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Es war Iranach und ihren Leuten tatsächlich gelungen, den Dolch des Vertrauens und den Ring der Macht auf die von ihnen geplante Weise vor Sytania und ihren Leuten zu verstecken. In Weinkrügen, die einen doppelten Boden hatten, waren die Originale auf Wagen in den Wald gebracht worden. Dann hatten sich die Vendar auf Iranachs Befehl hin umgedreht, damit keiner von ihnen sehen würde, wohin die drei Lateiner die Krüge brachten. Aber nicht nur die Originale, sondern auch einige der Kopien waren mit versteckt worden. Man wollte schließlich sichergehen. Danach war Iranach zurückgekehrt, hatte ihr Veshel vorbereitet und war dann mit Logar und Elisa in Richtung von Times Basis aufgebrochen.

Sytania hatte dies erst sehr spät bemerkt. Eigentlich viel zu spät. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt gewesen, sich in ihrem Sieg zu sonnen, eine Tatsache, die von Iranach und ihren Leuten optimal ausgenutzt worden war. Jetzt hatte sich die Königstochter aber wieder mit Cirnach getroffen, der es auf für sie schier wundersame Weise immer noch gelang, Ihre Aufmerksamkeit fern von Telzan zu halten. Sie hatte wohl akzeptiert, dass Cirnach jetzt diejenige war, mit der sie reden musste. Das war ja auch nicht schlimm, wenn man bedachte, dass sie ja ohnehin die Stellvertreterin ihres Mannes war.

Die Vendar hatte ihre Herrin jetzt griesgrämig vor dem Kontaktkelch sitzend gesehen. „Darf ich wissen, was Euch so die Stimmung verhagelt hat, Hoheit?“, fragte sie. „Wenn du es unbedingt wissen willst, dann werde ich es dir sagen!“, entgegnete Sytania wütend. „Wie sagen die Terraner immer noch so schön? Auf Sonnenschein folgt Regen. Kipanas und Invictus’ Tochter hat Allrounder Scott telepathisch um Hilfe gebeten! Stell dir das vor, Cirnach! Scott! Ausgerechnet Scott!“ „Sprecht Ihr etwa von Allrounder Betsy Scott?“, fragte Cirnach. „Von wem denn wohl sonst?“, fragte Sytania empört. „Na ja.“, verteidigte sich die Vendar. „Scott ist ein sehr gängiger Name auf Terra. Ich dachte vielleicht, Ihr könntet …“ „Nein, nein, nein!“, sagte Sytania. „Leider meinte ich keine beliebige Allrounder Scott, sondern genau dieselbe. Die, welche mir schon oft meine Pläne zerstört hat! Die, welche so gut vernetzt ist, dass ich ihretwegen schon oft gescheitert bin, weil sie es viel zu gut versteht, ihre Verbindungen gegen mich zu benutzen! Wenn ich nicht aufpasse, wird das wieder der Fall sein, Cirnach!“ „Aber was wollt Ihr denn tun, Herrin?“, fragte die Vendar. „Sie zu töten dürfte Euch nicht viel nützen. Bitte vergesst nicht, dass sie durch ihre Verbindungen das letzte Mal sogar den Tod selbst besiegt hat!“ „Ihre Verbindungen!“, schäumte Sytania. „Ja, ja, ihre Verbindungen! Wenn ich mich an sie selbst ranmachen würde, dann würde ich alle diese Verbindungen in Alarmbereitschaft versetzen und das wäre bestimmt nicht gut. Ich muss also die Verbindung finden, die uns jetzt am meisten schaden kann und sie kappen! Und diese Verbindung ist das kleine Einhorn. Ich weiß auch schon, wer mir dabei helfen wird. Valora wird sicher gern das Produkt der Beziehung zwischen Invictus und seiner Geliebten für mich vernichten! So profitieren wir beide. Wir hätten dann beide unsere Rache!“ „Das ist wohl wahr, Herrin.“, sagte Cirnach. „Dann solltet Ihr Valora so schnell wie möglich Bescheid geben. Aber vergesst bitte nicht, ihr zu sagen, sie soll auf Invictus aufpassen. Er wird sicher auch spüren, wenn seine Tochter in Gefahr ist und als liebender Vater, der er ja sicher ist, wird er ihr zur Seite stehen wollen. Er könnte Valora schon sehr gefährlich werden.“ „Du hast Recht, Cirnach.“, sagte Sytania. „Ich werde es ihr sagen. Aber ich denke, dass sie auch schon selbst so weit denken wird. Valora ist ja schließlich auch nicht dumm!“ „Das ist sie in der Tat nicht, Gebieterin.“, sagte Cirnach. „Aber wir sollten besser auf Nummer sicher gehen.“ „Das stimmt.“, antwortete Sytania. „Ich bin es langsam leid, immer wieder Fehler zu machen, die anderen eine Lücke in meinen Plänen offenbaren, durch die sie mir in die Parade fahren können!“

Sie lehnte sich zurück. „Aber noch mal eine ganz andere Frage.“, sagte sie dann. „Hast du herausfinden können, wo der Rest der Kleinodien der Wahrung steckt?“ „Nein, Herrin.“, sagte Cirnach. „Der Dolch des Vertrauens und der Ring der Macht sind unauffindbar. Aber Ihr habt ja die Hälfte des Webstuhls des Schicksals. So könnt Ihr zumindest Versuche der Quellenwesen oder Eures Vaters blockieren, Unsere Pläne zu vereiteln und Logar wird mit seiner Hälfte auch nichts anfangen können.“ „Das stimmt.“, sagte Sytania. „So blockieren wir uns gegenseitig. Aber solange ihr die beiden restlichen Kleinodien nicht findet, kann ich auch noch nicht die rechtmäßige Königin des Dunklen Imperiums werden! Also sucht gefälligst so lange weiter, bis ihr sie gefunden habt! Sie müssen ja hier irgendwo sein!“ „Was ist, wenn Logar sie mitgenommen hat?“, fragte Cirnach. „Das wäre viel zu offensichtlich.“, entgegnete Sytania. „Seine Vendar würden nie den Fehler machen, die Kleinodien in seinem direkten Umfeld zu belassen. Dort würdet ihr nämlich zuerst suchen, nicht wahr?“ „In der Tat.“, sagte Telzans Frau. „Und da haben wir auch zuerst gesucht. Aber leider haben wir nichts gefunden.“ „Na also.“, sagte die Königstochter. „Dann hat er sie an einem anderen Ort versteckt! Wenn ich nur wüsste, wo dieser Ort ist!“ „Könnt Ihr nicht Eure Kräfte benutzen, um sie zu finden?“, schlug Cirnach vor. „Nein.“, sagte Sytania. „Ich denke, dass die Quellenwesen das verhindern. Es gelingt mir nicht, sie aufzuspüren. Immer dann, wenn ich es versuche, sehe ich nur einen undurchdringlichen Schleier.“ „Das ist ja auch ganz logisch.“, überlegte Cirnach. „Sie haben die Kleinodien schließlich Eurem Vater gegeben und hätten kein Interesse daran, dass Ihr sie bekommt. Bitte vergebt meine Einfalt.“ „Schon vergessen, Cirnach.“, sagte Sytania, die ihr nur verziehen hatte, weil sie ihre Hilfe noch sehr gut brauchen konnte. Wäre es anders gewesen, dann hätte sie ihr sicher etwas ganz anderes erzählt.

Cirnach sah, wie sich Sytanias Gesicht immer mehr verfinsterte. Sie wusste, dass sie jetzt eine Möglichkeit finden musste, die Laune ihrer Herrin wieder zu heben. Außerdem musste sie die Prinzessin weiterhin von ihrem Mann ablenken.

„Was ist eigentlich mit Eurer Schöpfung?“, fragte sie schließlich. „Ich hörte, sie hat bereits alle menschlichen Kinder in dieser Dimension ausgerottet und langweilt sich jetzt. Meiner Ansicht nach solltet Ihr dem Wesen wirklich gestatten, jetzt die Dimension zu verlassen, um auch in anderen Dimensionen dafür zu sorgen, dass sich die Weissagung auf keinen Fall erfüllen kann!“ „Du hast Recht, Cirnach.“, sagte Sytania. „Und ich werde die Tötung der Kinder dieses Mal persönlich überwachen. Ich werde meine Schöpfung die ganze Zeit dabei beobachten! Aber vorher gebe ich noch Valora Bescheid. Du kannst gehen.“, „Ich danke Euch, Herrin.“, sagte Cirnach und drehte sich zum Gehen. Dabei rief sie Sytania aber noch zu: „Auch wenn ihr ohne den Ring der Macht noch nicht Königin in den Augen der Quellenwesen sein könnt. In den Meinen seid Ihr es längst!“ Dann verließ sie den Thronsaal.

Sytania konzentrierte sich auf das Bild Valoras, die auch bald vor ihrem geistigen Auge erschien und deren Anwesenheit sie auch bald zu spüren begann. Was gibt es, meine Freundin?, fragte Valora. Ich habe eine Nachricht für dich, die dich sicher sehr freuen wird., erwiderte Sytania. Du weißt doch sicher von jener scheußlichen Frucht der Beziehung zwischen deinem Gefährten Invictus und der sterblichen Stute Kipana. Davon weiß ich mehr als genug!, schäumte Valora. Was willst du mir damit sagen? Ich will dir damit sagen, dass du sie doch sicher gern töten würdest, nicht wahr?, erklärte Sytania. Ja, das will ich!, bestätigte Valora. Mehr als alles im gesamten dimensionalen Gefüge möchte ich das! Dann tu es!, erlaubte die imperianische Königstochter. Nimm deine Herde, spürt sie auf und dann tötet sie! Aber nehmt euch alle vor Invictus und seiner Herde in Acht. Mach dir doch um den keine Sorgen!, spottete Valora. Der ist nach dem letzten Mal sehr angeschlagen gewesen. Ich glaube nicht, dass er uns wirklich ernsthaft gefährlich werden kann. Deine Worte in den Ohren der höllischen Heerscharen., warnte Sytania. Aber gut. Wenn du glaubst, ihr kriegt das hin, dann tu, was du nicht lassen kannst. Aber sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Mach dir da bitte keine Sorgen, liebe Freundin., tröstete Valora. Mit Invictus werden wir schon fertig! Also gut.“, sagte Sytania. Dann los! Damit beendete sie die Verbindung zu Valora wieder.

Sie zupfte aufatmend ihr Kleid zurecht und setzte sich dann wieder gerade hin. „Der Tag ist ja doch noch ganz gut geworden.“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, das sie in einem gläsernen Baustein in der Decke des Schlosses gesehen hatte. Außerdem waren ihr Cirnachs letzte Worte wie Honig heruntergegangen. „Ich werde dann also meiner Schöpfung sagen, sie kann die Dimension jetzt verlassen. Nur, wo schicke ich sie am besten hin? Tja, wie wäre es mit der Dimension der Föderation? Die haben mich im Moment gar nicht auf dem Schirm und werden mit einem Überfall meiner Schöpfung nicht rechnen. Sie sind viel zu sehr mit eigenem innenpolitischem Geplänkel beschäftigt. Ja! Genauso werde ich es machen!“ Damit nahm sie telepathischen Kontakt zu ihrer Schöpfung auf, um sie in unsere Dimension zu entsenden.

Joran und sein Schiff waren von ihrer Patrouille zurück. Da das Schiff ja auch Zugang zu den Gedanken ihres Piloten hatte und daher genau wusste, was in Joran vorging, fragte sie Anteil nehmend: „Wie geht es eigentlich Ihrem Feld, Joran? Haben die Quellenwesen Ihnen schon verraten, was Sie damit tun sollen?“ „Nein, das haben sie noch nicht, IDUSA.“, antwortete der Vendar. „Aber ich denke, dass sie das noch früh genug tun werden. Ich vertraue ihnen da voll und ganz.“ „Dann sollten sich die Quellenwesen aber sehr beeilen, wenn Sie mich fragen.“, antwortete das tindaranische Schiff darauf. „Es steht mir nicht zu, mir ein Urteil über die Vorgehensweise so mächtiger Wesen zu bilden!“, wies Joran sie zurecht. „Wir können und dürfen ihnen nicht vorschreiben, wann sie was zu tun haben!“ „Das lag auch gar nicht in meiner Absicht, Joran.“, sagte das Schiff. „Ich denke nur an die Konsequenzen, falls Sie demnächst die Station verlassen.“ „Warum sollte ich das tun?“, fragte ein etwas irritierter Joran. „Sie wissen, dass ich, sobald wir unsere Patrouille beenden, immer Zugriff auf das Rufzeichen Ihres Quartiers nehme. Das haben Sie mir einmal so befohlen und mir gesagt, ich solle es jetzt immer so machen, damit Sie noch auf dem Rückflug Ihre SITCH-Mails bearbeiten können.“ „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Dann habe ich zumindest alles in einem Abwasch hinter mich gebracht. Aber was ist denn nun?“

Der Avatar trat vor seinem geistigen Auge einige Schritte zurück. Dann sah Joran den Inhalt einer offenen SITCH-Mail vor sich. Er las sie halblaut durch „Hallo, Joran, Ich werde dich in den Urlaub nach Terra schicken! Dort wirst du einige Zeit mit Allrounder Betsy Scott und den Huxleys verbringen. Ein bereits von mir ausgefülltes Urlaubsformular hängt schon an dieser Nachricht. Es fehlt nur noch deine akustische Unterschrift. Viel Spaß! Gezeichnet: Anführerin Zirell.“

Das Gesicht des Vendar verfinsterte sich. „Also wirklich!“, stieß er empört hervor. „Wie kann sie so etwas tun?! Wie kann sie mich jetzt in den Urlaub schicken, wo ich doch eigentlich hier so sehr gebraucht werde! Niemand kennt meine ehemalige Gebieterin Sytania so gut wie ich! Niemand kann den Tindaranern so gut helfen!“ „Es gibt noch die Vendar auf New-Vendar-Prime.“, beschwichtigte IDUSA. „Sie können das bestimmt genauso gut.“ „Das bezweifele ich!“, sagte Joran. „Ich war der Anführer von Sytanias Vendar. Ich bin in ihre Geheimnisse am besten eingeweiht!“ „Aber da ist ja auch noch Sianach.“, sagte das Schiff. „Sie war Ihre direkte Schülerin. Sie wird …“ „Aber trotzdem gibt es da Informationen, die ich nicht mit ihr geteilt habe!“, fiel ihr Joran ins Wort. „Es gibt Wissen, das nur dem Vertrauten eines Mächtigen zusteht. Dieses Wissen hätte sie nicht erlangen dürfen, Außer ich hätte vorgehabt, sie zu meiner direkten Nachfolgerin zu ernennen.“ „Und das hatten Sie nicht?“, hinterfragte IDUSA. „Ach.“, sagte Joran. „Ich weiß es nicht mehr genau! Es ging ja damals alles doch recht schnell. Trotzdem finde ich es unerhört, was sich unsere Anführerin da erlaubt hat! Ich werde sofort mit ihr darüber reden müssen, wenn wir angedockt haben!“

Er zog ein Pad, das er immer bei sich trug, aus seiner Tasche und schloss es an einen der Ports an. Dann sagte er: „Spiele die Mail sofort auf dieses Pad, IDUSA! Schließlich will ich Zirell auch zeigen können, was sie für einen gewaltigen Fehler gemacht hat!“ „Also gut, Joran.“, sagte das Schiff. „Aber wir beide kennen den Commander doch eigentlich als sehr besonnen. Denken Sie nicht, dass sie eventuell ihre Gründe haben könnte, so zu reagieren?“ „Reagieren?!“, regte sich Joran auf. „Auf was für eine Situation sollte sie denn damit reagieren können, mich in den Urlaub zu schicken?! Was wäre denn daran wohl positiv? Ich kann daran nichts Positives finden, IDUSA! Absolut nichts!“

Der Vendar gab ihr einen energischen Gedankenbefehl, der sie das Andocken einleiten ließ. „Ich kann nichts für Ihre schlechte Laune, Joran.“, rechtfertigte sich das Schiff. „Es tut mir leid, IDUSA.“, entschuldigte sich ihr Pilot. „Aber es ist doch geradezu himmelschreiend, was sie da für einen Fehler gemacht hat!“ „Sie wissen, dass ich mich dieser Meinung nicht anschließen kann.“, sagte IDUSA. „Ich gehe keinesfalls davon aus, dass der Commander unfehlbar ist, denn auch sie ist nur ein Wesen. Aber ich denke, dass sie in diesem Fall keinen Fehler gemacht hat. Bitte denken Sie zumindest einmal über meine Einlassung nach, Joran.“

Sie hatten gedockt und Joran hatte das Cockpit verlassen. Die erste, auf die er traf, war Shannon. „Hi, Grizzly.“, begrüßte sie ihn. „Was is’ dir denn für ’ne Laus über deine vendarische Leber gelaufen?!“ Joran ging gar nicht auf ihre Frage ein, sondern sagte nur: „Kümmere dich bitte um mein Schiff, Shannon O’Riley!“, und ging an ihr vorbei. Allerdings kam er nicht sehr weit, denn Jenna, die all das mitbekommen hatte, stellte sich ihm in den Weg: „Halt, Joran!“ Erschrocken wich der Vendar einen Schritt zurück. „Bitte lass mich vorbei, Telshanach.“, sagte er leise und langsam. Dabei spürte Jenna ganz genau, wie sehr er sich zurückhalten musste. „Das werde ich nicht!“, sagte Jenna fest. „Jedenfalls nicht, bevor du mir gesagt hast, was mit dir ist und warum du meine Assistentin wie Luft behandelt hast. Vorher kommst du hier nicht weg. Dann müsstest du mir schon wehtun und das kannst du nicht! Wenn ein Vendar liebt, dann tut er das bedingungslos und würde niemals der Person wehtun, die er liebt! Das weiß ich und ich weiß es auch auszunutzen! Also, du hast die Wahl! Rede, oder bleib hier für immer stehen. Ich habe nämlich auch einen recht langen Atem!“

Joran begann zu überlegen. Er wusste, dass sie ihm körperlich nicht wirklich etwas entgegenzusetzen hatte, aber er wusste auch, dass es da geistig schon ganz anders aussah. Eiskalt hatte sie seine Schwäche erkannt und für sich ausgenutzt. Es würde ihm also nichts anderes übrig bleiben, als zu reden, wenn er aus dieser Situation wieder herauskommen wollte. „Also gut, Telshanach.“, sagte Joran. „Ich gebe auf und rede. Anführerin Zirell will mich doch allen Ernstes in den Urlaub schicken! Stell dir das vor! In den Urlaub! Dabei werde ich doch gerade jetzt hier so dringend benötigt!“ „Denkst du nicht, dass sie dafür vielleicht ihre Gründe haben könnte?“, fragte Jenna. „Ich halte Zirell nicht für so dumm, dass sie sich selbst eines strategischen Vorteils berauben würde. Ich denke eher, da steckt irgendein Plan dahinter. Rede doch am besten mit ihr. Dann hast du Gewissheit!“

Der Vendar stutzte. „Du bist jetzt schon die Zweite, die mir das sagt.“ „Wie habe ich das zu verstehen?“, fragte Jenna, „IDUSA hat mir genau das Gleiche gesagt.“ „Dann solltest du auf uns beide hören.“, lächelte die Chefingenieurin. „Ich denke nämlich, dass wir Recht haben.“

Ihr Freund sah sie mild an. Er konnte ihr nun mal nicht widerstehen und das wusste sie. Also konnte er ihr auch nichts abschlagen und so, wie sie ihn gerade angesehen hatte, bat sie ihn inständig darum, mit Zirell über die Sache zu reden, bevor er sich ein Urteil bildete. „Ich werde mit Zirell reden, Telshanach.“, sagte er sanft. „Wenn du es wünschst, werde ich sofort mit Zirell darüber reden.“ Jenna nickte nur. „In Ordnung.“, sagte Joran und verließ den Maschinenraum.

Shannon hatte die Situation nur am Rande mitbekommen. „Können Sie mir mal sagen, was da gerade in unseren Grizzly gefahren is’, Jenn’?“, fragte sie. „Ach.“, sagte Jenna nur abwiegelnd. „Eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Zirell. Aber das wird sich schon wieder einrenken. Lassen Sie uns zusammen seine IDUSA-Einheit warten, Assistant. Dann kommen Sie auch wieder auf andere Gedanken.“ „OK, Jenna.“, sagte die blonde Irin, holte ihre Werkzeugtasche und machte sich dann zusammen mit ihrer Vorgesetzten an die Arbeit.

Zirell und Maron waren nach ihrem Gespräch zum Alltag übergegangen. Dabei hatten sie sich auch über die letzten Vorkommnisse auf der Basis unterhalten. „Shiranach und ihr Mann haben die Station verlassen, Zirell.“, meldete der Erste Offizier. „Sie glauben, dass sie in ihrer Dimension mehr gebraucht werden, wenn wirklich eintritt, was eintreten könnte. Von Times Basis habe ich über Ishan die Information bekommen, dass es Tolea schon wieder viel besser geht. Sie ist schon wieder in ihrer Dimension. Diran wollte ihr folgen, sobald er kann.“ „Das ist sehr gut.“, sagte Zirell. „Ich habe auch mit Sianach gesprochen, wie du weißt und sie ist mit unserem kleinen Plan bezüglich der Observation von Allrounder Scott einverstanden. Ich hoffe, ich habe da keinen Fehler gemacht.“ „Nein, das hast du nicht, Zirell.“, sagte Maron. „Unsere Freundin muss schließlich wissen worum es geht, wenn sie uns die kleine Tchiach mitgeben soll. Sianach ist sehr verschwiegen und wird mit Sicherheit keine falschen Informationen an die falschen Leute weitergeben.“ „Dann ist ja alles in Ordnung.“, atmete Zirell auf.

Die Tür zur Kommandozentrale öffnete sich plötzlich und ein sehr wütend aussehender Joran betrat diese. Dann holte er das Pad aus seiner Tasche. Dabei fasste er es an, als würde es etwas Ekeliges sein.

Er knallte es vor Zirell auf die Konsole. Dann sagte er sehr fest: „Ich muss dich sprechen, Anführerin Zirell! Aber allein!“ „So, so.“, sagte die tindaranische Kommandantin ruhig und stand von ihrem Sitzkissen auf. Dann winkte sie Joran: „Komm mit!“

Er folgte ihr festen Schrittes in ihren Bereitschaftsraum. Dort setzten sich beide auf die üblichen Kissen. Dann sagte Joran, während er auf das Pad zeigte, das er wieder mitgenommen hatte: „Bei allem Respekt, Anführerin. Das hier kann nicht dein Ernst sein! Die Zeiten sind kritisch wie nie und die Schuldige ist meine ehemalige Gebieterin Sytania, die ich ja wohl am besten kennen dürfte von uns allen. Aber du schickst mich in dieser Zeit ausgerechnet in den Urlaub! Mich, mich, der als Einziger genau über Sytania Bescheid weiß!“ Das Wort Urlaub hatte er so betont, als sei es etwas höchst Negatives, Amoralisches und Verwerfliches. „Meiner Ansicht nach.“, fuhr er fort. „Solltest du das hier sofort wieder rückgängig machen! Sofort!“ „Also manchmal hast du wirklich eine recht seltsame Sicht auf das Leben, Joran.“, sagte die ältere Tindaranerin ruhig. „Manch anderer würde sich über etwas Urlaub mehr freuen, aber du?“ „Mein Pflichtbewusstsein verbietet es mir, Anführerin!“, sagte Joran immer noch sehr aufgeregt. „Ich kann mich doch nicht auf die faule Haut legen, während Sytania für den Weltuntergang sorgt! Da muss ich doch …!“ „Dann habe ich sehr erfreuliche Neuigkeiten für dich, mein lieber Joran.“, sagte Zirell. „Offiziell ist es ein Urlaub. Aber inoffiziell bist du von Chief-Agent Zoômell und Agent Maron dazu abgestellt, ein Auge auf Allrounder Scott und ihre Begleitung zu werfen. Die Zusammenkunft ist nicht sicher, ob die Föderation den Ernst der Lage wirklich erkannt hat. Die Nachrichtenlage lässt eher das genaue Gegenteil vermuten. Statt sich um den Zusammenbruch der Dimensionen zu sorgen, halten sie sich mit einer Menge innenpolitischem Geplänkel auf. Deshalb sollst du dein Schiff nehmen und zusammen mit Jenna und deiner kleinen Tochter, die ihr unterwegs abholen werdet, nach Terra fliegen. Laut Shimar befindet sich Betsy dort. IDUSA wird sie schon lokalisieren.“

Der Vendar gab einen schweren Seufzer von sich und sah sie mild an. Dann sagte er: „Bitte entschuldige mein Verhalten, Anführerin. Ich hatte nur bereits ernsthaft begonnen, an deinem Verstand zu zweifeln.“ „Ich hoffe, deine Zweifel sind jetzt verflogen.“, sagte Zirell. „In der Tat.“, sagte der Vendar und warf ihr noch einmal einen beschwichtigenden Blick zu. „Es ist schon OK, Joran.“, sagte Zirell. „Aber du solltest jetzt wirklich langsam gehen und deine Koffer packen. Das Gleiche wird auch Jenna tun, wenn sie mit der Wartung deines Schiffes fertig ist. Sianach hat Tchiach auch gebeten, das zu tun. Es wäre nur nicht gerade schön, wenn deine Kleine zu lange auf euch warten müsste, nur weil du nicht in die Puschen kommst. Also, an deiner Stelle würde ich jetzt loslegen!“ „Das werde ich auch.“, sagte Joran. „Nur lass mich bitte bei meiner Telshanach vorbeigehen und ihr das Ganze erklären. Ich denke, dass da noch einiges an Klärungsbedarf besteht.“ „Na dann!“, sagte Zirell und warf ihm einen auffordernden Blick zu. Joran drehte sich kurz in ihre Richtung, nickte ihr zu und ging dann lächelnd aus dem Raum.

Jenna und Shannon waren mit der Wartung des Schiffes fertig geworden und saßen jetzt vor ihren Arbeitskonsolen. „Is’ das wahr, dass Joran ein Problem mit Urlaub hat?“, fragte die blonde Irin zu ihrer halb schottischen Vorgesetzten hinüber. „Das kann ich gar nich’ verstehen. Urlaub is’ doch was Schönes! Was gebe ich darum, wenn ich jetzt welchen hätte! Ach, Urlaub! In der Sonne liegen, Eis schlabbern und mal fünfe gerade sein lassen! Das klingt doch super, oder! Aber beim Grizzly ist das wohl eher im Bereich der Folter anzusiedeln, wie?!“ „So würde ich das auch nicht sagen, Assistant.“, sagte Jenna. „Er ist eben einfach sehr pflichtbewusst und …“

Die Tür zum Maschinenraum öffnete sich und Joran kam herein. Sofort erspähte er Jenna, ging zu ihr hinüber und sagte: „Telshanach, wir müssen packen. Anführerin Zirell schickt uns offiziell in den Urlaub, aber inoffiziell …“ „Warte!“, ging die hoch intelligente Halbschottin dazwischen. „Wenn es ein Inoffiziell gibt, dann sollten wir das nicht hier besprechen. Lass uns doch ins Cockpit deines Schiffes gehen. Ich muss dir sowieso noch was beibringen wegen der neuen Updates.“ Also gut, Telshanach.“, sagte Joran und folgte ihr lächelnd. Er hatte längst durchschaut, dass es nichts Neues zum Lernen gab, sie aber einen Vorwand und einen Ort brauchte, um mit ihm allein sein zu können.

Sie wandte sich im Gehen noch einmal ihrer Assistentin zu: „Oh und Shannon, wenn Sie Urlaub benötigen, dann ist das doch ganz einfach. Laden Sie sich das Formular in ein Pad, füllen Sie es aus und schicken Sie es an Zirell, um Urlaub zu beantragen!“ Mit dieser Anweisung ließ sie Shannon allein.

Joran und sie waren wenig später im Cockpit seines Schiffes angekommen. Hier setzten sie sich hin. „Es wäre gut, wenn wir die Neurokoppler benutzen würden.“, sagte der Vendar. „Dann weiß IDUSA auch gleich mit Bescheid.“ „OK.“, sagte Jenna und zog den Ihren aus der Tasche. Auch Joran steckte seinen Koppler ein und setzte ihn sich auf. „OK.“, sagte Jenna, nachdem sie festgestellt hatte, dass IDUSA beide Tabellen geladen hatte. „Was ist los?“ „Anführerin Zirell hat uns den Befehl erteilt, ein Auge auf Allrounder Scott zu haben und sie zu unterstützen. Sie sagt, sie sei sich nicht sicher, ob die Föderation den Ernst der Lage verstanden hat und deshalb sollen wir nach Terra fliegen. Damit es aber offiziell nach Urlaub mit der Familie aussieht, sollen wir auch Tchiach abholen.“ „Alles klar.“, sagte Jenna. „Dann sollten wir mal packen. Aber für mich klingt das sehr nach Geheimdienst. Hat Maron da etwa seine Finger im Spiel?“ „Nicht nur er.“, sagte Joran. „Der Befehl kam von Chief-Agent Zoômell persönlich.“ „Aha.“, sagte Jenna. „Dann arbeiten wir also ab jetz quasi Undercover für den Geheimdienst.“ „In der Tat.“, bestätigte Joran.

„Wann werden wir starten?“, mischte sich IDUSA ins Gespräch. „Sobald wir wieder da sind.“, sagte Joran. Dann winkte er Jenna zu: „Komm, Telshanach.“, und verließ mit ihr das Cockpit und auch den Maschinenraum in Richtung ihres gemeinsamen Quartiers. Das Kommando über den Maschinenraum würde McKnight Shannon beim Abflug offiziell übergeben.

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