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Ich war durch eine Hand erwacht, die mich sanft, aber bestimmt geschüttelt hatte. Diese Hand hatte ich sofort erkannt. „Hallo, Agent.“, sagte ich leise und noch etwas schlaftrunken. „Hallo, Betsy.“, erwiderte sie in gleicher freundlicher Lautstärke, was mir verriet, dass meine Annahme doch richtig gewesen war. „Sie verblüffen mich immer wieder, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Wie haben Sie mich erkannt? Durch was habe ich mich verraten?“ „Das klingt jetzt komisch.“, warnte ich sie vor. „Aber es ist die Art, wie sich Ihre Hände anfühlen und auch ein wenig Ihr Geruch. Wobei ich bestimmt nicht sagen will, dass Sie ein Problem mit der Körperpflege haben, aber …“ „Jedes Wesen, das auf biologischem Wege gezeugt wurde, hat einen Geruch, weil es eine Biochemie hat.“, fiel sie mir ins Wort. „Die meisten Mitglieder Ihrer Rasse sind nur nicht in der Lage, diesen so sehr wahrzunehmen. Aber da Ihnen ein Sinn fehlt und Ihre übrigen Sinne nicht durch das Benutzen eines Visors abgestumpft sind, kann ich mir durchaus vorstellen, dass Sie vermehrt auf so etwas achten. Ihre Aufmerksamkeit verteilt sich eben anders. Das nehme ich nicht persönlich.“ „Jetzt reden Sie schon fasst wie T’Pol.“, sagte ich. „Oh haben Sie mich schon wieder erwischt.“, sagte Sedrin und legte eine übertriebene verschämte Note in ihre Stimme. „Aber es ist die Wahrheit.“, sagte ich. „So manch anderer wäre jetzt bestimmt beleidigt gewesen.“ „Nun!“, sagte sie etwas schnippisch. „Ich kann nichts dafür, wenn Leute versuchen, sich Schuhe anzuziehen, die ihnen nicht passen!“

Sie zog meinen Koffer vom Kleiderschrank. „Wir sollten mit dem Packen beginnen.“, sagte sie. „Oder was meinen Sie?“ „OK.“, sagte ich und setzte mich auf die Bettkante. Dann stand ich auf und drehte mich ihr und dem Koffer zu, den sie auf einem Hocker zwischengeparkt hatte.

„Wie lange sind Sie schon hier, Agent.“, fragte ich, während ich einige Socken und etwas Unterwäsche zusammensuchte. „Schon eine geraume Weile, Betsy.“, sagte sie. „Ich habe Ihnen auch zugehört. Sie haben im Schlaf geredet. Es war hoch interessant. Anscheinend haben Sie gemeinsam mit Shimar das Leben des kleinen Einhorns gerettet. Ich gehe nicht davon aus, dass es nur ein einfacher Traum war. Sie benutzen seit kurzer Zeit wieder den Kaffeebecher von Mr. Korelem.“ „Das stimmt.“, sagte ich. „Und wir dürfen ihn nicht vergessen.“ „Das werden wir auch nicht.“, versicherte Sedrin und legte ihn in den Koffer, nachdem sie ihn in eine alte Bluse, die ich vorsorglich mit eingepackt hatte, eingeschlagen hatte. „Wir wollen ja nicht, dass dem guten Stück etwas geschieht, nicht wahr?“ Ich nickte ihr nur zu.

„Warum haben Sie diese Bluse eingepackt.“, fragte sie. „Ich dachte, dass es dort, wo wir hingehen, bestimmt auch Tiere geben wird und in Ställen sind alte Kleider recht praktisch.“ „Denken Sie das wirklich?“, fragte Sedrin und ich hatte das starke Gefühl, sie fühle sich ertappt. „Ja.“, bekräftigte ich. „Für mich gehören Tiere nämlich auf einen alternativen Hof.“ „Das mag schon stimmen.“, sagte sie. „Und ich denke, Sie werden viel Zeit mit denen verbringen wollen, nicht wahr? Zumindest würde ich dies aus der Auswahl der Kleider ersehen, die Sie sich hier zurechtgelegt haben. Nach Tanztee oder elegantem Empfang sieht das nicht gerade aus.“ „Sie und ihre ermittlerische Ader.“, sagte ich und grinste sie an. „Ich kann nicht anders.“, sagte Sedrin. „Ich bin Agentin.“

Ihr war die Ordnung in meinem Kleiderschrank aufgefallen. „So ordentlich möchte ich auch mal sein, Allrounder.“, sagte sie. „Sie haben Ihre Kleidung sehr akkurat geordnet. Sie passt sogar zusammen.“ „Ich bin auf eine gewisse Ordnung angewiesen, Agent.“, sagte ich. Außerdem hat ein Servicetechniker von der Firma, von der ich meinen Replikator habe, erst neulich mit mir ein Programm heruntergeladen und es auf meine speziellen Bedürfnisse eingestellt, das die neuen Kleidungsstücke je nach der aktuellen Mode so farblich anpasst, dass ich sie auch zu den schon vorhandenen anziehen kann. Er meldet mir jetzt auch, wenn er den Inhalt aus meinem Kleiderschrank mit den modernen Kleidern vergleicht, dass er mir ein neues Oberteil oder eine Hose replizieren könnte. Durch ja oder nein kann ich dann entscheiden, ob ich das für nötig halte. Die farbliche Anpassung an meinen Stil ist ja dann wie gesagt schon längst passiert. Dann muss ich mir nicht so viel merken, an dem ich das oder das Kleidungsstück erkennen kann.“ „Ich weiß, dass der Hersteller Ihres Replikators solche Programme anbietet.“, sagte Sedrin.“ „Da sind die echt in eine Marktlücke gestoßen. Jaden und ich überlegen sogar, auch die Firma zu wechseln. Wir haben mit unserem Gerät dauernd Ärger und der Service stimmt auch nicht. Sie scheinen da ja echtes Glück zu haben. Aber wenn man solche Programme nicht benutzen muss, dann übersieht man sie schon mal. Es ist ja auch immer noch freiwillig, einen Visor zu tragen oder auch nicht. Für Leute, die sich für nein entscheiden, kann so was schon sehr hilfreich sein.“ „Oder für Leute, die sich für nein entscheiden müssen.“, sagte ich. „Da haben Sie Recht.“, sagte Sedrin.

Sie hatte ein letztes Mal einen Blick auf den Inhalt meines Koffers geworfen. „Ich würde sagen, wir sind hier fertig.“, sagte sie und schloss den Deckel. Dann stellte sie den Koffer auf die Terrasse, wo auch schon die von Jaden und ihr selbst standen. Huxleys hatten nämlich beschlossen, mich abzuholen und dann gemeinsam mit mir zum öffentlichen Transporter zu gehen.

Jenna, Joran und Tchiach waren mit dem tindaranischen Schiff, das Joran quasi vom tindaranischen Militär zur Verfügung gestellt worden war, in meine heimatliche Dimension eingeflogen. Jetzt hatten sie Kurs auf die Erde gesetzt.

„Ich freue mich schon darauf, Betsy El Taria wieder zu sehen!“, sagte Tchiach und rutschte unruhig auf ihrem Sitz hin und her.“ „Das kann ich mir vorstellen, Süße.“, sagte Jenna von vorn, die neben Joran saß. „Ihr habt euch ja bestimmt lange nicht mehr gesehen. Weiß sie überhaupt, dass du schon eine Novizin bist?“ „Ich glaube, das weiß sie noch nicht.“, sagte Tchiach. „Aber ich freue mich schon, es ihr zu sagen.“

Joran hatte seinem Schiff den Befehl erteilt, mich zu lokalisieren. „Ich habe sie gefunden, Joran.“, meldete der Aufklärer. „Sie befindet sich immer noch in ihrem Haus in Little Föderation.“ „Dann könnten wir ja herunter beamen, sie treffen, und dann den Urlaub gemeinsam antreten.“, schlug Jenna vor. „Dein Vorschlag gefällt mir, Telshanach.“, sagte der Vendar, erteilte seinem Schiff den Befehl, in einer höheren Umlaufbahn zu warten und sie auf die Erde zu meinen Koordinaten zu beamen und dann gingen Jenna, Tchiach und er samt Gepäck auf die Transporterplattform, von der aus sie dann mitten in mein Wohnzimmer gebeamt wurden.

Sedrin und ich hatten uns, während wir auf Jaden warteten, noch kurz auf mein Sofa gesetzt, um uns die Zeit mit einem angeregten Gespräch zu vertreiben. „Ich muss Ihnen ein Geständnis machen.“, sagte die Agentin, die jetzt links neben mir saß. „Nanu.“, sagte ich und grinste sie an. „Normalerweise ist es doch umgekehrt. Normalerweise machen die Leute doch Ihnen gegenüber ein Geständnis.“ „Mag sein.“, sagte sie. „Aber heute bin ich mal dran. Sie sind in gewisser Weise mein Vorbild, Allrounder.“

Ich wurde blass, bekam eine Gänsehaut und musste erst mal schlucken. Dann fragte ich etwas verwirrt: „Wieso bin ich Ihr Vorbild, Agent? Ich habe doch wohl kaum jemals Dinge getan, die von der taffen Sedrin als vorbildlich bezeichnet werden könnten.“ „Oh Sie und Ihre Bescheidenheit.“, sagte Sedrin. „Da irren Sie sich aber gewaltig! Ich sage Ihnen hiermit voraus, dass Sie diejenige sein werden, die am ehesten und am besten mit der Situation an unserem Urlaubsort zurechtkommen wird. Wir anderen sind viel zu sehr technologiegläubig und von ihr verwöhnt. Ich schätze, dass wir dort ungefähr auf dem Stand Ihrer Heimat sein werden. „Damit kommen Sie doch wohl am besten zurecht.“ „Das mag sein, Agent.“, sagte ich. „Aber …“

Weiter kam ich nicht, denn im selben Moment wirbelte etwas Weiches auf mich zu und zwei pelzige Arme umfingen mich. Dann wurde ich an eine kleine pelzige Brust gedrückt und eine Stimme quietschte atemlos: „Ich freue mich so, dich zu sehen, Betsy El Taria!“

Erst jetzt hatte ich sie erkannt. „Hi, Tchiach!“, sagte ich erfreut und lächelte sie an. „Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen. Erzähl mal. Wie geht es dir so und was machst du?“ „Es geht mir gut, Betsy El Taria.“, sagte die kleine Vendar, deren Stimme mir jetzt nicht mehr so bekannt vorkam, denn ich hatte bemerkt, dass sie sich sehr geändert hatte. Meinen Berechnungen nach musste Tchiach aber auch schon in der Pubertät sein und da war das ja auch recht normal. Ihre Stimme hatte sehr erwachsen geklungen für ihr Alter, aber bei Vendar schien das ja Standard zu sein.

Sie griff nach meiner rechten Hand und führte sie über ihre Kleidung. „Ich bin jetzt schon eine Novizin!“, sagte sie stolz. „Hey, cool!“, erwiderte ich. „Wer ist denn dein Ausbilder?“ „Ziehmutter Sianach bildet mich aus.“, erklärte Tchiach.

Ich lauschte in meine Umgebung. „Du bist doch bestimmt nicht allein gekommen.“, sagte ich dann. „In der Tat nicht.“, sagte sie und dann hörte ich auch Jennas Stimme: „Hallo, Betsy. Joran und ich sind natürlich auch dabei.“

Sie kam näher und gab mir die Hand. Dann folgte auch die von Joran, der mich nur deshalb erst so spät begrüßt hatte, da er sich noch mit den Koffern beschäftigt hatte, die er auf der Terrasse bei den anderen Koffern abgestellt hatte. „Auch ich grüße dich, Betsy El Taria.“, sagte er fast etwas zu förmlich und leise. Dabei merkte ich ganz genau, dass irgendwas mit ihm nicht stimmte. „Was ist los, Joran?“, fragte ich. „Das kann ich dir leider nicht sagen, Betsy El Taria.“, sagte er. „Es ist noch zu früh dafür.“ „Also gut.“, entgegnete ich. „Ich habe Geduld.“

Auf meiner Terrasse spielte sich zum gleichen Zeitpunkt eine ganz andere Szene ab. Caruso hatte von seinem Aussichtspunkt auf einem Torpfeiler aus das große Hallo wohl gesehen, das gerade stattgefunden hatte. Ganz Kater war er neugierig geworden und hatte wohl beschlossen, die Sache mal genauer mit seinen Katzenaugen in Augenschein zu nehmen. Er schlich sich also in geduckter Haltung an die Koffer heran, als wäre er auf der Jagd. Das war wirklich, zumindest aus seiner Sicht, eine unheimliche Begegnung und da konnte man schließlich nie wissen. Dann beschnupperte er den ersten Koffer, der Jaden gehörte. Von dem ging aber weder eine Bedrohung aus, noch hatte er etwas besonders Einladendes. Er roch halt einfach neutral und deshalb wurde er auch von Caruso ignoriert, der sich dann dem nächsten Exemplar zuwandte, Sedrins brauner Reisetasche. Die war zwar weicher als Jadens Lederkoffer, aber auf ging sie auch nicht, so dass er sich hätte in die Wäsche kuscheln können. Das war nämlich etwas, das Caruso mit Vorliebe tat.

Er schlich weiter und kam zu meinem Koffer, dessen Geruch ihn schon sehr anzog. Aber trotz er diesen umschnurrte und umschmeichelte, wollte er sich auch nicht für ihn öffnen. An Jennas und Tchiachs Gepäck lief er erst mal vorbei. Wahrscheinlich waren ihm die Sachen zu fremd. Aber irgendwas ließ ihn bei Jorans Tasche anhalten, die etwas offen stand. Das war eine Angewohnheit, die Joran eben hatte. Immer, wenn er seine Tasche irgendwo abstellte, wurde der Verschluss leicht geöffnet. Zur Begründung hatte er mir einmal gesagt: „Ich mag’s nicht, wenn’s mieft.“ Darüber hatte ich herzhaft lachen müssen und ihm irgendwann einmal eine Tasche mit atmungsaktiver Außenhülle geschenkt. Die benutzte er jetzt wohl auch, aber trotzdem konnte er wohl nicht aus seiner Haut, was seine Gewohnheiten anging. Dies war aber etwas, das Caruso jetzt prima ausnutzte, indem er den Schiebeverschluss mit der Schnauze weiter aufschob, um sich dann auf Jorans ebenfalls schwarze gute Hosen zu betten. Mit den Pfoten grub er sich noch ein bequemes Nest, in dem er sich dann laut schnurrend zusammenrollte und beruhigt einschlief.

Von Carusos Aktion, die irgendwie leicht an eine Szene aus Schneewittchen erinnerte, hatten wir nichts mitbekommen. Wir waren nämlich vollauf mit der Organisation beschäftigt. Jaden war inzwischen eingetroffen und hatte auch bemerkt, dass wir Besuch hatten. „Wo kommt ihr denn jetzt her?“, wollte er von Jenna und Joran wissen. „Offiziell ist es ein Urlaub, Commander.“, erklärte Jenna. „Aber Inoffiziell will die tindaranische Regierung, dass wir euch etwas unterstützen.“ „Ah ja, McKnight.“, sagte der Amerikaner. „Wobei denn?“ „Das würde ich lieber mit Agent Sedrin besprechen, Sir.“, sagte Jenna.

Sedrin drängte sich an ihrem Mann vorbei: „Gut, dann folgen Sie mir, McKnight.“, dann verschwanden die Beiden in meine Küche.

„Wie sollen wir das denn jetzt mit der Buchung für den öffentlichen Transporter machen?“, fragte Jaden. „Wir könnten den Transporter meines Schiffes benutzen.“, schlug Joran vor. Ich wollte eh auf meine Telshanach warten.“ „Das müssen wir wohl alle.“, sagte Jaden. „Meine Frau ist ja auch involviert. Das ist sicher was Geheimes.“ „In der Tat.“, sagte Joran, der ja über alles informiert war. „Aber mehr darf ich dir wirklich nicht sagen.“

Sedrin und Jenna kamen wieder aus der Küche und dann sagte die Technikerin: „Joran, wir nehmen am besten unseren Transporter und Huxleys gehen mit Betsy den unauffälligen Weg. Unser Ziel kenne ich. Der Agent hat es mir verraten.“ „In Ordnung, Telshanach.“, sagte Joran, „genau das Gleiche habe ich auch gerade vorgeschlagen.“

Damit gingen wir alle zur Terrasse, sortierten unser Gepäck und dann trennten wir uns wieder. „Jaden, du nimmst die Koffer, ich nehme unsere Patientin.“, sagte Sedrin. „Oh ich werde mein Gepäck allein nehmen.“, sagte ich. „Das wird doch viel zu eng in der Schleuse, Betsy.“, meinte Huxley und nahm mir meinen Koffer ab. Dann hakte mich Sedrin unter und unsere Karawane zog los in Richtung öffentliches Transportsystem.

 

 

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