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Schon das zehnte Mal hatte Maron auf seine Uhr geschaut. Er saß allein mit Zirell in der Kommandozentrale der tindaranischen Militärbasis und schien sehr nervös. Das konnte die ältere Tindaranerin ihm auch ansehen, ohne ihre geistigen Fähigkeiten benutzen zu müssen. „Du bist sehr nervös heute, Maron.“, stellte sie fest. „Was ist los?“ „Ich frage mich nur, wo Joran bleibt, Zirell.“, sagte der Erste Offizier und schaute erneut auf die Zeitanzeige seines Sprechgerätes. „Es ist sonst nicht seine Art zu spät zu kommen.“ Er machte ein sorgenvolles Gesicht. „Na, ihm wird schon nichts passiert sein.“, tröstete Zirell und sah milden Blickes zu ihm hinüber, der rechts neben ihr saß, wo der Platz tindaranischer Erster Offiziere auch vorschriftgemäß war. „Ich meine, es handelt sich immerhin um Joran. Der manövriert sich schon aus jeder dummen Situation wieder heraus! Das kannst du mir glauben!“ „Trotzdem würde ich das gern überprüfen!“, sagte Maron. „Ich habe ein ganz merkwürdiges Bauchgefühl bei der Sache und dem würde ich gern nachgehen.“ „Dann tu, was du nicht lassen kannst.“, sagte Zirell. „Das werde ich auch.“, sagte Maron und wandte sich IDUSA zu: „IDUSA, ist in der letzten Nacht irgendetwas mit Joran geschehen, das seine Gesundheit so stark beeinträchtigt hat, dass er jetzt nicht zum Dienst erscheinen kann?“ „Das ist es allerdings.“, antwortete der Rechner, nachdem sie ihre Daten überprüft hatte. „Und warum hast du uns das nicht sofort gemeldet?“, fragte der demetanische Erste Offizier. „Weil ich es selbst erst seit einigen Minuten weiß.“, sagte IDUSA. „Technical Assistant O’Riley und ich haben es erst jetzt herausgefunden.“ „O’Riley?“, fragte Maron irritiert. „Wie habe ich denn das zu verstehen?“ „Nun.“, sagte der Computer. „Mir ist bekannt, dass Sie dem Technical Assistant keine große Leistungsfähigkeit bescheinigen, was ihre Intelligenz angeht. Sie selbst tut es ja auch nicht. Trotzdem gab sie mir die nötigen Befehle, die es uns beiden ermöglichten herauszufinden, was mit Joran in der letzten Nacht geschehen ist.“ „Ich kann es immer noch nicht glauben.“, sagte Maron. „Ausgerechnet O’Riley! Aber du sprichst in Rätseln, IDUSA. Was ist denn nun konkret passiert und wo ist Shannon? Ich will ihre Aussage selbst aufnehmen.“ „Ms. O’Riley befindet sich zusammen mit Ms. McKnight auf dem Weg zu Ihrer Position, Agent.“, sagte IDUSA. „Das wird ja immer mysteriöser.“, sagte Maron. „Aber wenn McKnight in die Sache involviert ist, dann mache ich mir keine Sorgen. Mit ihrer Hilfe werden wir schon herausbekommen, was hier passiert ist.“ „Ich wäre mir da nicht so sicher, Maron.“, sagte Zirell. „Immerhin hat IDUSA es ja gerade so dargestellt, als sei Shannon diejenige gewesen, die Bescheid weiß und nicht Jenna. Wenn Jenna es auch nur von ihr erfahren hat, dann ist es quasi eine Aussage über dritte und du, als ausgebildeter Kriminalist, solltest eigentlich wissen, wie wertlos eine solche Aussage ist.“ „Da hast du auch wieder Recht, Zirell.“, sagte Maron.

Die Tür zur Kommandozentrale öffnete sich und Jenna und Shannon betraten diese. „Zirell, Agent Maron, Meine Assistentin muss eine Aussage machen!“, sagte Jenna und schob Shannon langsam in Richtung des Ersten Offiziers: „Na los, Shannon.“

Maron warf der blonden Irin einen erwartungsvollen Blick zu. Dann sagte er: „Gehen wir dorthin, wo wir ungestört sein können, O’Riley!“, und zog sie mit sich. „Du weißt ja, welchen Ort ich euch dafür liebend gern zur Verfügung stelle.“, sagte Zirell und lächelte. „Ich würde aber lieber hier aussagen, Agent.“, sagte Shannon. „Vor allem deshalb, weil jetzt Jenn’ in meiner Nähe is’, um mich vielleicht zu berichtigen.“ „Na gut.“, sagte der Demetaner. Aber ich denke, dann können wir sowieso zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie haben ausgesagt und ich muss Zirell nicht alles umständlich noch einmal erklären.“

Er ging zum Replikator und ließ diesen ein weiteres Sitzkissen replizieren. Dann nahm er es mit zu seinem Platz und stellte es neben das Seine, wonach er noch einmal losging, um den Vorgang zu widerholen. Dann deutete er zuerst auf Jenna und Shannon und dann auf die beiden Kissen: „Hergesetzt, Ladies!“

Jenna und Shannon kamen seiner Aufforderung nach. Die blonde Irin bemerkte sogar: „Oh neue Möbel extra für uns! Welche Ehre! Ein Kavalier der alten Schule, wie?“ Jenna knuffte sie in die Seite und zischte ihr zu: „Assistant!“ „Was hab ich denn nun schon wieder gesagt?!“ fragte Shannon und machte ein etwas missmutiges Gesicht.

Maron hatte sein Pad aus der Uniformtasche gezogen und drehte sich nun damit Shannon zu: „So, Shannon.“, sagte er. „Dann mal raus mit der Sprache. Ich hörte, Sie wollen eine Aussage machen?“ „Da haben Sie in gewisser Weise schon richtig gehört, Sir.“, sagte O’Riley zögerlich, was auch durchaus bei Maron ankam. „Nun mal frisch, fromm und frei von der Leber weg, Shannon.“, ermutigte er sie. „Sie sind doch sonst nicht so verlegen.“ „Das stimmt schon, Agent.“, sagte die blonde Irin. „Aber Sie wissen doch, dass ich das immer werde, wenn man mir eine geistige Glanzleistung in die Schuhe zu schieben versucht, zu der ich ja eigentlich nicht in der Lage bin.“ „Ach nein!“, mischte sich Jenna ein. „Und wer hat dann Ihrer Meinung nach IDUSA die richtigen Befehle erteilt, mit deren Hilfe wir den Dieb der Hälfte von Jorans Energiefeld eventuell sehr schnell finden können, Shannon, he?!“ „Halt, halt, McKnight!“, sagte Maron. „Nehmen Sie ihr nicht alles ab!“

Er wandte sich erneut an Shannon. „Na los, O’Riley!“ „Also gut, Agent.“, sagte Shannon. „Jenn’ hat ja schon fast alles gesagt und das macht Sie bestimmt sehr neugierig. OK. Also, mir war da etwas aufgefallen. IDUSA hatte gemeldet, dass sie doppelt sehen würde. Da ich übermäßigen Alkoholgenuss bei ihr ausgeschlossen habe und auch die Energie nicht verdorben ist, die durch unsere Leitungen fließt, bin ich dem nachgegangen. Dabei habe ich entdeckt, dass die doppelten Sensorenbilder von einem getarnten Veshel erzeugt worden waren, das sich uns genähert und dann Joran einen Teil des Feldes geklaut hat.“ „Ein Veshel.“, sagte Maron. „Ein Vendar-Schiff also. Sie können mir aber nicht zufällig sagen, wer an Bord war?“

„Ich glaube, jetzt muss ich einschreiten, Sir.“, sagte Jenna und schob ihr Sitzkissen in den Vordergrund. „Aller Wahrscheinlichkeit nach war es Telzan oder einer seiner Leute. Offenbar wollten sie das Feld, um es für ihre Zwecke umzupolen, aber das geht nicht.“ „Ah ja.“, erinnerte sich Maron an eine Erklärung, die sie ihm vor längerer Zeit einmal zu diesem Thema gegeben hatte. „Das ist also doch nicht nur eine Legende.“, sagte Zirell. „Nein.“, bestätigte Jenna.

Maron wandte sich jetzt Jenna zu: „Was wissen Sie noch, McKnight?“ „Ich weiß.“, entgegnete die hoch intelligente Halbschottin. „Dass Joran alles versucht, um das Feld wieder zu stabilisieren. Deshalb will er auch nicht gestört werden, denn er will den ganzen Tag mit dem Fütterungsritual verbringen.“ „Du meine Güte!“, rief Zirell aus. „Bei allen Göttern! Er muss ja später wahnsinnige Kopfschmerzen haben!“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Jenna. „Aber du kennst ihn ja, Zirell. Du weißt ja, wie aussichtslos es ist, ihn von etwas abbringen zu wollen, wenn er es sich erst einmal in den Kopf gesetzt hat.“ „Das weiß ich.“, antwortete die Tindaranerin. „Deshalb brauchen wir das wohl erst gar nicht zu versuchen, sondern sind sicher besser dran, wenn wir ihm die Daumen drücken.“ Alle nickten Zirells Äußerung ab. Shannon stand sogar auf und tanzte durch den Raum. Dabei sang sie laut und aus vollem Hals: „Auf geht’s, Grizzly! Auf geht’s! Du schaffst das! Du kriegst das hin!“ Dann setzte sie sich wieder auf ihren Platz. „Beeindruckende Aufführung, O’Riley.“, sagte Maron. „Es haben nur noch die Pompons gefehlt.“ Er grinste ihr zu. „Oh nich’ schlecht, Sir.“, sagte Shannon. „Sie machen sich, was Ihren Humor angeht.“ „Das will ich doch wohl meinen, O’Riley.“, sagte Maron.

Jenna wandte sich dem Agenten zu: „Haben Sie noch Fragen an uns, Sir?“, fragte sie. „Nein, das wäre alles, McKnight.“, sagte der Demetaner, steckte sein Pad wieder ein und wandte sich dem Bericht zu, den er gerade bearbeitete. „Sie und Ms. O’Riley können gehen.“ „Danke, Agent.“, sagte Jenna und wandte sich Shannon zu: „Kommen Sie!“ Dann verließen die Beiden den Raum.

Zirell und ihr Erster Offizier waren nachdenklich zurückgeblieben. Dabei war es vor allem Maron, der sich einige Fragen in seinem Geist zu stellen schien. „Was beschäftigt dich so sehr, Maron?“, wollte Zirell wissen. „Ich frage mich, wie Joran das durchhalten will, Zirell.“, sagte Maron und begann erneut, nachdenklich an einem Knopf seiner Uniformjacke zu drehen. „Er muss doch irgendwann extreme Kopfschmerzen bekommen wegen der übermäßigen Konzentration. Wie hält er das nur aus? Also, für mich wäre das sicher nichts!“

Zirell deutete auf die Hände ihres Untergebenen. Wenn du so weitermachst, wirst du irgendwann nackt vor mir stehen, Maron.“, sagte sie und grinste ihn an. „Hast du mir überhaupt zugehört?“, fragte der Demetaner. „Oder hat dich nur interessiert, wann ich denn wohl meine Klamotten verliere?“ „Also wirklich, Maron.“, sagte die ältere Tindaranerin. „Du machst dir meiner Meinung nach viel zu viele Sorgen. Joran ist ein Vendar. Die führen jeden Tag über mehrere Stunden das Fütterungsritual durch. Er ist also in gutem mentalem Training im Gegensatz zu dir. Hast du darüber schon einmal nachgedacht?“ „Ich glaube, dass ich dieses Faktum wohl aus den Augen verloren haben könnte, Zirell.“, sagte Maron nachdenklich. „Trotzdem glaube ich aber, dass dieses Unterfangen für ihn recht anstrengend werden könnte nach nun schon fast acht Stunden!“ „Das habe ich ja auch gar nicht in Abrede gestellt.“, sagte Zirell. „Aber wie ich Joran kenne, kriegt er das schon hin!“ „Dein Wort in den Ohren sämtlicher Götter, die es geben könnte, Zirell!“, sagte Maron. „Deren Beistand dürfte er wohl benötigen!“ „Oh wie melodramatisch!“, stöhnte Zirell fast gelangweilt und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie war und blieb davon überzeugt, dass diese Sache kein großes Problem für Joran darstellen würde. Schließlich kannte sie ihn sehr gut.

Nach einer erneuten Zwangspause hatte Joran wieder das Schlafzimmer betreten und sich wieder zur Weiterführung des Fütterungsrituals in Position begeben. Auch den Neurokoppler, mit dessen Hilfe IDUSA ihn überwachte, hatte er wieder aufgesetzt. Über diesen zeigte sich ihm der Avatar des Rechners jetzt auch wieder mit ernstem Gesicht. Joran war über diesen Umstand so erstaunt, dass er sich zuerst nur erschrocken aufsetzte. Dann fragte er: „Was gibt es, IDUSA? Warum schaust du so ernst?“ „Ich beobachte Ihre körperliche Verfassung jetzt schon seit ungefähr sieben Stunden und mir fällt auf, dass Sie vielleicht etwas Hilfe gebrauchen können, die womöglich über die stündliche Gabe von etwas Traubenzucker hinausgeht. Ihren Werten nach dürfte Ihre Fähigkeit zur Konzentration am Ende sein. Wenn Sie jetzt mit dem Ritual fortfahren, verschwenden Sie nur Ihre Energie. Ihre Sifa wird das nicht umsetzen und es wird nichts mehr bei dem Feld ankommen. Sie werden am Ende nur noch erschöpfter sein.“ „Du hast in gewisser Weise ja Recht, IDUSA.“, sagte der sehr abgekämpfte Vendar. „Aber das Feld ist noch nicht stabil genug. Ich benötige noch mindestens eine Stunde, wenn ich die Fortschritte zu Grunde lege, die es bis jetzt gegeben hat.“

Er setzte zu einem neuen Versuch an. „Was haben Sie mir denn vorhin selbst über falschen Stolz erzählt?“, fragte IDUSA, um ihm ihr Gespräch von vor ca. sieben Stunden in Erinnerung zu rufen. „Da haben Sie mir selbst gesagt, dass es falsch wäre, wenn Sie aus falschem Stolz heraus meine Hilfe verweigern würden und jetzt sprechen Sie so? Könnten Sie mir das vielleicht mal erklären?“

Er hatte ihre Frage sehr wohl gehört, aber er war jetzt vollauf damit beschäftigt gewesen, sie zu ignorieren. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie sie ihm helfen sollte. Also empfand er ihre Worte eher als lästige Einmischung. Hatte er sie vor kurzer Zeit noch als seine elektronische Kampfgefährtin bezeichnet, so war sie für ihn jetzt eigentlich eher ein Störenfried geworden. Er wollte den Neurokoppler am liebsten abnehmen, aber dann würde er auch eine Vereinbarung mit Jenna verletzen und das wollte er auf gar keinen Fall! Also würde er sie wohl oder übel ertragen müssen.

So sehr er konnte versuchte Joran also, sich auf das Bild zu konzentrieren und das ihre völlig auszublenden. Aber das hatte auch zur Folge, dass er sich mental sehr verkrampfte und die Energie nicht fließen konnte. „Es nützt nichts, Joran!“, erinnerte ihn IDUSA jetzt mit mehr Nachdruck. „Sie werden meine Hilfe brauchen auf dem letzten Stück. Techniker McKnight hatte bereits damit gerechnet. Sie hat mir gesagt, dass ich, wenn dies eintritt, Kontakt mit Ishan aufnehmen soll. Er hat mir eine Lösung vorgeschlagen und ich habe sie umgesetzt. Bitte, Joran! Es ist nur zu Ihrem Besten und vor allem zum Besten des Feldes!“ „Bitte nehmen Sie meine Hilfe an! Bitte, Joran!“ „Ich hätte nicht gedacht, dass meine Telshanach mir auch noch in den Rücken fällt!“, stieß Joran angestrengt hervor. Es bereitete ihm mittlerweile erhebliche Schwierigkeiten, IDUSAs eindringliche Stimme zu verdrängen und ihrem Angebot zu widerstehen. Er wusste ja genau, was sie meinte, aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie sie ihm helfen sollte.

„Techniker McKnight fällt Ihnen keinesfalls in den Rücken!“, sagte der tindaranische Rechner langsam und ernst. „Sie hat nur berechnet, dass sich kein ihr bekanntes biologisches Wesen acht Stunden am Stück dauerhaft so sehr konzentrieren kann, wie es für das Fütterungsritual notwendig ist. Dazu kommt ja noch, dass das Feld sich quasi von Ihrer mentalen Energie ernährt, aso sie Ihnen nimmt. Das sind alles Faktoren, die das Ganze beeinflussen. Ihren Berechnungen nach ist der Zeitpunkt, an dem Sie Hilfe benötigen, genau jetzt und das ist ja auch genauso passiert. Also, Joran. Ich bin da! Ich werde Ihnen helfen! Denken Sie nicht nur an Ihren Ruhm als Held. Bitte denken Sie vor allem an das Feld, Joran. Bitte! Bitte!“

Es verging erneut einige Zeit, in der Joran nicht von seinem bisherigen Verhalten ihr gegenüber abwich. IDUSA wusste, dass er sehr stur sein konnte, wenn er wollte und dass es schon eines ordentlichen Paukenschlags bedürfen konnte, um seine Meinung zu ändern. Genau das würde sie jetzt allerdings auch tun. „Also gut, Joran.“, sagte Sie. „Sie wollen mir offenbar nicht glauben, dass ich Einfluss auf das Fütterungsritual nehmen kann, also werde ich es Ihnen beweisen! Aber nicht mit dem Bild, das Sie gerade brauchen, sondern mit einem anderen. Dies ist meine letzte Warnung, denn was ich tun muss, tue ich höchst ungern! Ich zähle jetzt bis drei! Falls Sie sich bis dahin nicht offen zeigen, tue ich es! Eins, zwei, drei!“

Es hatte sich nichts geändert. IDUSA ahnte, dass es jetzt nichts mehr nützte. Er würde es auf diplomatischem Wege nicht begreifen. Sie musste es ihm wohl beweisen.

Vor seinem geistigen Auge sah Joran plötzlich das Bild seiner Freundin. Allerdings war dies so deutlich, dass er es nicht verdrängen konnte. So sehr er es auch versuchte. Verwirrt wandte er sich an den Rechner: „IDUSA, warst du das?“ „Das ist korrekt.“, sagte der tindaranische Rechner. „Die Art, in der wir kommunizieren, ermöglicht es mir ja, Ihnen auch Bilder zu zeigen, indem ich Ihren optischen Kortex stimuliere. Das kann ich auch mit allen anderen Zentren in Ihrem Gehirn tun. Ich habe das Muster, das Ihr Gehirn während des Zustands der Fütterung produzierte, aufgezeichnet und werde damit den Nervenknoten bestrahlen, der für die Weitergabe der Energie an Ihre Sifa notwendig ist. Sie werden den Zustand also ohne eigenes Zutun erreichen können, wenn Sie mich machen lassen und nicht gegen mich arbeiten. Lassen Sie einfach locker und Ihre Sifa und ich machen den Rest.“

Joran atmete resignierend aus. Er hatte gespürt, dass er es nicht allein schaffen konnte. Aber er wusste auch, dass Sie Recht hatte. Er hatte tatsächlich seinen Stolz über die Vernunft siegen lassen, was sonst eigentlich gar nicht seine Art war. Das war eigentlich eher das Problem seines Widersachers Telzan gewesen und mit dem wollte er auf keinen Fall auf einer Stufe stehen!

„Du hast Recht, IDUSA.“, sagte er schließlich. „Aber ich denke, für diese Aktion und eine so starke Simulation musst du die Sicherheitsprotokolle offline schalten. Das geht aber nicht ohne Techniker McKnights Autorisation und deren Bestätigung durch Ishan aus medizinischen Gründen.“ „Sie können sich doch wohl denken, dass sie die längst eingegeben haben.“, erwiderte der tindaranische Computer und ihr Avatar grinste triumphierend. „In der Tat.“, sagte Joran, dem jetzt klar wurde, dass es hier wohl kein Entrinnen mehr für ihn gab. „Also los! Ich bin so weit!“, sagte er. „In Ordnung.“, gab IDUSA zurück.

Er fühlte wie das Bild des Raums und das von Illiane und ihm am Tisch begannen, wieder Raum in seinem Geist einzunehmen, obwohl er gar nicht daran gedacht hatte. Aber auch IDUSA war noch im Hintergrund zu sehen. „Entspannen Sie sich, Joran.“, flüsterte sie ihm zu. „Versuchen Sie nicht, das Bild selbst zu formen. Lassen Sie locker. Sonst arbeiten wir gegeneinander und das kann nichts werden. Ganz locker, Joran. Ganz entspannt. Ja! Gut so!“

Er fand sich bald allein mit Illiane in dem Raum wieder. Es ist fast vollbracht, Joran., sagte sie. Wir sind dir sehr dankbar und rechnen es dir hoch an, was du für uns und das Feld tust. Manch anderer hätte vielleicht aufgegeben, aber du nicht! Noch eine Stunde, Joran. Noch eine Stunde! Die schaffe ich jetzt auch noch, Illiane St. John!, erwiderte Joran kämpferisch.

Nach einer normalen Schicht ohne Zwischenfälle hatte Jenna den Weg nach Hause in ihr und Jorans gemeinsames Quartier angetreten. An der letzten Biegung allerdings war sie stehengeblieben und hatte ihr Sprechgerät gezogen, um dort IDUSAs Rufzeichen einzugeben. „Was gibt es, Jenna?“, fragte der Rechner. „Ist Joran immer noch mit dem Fütterungsritual beschäftigt, IDUSA?“, fragte Jenna. „Das ist korrekt.“, sagte der Rechner. „Ich denke aber, dass es nicht mehr lange dauern wird. Sie sollten die Räumlichkeiten aber trotzdem leise betreten, um ihn nicht zu erschrecken.“ „Danke für den Tipp, IDUSA.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin und streifte ihre Schuhe von den Füßen. Dann nahm sie diese mit der rechten Hand auf. „Das halte ich für eine sehr gute Idee.“, sagte IDUSA, die ja alles über die Kamera von Jennas Sprechgerät sehen konnte, was sie tat. „Ich auch.“, sagte Jenna und setzte langsam ihren Weg fort, nachdem sie die Verbindung zu IDUSA wieder getrennt hatte.

Joran hatte nicht bemerkt, wie schnell die Zeit verflogen war. Es ist vollbracht, Joran! Es ist vollbracht!, wendete sich Illiane mit stolzem Blick und großer Freude an ihn. Ich wusste, dass meine Wahl die richtige war! Ich wusste, dass es richtig war, dich unter Millionen von Vendar für diese Aufgabe zu wählen! Wie genau habe ich das zu verstehen, Illiane St. John?, fragte Joran. Die anderen., begann das Quellenwesen eine Erläuterung ihrer Entscheidung. Waren sich überhaupt nicht sicher, wen wir nehmen sollten. Die Diskussionen gingen hin und her während unserer Beratungen. Am Ende hatte fast jeder einen eigenen Kandidaten. Es gab fast eine Patsituation. Jeder hatte am Ende eine Stimme. Aber dann hat eines der anderen Quellenwesen doch noch umgeschwenkt. Anscheinend konnte ich ihn von deinem Kampfgeist überzeugen. Sicherlich habt ihr den alle, aber ich habe dich schon länger beobachtet und festgestellt, dass der Deine die meisten anderen bei weitem überflügeln dürfte. Vielleicht ist das auch nur eine subjektive Einschätzung, aber sie hat gereicht, um ihn dazu zu bringen, seinen Kandidaten fallen zu lassen und mir auch seine Stimme für dich zu geben. Durftest du mir das jetzt überhaupt erklären?“, fragte Joran erschrocken. Eure Beratungen sind doch eigentlich so geheim, dass die Ohren eines Sterblichen sie nicht hören dürfen, auch wenn der Sterbliche ein Vendar ist! Keine Angst!, erwiderte Illiane. Da du das ja weißt, weiß ich wiederum, dass dieses Geheimnis bei dir in guten Händen ist und du es niemals weitergeben wirst. Noch nicht einmal deiner Telshanach. Du verstehst es sehr gut, Dinge für dich zu behalten. Das war noch ein Grund mehr für mich, dich zu erwählen. Ich verstehe., entgegnete Joran.

Sie war plötzlich von ihrem Sitzkissen, auf dem sie in Jorans Vorstellung ihm gegenübersaß, aufgestanden. Dann sagte sie: Du hast es endgültig vollbracht, Joran! Das Feld ist stabil. Jetzt wirst du nur noch in normaler Art und Weise das Fütterungsritual durchführen müssen und nicht mehr diesen Marathon! Es war sehr gut, wie du dich um das Feld gekümmert hast, als es dich am meisten brauchte. Jetzt aber entlasse ich dich für heute aus dem Zustand der Fütterung!

Die Umgebung vor Jorans geistigem Auge verschwand und er fühlte sich, als wäre er aus einem Traum erwacht. Dieses Gefühl war am Ende des Fütterungsrituals ganz normal. Das wusste er. Aber er fühlte auch, wie sehr ihn das Erreichte angestrengt hatte. Das einzige, was er jetzt wollte, war Schlaf! Ein ruhiger erholsamer Schlaf! Er drehte sich also herum und schloss die Augen.

Das Gefühl wohl bekannter Lippen auf seiner Wange beendete seine Einschlafversuche allerdings jäh. Dann flüsterte ihm eine bekannte Stimme zu: „Ich bin daheim, mein tapferer Kämpfer.“ Natürlich hatte Joran sofort erkannt, zu wem Stimme und Lippen gehört hatten. Er drehte sich herum, breitete seine Arme aus und schlang sie um Jenna. Dann zog er sie zu sich, um sie seinerseits heiß und innig zu küssen. „Oh, meine kluge wunderbare Telshanach!“, sagte er atemlos. „Du kannst gar nicht ermessen, wie sehr ich dir danke! Das Feld ist stabil, aber ohne deine und IDUSAs Hilfe hätte ich das nicht zuwege gebracht!“ „Das haben wir doch gern getan.“, sagte Jenna ruhig. „Aber ich denke, ich kann dir vor dem Einschlafen noch etwas Gutes tun.“

Sie griff in ihre Uniformtasche und holte ein Fläschchen heraus. Es war weiß und trug eine vendarische Aufschrift. Joran erkannte das Wort Ananassaft. Sie musste das Fläschchen auf dem Weg repliziert haben. „Ich hörte, dass es gut für deine Sifa ist.“, sagte Jenna.

Joran streckte seine rechte Hand nach dem Fläschchen aus. „Bitte gib es mir, Telshanach.“, sagte er. „Sonst verschlucke ich mich noch. Das mache ich lieber selbst.“ „In Ordnung.“, sagte Jenna und lächelte, während sie das Fläschchen entkorkte und es ihm dann gab. Joran ließ sich genüsslich den Inhalt schmecken, bevor er lächelnd einschlief.

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