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An anderer Stelle war es bei Verhandlungen recht gut vorangegangen. Shashana hatte sich mit A/1 verständigt. Der Xylianer hatte ihr zugesichert, ihr auf jeden Fall zu helfen. Zumindest würde jemand, der die Ausdrucksweise der Xylianer kannte, das durchaus so interpretieren. Da dies bei Shashana aber nicht unbedingt der Fall war, konnte sie sich zunächst auf seine Worte keinen Reim machen: „Ihre Daten werden examiniert werden und ihr Anliegen wird geprüft. Bitte warten Sie auf unsere Antwort.“ Deshalb hatte sich Shashana auch sofort nach dem Gespräch mit Meduse beraten. „Was sagst du zu dieser Äußerung?“, sagte die Oberste Prätora. „Ich weiß auch nicht, wie ich das interpretieren soll.“, sagte die Leibwächterin. „Ich kann aus dieser Antwort nicht wirklich herleiten, ob er uns nun helfen wird oder nicht. Immerhin sind die Xylianer ja auch Verbündete der Föderation und die sind normalerweise unsere Feinde. Seine Prüfung unserer Daten könnte also durchaus ergeben, dass …“

Bevor sie aussprechen konnte, hatte sich jemand im Raum materialisiert. Meduse erkannte eine xylianische Sonde. Sie war ca. 1,70 m groß, von schlanker Statur und hatte, auch zur Überraschung der Genesianerinnen, flammend rotes Haar. Sie trug sogar die übliche genesianische Rüstung, was für Shashana zunächst etwas merkwürdig anmutete. Dann stellte sich die Sonde vor: „Meine Kennung lautet: Systemeinheit K/14 14. Mitglied der K-Gruppe. Sie dürfen mich K/14 nennen. Ich werde für die Xylianer sprechen. Mein Aussehen wurde modifiziert, um mich an Ihre Kultur anzupassen. Ich überbringe positive Nachrichten. A/1 wird Ihnen helfen. Er weiß, dass Hilfe notwendig ist. Das gesamte Universum könnte durch das Virus in Gefahr geraten. Eine Vernichtung des Virus ist daher unabdingbar, sonst wäre unsere Vernichtung unausweichlich.“ Damit hatte die Sonde ihren Vortrag beendet.

Meduse stand da wie vom Donner gerührt. Leider hatte sie ihre Waffe aber auch im Anschlag. „Runter mit der Waffe, Meduse!“, befahl Shashana. „Du siehst doch, dass sie eine Freundin ist.“ „Es tut mir leid, Oberste Prätora.“, entschuldigte sich Meduse aufrichtig und steckte ihre Waffe wieder ein. „Ich hatte nur nicht so schnell mit einer Antwort gerechnet und schon gar nicht mit so einer Form der Antwort.“

„A/1 wollte Ihnen nicht zumuten, mit ihm verhandeln zu müssen.“, erklärte die Sonde in Shashanas Richtung. „Deshalb schickte er mich als Repräsentantin.“ „Verstehe.“, sagte Shashana. „Aber ich bin da eigentlich recht offen. Die Tatsache, dass ich die genesianischen Männer wie Kinder sehe, muss nicht unbedingt bedeuten, dass ich das bei allen Rassen tue. Aber ich finde es dennoch sehr großzügig von A/1, so auf meine Bedürfnisse einzugehen.“ „Bestätigt.“, sagte die weibliche Systemeinheit und nickte. „Das System hat keinesfalls die Absicht, Ihnen gegenüber als Oberlehrer aufzutreten. Eine Adaption an Ihre Kultur empfanden wir daher als notwendig.“

„Aber warum helft ihr uns?“, fragte Meduse. „Ich meine, ihr seid immerhin Verbündete der Föderation.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde. „Aber dennoch ist das System frei in politischen Entscheidungen. Ich hörte, dass auch Meinungsverschiedenheiten unter befreundeten Bioeinheiten nicht gleich das Ende einer Freundschaft bedeuten müssen.“ „Das stimmt.“, sagte Meduse. „Die Föderation verhält sich in unseren Augen im Moment sehr irrational. Sie scheint nicht zu verstehen, dass dieses Virus eine Gefahr für alle Rassen darstellt. Wir aber haben das verstanden. Also ist es für uns nur logisch, Ihnen zu helfen, denn auch Sie haben das verstanden. In Anbetracht der gesamten Situation ist die Feindschaft zwischen Ihnen und der Föderation für unser Handeln irrelevant. Es sind höhere Interessen, denen wir Genüge zu tun haben, wenn wir alle überleben wollen.“, erklärte die Sonde. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Shashana. „Allerdings scheint es da doch feine Unterschiede zu geben. Nugura selbst scheint die Situation genauso verstanden zu haben wie ich. Aber bei ihrem Parlament sieht es da leider anders aus.“ „Diese Unterschiede sind uns bekannt.“, sagte K/14. „Dennoch sind sie offenbar für das Handeln der Föderation sehr ausschlaggebend.“ „Das kommt daher, weil die Föderation eine parlamentarische Demokratie ist.“, sagte Shashana. „Bestätigt.“, sagte die Sonde nüchtern.

Sie zog ein Haftmodul aus ihrem Gürtel, in dem sich normalerweise die Waffen befinden. Dann sagte sie: „Bitte gewähren Sie mir nun Zugang zu einem Ihrer Rechner. Ich möchte sehen, wie weit Ihre eigenen Forschungen gediehen sind. Außerdem benötige ich Proben. Ich selbst werde mich zu Ihren Wissenschaftlerinnen begeben und ihnen assistieren.“ „Ah ja.“, sagte Shashana. „Da Sie ja bestimmt die gesamte Zeit über online sind, wird A/1 seine Informationen dann wohl auch aus erster Hand bekommen. Habe ich Recht?“ „Ihre Annahme ist korrekt.“, bestätigte die Sonde.

Shashana sah sich in der großen Halle um, als suche sie nach etwas. „Ich denke, wir werden noch einiges klären müssen.“, sagte sie dann. „Wo werden Sie sein, wenn Sie nicht gerade mit Ihren Forschungen beschäftigt sind? Und vor allem haben wir keine Regenerationseinheiten. Wo werden Sie also die Nächte verbringen?“ „In meiner knapp bemessenen Freizeit werde ich mich unter Ihre Kriegerinnen mischen, um Sozialkontakte zu pflegen.“, sagte K/14. „Dies erscheint A/1 angemessen, da wir jetzt ja zusammenarbeiten. Die Nächte werde ich auf meinem Schiff in meiner eigenen Regenerationseinheit verbringen. Mein Schiff wartet in der Umlaufbahn. Die Crew ist angewiesen, mich wieder mitzunehmen, falls Sie mit meiner Anwesenheit doch nicht einverstanden sind.“ „Davon kann überhaupt nicht die Rede sein.“, sagte Shashana. „Ich begrüße jede Hilfe, die ich bekommen kann. Sie dürfen selbstverständlich bleiben. Ich freue mich schon auf unsere Zusammenarbeit.“ „Ihre Entscheidung ist sehr rational.“, lobte die Sonde. „Ich werde meinen Leuten sagen, dass sie in einen höheren Orbit schwenken können. Verbindung zum System halte ich über ein in der Nähe der Grenze zwischen der Föderation und Ihrem Gebiet.“ „Ich sehe, Sie haben an alles gedacht.“, sagte Shashana. Die Sonde nickte.

Die Oberste Prätora wandte sich ihrer Leibwächterin zu: „Meduse, bringe K/14 mit unseren Forscherinnen zusammen. Im Gegensatz zu den Laboren der Föderation oder Ihren eigenen werden Ihnen unsere Forschungseinrichtungen sicher dürftig vorkommen, aber …“ „Dürftigkeit ist Irrelevant!“, fiel K/14 Shashana ins Wort. „Falls notwendig werde ich die erforderlichen Dinge vom System ordern. Ich verfüge außerdem über das technische Wissen, sie mit Ihrer Technologie kompatibel zu machen.“ Ah ja.“, sagte Shashana. „Dann ist ja alles in Ordnung.“ „Bestätigt.“, sagte die Sonde und folgte Meduse, die sie aus der großen Halle führte.

Aber auch noch jemand hatte sich nach einer Verbündeten umgesehen. Es war Valora gewesen, die auf keinen Fall den Kampf gegen Invictus allein bestreiten wollte. Vor Sytania hatte sie zwar recht zuversichtlich getan, aber in Wahrheit ging ihr ein gewisser Körperteil längst auf Grundeis, wenn sie an Invictus dachte. Wegen vieler Ungereimtheiten waren auch ihr einige der anderen Stuten abgesprungen und hatten ihre Gruppe verlassen, um sich doch wieder Invictus anzuschließen, er sie, quasi mit Kusshuf, wieder aufgenommen hatte. Angesichts seines Wissens war das ja auch kein Wunder gewesen. Valora aber wusste, dass sie jetzt dringend Hilfe benötigte. Sie wusste aber auch, wo sie diese finden konnte. Leandra glaubte schließlich immer noch, dass sie ihre Göttin sei und wenn sie ihr glaubhaft verkaufte, dass es eine Ehre war, an ihrer Seite in eine Schlacht zwischen Göttern als einzige sterbliche Auserwählte zu ziehen, dann würde sie Invictus schon zeigen können, was eine Harke sei. Sie musste nur noch einen Weg finden, ihr das glaubhaft begreiflich zu machen.

Ihren Gedanken nachhängend saß Leandra in ihrem Haus auf der Welt am äußersten Rand des genesianischen Reiches, die ihr gehörte. Die Tatsache, dass ihre Tochter, ihre einzige Tochter, sie so verraten hatte, war für sie wie ein Stich ins Hertz gewesen und sie sann auf Rache. Ihre Verletzung, die Lostris ihr zugefügt hatte, war zwar längst verheilt, aber das galt nur für die körperliche Wunde. Seelisch war die Prätora der Rotash von der Tatsache immer noch schwer getroffen.

Dies war eine Tatsache, die aber auch der mit seherischen Kräften ausgestatteten Valora nicht entgangen war und sie hatte einen Weg gefunden, dies für sich auszunutzen.

Es gab einen schwarzen Blitz und vor Leandra war eine Energiewolke erschienen, die sich jetzt telepathisch an sie wendete: Leandra, ich weiß, dass du verzweifelt bist. Aber ich kann dir helfen. Genauer gesagt kannst du mir helfen, damit ich dir helfen kann. „Was meinst du damit, Oh große Göttin!“, sagte Leandra laut und bekam einen total entzückten Blick. Ihre Verblendung ließ einfach nicht zu, dass sie die Wahrheit hinter Valoras Absichten erkannte. Diese Verblendung ließ einfach nicht zu, dass sie bemerkte, dass ihre angebliche große Göttin sie nur als Kanonenfutter verheizen wollte. Ich meine., erklärte das Einhorn, Dass ich dich auserwählt habe, an meiner Seite eine göttliche Schlacht zu bestreiten. Diese Ehre fällt nicht vielen Sterblichen zu, weißt du? „Das wusste ich nicht, große Göttin!“, rief Leandra erfreut aus und wollte sich gar nicht mehr einkriegen vor Freude. „Bitte sagt mir doch, was ich zu tun habe!“ Das werde ich noch früh genug tun., mahnte Valora sie zur Geduld. Aber zunächst wirst du dein Schiff nehmen und gemeinsam mit deinen Kriegerinnen zu Koordinaten im Universum der Föderation fliegen, die ich dir geben werde.

Es gab einen erneuten schwarzen Blitz und eine Art Lichtstrahl mahlte Zahlen in genesianischer Schrift in die Luft. Merke dir diese Zahlen gut, meine Getreue!, instruierte das Einhorn ihre verblendete Handlangerin. Merke sie dir gut! „Das tue ich, oh große Göttin!“, sagte Leandra. „Das werde ich!“ Sehr gut., sagte Valora. Ich hätte auch nichts anderes von dir erwartet! Dann löste sich die Wolke wieder auf.

Eine sehr verklärt schauende Leandra war zurückgeblieben. Valora hatte sie bei ihrer Eitelkeit gepackt. Das war eine Eigenschaft, die sonst eigentlich genesianischen Kriegerinnen nicht gut steht und die auch unter ihnen als feige gilt, denn als Kriegerin muss man schon einmal Blessuren im Kampf hinnehmen können und darf dann nicht so auf die eigene Schönheit schauen. Aber Leandra und ihr Clan hatten es ja sowieso nicht so mit den Regeln der genesianischen Gesellschaft gehabt und das war etwas, was das Einhorn jetzt auch in ihren Gedanken gesehen hatte. Darauf hatte Valora es eiskalt ausgenutzt. Sie hatte genau vorausgeahnt, wie Leandra auf ihren Aufruf reagieren würde. Sie wusste, dass Leandra ihr jetzt ohne zu fragen folgen würde und für sie mit stolzem Herzen in den Tod gehen würde. Sie würde jetzt ihre Kriegerinnen versammeln und dann würden sie die Koordinaten anfliegen, die sie ihr gegeben hatte. Jetzt musste sie nur noch ihren eigenen Teil dazu beitragen und das würde sie jetzt auch tun.

Es war ein warmer spätsommerlicher Tag, als Valora und ihre Einhörner auf dem Hof des Bauern auftauchten, auf dem Kipana und ihre kleine Tochter tatsächlich Zuflucht gefunden hatten. Aber auch Invictus hatte instinktiv die Gefahr für seine Geliebte und seine Tochter wahrgenommen und war zu dem Ort geeilt. Jetzt standen er und Valora sich auf der Weide genau gegenüber. Kipana, die das gar nicht einordnen konnte, war voller Angst über alle Berge geflüchtet. Jetzt stand das vor Angst stocksteife Fohlen allein da, aber ihr Vater, der dies auch gesehen hatte, stellte sich ihr zur Seite und sprach sie telepathisch an: Vergib deiner Mutter, mein Kind. Sie ist nur ein sterbliches Pferd und weiß nichts über das hier. Ich habe ihr längst vergeben, Vater., antwortete das Fohlen auf die gleiche Weise. Aber ich habe jetzt keine Angst mehr, denn du bist ja jetzt bei mir.

Valora hatte sich langsam genähert, nachdem sie ihre Freundinnen angewiesen hatte, in der Deckung einiger Büsche zu warten. Wie rührend!, lästerte sie. Vater und Tochter Seite an Seite gegen die wahre Partnerin des Vaters. Was gibt dir diese Sterbliche, Invictus?! Was gibt sie dir, was ich dir nicht geben kann?!

Ein schwarzer Blitz fuhr aus ihren Augen. Antworte, du Schuft!, fuhr sie ihn an. Sonst ist dein Bastard gleich des Todes!

Ein weiterer Blitz verfehlte das Fohlen nur knapp. Jetzt reicht es mir, Valora!, erwiderte Invictus. Damit kann ich nämlich auch dienen!

Eine Menge schwarzer und weißer Blitze zuckten über den Himmel. Das war eine Situation, die dem armen kleinen Fohlen jetzt solche Angst machte, dass es sich nur noch instinktiv in eine Energiewolke verwandelte und sich in das Universum der Föderation wünschte. Es hatte eigentlich zu mir gewollt, aber da es seine Kräfte noch nicht wirklich unter Kontrolle hatte, landete es genau an den Koordinaten, an denen bereits die Genesianer auf es warteten.

 

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