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Elisa hatte sich im Dunklen Imperium in Iranachs Haus vor dem Getümmel der Schlacht versteckt. Sie hatte außerdem eine Beobachtung gemacht, die sie sehr geängstigt hatte. Sie wusste nicht einzuordnen, was sie dort gesehen hatte, hoffte aber, die Vendar würde ihr alles erklären können.

Tatsächlich hatte auch Iranach das gesamte Schloss nach ihrem temporären Zögling abgesucht, ohne auch nur eine Spur von ihr zu finden. Schließlich war sie in ihr Haus zurückgekehrt, um dort einen neuen Plan zu fassen. Dies hatte das Bauernmädchen wohl bemerkt und war aus ihrem Versteck hinter einem Schrank hervorgekrochen. „Da bist du ja, Elisa.“, sagte Iranach. „Ich habe überall nach dir gesucht.“ „Es tut mir leid, dass ich von der Arbeit fortgelaufen bin.“, sagte die traurige Elisa. „Aber ich hatte solche Angst! Wo warst du?“ Sie begann zu weinen.

Die Vendar zog ein Tuch aus ihrer Tasche und trocknete damit Elisas Tränen. Dann sagte sie: „Ich musste mich leider um ein anderes trauriges Kind kümmern. Argus war mindestens genauso traurig und ängstlich wie du auch. Logar wollte, dass ich ihm Gesellschaft leiste. Aber es ist schon in Ordnung, dass du dich hierher geflüchtet hast. Hier warst du zumindest außer Gefahr. In Logars Schloss, wo du gearbeitet hast, war es viel zu gefährlich für dich. Da hast du schon richtig gehandelt, als du geflohen bist.“ „Darüber wollte ich mit dir gerade reden.“, sagte Elisa. „Was ist da eigentlich passiert?“

Iranach musste gewaltig nachdenken. Sie wusste nicht, wie sie Elisa beibringen sollte, was da gerade geschehen war. Sie wusste nicht, wie sie ihr sagen sollte, dass der Ort, an dem sie selbst ihr Sicherheit versprochen hatte, jetzt doch nicht mehr so sicher für sie sein würde. Aber sie wusste auch, dass sie der Kleinen die Wahrheit nicht vorenthalten durfte, denn das würde ihr Vertrauensverhältnis sicher schwer stören. Also sagte sie: „Ich muss dir jetzt etwas sehr Schlimmes sagen, Elisa. Sytania hat uns angegriffen und hat die Schlacht sogar gewonnen. Logar ist sehr krank. Wir Vendar dürfen alles tun, was wir tun müssen, um ihn gesund zu pflegen. Aber dann muss er ins Exil. Ich werde alles tun, um einen guten Platz für uns zu finden.“ „Für uns?“, fragte Elisa. „Bedeutet das, dass du mich mitnimmst? Ich meine, dass du mit deinem Herrn gehst, war mir klar. Du bist schließlich seine Vertraute und die Anführerin seiner Vendar. Aber ich habe mir für einen Moment echte Sorgen um mich selbst gemacht.“ „Natürlich nehme ich dich mit.“, sagte Iranach. „Du bist ja jetzt auch meine Schutzbefohlene. Das bedeutet auch, dass ich auf dich aufpassen muss. Aber lass uns doch erst einmal über andere angenehmere Themen reden. Du solltest ja mehrere Stationen durchlaufen. Wo hast du denn zuletzt gearbeitet?“ „Ich war bei Logars Goldschmied und muss dir etwas zeigen.“

Sie griff in die Tasche ihres Rockes und holte eine exakte Kopie des Ringes der Macht hervor. Diese legte sie vor Iranach auf dem Tisch ab. „Weißt du, ich hatte gedacht, jetzt strafen uns die Quellenwesen, weil ich Blasphemie betrieben habe, indem ich das hier angefertigt habe. Aber …“

Iranach hatte den Finger an die Lippen gelegt. Dann hatte sie gelächelt. „Du bist mir deshalb nicht böse, Iranach?“, fragte Elisa. „Nein!“, versicherte die Vendar. „Es gibt ja gar keinen Grund dazu. Im Gegenteil. Du bist ein Geschenk der Götter, Elisa!“ „Was genau meinst du damit?“, fragte das leicht verwirrte Bauernmädchen. „Ich meine folgendes.“, sagte Iranach. „Es gibt drei Kleinodien der Wahrung, die Logar von den Quellenwesen anvertraut worden sind. Das sind der Ring der Macht, Der Dolch des Vertrauens und der Webstuhl des Schicksals. Diesen hat Logar aber noch nie benutzen müssen und auch den Dolch hat er niemals gebraucht. Nur den Ring der Macht. Den trägt er immer, weil er der von den Quellenwesen rechtmäßig erwählte Herrscher dieser Dimension ist.“

Elisa war blass geworden. Als Iranach den Webstuhl des Schicksals erwähnt hatte, war es ihr heiß und kalt geworden. „Was ist dir?“, fragte die Vendar, deren scharfem Blick dies nicht verborgen geblieben war. „Sprich mit mir, Kind!“ „Ich habe gesehen, wie Sytanias Soldaten in der Schatzkammer waren.“, sagte Elisa. „Den Dolch und den Ring haben sie nicht gefunden. Aber den Webstuhl haben sie in zwei Teile gehackt und die Hälfte mitgenommen. Ich verstehe das nicht, Iranach. Was wollen sie mit einem halben Webstuhl?“ „Wirklich verstehe ich das auch nicht.“, sagte die Vendar. „Sie werden mit einem halben Webstuhl genauso wenig anfangen können wie wir mit unserer Hälfte. Aber vielleicht ist das auch genau ihre Strategie. Dann können wir ja auch nichts mehr am Schicksal drehen. Vielleicht meinen sie das. Aber du hast mich gerade auf eine Idee gebracht. Wenn du schon eine so genaue Kopie des Rings der Macht anfertigen kannst, denkst du, du kriegst das auch mit dem Dolch hin?“ „Das denke ich schon.“, sagte Elisa. „Aber was machen wir mit den Originalen. Dass du Sytania die Kopien verkaufen willst, ist mir schon klar. Aber …“ „Das werde ich dir gern erklären.“, sagte die Vendar. „Aber zuvor muss ich wissen, ob es sich bei den Männern, die du gesehen hast, um Vendar, oder um Imperianer gehandelt hat.“ „Es waren Imperianer, Iranach.“, sagte Elisa. „Imperianer.“, wiederholte Iranach schon fast genießerisch. „Den Göttern sei Dank. Die denken erstens nicht viel nach und zum Zweiten können sie nicht spüren, ob es sich um die Originale oder um Kopien handelt, weil die Originale ja schließlich die Energie der Quellenwesen enthalten würden.“ „Aber Sytania würde es doch merken.“, sagte Elisa. „Das stimmt.“, sagte Iranach. „Aber bis sie es merkt, würde etwas Zeit vergehen, denn die Soldaten müssten ja die Kopien erst mal zu ihr schaffen. Diese Zeit werden wir nutzen, um die Originale zu verstecken, oder besser, um sie verstecken zu lassen.“ „Wer soll sie denn verstecken?“, fragte das Bauernmädchen. „Nun.“, sagte die Vendar und grinste. „Ich habe da an deine drei Onkel im Wald gedacht.“ „Ach die.“, sagte Elisa. „Die drei mit dem Eichhörnchen-Syndrom. Wie Eichhörnchen vergessen sie ja auch etwa 90 % der Plätze, an denen sie Sachen abgelegt haben.“ „In der Tat.“, sagte Iranach und grinste wieder. „Aber das ist unser Vorteil. Selbst wenn Sytania einem von ihnen habhaft werden würde, dann würde ihr die Geduld fehlen, in einem Geist, der so langsam arbeitet, nach dem Versteck zu suchen. Ich bezweifele sogar, dass die Information dort überhaupt noch vorhanden wäre. Wir reden schließlich von Vergessen und nicht von verdrängen. Du musstest ihnen ja sogar zur Verrichtung der Alltagsdinge eine Erinnerungsmaschine bauen, die so einfach war, dass sogar ein Säugling sie hätte bedienen können. Da sieht man schon, welch Geistes Kinder deine Onkel sind. Mit so jemandem wird Sytania sich nicht telepathisch abgeben wollen. Dazu ist sie viel zu sprunghaft und ungeduldig.“ „Du meinst also, nicht nur die Gegenstände, sondern auch meine Onkel wären vor ihr sicher, weil sie eine geistige Verbindung mit ihnen verschmähen würde?“, fragte Elisa. „Das ist korrekt.“, sagte die Vendar und musste erneut grinsen. „Ihr verdammter Hochmut und ihre Ungeduld werden ihr gewiss treffliche Stolpersteine sein, die sie nicht überwinden kann.“ „Also gut.“, sagte Elisa. „Ich mache mit! Informierst du Logar?“ „Sicher.“, sagte Iranach. „Und nun sollten wir beide schlafen gehen. Du brauchst für morgen, wenn du die Kopie machst, ein waches Auge und ich muss mir auch genau überlegen, was ich Logar sage. Dazu müssen wir beide ausgeschlafen sein.“ „OK, Iranach.“, sagte Elisa und ließ sich von ihr ruhigen Gewissens ins gemeinsame Schlafgemach geleiten.

Nachdem Sedrin mein Haus verlassen hatte, war sie normal in ihr Büro gegangen. Hier hatte sie sich mit Agent Kate Malkovich, ihrer neuen Partnerin, getroffen, die bereits auf sie gewartet hatte.

„Du bist spät dran, Sedrin.“, sagte Kate, während sie ihrer Kollegin zusah, wie diese ihren Mantel aufhängte. „Das sieht dir so gar nicht ähnlich.“ „Es ist ja auch nur, weil ich einen Fall mitgebracht habe.“, sagte Sedrin und schloss ihren Erfasser an ihren inzwischen hochgefahrenen Rechner an. „Wie soll ich das verstehen?“, fragte die junge frisch von der Akademie gekommene Agentin, die noch relativ wenig über die Zusammenhänge in Little Federation wusste. „Das hast du so zu verstehen.“, sagte Sedrin. „Dass mir der Fall buchstäblich vor die Füße gestolpert ist.“ „Was?“, fragte Kate und lachte laut. „Nein, hier passieren Sachen!“ „Tja.“, machte Sedrin. „Wir sind hier in Little Federation! Diese Stadt scheint seltsame Dinge geradezu anzuziehen. Also gewöhne dich dran, oder lass dich versetzen!“ „So leicht wirst du mich nicht los!“, grinste Kate. „Da muss schon noch weitaus mehr kommen. Ich bin nicht so ein Hasenfuß, wie es deine vorherigen Partner waren!“ „Das habe ich gehofft.“, sagte Sedrin mit viel Stolz in der Stimme.

Kate waren einige Einstellungen an Sedrins Rechner aufgefallen. „Was machst du da?“, fragte sie. „Ich jage die Bilder meines Erfassers durch die Datenbank der Sternenflotte.“, sagte Sedrin. „Mir kommen diese Bilder irgendwie alle so bekannt vor, aber ich kann sie nicht einordnen. Vielleicht können es aber die Computer.“

Wie auf Stichwort gab es plötzlich ein Signal und das Symbol einer Zielscheibe erschien auf dem Schirm, in deren Mitte ein Pfeil prangte. „Ich denke, wir haben einen Treffer.“, sagte Sedrin und klickte das Symbol mittels ihres Fingers an.

Es vergingen erneut einige Sekunden und dann erschien ein Text, aus dem Sedrin einwandfrei ersehen konnte, dass es sich bei dem Muster aus meinem Kopf um das des kleinen Mischlingsfohlens handelte. „Aber natürlich!“, rief sie aus. „Deshalb war mir das Muster auch gleich so vertraut.“

Kate warf von ihrem Schreibtisch aus einen Blick zu dem ihrer Partnerin hinüber. „Wovon sprichst du?“, fragte Malkovich neugierig. „Ich rede von einer Mission im 21. Jahrhundert, bei der ich an der Rettung eines Mischlings zwischen einem Einhorn des Dunklen Imperiums und einem sterblichen Pferd beteiligt war. Sytania hatte es dorthin und auf die Erde gebracht, weil sie wollte, dass es durch die primitiven Terraner zu Tode kommt, damit man ihr nichts nachweisen kann. Das haben wir vereitelt, Aber der Chief-Agent wollte, dass es nicht noch größere Wellen schlägt, als es das ohnehin schon getan hat. Deshalb bekam ich Befehl, alle sich auf dieses Ereignis beziehenden Bilder zwar in die Datenbank der Sternenflotte hochzuladen, sie aber sofort danach von meinem Erfasser zu löschen. Deshalb hat der sie auch nicht einordnen können, als ich …“ „Warte, Sedrin.“, bat Kate atemlos, die arge Schwierigkeiten hatte, ihrer Partnerin zu folgen. „Du redest von wir. Wer war außer dir noch an der Rettungsmission beteiligt und warum gibt es dieses Fohlen überhaupt? Ich weiß ja auch, wer die Einhörner sind und deshalb wundert es mich umso stärker, dass sich offensichtlich ein Hengst von ihnen mit einer sterblichen Stute eingelassen hat. Ich dachte immer, das wäre nicht üblich unter Mächtigen und wenn es mal passiert, dann ist es ein Ding, das am besten tief unter alle Teppiche gekehrt wird.“ „Oh in diesem Fall stimmt das nicht.“, sagte Sedrin. „Es ist alles sehr transparent. Wir kennen sogar die Namen der Beteiligten. Der Hengst heißt Invictus und die Stute Kipana. Sie ist die Lieblingsstute von Logar, dem Herrscher des Dunklen Imperiums. Warum Invictus das getan hat, kann ich dir leider auch nicht beantworten. Es gibt zwar eine Menge Theorien dazu, aber keine davon ist bis jetzt bestätigt.“

„Wer war denn nun an der Sache beteiligt außer dir?“, fragte Kate weiter, die das starke Gefühl bekommen hatte, ihre Partnerin würde ziemlich abschweifen. Aber es war eben Sedrins Stil, immer alles sehr genau zu erklären. „Außer mir waren noch Scientist Cupernica, mein Mann und ein Quellenwesen, sowie Allrounder Scott beteiligt.“, sagte Sedrin. Ich hoffe, ich kann dir vertrauen, Kate. Du darfst auf keinen Fall etwas an andere weitergeben! Im Hinblick auf die temporale Ermittlung wollte Tamara, dass wir dieses Ereignis am besten so behandeln, als hätte es niemals stattgefunden.“ „Welches Ereignis?“, fragte Kate und grinste ihre Kollegin konspirativ an. „Ich wusste, wir verstehen uns.“, sagte Sedrin erleichtert. „Auf mich kannst du zählen, Sedrin!“, sagte Malkovich und hielt ihr die Hand hin, in die Sedrin erleichtert klatschte. „Ich bin ja schließlich auch Geheimagentin und weiß daher sehr genau, was es bedeutet, Geheimnisträgerin zu sein.“

Kate wollte sich zunächst wieder ihrer Arbeit zuwenden, aber etwas von dem, was Sedrin gesagt hatte, ließ ihr keine Ruhe. „Wo kommst du denn jetzt eigentlich her?“, fragte sie. „Ich meine, was meintest du damit, dir sei dieser Fall direkt vor die Füße gestolpert? Mann, was muss der Geheimdienst von Little Federation armselig sein, wenn wir schon unsere eigenen Fälle mitbringen müssen!“ Bei ihrem letzten Satz hatte Malkovich breit gegrinst. „Ich habe Mikel auf der Straße aufgelesen.“, sagte Sedrin. „Er war völlig durcheinander und hat mir geschildert, dass er sich Sorgen um Allrounder Scott machen würde, weil sie nicht zu ihrer Verabredung erschienen war, was sonst eigentlich gar nicht ihre Art ist. Wir sind dann zu ihr gegangen und haben sie in einem gesundheitlich sehr bedenklichen Zustand vorgefunden. Scientist Cupernica, die wir dazu geholt haben, hat festgestellt, dass sie unter telepathischem Einfluss stand. Jetzt wissen wir zumindest von wem!“ „Das Fohlen?“, fragte Kate. „Aber warum?“ „Das muss ich noch alles genau zuordnen.“, sagte Sedrin. „Ich habe Scott zu ihrem Traum vernommen. Ich denke, wenn wir beide uns diese Vernehmung noch einmal anhören, dann ergibt alles einen Sinn.“ „Also gut.“, sagte Kate. „Aber was ist mit unserem Kollegen Mikel?“ „Den habe ich zunächst mal entlassen.“, sagte Sedrin. Er ist zu seiner Basis geflogen. Die Granger hat in nächster Zeit keine Missionen und deshalb weiß ich auch, wo wir ihn finden können, wenn wir zwei noch Fragen an ihn hätten.“ „In Ordnung.“, sagte Kate.

Sedrin hatte auf die Zeitanzeige ihres Sprechgerätes gesehen. „Ich werde wohl heute auch etwas früher gehen, Kate.“, sagte sie. „Cupernica will meinen Mann und mich noch unbedingt vor Antritt unseres Urlaubs in ihrer Praxis sehen. Ich denke, dass es etwas mit der Sache zu tun hat.“ „Das kann ich mir auch sehr gut vorstellen.“, sagte Kate. Dann wandten sich die Frauen wieder ihrer Büroarbeit zu.

Huxley und Sedrin waren am Nachmittag auf dem Weg zu Cupernicas Praxis. Während sie die Auffahrt hinaufgingen, fragte der Amerikaner seine demetanische Ehefrau: „Kannst du mir sagen, warum Cupernica uns in ihrer Praxis sehen will, Jinya?“ „Ja und nein.“, sagte Sedrin. „Was soll das bedeuten?“, fragte Jaden mürrisch. „Es bedeutet.“, antwortete seine Frau. „Dass es wohl etwas mit einem meiner Fälle zu tun hat, über die ich ja bekanntlich nicht mit Außenstehenden sprechen darf. Aber in diesem Fall werde ich eine Ausnahme machen.“

Sie blieb stehen, drehte sich Jaden zu und sah ihn ernst an. „Upsi.“, machte er. „Ich mag es gar nicht, wenn du so guckst, Jinya.“ „Das kann ich mir gut vorstellen, dass du das nicht magst.“, sagte Sedrin. „Aber darauf kann ich leider jetzt keine Rücksicht nehmen. Nur so viel. Allrounder Scott ist vermutlich von Kipanas und Invictus‘ Fohlen telepathisch um Hilfe ersucht worden. Das hat ihr aber so einen starken Stress verursacht, dass ihre Gesundheit jetzt sehr angegriffen ist. Ich denke, das ist eine Sache, über die Cupernica mit uns reden will. Komm!“ Sie zog ihn das letzte Stück der Auffahrt hinauf und sie verschwanden in der bereits offenen Tür des Hauses, in dem Cupernica und Data wohnten und in dem auch die Praxis der Ärztin lag.

Cupernicas Assistent begrüßte sie bereits an der Tür. „Da sind Sie beide ja.“, sagte Oxilon und geleitete Huxleys ins Wartezimmer.

Dort fiel Jaden sofort etwas auf. „Können Sie mir mal sagen, warum hier alle Stühle leer sind, Medical Assistant?“, fragte er. „Weil Sie und Ihre Frau jetzt in gewisser Weise die einzigen Patienten sind.“, sagte Oxilon. „Wie habe ich denn das zu verstehen?“, fragte Jaden. „Das werden Ihnen meine Vorgesetzte und ich gleich erklären.“, sagte der Talaxianer mit einem ruhigen Blick.

„Machen Sie sich bitte nichts daraus, Mr. Oxilon.“, sagte Sedrin. „Ich denke, er ist heute mal wieder einfach mit dem falschen Bein aufgestanden.“ „Oh das ist alles nicht so schlimm, Agent.“, sagte Oxilon in seiner gewohnt fröhlichen talaxianischen Art. „Ich bin schon mit weitaus übelgelaunteren Fällen fertig geworden.“ „Das glaube ich gern.“, sagte Sedrin. Ihre Rasse ist ja ohnehin dafür bekannt, immer sehr frohgemut zu sein und sich quasi durch nichts aus ihrer Fröhlichkeit reißen zu lassen.“ „Danke, Agent.“, sagte Oxilon. „Aber das kann in gewisser Weise auch stimmen. Das prominenteste Beispiel dafür war ja Neelix, der sich ja sogar durch die Attitüde einer Borg nicht aus dem Konzept bringen lassen hat.“ Sedrin nickte ihm nur lächelnd zu.

Der Talaxianer wandte sich der Tür zu. „Ich werde einmal sehen, ob meine Vorgesetzte Sie bereits empfangen kann.“, sagte er und ging aus dem Zimmer.

Cupernica befand sich zu jenem Zeitpunkt in ihrem Büro, das sich im hinteren Teil der Praxis befand. Hier führte sie gerade ein SITCH-Gespräch mit einem älteren Mann, der ca. 1,80 m maß, einen etwas abgewetzten Anzug trug und eine etwas füllige Figur hatte. Seinen Kopf zierten kurze rote Haare und er hatte einen ebensolchen Bart.

„Ich finde es sehr freundlich von Ihnen, dass Sie die Patienten noch aufnehmen wollen, Mr. O’Grady.“, sagte Cupernica. „Oh das ist doch kein Problem, meine Liebe.“, sagte der ältere Mann mit einem starken irischen Dialekt in seinem Englisch. „Sie sind mir eine der liebsten Ärztinnen, für die ich das mache.“ „Vielen Dank für das Kompliment.“, sagte die Androidin. „Die Ihnen von mir genannten Punkte stellen also kein Hindernis dar?“ „Ach was.“, wischte O’Grady ihre Bedenken weg. „Mein Sohn und ich werden schon gut auf die Kleine aufpassen und die Beiden, die sie wohl als Betreuer mitbringen wird, die werden schon den Rest erledigen.“ „Die Kleine!“, erwiderte Cupernica ernst. „Ist eine ausgebildete Offizierin der Sternenflotte und das sind ihre Betreuer auch!“ „Ja, ja.“, entgegnete O’Grady. „Das war ja auch nur so dahingesagt. Aber ich denke schon, dass sie sich bei mir sehr gut erholen wird. Bei mir ist alles noch recht naturbelassen und es gibt wenig Technik.“ „Genau deshalb habe ich ja mit Ihnen auch den Vertrag bezüglich Kuren für meine Patienten abgeschlossen.“, sagte Cupernica. „Ich habe nämlich feststellen müssen, dass es viele Leute gibt, die aufgrund unserer hoch technisierten Gesellschaft extrem gestresst sind. Die sind bei Ihnen sehr gut aufgehoben.“ „Aus Ihrem Mund klingt das ja schon fast ironisch.“, sagte O’Grady. „Sie meinen, weil ich Androidin bin.“, vergewisserte sich Cupernica. „Nun, in gewisser Hinsicht haben Sie da sogar Recht, Samson.“ „Aber was Fakt ist, ist nun einmal Fakt und daran kann auch ich nichts rütteln.“ „Immer geradeheraus.“, sagte der Ire. „So liebe ich das! Aber in Ordnung. Ich habe die alte Hütte am Wall bereits bezugsfertig gemacht. Ihre Patienten können jederzeit auftauchen. Sagen Sie Ihnen das bitte.“ „Ich werde es ausrichten.“, sagte Cupernica und beendete die Verbindung.

Oxilon hatte das Zimmer leise betreten. „Huxleys wären dann da, Madam.“, sagte er. „In Ordnung, Assistant.“, sagte seine Vorgesetzte. „Geleiten Sie die Beiden bitte ins Sprechzimmer! Ich komme gleich nach.“ „In Ordnung.“, nickte Oxilon und war aus der Tür, um Jaden und Sedrin zu holen, die er gleich darauf in Cupernicas Sprechzimmer brachte.

Die Androidin folgte ihnen wenig später nach. „Bitte setzen Sie sich doch beide.“, sagte sie zu Jaden und Sedrin und deutete auf zwei leere Stühle auf der anderen Seite eines Tisches, der in der Mitte des Zimmers stand. Des Weiteren gab es eine weiße Liege und einige Untersuchungsgeräte, sowie einen Computer mit einem Monitor, auf dem sich, nachdem Cupernica einige Eingaben gemacht hatte, eine Landkarte zeigte. Es war der Ausschnitt einer Karte des Gebietes, das in früheren Zeiten, als die Erde noch einzelne Nationen hatte, als England bekannt war. Mitten in diesem Gebiet leuchtete ein kleiner roter Punkt.

Sedrin nahm sich die Karte genau vor und schaute sie sich an. „Ich nehme nicht an, dass Sie uns Unterricht in Geographie erteilen wollen, Scientist.“, sagte sie. „Das ist korrekt.“, sagte die Androidin und stellte erneut etwas um. Jetzt sahen sie an der Stelle, an der sie vorher den Punkt leuchten sehen hatten, Koordinaten für einen Transporter. „Dort wohnt Mr. Samson O‘Grady.“, sagte sie. „Er betreibt eine Art Kurhotel auf der Basis von Camping. Das dürfte Ihnen allen dreien sehr gut tun und vor allem dürfte es Allrounder Scott sehr gut tun. Ich wollte Sie bitten, sie dorthin zu begleiten und auf sie aufzupassen, solange ihre Situation so akut ist. Wenn sie erholter ist, kann sie dem Albtraum etwas mehr entgegensetzen und es wird für sie nicht mehr so schlimm sein.“ „Moment mal, Scientist.“, sagte Jaden. „Sie schicken sie zur Kur, nur weil sie mal einen Albtraum hatte?“ „Hat Ihre Frau Sie nicht informiert?“, fragte die Androidin an Jaden gewandt. Der Terraner schüttelte nur den Kopf. „Gut.“, sagte Cupernica. „Dann werde ich es tun. Der Allrounder ist von einer fremden Macht kontaktiert worden, die sie um Hilfe gebeten hat.“ „Genauer handelt es sich um das zweite Fohlen von Invictus und Kipana.“, ergänzte Sedrin. „Mittlerweile habe ich das Muster zuordnen können.“ „Ah ja.“, sagte Cupernica. „Damit sind wir ja schon einmal einen Schritt weiter.“ „Nicht nur das.“, sagte die Agentin. „Scott gab mir Daten, die ich noch auswerten muss. Aber dafür werde ich ja wohl genug Zeit haben, wenn Sie uns mit ihr in Kur schicken.“ „Das werden Sie!“, versicherte Cupernica.

Erneut hatte Sedrin ihren Blick über die Karte schweifen lassen. „Das ist ja in der Nähe von Stonehenge.“, stellte sie fest. „Denken Sie nicht, dass das eventuell einen negativen Einfluss haben wird?“ „Aber Agent.“, sagte Cupernica. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie etwas auf den Aberglauben mancher Leute geben. Es ist überhaupt nicht bewiesen, dass Stonehenge etwas mit Mächtigen zu tun hat. Bis heute weiß tatsächlich niemand genau, was es ist. Aber seien Sie versichert, der Allrounder ist dort genauso sicher wie an jedem anderen Ort.“ „Dann will ich Ihnen mal glauben.“, sagte die Demetanerin, die aber immer noch ein merkwürdiges Bauchgefühl hatte. Nur wollte sie sich nichts anmerken lassen.

Schließlich fasste sie sich ein Herz, stand auf und sagte: „Von mir aus ist alles OK, Cupernica! Ich hätte kein Problem damit.“ „Ich auch nich’.“, flapste Jaden. „Also gut.“, sagte Cupernica und zog einen Datenkristall aus einem Schubfach. Diesen übergab sie Sedrin. „Ich hatte in weiser Voraussicht die Passage bei Public Transports bereits für Sie drei gebucht. Mr. Samson O’Grady erwartet Sie in drei Tagen.“ „OK.“, sagte Sedrin und Jaden fügte bei: „Dann sollten wir schon mal packen.“ Damit verließen Huxleys wieder die Praxis, nachdem sie sich von Cupernica und Oxilon verabschiedet hatten.

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