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Ein anderes Wesen in einer anderen Dimension war leider gar nicht so entspannt. Es handelte sich um Kipana, die auf ihrer Koppel im Dunklen Imperium nervös auf und ab lief. Immer wieder galoppierte sie am Zaun entlang und sog die Luft durch ihre Nüstern ein, als wollte sie versuchen, einen unsichtbaren Feind zu wittern. Sie wieherte auch immer wieder nach ihren Herdengenossen. Aber ihre Augen suchten auch ständig nach dem jetzt ungefähr ein halbes Jahr alten Fohlen, das sich immer noch in ihrer Begleitung befand. Sie wollte nichts mehr, als die Kleine in Sicherheit wissen! Natürlich verstand sie nicht, was sich dort am Horizont zusammenbraute, eine instinktive Ahnung darüber hatte sie aber schon. Sie fühlte, dass es nichts Gutes sein konnte. Daran konnte auch Argus nichts ändern, der verzweifelt versucht hatte, sie einzufangen, um sie und ihre Kumpels in den Stall zu bringen.

Auf ihrer Streife im Rahmen ihres Wachdienstes war Iranach auf das Geschehen auf der Pferdekoppel aufmerksam geworden. „Setze die Patrouille allein fort! Ich werde später wieder zu dir stoßen.“, befahl sie dem Vendar, der neben ihr ging und die zweite Hälfte des Teams darstellte. Logar hatte seine Vendar immer im Team patrouillieren lassen. Der Mann, ein 2,30 m messender Vendar mit rotem Fell unter seiner Uniform und schlanker drahtiger Statur, drehte sich zu ihr um und sagte schmissig: „Zu Befehl, Anführerin!“ Dann drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte zackig in die andere Richtung davon.

Die Anführerin von Logars Vendar begab sich zur Koppel. Hier traf sie auch gleich auf den verzweifelten Argus. „Was ist hier geschehen, Argus?!“, fragte sie ernst. „Ich weiß es nicht, Iranach.“, sagte der Junge und begann fast zu weinen. Es tat ihm im Herzen weh, dass Kipana, die er sehr mochte, offensichtlich solche Angst hatte und er ihr nicht helfen konnte. Er deutete nur stumm auf das Geschehen. „Sie wird ein Unheil herannahen fühlen.“, sagte Iranach. „Aber wenn ich ehrlich bin, dann fühle ich es auch. Ich bin eine Vendar. Du weißt, dass wir Telepathen spüren können, Argus.“ „Natürlich.“, antwortete der imperianische Junge. „Aber willst du damit sagen, dass ein böser Telepath auf dem Weg hierher ist?“ „In der Tat!“, bestätigte die Vendar fest. „Und du weißt sehr gut, wer das nur sein kann.“ „Ja, das weiß ich.“, sagte Argus. „Da kommt ja nur Sytania in Frage. Aber da muss noch etwas anderes sein. Kipana hat doch schon öfter Angriffe von Sytania gesehen. Sie hat Logar auch sehr oft in die Schlacht getragen und da war sie nie so. Was ist nur jetzt anders?“ „Du weißt, dass sie ein Fohlen führt, Argus.“, sagte Iranach. „Mütter sind immer sensibler. Aber in ihrem jetzigen Zustand kann sie Logar auf keinen Fall in die Schlacht tragen. Sie wäre so nur eine Gefahr für sich und ihren Reiter.“ „Was soll ich tun?“, fragte Argus verzweifelt, der jetzt auch sah, dass ihre Angst bereits einige andere Pferde angesteckt hatte. „Wenn das eintritt, was ich vermute.“, sagte Iranach ernst. „Dann tust du sehr gut daran, alle Tore zu öffnen. Wenn Sytania und ihre neue Freundin Valora herkommen und uns angreifen, dann wird hier kein Stein mehr auf dem anderen bleiben! Das prophezeie ich dir, auch wenn ich keine seherischen Fähigkeiten habe.“ „Du hast Recht, Iranach.“, sagte Argus vertrauensvoll. „In den Gebäuden wären die Tiere dem Tode geweiht.“ „Also.“, sagte Iranach. „Du öffnest die Stalltüren und ich gehe zu Logar und unterrichte ihn. Ich werde ihm auch beibringen, dass Kipana ihn nicht in die Schlacht tragen kann. Er wird mit einem anderen Ross vorliebnehmen müssen. Aber mach dir keine Sorgen. Als seine Vertraute genieße ich einen Status, der es mir durchaus erlaubt, ihm solch schlechte Nachrichten zu überbringen, ohne dass ich befürchten muss, dass mir etwas geschehen könnte. Also, Argus. Warte bis die Soldaten ihre Pferde gesattelt haben, sofern das überhaupt bei der Aufregung möglich ist. Dann lässt du den Rest raus!“ „In Ordnung, Iranach!“, sagte Argus. Seine Angst war schon viel geringer geworden. Mit ihr an seiner Seite, die offensichtlich genau wusste, was zu tun war, fühlte er sich sehr sicher. Sie würde schon die richtigen Schlüsse ziehen und die richtigen Entscheidungen treffen. Das wusste der Junge.

Die Vendar war in den Thronsaal geeilt. Hier hatte sie dann auch gleich den Herrscher angetroffen. Gerade wollte sie beginnen, als Logar ihr das Wort abschnitt, noch bevor sie überhaupt etwas sagen konnte: „Es ziehen dunkle Wolken auf am Horizont, Iranach.“ „In der Tat, Gebieter.“, bestätigte die Vendar. „Aber nicht nur Ihr seht es. Meine Leute und ich fühlen es und die Tiere erst recht.“ „Sprichst du von den Schlachtrössern meiner Soldaten?“, wollte der Herrscher wissen. „Von denen und insbesondere von Kipana, Eurer Lieblingsstute, Milord. Sie hat solche Angst, dass sie Euch so auf keinen Fall in die Schlacht tragen kann. Sie ist so nur eine Gefahr für Euch und sich. Außerdem führt sie ja noch immer ihr letztes Fohlen.“ „Du hast Recht, Iranach.“, sagte der Herrscher. „ Sie hat ja auch noch Mutterschutz. Wohlan denn, ich werde dann wohl mit einem weniger sensiblen Pferd vorliebnehmen müssen. Schick nach Argus! Er kennt die Tiere am besten. Er soll mir eines aussuchen! Aber versammle auch deine Truppen, wenn du das getan hast, Iranach. Ich denke, auch meine Tochter wird ihre Vendar mitbringen!“ „Zu Befehl, Milord!“, sagte Iranach schmissig und war aus der Tür.

In einem Wald in der Nähe von Logars Schloss hatten Sytania und ihre Leute Deckung gefunden. Da die Königstochter alle mittels ihrer Kräfte unsichtbar gemacht hatte, hatten sie die Grenze überqueren können, ohne von Logars Wachen behelligt zu werden. Jetzt warteten alle auf das Signal Cirnachs, die Sytania zur obersten Führerin der Truppen in dieser Schlacht auf ihrer Seite ernannt hatte. Aber an der Formation war noch etwas Besonderes. Sytania wurde nicht von ihrem schwarzen Hengst, sondern von Valora persönlich getragen, die es sich absolut nicht nehmen lassen wollte, ihre neue Freundin selbst in ihren neuen Palast zu bringen. Cirnach hingegen saß auf einem kleinen stämmigen Rappen, der jetzt genau neben Valora stand.

Sytania hatte die Situation im Schloss ihres Vaters mittels ihrer Kräfte genau beobachtet. Sie wusste genau, wie es um ihren Vater stand. „Ich denke, es ist Zeit, Cirnach!“, sagte sie. „Im Schloss meines Vaters scheinen alle in heller Aufregung. Das macht sie sehr verwundbar und wann soll man einen Feind am besten angreifen? Natürlich dann, wenn er am verwundbarsten ist!“ „Ihr habt Recht, Milady.“, sagte Cirnach und gab dem Signalbläser ein Zeichen. Dieser holte tief Atem und stieß in sein Horn. Auf das Signal hin stürmten sofort die imperianischen Truppen nach vorn.

Argus hatte genau das getan, was Iranach ihm aufgetragen hatte. Jetzt suchte er nach ihr, denn sie war die einzige gewesen, die ihm jetzt Schutz bieten konnte. Sie war neben Logar die Einzige, der er jetzt, im Gewimmel der Schlacht und im Geklirre der Schwerter und im Geschrei der Verwundeten noch vertraute. Er hatte zwar schon öfter Schlachten gesehen, aber dieses Mal war etwas anders. Der Junge wusste jedoch, dass er sich auf die Vendar immer verlassen konnte, denn sie standen höher als die anderen Bediensteten und waren in die Geheimnisse der Mächtigen stärker eingeweiht. Wenn man bedachte, was ihre spezielle Fähigkeit war, dann war das auch kein Wunder.

In der Garnison der Vendar war er schließlich fündig geworden. Hier hatte Iranach gerade ihre Truppen versammelt.

„Hast du getan, was ich dir gesagt habe?“, fragte die Vendar. „Das habe ich.“, nickte der Stallbursche. „Wo sind Kipana und ihr Fohlen?!“, wollte Iranach mit Nachdruck wissen. „Ich bin sicher, Sytania wird ihre neue Freundin Valora mitbringen und wenn sie das tut, dann könnten Kipana und auch ihr Fohlen sterben! Sie könnte sie aus Eifersucht sicher sogar selbst töten!“ „Sie sind in die Felder der Bauern gelaufen.“, sagte Argus. „Ah, das ist gut.“, sagte Iranach. „Die sind so weitläufig, dass man sich darin verlaufen kann. Logar nennt viele Bauern seine Leibeigenen und viele Bauern haben auch viele Felder. Das ist ein richtiges Labyrinth und Sytania und ihre Truppen sind als nicht sehr geduldig bekannt. Sie werden dort nicht suchen. Aber vielleicht erbarmt sich ja auch einer der Bauern der zwei.“ „Aber Kipana dürfte auch gelernt haben, in der Wildnis allein zurechtzukommen.“, sagte Argus. „Während ihrer Schwangerschaften war sie ja auch bei der Herde der Einhörner und da ging es ihr ja auch gut.“ „In der Tat.“, sagte Iranach. „Aber ich weiß, dass es dir damit gar nicht gut ging. Ich weiß noch genau, dass du dir die Augen aus dem Kopf geweint hast, als sie das erste Mal einfach fortgelaufen war. Du hast sie sehr lieb. Das weiß ich.“ „Sie ist ja auch eine ganz Liebe.“, sagte Argus. „In der Tat.“, sagte Iranach. „Und eine kluge treue Seele noch dazu. Aber auch Logar hängt an ihr und es dürfte unserer beider Gesundheit nicht sehr zuträglich sein, wenn ihr unter unserer Verantwortung etwas geschehe.“ „Ach deshalb hast du so darauf gedrängt, dass ich dir sage, wo sie ist.“, verstand Argus. Die Vendar nickte ihm nur zu.

Ein Kundschafter kam auf die Beiden zu und meldete Iranach etwas auf Vendarisch, das Argus naturgemäß nicht verstand. „Was hat er dir gerade gesagt?“, fragte er. „Sytania hat die Imperianer wohl nur als Kanonenfutter vorgeschickt.“, antwortete die Vendar. „Er hat gesehen, dass sie entweder reihenweise schon beim ersten Stoß tot umgefallen sind oder sich ergeben haben und jetzt unsere Gefangenen sind. Er sagte aber auch, dass das seiner Meinung nach zu leicht ging und er vermute, dass da etwas nicht stimmen würde. Ich habe ihm zugestimmt. Sytania hat bestimmt etwas vor. Ich werde meine Truppen jetzt in den Kampf schicken, denn auch Sytania hat ihre Vendar mitgebracht.“ „Und was ist mit mir?!“, fragte Argus ängstlich, den die Situation schon fast in Panik versetzt hatte. „Bitte bleib bei mir, Iranach! Bitte verlass mich nicht!“

Die Vendar wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, als sie eine telepathische Botschaft von Logar empfing: Iranach, bring Argus in ein sicheres Versteck und achte dort auf ihn! Dein Stellvertreter soll die Truppen in den Kampf führen! „Wie Ihr befehlt, Gebieter.“, erwiderte Iranach in Gedanken und gleichzeitig laut. Dann zog sie ihr Sprechgerät, gab das Rufzeichen ihres Stellvertreters ein und übermittelte ihm die neuen Befehle. „Was hat das zu bedeuten, Iranach?“, fragte Argus. „Es bedeutet.“, sagte Iranach. „Dass ich dich in Sicherheit bringen und auf dich aufpassen soll.“ Dann zog sie Argus mit sich zu einem auf den ersten Blick sehr unscheinbaren Fels, der im Schlosspark stand. Nachdem sie dreimal an eine seiner Wände geklopft hatte, spaltete sich diese plötzlich und gab den Blick in einen Geheimgang frei, in den sie den Jungen hastig zog. Dann schloss sich die Wand wieder hinter ihnen.

Sie folgten dem Gang, bis er sie in einem Kellergewölbe wieder ausspuckte. „Hier sind wir sicherer als an der Oberfläche.“, erklärte Iranach. „Zumindest fürs Erste. „Das mag zwar sein.“, sagte Argus. „Aber du erfährst ja jetzt auch nichts mehr über die Schlacht.“ „Du irrst dich.“, sagte Iranach und zog ihr Sprechgerät aus der Tasche. Dann gab sie ein Rufzeichen gefolgt von einigen Befehlen an einen Satelliten ein, von denen die Vendar einige in der höheren Atmosphäre der Dimension betrieben. Jetzt war sie so genau informiert, dass sie Argus sogar sagen konnte: „Es sieht im Moment leider nicht so gut für uns aus, Argus. Aber das habe ich ja geahnt. Sytanias Vendar verwickeln meine Leute schon in schwerere Gefechte. …“

Es gab ein Signal und sie las vom Display das Rufzeichen ihres Stellvertreters ab. Dann sagte dieser: „Ich habe keine guten Nachrichten, Anführerin. Die Einhörner sind am Horizont aufgetaucht und Logars imperianischer General hat zum Rückzug blasen lassen. Aber die Einhörner kamen von Osten, Anführerin! Von Osten! Dort liegt Sytanias Reich!“ „Ihr werdet dem Rückzugsbefehl nicht Folge leisten!“, befahl Iranach fest. „Hast du mich verstanden?! Oh dieser imperianische Narr! Und sag dem Bläser, wenn er jetzt noch einmal das Signal zum Rückzug gibt, dann spalte ich mit meinem Degen eigenhändig seinen Brustkorb, reiße seine Lunge heraus und sorge dafür, dass das Letzte, was er sehen wird, der Anblick ist, wenn sich die Jagdhunde darum balgen!“ „Du machst mir Angst, Iranach.“, sagte Argus mit ängstlicher Stimme. „Bitte verzeih mir.“, sagte die Vendar. „Das war nicht meine Absicht.“ „Schon gut, Iranach.“, sagte Argus und riss sich zusammen. Sie war die einzige, auf die er sich jetzt verlassen konnte und wenn er sie auch noch verprellte, dann hatte er niemanden mehr. Dazu durfte und wollte er es auf keinen Fall kommen lassen.

Iranachs Sprechgerät piepte erneut. „Was gibt es?“, fragte sie ins Mikrofon. „Ich sehe jetzt eine weitere Gruppe von Einhörnern.“, sagte ihr Stellvertreter. „Sie kommen von Westen, Anführerin. Es sieht für mich aus, als würden sie von Invictus angeführt. Aber bei Sytanias Einhörnern sehe ich Valora nicht. Wir alle spüren aber ganz genau, dass die Einhörner ihre Kräfte gegeneinander benutzen wollen!“ „Wenn das geschieht.“, sagte Iranach. „Dann wird hier nichts mehr so sein wie es war. Ich denke aber, dass ich langsam weiß, was Sytania vorhat. Sie wollte mit den Imperianern den Eindruck erwecken, sie sei leicht zu besiegen, damit wir uns sicher fühlen. Dann sollten die Vendar eine Ablenkung schaffen, um alle zu verwirren und dann sollten die Einhörner dafür sorgen, dass Logars Soldaten den Fehler machen zu glauben, es sei alles in Ordnung, wenn sie kämen und sie würden ihnen Tür und Tor öffnen. Genau das ist ja auch passiert. Valora und Sytania werden erst jetzt eingreifen, denke ich.“ „Das ist gemein!“, rief Argus aus. „Das ist es in der Tat.“, erwiderte Iranach. „Aber hättest du ernsthaft etwas anderes von Sytania erwartet?“ Argus schüttelte den Kopf. „Siehst du.“, sagte Iranach. „Aber wenn hier gleich alles einstürzt.“, fragte Argus. „Was wird dann mit uns hier unten.“ „Keine Angst.“, versicherte Iranach. „Sytanias Putz- und Prunksucht wird dafür sorgen, dass sie dieses Schloss schon heil lässt. Anders könnte es natürlich mit den Gebäuden drum herum aussehen.“ „Gut, dass die Pferde in Sicherheit sind.“, atmete Argus auf.

Die Vendar machte plötzlich ein ernstes Gesicht. „Was ist los?“, fragte Argus, aber zur gleichen Zeit lagen ein Knistern und ein Donnern in der Luft, das den Jungen an ein starkes Gewitter erinnerte, obwohl keine Wolke am Himmel war. „Es geht los!“, sagte Iranach. „Das heißt, sie benutzen jetzt ihre Kräfte gegeneinander?“, fragte Argus. Iranach nickte ihm nur langsam und ernst zu.

Argus wurde die Situation zunehmend unheimlicher. Er fragte sich, ob sie das alles hier überhaupt überleben könnten. Jetzt geschah aber auch noch etwas, das ihn noch mehr in Angst und Schrecken versetzen sollte. Iranachs Blick wurde plötzlich ganz glasig. Das war etwas, das er nur von Vendar kannte, die unter dem Bann standen. Sofort hatte er seinen König unter Verdacht. Aber warum sollte Logar so etwas tun? Er konnte sich Iranach doch sicher sein und er konnte sich auch erst recht dessen sicher sein, dass sie tun würde, was er von ihr verlangte. Im Notfall hieß das sicher auch für sie, für ihren Herrn in den Tod zu gehen, aber daran mochte Argus noch gar nicht denken.

Der Grund für Iranachs Verhalten war allerdings eine telepathische Botschaft, die aber nicht von Logar kam, sondern von Invictus. Also hatte Argus mit seiner Vermutung ja gar nicht so falsch gelegen. Auch dass das Einhorn das Bannwort gegenüber der Vendar benutzt hatte, entsprach der Wahrheit. Tshê, Vendar!, hatte er seine Botschaft begonnen, um dann fortzufahren: Du wirst mich gemeinsam mit dem Jungen vor dem Schloss treffen! Dann werdet ihr mir das Sattelzeug anlegen, das eigentlich für Kipana bestimmt ist. Informiere Logar, dass ich sein Schlachtross sein werde!

Iranach drehte sich in Richtung einer kleinen Tür, die zu einer Treppe führte. Diese öffnete sie mit Hilfe eines Schlüssels, den sie immer in einem Amulett verborgen um den Hals bei sich trug. „Was ist los, Iranach?“, fragte Argus. Er bekam aber keine Antwort. Stattdessen winkte sie ihm nur und sagte mit gleichmütigem Ton: „Es ist alles in Ordnung, Argus. Bitte vertrau mir. Geh und hole Kipanas Sattelzeug. Ich treffe dich dann vor dem Schloss.“ „Also gut.“, sagte der Junge zögerlich und machte sich auf den Weg. Er hatte etwas Angst, aber sein Vertrauen in Iranach war doch größer, obwohl er wusste, dass sie jetzt wohl nicht mehr ganz Herrin ihrer Sinne war.

Logar hatte jenes Spektakel, das sich jetzt vor seinem Schloss abspielte, bisher aus sicherer Entfernung vom Thronsaal aus beobachtet. Als er jetzt jedoch Argus mit Kipanas Sattelzeug in der Hand und des Einhorns Invictus ansichtig wurde, wurde er sehr neugierig und beschloss, der Sache selbst auf den Grund zu gehen.

Er verließ also Thronsaal und Schloss und ging dann auf Argus, Invictus und Iranach zu. „Was geschieht hier, Argus?“, wendete sich der König an den Stallburschen. Von Iranach würde er keine Antwort bekommen können, das hatte er gesehen. Schließlich stand sie unter dem Bann eines viel mächtigeren Wesens, als er selbst eines war. „Ich weiß es nicht, Milord.“, sagte Argus und sah Logar verwirrt an. „Ich glaube, sie steht unter dem Bann. Aber wenn Ihr es nicht wart, der ihn über sie ausgesprochen hat, wer dann?“ „Dass sie unter dem Bann steht, ist richtig, Argus.“, antwortete Logar. „Aber dieser Bann wurde von einem viel mächtigeren Wesen ausgesprochen. Ich kann sie also nicht daraus befreien. Aber ich denke, das wird auch gar nicht notwendig sein. Ich glaube nämlich, dass ich langsam verstehe, was hier vorgeht.“ Er deutete auf das Geschehen zu ihrer Rechten. „Wenn Ihr mir versichert, dass alles in Ordnung ist.“, sagte Argus. „Dann will ich das glauben und Iranach helfen!“

Er griff nach Kipanas Trense, um sie Invictus anzulegen. Iranach war inzwischen mit dem Sattel beschäftigt. „Ist es so auch nicht zu fest?“, flüsterte sie in das weiche linke Ohr des Einhorns. Willst du etwa, dass dein Herr mitten im Kampf von meinem Rücken fällt?!, entgegnete das Einhorn telepathisch. Iranach schüttelte bestimmt mit dem Kopf. Siehst du!, erwiderte Invictus. Dann gurte ruhig so straff, als sei ich ein gewöhnliches Schlachtross!

„Warum lässt sich ein so mächtiges Wesen wie Invictus satteln, als wäre er ein normales Ross?“, fragte Argus an Logar gewandt. „Weil er weiß, dass auch Valora dies für Sytania sein wird.“, antwortete der Herrscher. „Er will nur gleiche Bedingungen für uns herstellen.“

Iranach hatte ihrem Gebieter bedeutet, dass sie mit dem Satteln fertig war. „Argus, halte auf der rechten Seite gegen!“, befahl Logar in Richtung des Burschen. Sofort lief Argus einmal um Invictus herum und griff nach dem rechten Steigbügel. Damit sollte er verhindern, dass der Sattel nach links abrutschte, während Logar aufstieg. „Iranach.“, wandte sich Logar dann an seine Vertraute. „Mach mir mit deinen Händen eine Räuberleiter. Wir wollen ja nicht, dass Invictus mich zu lange an seiner Seite hängend ertragen muss.“ „Wie Ihr wünscht, Gebieter.“, sagte die Vendar und begann damit, ihre Hände auszustrecken. Dann hob sie Logar so in den Sattel. Dabei musste sie, weil sie ja fünfmal so stark wie eine durchschnittliche menschliche Frau war, sehr darauf achten, dass sie ihm nicht aus Versehen über Invictus hinweg half. „Sehr gut, Iranach.“, sagte der imperianische König und gebot dann auch Argus loszulassen. Dann schnalzte er Invictus zu, der sich sofort mit ihm in die Luft erhob. Für Einhörner war das ganz normal, aber Argus sah diesem Treiben mit Staunen zu.

Noch ehe er Iranach allerdings zu diesem Thema Fragen stellen konnte, brach über ihnen das gleiche regenlose Gewitter los, das er schon gesehen hatte. „Geh in die Hocke!“, flüsterte Iranach ihm leise, aber bestimmt zu. „Mach dich so klein wie möglich und verschränke deine Arme vor deinen Beinen. Du darfst den Blitzen nicht viel Fläche bieten, hörst du?“ Sie zog ihn mit sich hinunter.

Sytania hatte gesehen, was sich vor dem Schloss ihres Vaters abgespielt hatte. Auch sie kam jetzt auf Valora ihrem Vater entgegengeflogen. „Ach, Vater.“, sagte sie unschuldig. „Sieht man sich auch mal. Ich hatte schon Sorge, Ihr wäret verloren gegangen.“ „Wie du siehst, bin ich das nicht, Tochter!“, sagte Logar bestimmt. „Und was du kannst, kann ich schon lange!“ „Ach ja.“, sagte Sytania. „Das werden wir ja gleich sehen!“

Sie schleuderte ihm einen gewaltigen Blitz aus Energie entgegen, der so stark war, dass es ihn sofort aus dem Sattel holte. Krachend landete er neben Argus und Iranach.

„Er ist bewusstlos.“, stellte Argus fest, nachdem er Logar einige Male vergeblich versucht hatte, wach zu rütteln. „Wie kann das sein?“

Iranach zog ihren Erfasser und beugte sich über Logar. „Valora und Sytania haben ihm all seine Macht genommen.“, stellte sie fest. „Das konnte nur funktionieren, weil sie ihre vereint hatten. Das haben Logar und Invictus vergessen.“ „Oh nein!“, rief Argus aus. „Und was bedeutet das jetzt für uns?!“ „Das bedeutet, dass wir uns besser ergeben, wenn wir klug sind.“, erwiderte Iranach. „Allein hat auch Invictus keine Chance. Sieh nur. Er ist auch angeschlagen und muss sich zurückziehen.“ Argus schlug traurig die Augen nieder.

Sytania war mit Valora gelandet und trabte nun auf sie zu. Kurz vor ihnen hielt sie an und grinste schadenfroh in ihre Richtung: „Na, Iranach und Argus, da habe ich Euren weisen König aber ganz schön niedergestreckt, nicht wahr? Ich gewähre dir, Iranach, noch die Gnade, ihn in seinem ehemaligen Schloss gesundpflegen zu dürfen, aber dann muss er ins Exil. Es ist mir egal, wohin du ihn verfrachtest. Aber sein Thron gehört jetzt mir!“ „Ich verstehe, Milady.“, erwiderte Iranach, die genau wusste, dass es nicht sehr klug war, ihr jetzt zu widersprechen, wenn sie ihr Leben noch behalten wollte. Im Geheimen würden sie und ihre Leute natürlich an einer Strategie arbeiten, wie man das Schloss zurückerobern konnte, aber das durfte sie Sytania auf keinen Fall merken lassen. Außerdem würden ihre Vendar-Truppen und sie auch den Fakt ausnutzen, dass Sytania niemals freiwillig telepathischen Kontakt zu einem Vendar aufnehmen würde, weil sie an die Legende glaubte, dass dies mit einem sofortigen Aussaugen verbunden war. Jetzt aber mussten sie sich erst einmal um Logar kümmern. „Fass mit an!“, sagte sie an Argus gewandt. „Ich könnte ihn zwar auch allein tragen, aber zu zweit können wir ihn besser stabilisieren. Das ist dann angenehmer für ihn, falls er unterwegs erwachen sollte. Wir bringen ihn in seine Gemächer und dort werden sich meine Leute und ich um ihn kümmern.“ „Also gut, Iranach.“, sagte Argus und führte aus, worum sie ihn gerade gebeten hatte. Es gefiel ihm gar nicht, jetzt unter Sytanias Herrschaft zu stehen, aber ändern konnte er daran auch nichts. Er war nur froh, dass sie bei ihm war. So war das Ganze für ihn nicht ganz so beängstigend, weil er in ihr jemanden gefunden hatte, an die er sich vertrauensvoll anlehnen konnte.

Cirnach hatte Sytania, nachdem diese aus Valoras Sattel gestiegen war und die Vendar auf das Geheiß der Königstochter das Einhorn wieder vom Sattelzeug befreit hatte, in den Thronsaal geführt. Dann hatte sie auf den Thron gedeutet. „Das hier gehört jetzt alles Euch, Gebieterin!“, sagte sie stolz. „Ich schlage vor, dass Ihr einmal probesitzt.“ „Deinen Vorschlag werde ich liebend gern annehmen, Cirnach.“, sagte Sytania gehässig und stieg die Stufen zu Logars Thron hinauf. Cirnach wartete unten mit gespanntem Gesicht. Dann sah sie zu, wie sich Sytania auf den Thronsessel setzte. „Wie fühlt es sich an, Herrin?“, wollte die Vendar wissen. Ach, Cirnach.“, sagte Sytania mit verklärtem Blick. „Es fühlt sich ganz vortrefflich an! Wer hätte gedacht, dass ich doch noch einmal dazu komme, mein Geburtsrecht in Anspruch zu nehmen. Aber auch du kannst dich glücklich schätzen, denn du hast mir ja dazu verholfen. Ohne deinen hinterlistigen Plan, mit dem wir meinen Vater so trefflich verwirren konnten, wäre es ja nie dazu gekommen. Jetzt muss dein Mann nur noch die Sache mit der Energie der Quellenwesen hinbekommen und dann bin ich zufrieden.“

Die Vendar war gewaltig ins Schwimmen gekommen. Die bloße Erwähnung der Situation ihres Mannes hatte sie wieder daran erinnert, dass er ja sicher in Sytanias Augen auf ganzer Linie versagt hatte, wenn sie ihr gestehen würde, dass die Sache mit dem Feld ja nun so gar nicht geklappt hatte. Bis sie eine andere Möglichkeit gefunden hatten, musste sie Sytania von ihrem Mann ablenken oder ihn von ihr fernhalten, damit sie auf keinen Fall spüren würde, was da wirklich los war. Wenn sie das bemerken würde, dann war auch ihr schönes Leben Geschichte! Das wusste Cirnach. Aber sie hatte auch schon eine Idee, wie sie das anstellen würde.

Zunächst aber lenkte sie Sytanias Aufmerksamkeit auf ein ganz anderes Thema: „Ich finde, dieser Thronsaal sollte ganz neu eingerichtet werden, Herrin. Denkt Ihr nicht auch?“ „Oh ja.“, antwortete Sytania und ließ den Blick schweifen. Dann gab es einen schwarzen Blitz und die Einrichtung erinnerte total an ihr eigens Schloss. Nichts war mehr von den Symbolen der beiden geflügelten Löwen zu sehen, die sonst jeden Gegenstand geziert hatten. Sie waren durch Drudenfüße ersetzt worden und die bunten freundlichen Stoffe an den Wänden, die dem Raum sonst eine sehr heimelige Atmosphäre gegeben hatten, waren entweder schwarzen tristen Modellen oder kalten weißen sterilen gewichen. „So ist es schon viel besser.“, sagte Sytania und lehnte sich zufrieden zurück. „Aber lass uns noch einmal auf die Sache mit dem Energiefeld zurückkommen. Ich würde gern mit deinem Mann über seine Fortschritte bei dessen Umerziehung reden, wenn er dazu im Stande ist.“ „Oh ich versichere Euch.“, sagte Cirnach. „Er macht sehr große Fortschritte. Aber er ist deshalb auch noch immer sehr beschäftigt. Es gibt aber meiner Meinung nach noch ein viel dringenderes Problem, über das wir dringend reden müssen.“ „Und was für eines ist das, Cirnach?“, fragte Sytania. „Nugura El Fedaria, Gebieterin.“, antwortete die Vendar. „Was soll sie denn für ein Problem darstellen?“, fragte Sytania. „Dein Mann hat mir lang und breit erklärt, dass von ihr keine Gefahr ausgehen kann.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher, Milady.“, sagte Cirnach. „Ihr kennt ihre Schliche und vor allem die ihrer Verbündeten. Außerdem wisst Ihr, dass die Föderation und auch Shashanas Planet über Meilenstein verfügen. Wenn sich Nugura und Shashana doch verbünden sollten, dann …“ „Daran glaube ich nicht, Cirnach.“, sagte Sytania. „Dafür wird ihr engstirniges Parlament schon sorgen.“ „Ich glaube, Ihr kennt sie nicht gut genug.“, sagte Cirnach. „Manchmal hat sie schon Wege aus Situationen hinausgefunden, von denen wir alle nichts geahnt haben. Nein. Wir müssen ihre Freundschaft im Keim ersticken und ich weiß auch schon, wie wir das anstellen werden. Bitte benutzt Eure seherischen Fähigkeiten, um ihren Sekretär Saron aufzuspüren. Wir müssen herausfinden, wo er in naher Zukunft Urlaub machen wird.“ „Ich weiß zwar nicht, was das zu bedeuten hat, Cirnach.“, sagte Sytania. „Aber ich vertraue dir.“

Sie begann damit, sich auf ihr Vorhaben zu konzentrieren. „Ich sehe ihn auf Celsius!“, sagte sie dann. „In Ordnung.“, sagte Cirnach. „Dann verwandelt meinen Mann bitte in einen Celsianer. Wir haben etwas vorbereitet, das dafür sorgen wird, dass Nugura bei Shashana ordentlich in Ungnade fällt.“ „Was bitte hat das mit Celsius zu tun, Cirnach?“, fragte Sytania. „Das will ich Euch gern zeigen.“, sagte Cirnach und holte einen Datenkristall und ein Pad aus ihrer Tasche. Dann legte sie den Kristall in das Pad und hielt es Sytania vor die Augen.

Was die Prinzessin hier zu sehen bekam, erregte tatsächlich ihren Gefallen. „Es war das Bild der Wächterin von Gore als Einhorn, das sich langsam in das eines genesianischen Mannes verwandelte. Dazu sprach eine verzerrte Stimme einen Text: „Die Genesianer bezeichnen sich als Volk von starken Kriegerinnen. Aber in meinen Augen sind sie nichts als Schafe, die hinter jedem Schäfer herlaufen, der sich als ihre Göttin präsentiert. Es braucht nur einige Wunder und sie fallen um wie die Fliegen. Bsss, ha-ha-ha. Oder sollte ich määäää sagen? Oh, Mann! Die würden auch alles anbeten!“

Sytania begann zu grinsen. Sie hatte genau verstanden, worum es der Vendar gegangen war. „Ah, ich verstehe.“, sagte sie. „Und ich nehme an, dieser Clip ist ein Teil einer satirischen Zeitschrift oder so etwas, die Saron lesen soll. Aber wie soll das Shashana zu Ohren kommen?“ „Ganz einfach.“, sagte Cirnach. „In dieser Datei versteckt sich ein Virus, dessen einzige Aufgabe es ist, im Netzwerk von Nuguras Büro nach Shashanas Rufzeichen zu suchen und es an sie zu senden. Mal sehen, wie Shashana das finden wird.“ „Sicher nicht allzu gut, Cirnach.“, sagte Sytania. „Du hast Recht. So können wir alle Bemühungen, die unsere Feinde aufbringen, um sich zu verbünden, schon ersticken, bevor es sie überhaupt gegeben hat! Informiere deinen Mann, dass ich mit euren Plänen sehr viel mehr als einverstanden bin!“ „Oh das muss ich ihm gar nicht mitteilen.“, sagte Cirnach. „In dem Moment, in dem Ihr anfangt, ihn zu verwandeln, wird er Bescheid wissen. Ein Schiff haben wir auch schon vorbereitet. Ich werde ihn mit dem getarnten Veshel selbst hinfliegen und ihn dort absetzen. Dann werde ich ihn per Sprechgerät beobachten und ihn wieder an Bord holen, sobald er seine Mission erfüllt hat.“ „Also gut, Cirnach.“, sagte Sytania und konzentrierte sich auf Telzans Bild, welches sie dann in ihrem Geist langsam zu dem eines Celsianers mittleren Alters formte.

 

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