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Shimar und sein Schiff waren wieder in die tindaranische Dimension eingeflogen. „Na, wie ist es?“, fragte IDUSA neugierig nach. „Wie ist was?“, fragte ihr Pilot zurück, der sich ihre Frage nicht erklären konnte. „Was meinst du damit, IDUSA?“ „Ich spreche von meinen Reaktionen.“, erklärte das Schiff. „Sie haben gesagt, Sie wollten mich immer schon einmal mit Pferdehänger fliegen, weil Sie wissen wollten, wie ich reagiere.“ „Das war doch nur ein Witz, IDUSA.“, beruhigte Shimar sie. Ich habe dich doch schon oft mit anderen Schiffen im Traktorstrahl geflogen und weiß daher genau, wie …“

Ein plötzlicher Schmerz im ganzen Körper hatte ihn zusammenfahren lassen und er saß jetzt sehr verkrampft da. Sofort hatte das Schiff damit begonnen, ihn zu scannen. Was sie dabei allerdings feststellte, alarmierte sie sehr. „Offenbar haben Sie sich das genesianische Virus eingefangen, Shimar!“, sagte sie ernst. „Der Planet muss ein genesianischer Friedhof für Männer gewesen sein. Sie wissen, dass die einfach so auf irgendwelchen Planeten verscharrt werden. Es tut mir leid. Ich habe das nicht gesehen. Ich werde Technical Assistant O’Riley bitten, meine Sensoren zu prüfen und meine dazugehörige Software einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen. So etwas darf nicht passieren! Bitte nehmen Sie den Neurokoppler nicht ab! Über ihn werde ich Sie mit Alpha-Wellen versorgen, die Sie im Schlaf halten werden. Bitte lassen Sie mich das Steuer übernehmen. Ich bringe uns zur Station und Sie zu Ishan. Bitte vertrauen Sie mir. Es wird alles wieder gut.“

Damit übernahm sie die Steuerkontrolle und begann gleich danach, Shimars Gehirn mit Alpha-Wellen zu bestrahlen, wie sie es gesagt hatte. Shimar vertraute ihr und ließ das bereitwillig mit sich geschehen. Er wusste, dass dies die einzige Möglichkeit war, dem jetzt schon sehr lange anhaltenden furchtbaren Schmerz im gesamten Körper zu entgehen. Er hoffte nur, dass Ishan eine Möglichkeit finden würde, ihn zu heilen, bevor das Virus ihn vollständig aufgefressen hatte.

Zirell und Maron hatten in der Kommandozentrale ganz normal ihren Dienst verrichtet. Sie ahnten nichts von dem Notruf, über den sie IDUSA, der Rechner der Station, bald informieren sollte. Nur das alarmierte Gesicht des Avatars vor ihren geistigen Augen auf dem virtuellen Schirm ließ sie bereits etwas ahnen.

„Was ist passiert, IDUSA?“, fragte Zirell. „Ich habe Shimars IDUSA-Einheit in der Leitung, Commander.“, sagte der Computer. „Sie hat einen Notruf abgesetzt. Aber ich habe auch noch ein paar merkwürdige Aufträge erhalten. Ich soll einen der leeren Frachträume mit repliziertem Stroh auslegen und auch eine Pferdetränke für Fohlen und einen Haufen Heu dort hinterlassen. Außerdem beamt sie Shimar direkt auf die Krankenstation. Ms. O’Riley soll außerdem …“ „Nicht so schnell, IDUSA“, sagte Zirell. „Gib sie mir am besten selbst.“ „Wie Sie wünschen, Commander.“, sagte IDUSA und ihr Avatar gab dem von Shimars Schiff Raum.

„Was genau ist auf eurer Mission geschehen, IDUSA?“, wendete sich eine etwas verwirrte Zirell jetzt an Shimars Schiff. „Deine Kollegin hat mir zwar schon einiges gesagt, aber ich steige da nicht so ganz durch.“ „Shimar hat sich auf einem Planeten das genesianische Virus geholt.“, erklärte das Schiff. „Ich werde ihn direkt auf die Krankenstation beamen. Ishan weiß bereits Bescheid. Außerdem haben wir das kleine Einhorn bei uns. Sehen Sie die genesianische Rettungskapsel, die ich in meinem Traktorstrahl habe? Die Kleine ist dort drin. Wir hatten keine andere Möglichkeit, sie zu transportieren. Mein eigener Frachtraum ist dafür zu klein. Shimar hat sie stabilisiert, aber es wäre auch gut, wenn sie weiterhin von Expertenhand betreut würde.“ „Warte mal, IDUSA.“, hakte Zirell nach. „Warum musste er sie stabilisieren?“ „Wir sind einem genesianischen Clan begegnet, der sie angegriffen hat. Es sieht so aus, als sei es der Clan gewesen, dem sich Valora als Göttin verkauft hat. Die haben mit Rosannium geschossen. Ich konnte sie vertreiben und Shimar hat sich um das Einhorn gekümmert, das auf dem Planeten gelandet war. Es ist noch sehr jung und sehr ängstlich. Außerdem hat es seine Kräfte noch nicht wirklich unter Kontrolle. Es ist also nicht auszuschließen, dass es vielleicht gar nicht dorthin wollte, wo wir es gefunden haben. Ich selbst werde mich auch einer genauen systemischen Analyse durch Technical Assistant O’Riley unterziehen müssen, fürchte ich. Die Tatsache, dass der Planet, auf dem wir waren, ein genesianischer Männerfriedhof war, ist meinen Sensoren nämlich gänzlich entgangen.“

„Das muss nicht unbedingt ein technischer Fehler deinerseits gewesen sein, IDUSA.“, mischte sich Maron ein, dem eine Idee gekommen war. „Es könnte auch sein, dass ihr, weil ja andere Dinge Priorität hatten, das einfach übersehen musstet. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit.“

Der Erste Offizier wandte sich wieder der IDUSA-Einheit der Station zu: „IDUSA, zeig mir den aktuellen Grenzverlauf zwischen dem Gebiet der Föderation und dem der Genesianer! Gib mir die Koordinaten aller unbewohnten Planeten dort! Lege das Bild auch auf die laufende SITCH-Verbindung!“ „Wie Sie wünschen.“, sagte der Rechner der Station und führte Marons Befehle aus.

Der Agent wandte sich wieder an Shimars Schiff: „Erkennst du einige der Koordinaten, IDUSA?“ „Ja, Agent.“, sagte das Schiff. „Auf einem von diesen Planeten waren wir. Er liegt im Niemandsland und kann daher niemandem wirklich zugeordnet werden. Die Genesianer und die Föderation hätten theoretisch gleiche Rechte an ihm. Sie wissen, dass die Grenzverläufe aufgrund physikalischer Tatsachen wie Verschiebungen von Galaxien und somit auch von Planeten ab und zu angepasst werden müssen und gerade jetzt …“ „Ja, gerade jetzt, IDUSA.“, sagte Maron. „Gerade in unserer gegenwärtigen Situation muss das quasi jede Woche einmal passieren.“ „Sie denken also, Shannon kann sich die Analyse sparen?“, fragte das Schiff. „Sie kann sich ruhig wichtigeren Dingen zuwenden!“, sagte Maron. „Es ist nicht deine Schuld. Du funktionierst korrekt. Nur deine Umgebung tut das im Moment nicht.“ „Vielen Dank, Agent.“, sagte das Schiff. Dann beendete sie die Verbindung.

Zirell hatte ihren Ersten Offizier stolz angesehen. „Donnerwetter, Maron!“, sagte sie. „Du hast dich gerade selbst übertroffen! Diese Idee hätte ich dir wahrlich nicht zugetraut!“ „Ich mir selbst auch nicht.“, sagte der Demetaner, der sich wohl gerade auch vor sich selbst erschrocken hatte. „Aber wie sagt ein terranisches Sprichwort doch so schön? Ein blinder Hahn findet auch mal ein Korn.“ „Na, das war aber schon ein ganzes Weizenfeld!“, lobte Zirell stolz. „Du hättest damals auf Picards Enterprise dabei sein müssen, als Data das erste Mal ein Spiel gegen einen Menschen verloren hatte und an seinen Fähigkeiten zweifelte. Vielleicht hättest du …“ „Ach du.“, lächelte Maron, der genau gemerkt hatte, dass sie einen Scherz gemacht hatte. Zu dem Zeitpunkt, vor etwa 800 Jahren, war er schließlich noch gar nicht geboren und an einen Kontakt zwischen Demeta und der Föderation war auch noch nicht zu denken.

Die ältere Tindaranerin stand von ihrem Platz auf. „Du hast das Kommando, Maron!“, sagte sie. „Ich gehe auf die Krankenstation und rede mit Ishan.“ „In Ordnung.“, sagte der Agent. „Ich werde mich inzwischen mal mit den Vendar auf New-Vendar-Prime unterhalten. Vielleicht weiß einer von denen ja über Einhörner Bescheid.“ „Gute Idee!“, sagte Zirell und verließ den Raum.

Wie angekündigt hatte IDUSA Shimar direkt auf die Krankenstation gebeamt. Dort hatten Ishan und Nidell auch gleich damit begonnen, sich um ihn zu kümmern.

„Es sieht nicht sehr gut für ihn aus, Ishan.“, sagte Nidell traurig nach einem Scan mit dem Erfasser. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein nüchtern. „Meinen Berechnungen nach wird er in den nächsten fünf Minuten sterben, wenn nichts herausragendes mehr passiert und mir eventuell noch ein Heilmittel einfällt. Aber das Problem ist, dass die Viren nun einmal seine Zellen angreifen, weil er nun mal ist, was er ist. Ich kann ihn nun einmal das männliche Geschlechtschromosom nicht wegbehandeln. Aber ich finde sehr gut, wie professionell du mit der Situation umgehst und dass selbst du so ein nüchternes Urteil gefällt hast.“ „Danke für das Lob, Ishan.“, sagte Nidell und lächelte ihn an. „Aber ich frage mich, wie wir das Zirell erklären sollen.“

Wie auf Stichwort betrat die Kommandantin die Krankenstation. Sofort stellte sie sich vor Ishan hin und forderte: „Bericht!“ „Leider können Nidell und ich dir keine Hoffnungen machen, Zirell.“, sagte der Arzt sachlich. „Meinen Berechnungen nach wird Shimar in den nächsten fünf Minuten sterben.“ „Kannst du nicht …?“, begann Zirell, die jetzt sichtlich mit ihrer Fassung kämpfte, eine Frage. „Nein, das kann ich nicht.“, sagte Ishan sachlich, aber bestimmt. Schon als Aldaner hatte er immer sehr sachlich und besonnen, ja fast vulkanisch, gedacht, und gehandelt, was für seine Rasse ja ganz normal war. Aber jetzt, als Androide, fiel ihm das noch viel leichter. Er war in gewisser Hinsicht in einer Zwickmühle. Als Arzt wusste er, dass er gegenüber Freunden und Angehörigen seiner Patienten seine Worte sehr sorgfältig wählen musste, aber er wusste auch, dass Zirell es nicht mochte, wenn man um den heißen Brei herumschlich wie eine Katze und von ihm würde sie das schon mal gar nicht erwarten. Er wusste also, dass er genau das Richtige getan hatte.

„Erkläre mir doch bitte noch mal dieses Virus genauer, Ishan.“, sagte Zirell. „Warum greift es nur Männer an?“ „Weil Männer das Y-Chromosom besitzen.“, sagte Ishan. „Das ist der Faktor, auf den die Viruszellen Appetit haben und von dem sie leben. Ich kann nicht betroffen werden, da mein Körper keine DNS in dem Sinne hat. Mein Körper ist eine Maschine, die von Jenna aus replizierten Androiden-Teilen zusammengebaut wurde.“ „Das ist mir bekannt.“, sagte Zirell. „Ich war ja selbst bei deiner Aktivierung dabei. Ich weiß auch, dass Polymere und Metall keine humanoide DNS sind, weil sie ganz anders zusammengesetzt sind. Das fängt meines Wissens schon auf der molekularen Ebene an. Wenn nicht sogar auf der atomaren. Was soll da erst auf Zellebene geschehen? Du sagst also, es gibt kein Heilmittel?“ „Ich kann nicht das aus Shimar herausnehmen, was er ist.“, sagte Ishan. „Verstehe.“, sagte Zirell. „Er ist nun einmal männlich und daran lässt sich nicht drehen.“

Ihr Blick war auf Nidell gefallen. „Warum arbeitet sie mit Handschuhen, wenn das Virus doch nur Männer befällt?“, fragte Zirell. „Weil auch sie theoretisch zur Überträgerin werden könnte.“, antwortete der Arzt. „Stell dir vor, sie berührt Shimar und gibt danach Joran die Hand.“ „OK, OK.“, sagte Zirell etwas erschrocken. „Ich verstehe. Aber das bedeutet dann wohl auch, dass selbst ich mich Shimar nicht nähern darf.“ „Zumindest nicht, ohne dir das hier über deine Uniform zu ziehen.“, sagte Ishan und reichte ihr einen Seuchenanzug. „Na, dann gehe ich mich mal umziehen.“, sagte Zirell und drehte sich zum Gehen, um sich in einem anderen Zimmer umzuziehen.

Im gleichen Augenblick aber begannen an dem Biobett, auf dem Shimar lag, sämtliche Lämpchen rot aufzuleuchten und die Alarme piepten. Gleichzeitig verlangte Nidells glockenhelle Stimme nach Ishan. Dieser machte sich sofort auf den Weg, aber es war zu spät. Er sah Nidell nur noch an, die mit einem Erfasser neben Shimars Bett stand und darauf deutete. Dann nickte er nur noch langsam, aber deutlich. „Ich nehme an, ich muss hier niemandem mehr die Hand im Todeskampf halten.“, sagte Zirell. „Das ist korrekt.“, antwortete Ishan. Sein Körper wird bald kristallisieren. Dann wird es besser sein, wenn wir ihn schnell beerdigen.“ „Ich denke aber, er sollte trotz allem eine militärische Beerdigung bekommen.“, sagte Zirell und sah ihn fragend an. „Du meinst also ein Astronautengrab.“, sagte Ishan. „Nun, dem steht nichts im Wege. Wenn er selbst tot ist, dann werden auch die Viren in seinem Körper keine Nahrung mehr finden und buchstäblich verhungern. Ein Kristall hat ja auch keine menschliche DNS. Also können wir ihn ruhigen Gewissens im Weltraum bestatten.“

Er hatte nicht bemerkt, dass er mit seinem vorletzten Satz bereits in die richtige Richtung zum Finden eines Heilmittels unterwegs gewesen war. Die weiteren Schritte sollte aber später jemand ganz anderes tun.

Zirell war aufgefallen, dass Nidell leise zu weinen und ein tindaranisches Gebet zu sprechen begonnen hatte. „Ich kümmere mich um deine Assistentin.“, flüsterte sie Ishan zu, der ihr nur zunickte. Dann kniete sie sich neben die ebenfalls vor Shimars Bett kniende Nidell und fiel ebenfalls in das Gebet, das sie auch gut kannte, ein.

Maron hatte inzwischen versucht, mit den Vendar auf New-Vendar-Prime Kontakt aufzunehmen. Umso erstaunter war er, als er statt des Gesichtes von Sianach das von Darell auf dem Schirm hatte. „Was tust du in Sianachs Haus, Darell?“, fragte der Demetaner erstaunt. „Ich muss dich enttäuschen.“, sagte das Regierungsoberhaupt der Tindaraner. „Du bist nämlich gar nicht bei deinen Freunden auf New-Vendar-Prime gelandet, sondern im tindaranischen Regierungsgebäude auf Tindara.“ „Wie kann das sein?“, fragte Maron. „Ich habe IDUSA doch eindeutig das Rufzeichen von Sianach eingegeben.“ „IDUSA trifft ja auch keine Schuld.“, sagte Darell. „Alle Ingenieure, die im Oberkommando sitzen, überschreiben automatisch alle Sicherheitskennungen der untergeordneten Techniker. Auch Shannon oder gar Jenna haben nicht verhindern können, was wir tun mussten.“ „Jetzt werde bitte mal konkret, Darell.“, sagte Maron, dem die Situation langsam etwas merkwürdig vorkam. „Was ist denn überhaupt geschehen und was musstet ihr denn so Unangenehmes tun?“ „Meine Kollegen und ich haben eine Kontaktsperre verhängt.“, sagte Darell. „Kein Tindaraner, ob nun zivil oder militärisch, darf mehr Kontakt zu den Vendar auf New-Vendar-Prime aufnehmen.“ Sie hatte das gesagt, als sei es das Normalste der Welt und als sei sie sogar froh darüber gewesen.

Der Erste Offizier musste erst einmal schlucken. Das, was er gerade gehört hatte, konnte und wollte er nicht glauben!

„Wie in aller Götter Namen ist es denn dazu gekommen?!“, fragte er schließlich, nachdem er mühsam seine Fassung wiedergefunden hatte. „Denkst du nicht, dass ihr da einen gewaltigen Fehler macht, Darell?!“, fragte Maron. „Die Vendar haben Sytania gedient und wissen mehr über sie, als wir im Laufe der ganzen Jahre zusammengetragen haben! Warum also auf einmal diese Aktion?!“ „Wenn ich ehrlich sein darf, Maron.“, setzte die sichtlich ertappte Darell an. „Ja, ich bitte darum!“, sagte Maron fest und ihr ins Wort fallend. „Ich gebe es ja schon zu.“, sagte Darell mit einem beschwichtigenden Blick. „Dann liegt es nur daran, dass wir eure Berichte gelesen haben. Daraus geht hervor, wie leicht es ist, einen Vendar unter den Bann zu stellen. Wir müssen befürchten, dass auch Sytania dies tun könnte. Jedenfalls haben meine Kollegen allesamt diese Befürchtung. Auch wir haben eine parlamentarische Demokratie. Ich musste mich also der Mehrheit beugen. Jetzt haben unsere Techniker ein Programm an alle IDUSA-Einheiten in Reichweite geschickt, das dafür sorgt, dass jeder, der mit New-Vendar-Prime Kontakt aufnehmen will, sofort bei einer Stelle unserer Regierung landet. Kontakt zu einem so gefährlichen Faktor zu haben, wird von meinen Kollegen sogar als Hochverrat angesehen.“

Ihre Äußerungen hatten immer mehr Empörung bei Maron ausgelöst, die jetzt in ihm emporstieg. Jahre lang hatte die Regierung der Tindaraner den Vendar vertraut und jetzt das! Er musste sich gewaltig zusammennehmen, um nicht loszuwettern. Die einzige Begründung, die ihm dazu einfiel, war, dass sie vielleicht auf Grund der gesamten interdimensionalen Situation irgendwie kalte Füße bekommen hatten und nicht mehr so genau wussten, was sie taten. Dass sie sich da selbst einen wichtigen Ast absägten, war dem Ersten Offizier längst klar. Nur konnte er es ihr nicht so offen ins Gesicht sagen. Die einzige, die das in seinen Augen durfte, da sie ja mit Darell befreundet war, das war Zirell. Auf sie würde er jetzt auch warten und sich etwas einfallen lassen, warum er das Gespräch dringend beenden musste.

Er räusperte sich und nahm die Verbindung erst mal wieder auf. Dann sagte er: „Dabei wollte ich gar nichts Verfängliches mit den Vendar besprechen. Es ging eher um einen humanitären Akt, wobei das hier streng genommen gar nichts mit einem Menschen, sondern eher mit einem kleinen armen kranken bedauernswerten Einhorn zu tun hat, das wir auf unserer Station haben. Es muss dringend behandelt werden und wir wissen nicht wie. Du kannst doch nicht so herzlos sein, und uns diese Informationsquelle versagen.“ „Warte bitte, Maron.“, sagte Darell und legte ihn in die Warteschleife.

Wenig später kam sie wieder zu ihm zurück. Aber leider hatte sie keine sehr erbaulichen Informationen für ihn. „Es tut mir leid.“, sagte sie. „Ich darf keine Ausnahme machen und unsere Techniker sagen, eine solche ist auch nicht vorgesehen. Du wirst dir deine Informationen an anderer Stelle besorgen müssen, Maron.“ „Das werde ich auch tun.“, sagte der Demetaner und beendete das Gespräch. Er würde von dieser Ungeheuerlichkeit natürlich auch Zirell in Kenntnis setzen. Sie war es schließlich, die ihm aus dieser Situation wieder heraushelfen musste, aber er wusste auch, wie er auch sonst noch an diese Information herankommen konnte. Darell benötigte er dafür nicht und das wollte er ihr jetzt auch zeigen.

Auf der virtuellen Konsole vor seinem geistigen Auge betätigte er den Knopf für die Sprechanlage, der ihn direkt mit dem Rufzeichen des Maschinenraums verband. Am anderen Ende der Verbindung meldete sich Shannon: „O’Riley hier!“ „O’Riley, hier spricht Agent Maron.“, sagte dieser. „Kann ich mich mit Shimars Schiff unterhalten?“ „Aber gewiss können Sie das, Sir.“, sagte die blonde Irin. „Wieso sollten Sie das denn nich’?“ „Weil Sie vielleicht gerade mit IDUSAs Wartung beschäftigt sein könnten, Shannon.“, antwortete der Erste Offizier. „Ihre Vorgesetzte hat mir mal erklärt, dann könne sie nicht so, wie sie vielleicht soll, weil Sie die Finger auf den entsprechenden Dateien haben.“ „das is’ schon richtig, Agent.“, bestätigte O’Riley. „Da haben Sie sehr gut aufgepasst. Aber im Moment kann ich Sie beruhigen. Shimars Schiff und ich, wir sind fertig miteinander.“ „Also gut, Shannon.“, sagte Maron. „Dann sagen Sie ihr bitte, ich komme her, um sie zu vernehmen.“ „OK.“, lächelte die technische Assistentin. „Aber Sie können doch auch direkt mit ihr SITCHen.“ „Ach ja.“, sagte Maron. „Danke, O’Riley.“ Damit beendete er das Gespräch, aber nur um sich gleich danach durch den Rechner der Station mit dem Rufzeichen von Shimars Schiff verbinden zu lassen.

„Was verschafft mir die Ehre?“, wollte der Avatar wissen. „Was genau hat dein Pilot getan, um das Einhorn zu stabilisieren?“, fragte der Agent. „Shimar hat Energie aus dem Universum in sein telepathisches Zentrum aufgenommen und sie dann so umgewandelt, dass sie für das Einhorn verträglich war.“, antwortete das Schiff. „Könnte das jeder Tindaraner?“, fragte Maron. „Mit Sicherheit.“, sagte IDUSA. „Sehr gut.“, sagte Maron. „Dann weiß ich ja vielleicht schon, was wir tun können. Vielen Dank, IDUSA.“ „Gern geschehen, Agent.“, sagte das Schiff und beendete ihrerseits die Verbindung.

Zufrieden lehnte sich Maron zurück. Er hatte ja doch noch einiges erreichen können, trotz der Pleite, mit der dieser Tag angefangen hatte. Er wusste aber auch, dass es da noch Einiges gab, über das er mit Zirell reden musste.

Die Besagte hatte auch bald darauf die Kommandozentrale betreten. Verständlicherweise hatte sie ein sehr betretenes Gesicht gemacht. „Was ist los, Zirell?“, fragte der noch ahnungslose Maron.

Die ältere Tindaranerin gab einen schweren Seufzer von sich und setzte sich auf ihren Platz neben ihren Ersten Offizier. Dann sagte sie ernst und traurig: „Shimar ist tot.“ „Was?!“, entfuhr es Maron. „Ich meine, IDUSA hat gesagt, dass es schlecht um ihn steht, aber so schlimm?“ „Er hat sich das genesianische Virus eingefangen.“, sagte Zirell. „Das weißt du. Ishan konnte nichts mehr für ihn tun. Er konnte nur froh sein, dass er nichts mehr von seinem eigenen Leiden mitbekommen hat. IDUSA muss ihn mit Alpha-Wellen vollgepumpt haben bis zum Anschlag. Aber das war auch das Einzige, was sie tun konnte. Das wird dafür gesorgt haben, dass er den eigenen Schmerz nicht gespürt hat, weil er tief und fest schlief. So hat er sicher noch nicht einmal den eigenen Tod bemerkt. Es ging alles sehr schnell, Maron. Sehr schnell.“ „Dann werden wir wohl bald eine Beerdigung organisieren müssen.“, sagte der Erste Offizier. Zirell nickte niedergeschlagen. „Das schon.“, sagte sie. „Nur werden wir Allrounder Scott wohl kaum erreichen können. Sie war immerhin seine Freundin und noch mehr angehörige hat er nicht. Ishan hat übrigens trotz des Virus keine Bedenken gegen ein Astronautengrab. Er sagt, bis wir Shimar beerdigen werden, werden die verbliebenen Viren keine Nahrung mehr in seinem Körper finden, weil der längst kristallisiert ist. Sie werden buchstäblich verhungert sein, bis jemand ihn findet, falls jemand ihn finden sollte und Interesse an ihm hat.“ „Du denkst an Cobali?“, fragte Maron. „Da kann ich dich beruhigen, denke ich. Die sind noch nicht über die Grenzen unseres Universums hinaus tätig geworden, soweit ich weiß.“ „Die!“, rief Zirell mit viel Empörung in der Stimme aus. „Die sind noch das Harmloseste, an das ich denke! Ich weiß, dass sie mit tindaranischen Körpern nichts anfangen können. Aber überleg mal! An wen könnte ich noch denken?!“

Maron hatte den Kopf schräg in die Hände gelegt und mit dem Nachdenken begonnen. Aber es wollte ihm wirklich niemand einfallen. „Ich komme nicht drauf, Zirell.“, sagte er und sah sie Hilfe suchend an. „Na, denk doch mal an Sytania.“, half sie ihm auf die Sprünge. „Sytania?“, fragte Maron. „Was soll denn Sytania mit Shimars totem Körper wollen? Kannst du mir das vielleicht mal verraten?“ „Sie könnte verhindern wollen, das wir oder andere unserer Freunde ihm habhaft werden, um Shimar gegebenenfalls aus der Dimension der Toten zurückzuholen. „Dass so etwas unter gewissen Umständen möglich ist, hat sich ja schon gezeigt und Sytania weiß genau, dass wir wissen, wie das geht! Das wäre ihren Plänen nicht sehr zuträglich, fürchte ich! Aber, falls ich mich irren sollte, oder du meinen Theorien nicht traust, können wir ja gern mit Sianach und ihren Leuten auf New-Vendar-Prime reden! IDUSA, verbinde mich mit …“

Sie konnte ihren Satz nicht beenden, denn Maron hatte ihr blitzschnell die Hand auf den Mund gepresst. „Halt, Zirell!“, sagte er. „Du willst doch nicht als Hochverräterin enden!“

Er lockerte seinen Griff wieder und ließ zu, dass sie sich befreite. „Was zur Hölle sollte denn das bitte, Maron?!“, fragte sie streng und schnappte nach Luft. „Ich habe nur verhindert, dass du etwas tust, auf das unter diesen Umständen vielleicht die standrechtliche Tötung stehen könnte.“, sagte Maron ruhig. „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.“, sagte Zirell. „Sianach und ihre Leute sind unsere Freunde! Sie dienen schon lange nicht mehr Sytania! Also, was soll das?!“ „Deine Regierung sieht das im Moment aber leider ganz anders.“, sagte Maron. „Sie sagen, die Gefahr wäre viel zu groß, dass Sytania sie ebenfalls unter den Bann stellen kann, genauso, wie es Tolea mit Diran gemacht hat. Die Konsequenzen daraus kennst du ja.“ „Daher weht also der Wind.“, sagte Zirell. „Sie haben den Bericht über Diran gelesen und jetzt glauben sie …“ „So abwegig ist das aber auch gar nicht, Zirell.“, sagte der Demetaner. „Bedenke bitte, zu was Sytania in der Lage ist. Sie müsste dazu noch nicht einmal in der Nähe der Vendar sein. Sie könnte das auch ganz bequem von ihrer Dimension aus erledigen. Jedenfalls hat mir Darell mitgeteilt, dass die Vendar nicht mehr zu den Freunden der Tindaraner zählen, aber auch nicht direkt zu unseren Feinden. Sie werden erst einmal isoliert, bis ihr Status endgültig geklärt ist. Bis dahin besteht Kontaktsperre. Das bedeutet wohl auch, wir werden Joran auf seinen Planeten schicken müssen, wenn er zurückkommt. Jenna hat, weil sie Terranerin ist und noch nicht einmal aus unserer Dimension kommt, sicher einen Sonderstatus und darf entscheiden, ob sie ihm folgen oder bei uns bleiben will. Zumindest verstehe ich das so.“ „Bezüglich Jenna wirst du Recht haben.“, sagte Zirell. „Aber ich werde erst einmal ein ernstes Wort mit Darell reden. Sie hat den Vendar Jahre lang vertraut und jetzt auf einmal hat sie so ein Problem mit ihnen. Das kann doch nicht wahr sein! Merkwürdig, dass ihr das erst jetzt einfällt.“ „Vielleicht hat der Bericht über Diran sie erst jetzt gegenüber dieser Tatsache sensibilisiert.“, antwortete Maron. „Du musst zugeben, dass es nicht ganz abwegig ist.“ „Ja, ja.“, sagte Zirell fast etwas wütend. „Aber trotzdem empfinde ich ihre Reaktion als sehr überzogen! Übernimm du bitte die Organisation von Shimars Beerdigung. Ich habe im Moment dafür keinen Nerv! Nein, so etwas Unerhörtes! IDUSA, gib mir sofort Darell über ihren privaten Kanal. Was ich ihr sagen will, werde ich ihr als ehemalige Klassenkameradin und Schulfreundin sagen und nicht als ihre Untergebene des tindaranischen Militärs!“ „Oh wie hilfreich können doch manchmal Beziehungen sein.“, sagte Maron zynisch und grinste sie an, bevor er den Raum verließ, um sie nicht zu stören und in aller Ruhe an einem anderen Ort mit der Organisation von Shimars Begräbnis beginnen zu können.

 

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