustand der Fütterung bist, kannst du ihm keine Anweisungen geben und dann passiert euch womöglich doch noch etwas in Form von tindaranischer Kriegsgefangenschaft oder gar dem Tod! Das könnte ich mir nie verzeihen!“ Sie machte eine dramatische Geste und ein theatralisch verzweifeltes Gesicht. „Ich verstehe.“, sagte Telzan. „Da habt Ihr natürlich Recht. Also gut. Ich gebe meiner Telshanach Bescheid und überprüfe ein letztes Mal mein Schiff. Dann werden wir heute Nacht losfliegen, wenn Ihr erlaubt.“ „Natürlich erlaube ich das.“, sagte Sytania und ihr schien vor lauter Erwartung schier das Wasser aus dem Mund zu laufen. „Aber über eines sollten wir noch reden, bevor du gehst, Telzan.“ „Du hast ja nun auch gesehen, was diese McKnight herausgefunden hat. Könnte sie eventuell nicht auch bei der tindaranischen Regierung in Ungnade fallen? Ich meine, immerhin war sie das Gefäß für denjenigen, dem wir diese Situation jetzt in gewisser Weise zu verdanken haben. Es war Grandemought von Zeitland, der Invictus riet, sich von Zeit zu Zeit mit einer Sterblichen zu paaren, damit die armen Wesen nicht zu unseren Spielbällen werden, wenn es hart auf hart kommt. Aber was sollte denn das? Die können uns doch egal sein! Sie sind doch nicht mehr als Fliegen an der Wand.“

Telzan biss sich auf die Zunge. Er hatte etwas sagen wollen, das etwa den Inhalt hatte, dass aber auch die Insekten in der Natur ihren Platz haben, denn sonst würde sie ja nicht funktionieren. Aber er unterließ es lieber, sie darauf anzusprechen, denn er befürchtete, sie könnte das als Dolchstoß auffassen und ihn sehr stark dafür strafen. Wie so eine Strafe aussehen konnte, daran erinnerte er sich noch gut. Es war ja gar nicht so lange her gewesen, da hatte er sein Amt und damit auch seine Privilegien verloren und das hatte ihm und vor allem Cirnach, seiner Frau, gar nicht gefallen! So eine Situation wollte er auf keinen Fall ein zweites Mal erleben!

Er beschloss daher, schleunigst ein anderes Thema anzufangen: „Noch einmal zu der Sache mit der Demokratie zurück, Milady.“, sagte er schnell. „Falls das doch aus irgendeinem Grund schiefgehen sollte, dann habe ich immer noch Plan B in der Tasche!“ Er grinste sie an. „Und wie sieht der aus?!“, wollte Sytania wissen und ihre schwarzen Augen leuchteten erfreut wie die eines Kindes, das auf seine Weihnachtsgeschenke wartet. „Tut mir leid.“, sagte Telzan. „Das kann, werde und darf ich Euch noch nicht sagen. Wenn ich das jetzt täte, dann liefen wir immer Gefahr, dass Euer Vater es in einem mentalen Duell vielleicht aus Euch herausbekommen könnte. Was Ihr nicht wisst, kein Risiko ist. Ich sagte Euch, ich habe den Plan in der Tasche und da bleibt er auch erst einmal. Ich werde ihn Euch schon verraten, wenn es Zeit dafür ist. Aber Ihr könnt mir vertrauen. Er wird auch Euch gefallen! Mit Sicherheit sogar! Aber so lange müsst Ihr leider noch ausharren. Aber die Vorfreude kann bekanntlich die schönste Freude sein. Das könntet Ihr noch von uns Vendar lernen, mit Verlaub, Prinzessin, und Ihr solltet es auch lernen, wenn Ihr eines Tages doch Erfolg haben wollt.“

Telzan hatte sich vor sich selbst erschrocken. Er hatte das eigentlich nicht sagen wollen, aber jetzt war es ihm doch herausgerutscht. „Du hast Glück, dass ich heute meinen sozialen Tag habe.“, sagte Sytania. „Das kommt selten genug vor. Wohl alle 1000 Jahre einmal. Also tu das, was ihr Vendar ja so gut könnt und koste ihn aus, Telzan. Dabei kannst du mir gleich einmal ein paar treffliche Tipps geben, wie das geht.“ „Natürlich, Prinzessin.“, sagte Telzan. „Für den Anfang solltet Ihr Euch zum Beispiel immer vor Augen halten, dass es ja nur noch zwei Tage bis zur Abstimmung sind. Nur noch zwei Tage, Herrin. Zwei Tage! Dann werdet Ihr schon erfahren, ob der Plan nötig ist oder nicht. Ich werde es Euch aber dann auf jeden Fall sagen. Das verspreche ich! Auf jeden Fall! Egal, ob es sein muss.“ „Also gut, Telzan.“, sagte Sytania. „Ich werde dir vertrauen. Wenn etwas verkehrt lief, dann hattest du ja keine Schuld. Zumindest in 90 % der Fälle nicht. Es waren ja immer unsere Widersacher, denen das Schicksal im letzten Moment dann doch immer die besseren Karten zugespielt hat. Aber wenn unsere Pläne doch funktionieren sollten, dann werde ich ja bald sogar die Fäden des Schicksals in meiner eigenen Hand halten!“ „In der Tat, Milady!“, sagte Telzan und beide lachten gemein auf. Danach verließ Telzan das Schloss und ging in Richtung seiner Garnison davon. Hier wartete schließlich noch ein Berg Arbeit auf ihn, wenn er für die heutige Nacht gut vorbereitet sein wollte.

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