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Der öffentliche Transporter hatte uns am Anfang einer Allee abgesetzt, die links und rechts von uralten Bäumen gesäumt worden war. Das wusste ich, da mir Sedrin einen der Stämme gezeigt und mich aufgefordert hatte, um ihn herum zu gehen. Das war mir etwas seltsam vorgekommen, weil sie so etwas sonst nie getan hatte. Sie wusste ja, dass ich mich nicht sonderlich für landschaftliche Details interessierte, außer sie würden mir direkt bei der Orientierung helfen. Aber da die Bäume ja eigentlich nichts damit zu tun haben würden, wie ich dachte, wollte mir nicht in den Kopf, was sie damit bezwecken wollte.

Nachdem ich also meinen Rundgang um den Stamm beendet hatte und wieder bei ihr angekommen war, fragte ich: „Was hat Ihre Aktion zu bedeuten, Agent?“ „Um ehrlich zu sein.“, setzte sie zu einem Geständnis an. „Ich wollte, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit einem anderen Thema zuwenden als dem Tod von Shimar. Aber ich merke schon, dass dies eher nur ein hilfloser Versuch war.“ „Das war es allerdings.“, sagte ich. „Ich hätte Ihnen aber in der Hinsicht schon etwas mehr zugetraut, Sedrin. Aber Sie müssen mich gar nicht ablenken. Sicher ist es traurig für mich, dass er nicht mehr da ist, aber ich habe gesehen, wohin er gegangen ist. Dort war ich auch schon und es ist dort gar nicht so übel. Außerdem wird er, wie ich ihn kenne, nichts unversucht lassen, um zu uns zurückzukehren. Es war nämlich noch nicht seine Zeit!“ Beim letzten Satz gab ich mir besondere Mühe, sehr überzeugt zu klingen. „Interessant.“, sagte Sedrin und drehte sich mir zu. „Und was genau haben Sie gesehen?“ „Ich habe ihn aus seinem Kopf austreten sehen.“, antwortete ich. „Im gleichen Moment war ich sicher, dass dies noch nicht das Ende ist! Ich kann es nicht erklären, Agent. Es ist …!“

Sedrin räusperte sich und unterbrach mich: „Ich war eigentlich sicher, dass wir unsere Ränge in Little Federation gelassen hatten. Zumindest für die Dauer dieses Urlaubs. Also, ich bin Sedrin, das ist Jaden und Sie sind Betsy. Ich nehme Ihnen auch das mit der Sicherheit bezüglich der Wahrnehmung von Shimars Ende ab. Sie hatten eine telepathische Verbindung zu ihm, die zwar durch seinen Tod beendet ist, aber er hat Ihnen vielleicht noch unterbewusst die Botschaft gesendet, dass er auf keinen Fall aufgeben wird! Das halte ich durchaus für möglich so kurz vor dem Ende. Schließlich kennen sich die Tindaraner mit Schutzverbindungen aus. Das erklärt allerdings auch, warum Sie vorhin, als es passierte, nicht sofort in Tränen ausgebrochen sind.“ Ich nickte ihr zu, legte meine Hand wieder auf ihren Arm und dann gingen wir weiter.

Wir kamen an einen Zaun, hinter dem es offensichtlich nach Pferd roch, eine Tatsache, die mich in unserer sehr technologischen Zeit doch etwas irritierte. Zum Fragen kam ich allerdings nicht, denn im gleichen Moment, in dem wir vor dem Zaun stehenblieben, spürte ich einen warmen Luftstrom und eine pelzige weiche Nase, an der ein ebenso weicher Kopf hing, näherte sich mir und beschnupperte mein Gesicht und meinen Oberkörper. Dann begann das Tier damit, vorsichtig mein rechtes Ohrläppchen abzulecken. „Das kitzelt!“, quietschte ich. „Na, du bist aber kontaktfreudig!“ Sedrin grinste nur hörbar. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie das alles vorher gewusst hatte.

Ich hörte Schritte auf dem Weg und ein älterer Mann kam zu uns. „Sie müssen die neuen Gäste sein, von denen mir Cupernica erzählt hat.“, sagte er mit starkem irischen Akzent. „Ganz recht.“, sagte Sedrin und stellte sich vor: „Sedrin Taleris-Huxley. Das sind Betsy Scott und mein Mann Jaden H. Huxley. Betsy ist die Patientin und mein Mann und ich betreuen sie.“ „OK.“, sagte der Ire und stellte sich jetzt seinerseits vor: „Samson O’Grady. Mir gehört das Anwesen, auf dem Sie wohnen werden. Sie sagten gerade, Mrs. Taleris-Huxley, Betsy sei die Patientin. Dann hat ja meine alte Jessy schon wieder den richtigen Riecher bewiesen. Sie erkennt nämlich sehr gut, wenn es jemandem nicht gut geht. Ich habe noch mehr Pferde. Ich biete Ausritte zum Stonehenge an. Falls Sie Interesse haben …?“

„Nicht so schnell, Mister.“, mischte sich Jaden ein. „Lassen Sie uns doch erst mal ankommen.“ „Also gut.“, sagte O’Grady. „Dann kommen Sie mal mit. Vorausgesetzt, Ihre Freundin kann sich von Jessy loseisen.“

Ich hatte Sedrins Arm losgelassen und mich meinerseits zu Jessy gedreht, um sie zu streicheln. „Hi, Jessy-Maus.“, hatte ich mit sehr lieber Stimme gesagt. „Wir sehen uns sicher wieder. Aber jetzt muss ich gehen.“ Dann hatte ich ihr über ihr weiches Fell gestreichelt. Groß war sie nicht. Ich schätzte sie auf ca. 164 cm Stockmaß. „Oh da bin ich mir ganz sicher.“, sagte O’Grady. Falls es zu einem Ausritt kommen sollte, dann würde ich Ihnen Jessy geben, Betsy. Sie ist die Ruhigste. Cupernica hat mich über alles informiert. Es ist ja mehr als offensichtlich, wie gut ihr beide euch verstehet.“ Als wollte Jessy das bestätigen, leckte sie mir noch einmal zum Abschied quer durchs Gesicht. „Na, Berührungsängste sind für dich wohl ein Fremdwort, was?!“, lächelte ich. „Sie erinnert mich sehr an Kipana.“, lachte Sedrin. „Die zeigt ja gegenüber Ihnen ein ganz ähnliches Verhalten.“ Ich nickte.

Samson hatte Jaden einige der Koffer abgenommen und die Beiden waren vorausgegangen. Nun folgten ihnen auch Sedrin und ich. Wir waren bald auf einem großen Gelände angekommen. Hier führte unser Gastgeber uns zu einer kleinen heimelig anmutenden Campinghütte, die aus rot gestrichenem repliziertem Holz bestand. Mit ihren kleinen Erkern sah sie sehr gemütlich aus, wie mir Sedrin beschrieb.

O’Grady übergab ihr eine Schlüsselkarte, mit der sie den Eingang entsicherte. Dann gingen wir hinein. Offensichtlich waren wir gleich im sehr großzügig geschnittenen Wohnzimmer angekommen. „Also.“, sagte Sedrin. „Rechts ist gleich ein Esstisch mit vier Stühlen. Ich lasse die Farben weg. Die interessieren Sie ja sowieso nicht. Geradeaus ist ein Schreibtisch mit einer Konsole für den Replikator.“ „Gibt es hier ein Sprechgerät?“, fragte ich. „Wenn Sie eines benutzen wollen.“, sagte Samson. „Dann können Sie das im Vorraum meines Hauses tun. Da habe ich eines für Gäste.“ „Danke, Mr. O’Grady.“, sagte ich. „Ach.“, machte er. „Nennen Sie mich doch einfach alle Sam.“ „OK, Sam.“, sagten wir alle zusammen, was aber keinesfalls unsere Absicht war, weshalb wir alle lachen mussten.

Er legte ein Pad auf den Schreibtisch. „Da drin.“, sagte er und zeigte darauf. „Finden Sie alles, was wichtig ist. Sollten Sie noch Fragen haben, können Sie mich jederzeit im Haupthaus am Ende des Weges finden.“ „In Ordnung.“, sagte Jaden, schnappte sich das Pad und vertiefte sich ins Lesen.

Sedrin führte mich durch eine Tür, die sich links von uns befunden hatte. Nun waren wir auf einen Flur gekommen. Hier setzte sie mich vor einer Holzwand ab, der ich weiter folgen sollte. So kamen wir zu einer weiteren Tür, die ich öffnete. „Das scheint ein Schlafzimmer für ein Ehepaar zu sein.“, sagte sie. „Aber ich würde sagen, wir schlafen hier. Dann kann ich nachts besser auf Sie aufpassen. Jaden wird sich wohl mit dem einzelnen Schlafzimmer am Ende des Gangs zufrieden geben müssen.“ „OK.“, sagte ich. „Wenn er damit einverstanden ist?“

„Das bin ich.“, sagte Jaden, der inzwischen mit den Koffern eingetroffen war. „Wie sollen wir das denn auch sonst hinkriegen?“ Er manövrierte Sedrins und meinen Koffer durch die Tür. „Danke, Jaden.“, sagte Sedrin. Dann zog sie mich durch die Tür ins Zimmer und schloss sie hinter uns.

„Es dürfte einfacher für Sie sein, wenn Sie das Bett an der Tür nehmen.“, sagte sie. „Später zeige ich Ihnen alle wichtigen Wege hier im Haus. Auch die Hausordnung lese ich Ihnen vor, sobald mein Mann damit durch ist. Sie haben ja keines Ihrer Geräte dabei. Aber jetzt sollten wir erst einmal auspacken.“ „In Ordnung, Sedrin.“, sagte ich. „Vielen Dank, dass Sie mir so sehr helfen.“ „Das ist doch selbstverständlich.“, sagte sie. Dann hoben wir unser Gepäck auf die Betten und begannen mit dem Auspacken. Ich bekam auch die der Tür zugewandte Hälfte des Kleiderschranks. Sedrin meinte, das würde mir auch bei der Orientierung helfen. Die gesamte Aufmachung der Hütte, bis auf den Replikator selbstverständlich, hatte mich sehr an mein Zuhause in meinem Jahrhundert erinnert. Hier war tatsächlich alles etwas primitiver, als es Sedrin und Jaden gewohnt waren. Ihre Prognose, ich würde mich am schnellsten zurechtfinden, konnte sich also durchaus bewahrheiten.

An Bord von Jorans Schiff waren Joran, Jenna und Tchiach mit dem Warten beschäftigt. Sie warteten auf das Signal von IDUSA, die sie verständigen sollte, sobald wir an unserem Urlaubsort angekommen wären. Das Ziel hatte Jenna, nachdem sie es von Sedrin erfahren hatte, dem Schiff per Gedankenbefehl eingegeben. Von ihrem heimlichen Passagier hatten sie noch immer nichts bemerkt.

IDUSA lud plötzlich alle Reaktionstabellen und meldete: „Joran, Jenna, ich habe etwas entdeckt.“ „Was ist es, IDUSA?!“, fragte der Vendar alarmiert, der sofort hellwach im Pilotensitz gesessen hatte. „Zeig es uns!“ „Sofort, Joran.“, sagte das Schiff nüchtern und führte die Befehle ihres Piloten aus. Auch Jenna bekam das Bild über den Neurokoppler zu Gesicht. „Merkwürdiger Energieschleier.“, flüsterte die Technikerin vor sich hin. „Welche Zusammensetzung hat der Schleier genau, IDUSA? Woraus besteht er?“ „Meinen Scans nach.“, sagte das Aufklärungsschiff des tindaranischen Militärs. „Besteht der Schleier aus Sytanias neuraler Energie.“

„Das kann ich nur bestätigen, Telshanach.“, sagte Joran, dem sie einen fragenden Blick zugeworfen hatte. „Dass meine ehemalige Gebieterin hier ihre Finger im Spiel hat, kann ich nur bestätigen. Du weißt, dass wir Vendar spüren können, …“ „Ich weiß!“, fiel Jenna ihm ins Wort. „Ihr könnt spüren, wenn ein Mächtiger auf eine Situation Einfluss nimmt. Aber was zur Hölle ist die Aufgabe dieses Schleiers? Warum hat Sytania ihn geschickt?!“ „Ich weiß es nicht, Telshanach.“, sagte Joran. „Aber ich denke, wir sind nicht der Grund. Sonst hätte er uns längst angegriffen. IDUSA, gibt es innerhalb des Schleiers Hinweise darauf, dass er uns gefährlich werden will?“ „Ich registriere keinerlei Energetische Verschiebungen, die darauf hinweisen könnten, dass der Schleier etwas gegen uns hat, Joran.“, sagte das Schiff. „Wir sind offenbar nicht sein Ziel.“ „Beobachten, IDUSA!“, befahl Joran fest. „Melde Techniker McKnight und mir jede verdächtige Bewegung des Schleiers!“ „Zu Befehl, Joran.“, sagte das Schiff und ihr Avatar vor Jorans und Jennas geistigem Auge nahm eine zackige Haltung ein.

Tchiach hatte auf der Rückbank des Cockpits alles mitbekommen. „Auch ich spüre den Einfluss Sytanias, Vater.“, wandte sie sich Joran zu. „Aber was kann sie wollen? Wenn sie uns nicht angreift, dann könnte sie die Erde angreifen wollen, oder?“ „Das halte ich aufgrund des geringen Durchmessers des Schleiers für nicht möglich, Tchiach.“, tröstete Jenna, die sich den Schleier noch einmal vor Augen geführt hatte. „Er ist zu klein, um einem ganzen Planeten von der Größe der Erde ernsthaft gefährlich werden zu können. Er scheint eher ein Instrument der Präzision zu sein. Es scheint mir, als …“

McKnight konnte nicht weiter reden, denn sie wurde von IDUSA unterbrochen: „Ich habe den Kurs des Schleiers extrapoliert. Offenbar ist er auf dem Weg in die Atmosphäre. Wenn ich seinen Kurs dann weiter verfolge, dann fliegt er auf ein Dorf zu, dass sich ganz in der Nähe des Urlaubsortes von Allrounder Scott und den Huxleys befindet. Aber offenbar sind sie nicht das Ziel. Wahrscheinlich ist das Ziel ein Spielplatz in der Mitte des Dorfes. Aber das macht für mich keinen Sinn.“

Joran war die Weissagung wieder in den Sinn gekommen. Sytania würde verhindern wollen, dass ein Kind die Leute auswählte, die ihre Pläne durchkreuzen könnten. Also würde sie alle Kinder beseitigen wollen. Zumindest konnte er sich das vorstellen. „Sind Kinder auf dem Spielplatz, IDUSA?“, fragte er. „Ich scanne.“, sagte das Schiff, das mit seiner Frage offenbar nicht gerechnet hatte.

Nach dem Beenden ihrer Scans teilte sie Joran das Ergebnis mit: „Es befinden sich tatsächlich Kinder auf dem Spielplatz, Joran. Der Schleier hat sie fast erreicht.“ „Erfasse so viele du kannst mit deinem Transporter und beame sie zu Allrounder Scott und den Huxleys!“, befahl der Vendar. „Halt, IDUSA!“, sagte Jenna. „Wir haben keine Möglichkeit, Scott oder die Huxleys über die Situation zu informieren! Keiner von ihnen hat ein Sprechgerät. Sie mussten die Sachen zurücklassen. Erinnerst du dich? Sie werden ziemlich verwirrt sein, wenn auf einmal ein Haufen Kinder vor ihrer Nase auftaucht und die Kinder werden es auch sein.“ „Kelbesh!“, fluchte Joran. „Du hast Recht, Telshanach. Aber was tun wir dann?“

Alle überlegten angestrengt. Dann war es schließlich Tchiach, die den entscheidenden Hinweis lieferte: „IDUSA, gibt es in der Nähe der Position der Huxleys und Allrounder Scotts ein öffentliches Sprechgerät, oder gar eines für Gäste? Ich meine, das ist eine Art Pension, in der sie sind. Da wird es doch bestimmt so etwas geben.“ „Ich sehe nach, Tchiach.“, sagte das Schiff und begann zu scannen.

Sie wurde nach einer Weile tatsächlich fündig. „Ich habe in der Nähe ihrer Position tatsächlich zwei Geräte gefunden.“, meldete sie. „Das eine steht in einem Büro im Haupthaus und scheint das private und geschäftliche Gerät des Eigentümers zu sein. Zumindest geht das aus dem Rufzeichen hervor. Das zweite Gerät ist tatsächlich als eines für Gäste ausgewiesen und das sogar in seinem Transpondersignal. Leider sind weder die Huxleys noch Scott in der Nähe eines der beiden Geräte.“ „Verdammt!“, schimpfte Jenna.

„Scanne das Haus noch einmal, IDUSA.“, befahl Joran. „Befindet sich überhaupt irgendjemand in der Nähe der Geräte?“ „Affirmativ.“, sagte das Schiff nach einem weiteren Scan. „Da mir das Biozeichen aber unbekannt ist, denke ich, dass es sich um den Eigentümer handeln muss. Er befindet sich in der Nähe des Gerätes im Büro.“ „Ruf das Gerät, IDUSA!“, befahl Jenna. „Und dann verbinde mit mir. Ich denke, dass wir vorsichtig sein müssen, da er bestimmt Zivilist ist und wir ihn nicht erschrecken dürfen. Er sollte zuerst das Gesicht einer Landsmännin sehen.“ „OK, Techniker McKnight.“, sagte das Schiff und führte Jennas Befehl aus.

Sam war in seinem Büro mit der Buchhaltung und der Terminplanung beschäftigt. Deshalb hatte er das Piepen seines Sprechgerätes zunächst nicht wahrgenommen. Erst als es ihn allmählich zu nerven begann, drehte er sich dem Gerät zu. Das unbekannte Rufzeichen im Display irritierte ihn sehr. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Trotzdem beschloss er, das Gespräch anzunehmen, denn er war immer schon ein sehr neugieriger Mensch gewesen.

Er nahm also das Mikrofon aus der Halterung und drückte die Sendetaste. Dann meldete er sich: „Hier spricht Samson O’Grady. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Ich bin Techniker Jenna McKnight von den tindaranischen Streitkräften!“, antwortete Jenna sehr bestimmt und mit einem ernsten Ausdruck in ihrem Gesicht, das von ihrer brünetten Haarpracht umspielt wurde. Samson, der jetzt auch ihr Bild sah, war zwar irritiert, eine Terranerin in der violetten Uniform des tindaranischen Militärs zu sehen, aber er wusste von Jenna. Sie war in allen befreundeten Dimensionen bereits zu einer Berühmtheit geworden.

„Sehr angenehm, Techniker McKnight.“, sagte O’Grady. „Worum geht es?“ „Sie haben drei Gäste.“, sagte Jenna. „Sie sind Sternenflottenoffiziere. Ich müsste dringend mit einem von Ihnen sprechen! Es ist sehr dringend, Mr. O’Grady! Wirklich sehr dringend!“ Sie hatte es absichtlich vermieden, weiter ins Detail zu gehen. Sie wusste, dass er Zivilist war und bestimmte Informationen nicht an seine Ohren dringen durften. Dennoch hoffte sie, ihr Belang doch deutlich genug gemacht zu haben. „Also gut.“, sagte der Ire. „Bitte bleiben sie dran. Ich lege Sie auf das Mobilteil und gehe damit zu meinen Gästen.“ „In Ordnung.“, sagte Jenna.

Sedrin, Jaden und ich hatten unsere Kleidung und auch sonst alle Sachen verstaut und uns in dem großzügig geschnittenen Wohnzimmer auf die weiche blumige Sofalandschaft (bitte entschuldigt) gefläzt. Während wir dann dort also saßen, hatte Sedrin angefangen, mir die Hausordnung vorzulesen, worin sie sich mit Jaden abwechselte, der mir wohl auch beweisen wollte, dass er in der Lage war, sich um mich zu kümmern. Mal las er einen Absatz und mal sie. Natürlich erwartete wohl keiner von beiden, dass ich die Hausordnung auswendig lernte, aber in groben Zügen sollten wir sie alle kennen, um uns nicht restlos daneben zu benehmen. Das fanden zumindest Sedrin und ich. Ich wusste es ja von mir selbst und sie hatte es mir gesagt. Wie Jaden dazu stand, war uns beiden nicht wirklich bekannt. Er hatte sich nicht wirklich eindeutig zu dem Thema geäußert.

Die demetanische Agentin hatte gerade damit begonnen, mir den letzten Absatz vorzulesen, als Sam das Wohnzimmer betrat und uns das Mobilteil der Sprechanlage hinhielt. „Ich habe eine Techniker Jenna McKnight von den tindaranischen Streitkräften für Sie.“, sagte er. „Ihr Belang scheint sehr dringend zu sein!“ „Was um alles in der Welt können denn die Tindaraner von uns wollen?“, fragte Jaden verdattert. „Das werde ich jetzt herausfinden!“, sagte Sedrin und stand auf. Dann sah sie O’Grady auffordernd an, der ihr das Gerät reichte. „Meine Frau is’ Agentin des Geheimdienstes der Sternenflotte.“, flapste Jaden dem etwas ängstlich in seine Richtung schauenden Sam zu. „Sie wird schon rausfinden, was hier los is’.“

Sedrin hob das Gerät an ihren Mund und drückte die Sendetaste. „McKnight, hier spricht Agent Sedrin!“, sagte sie. „Was ist los und wo sind Sie? Dem Rufzeichen zur Folge, das ich hier sehe, befinden Sie sich an Bord von Jorans Schiff.“ „Sehr richtig, Agent.“, sagte Jenna. „Und das ist in der irdischen Umlaufbahn. „Wir sollen Ihnen Unterstützung zukommen lassen. Aber im Moment sieht es so aus, als könnten wir die eher von Ihnen brauchen. IDUSA hat einen Energieschleier registriert, der auf den Spielplatz des Dorfes zufliegt. Unseren Informationen nach kommt er von Sytania. Er hat die Kinder fast erreicht. Um sie zu retten, müssen wir sie zu Ihnen beamen. Haben Sie Rosannium bei sich?“ „Negativ, McKnight.“, sagte Sedrin. „Aber ich habe eine Idee! Warten Sie!“

Sie wandte sich O’Grady zu: „Sam, gibt es in diesem Haus alten Schmuck, der Rosenquarz enthält?“ „Ja, Agent.“, sagte der etwas verwirrte Mann. „Warum wollen Sie das wissen?“ „Weil wir ihn benötigen werden.“, antwortete Sedrin. „Mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Bitte vertrauen Sie mir.“ „Ich vertraue Ihnen, Agent.“, sagte der Zivilist, dem verständlicherweise nicht ganz klar war, was hier gespielt wurde. Aber er wusste, dass man sich auf die Anweisungen der Sternenflotte in Gefahrensituationen immer verlassen konnte, so absurd sie auch im ersten Moment scheinen mochten. „Ich hole den Schmuck! Es sind einige Erbstücke, die sich seit Jahrhunderten in Familienbesitz befinden. Früher glaubten meine Leute, sie würden gegen den bösen Blick helfen.“ „In gewisser Weise stimmt das ja auch.“, entgegnete Sedrin. „Aber mehr darf ich Ihnen nicht sagen! Jetzt gehen Sie bitte und holen den Schmuck!“ O’Grady nickte und rannte davon.

IDUSA hatte Jenna und Joran die Position des Energieschleiers im Verhältnis zur Position der Kinder dargestellt. „Sytanias Schöpfung hat die Kinder fast erreicht!“, stellte Jenna fest. „Wenn wir selbst in die Atmosphäre fliegen und auf den Schleier feuern würden, könnten wir auch sie gefährden!“ „In der Tat, Telshanach.“, stellte der Vendar fest. „Die Kinder müssen dort weg. IDUSA, beame sie zu Agent Sedrins Position!“ „Mein Transporter ist nicht groß genug, um alle Kinder gleichzeitig zu erfassen.“, widersprach das Schiff. „Und wir haben auch nicht die Zeit, um zweimal zu beamen. Der Schleier hat seine Fluggeschwindigkeit sogar noch erhöht. Meinen Berechnungen nach wird er in 10 Sekunden auf die Kinder treffen.“ „Kelbesh!“, fluchte Joran. Und Jenna sagte: „Oh nein. Das heißt, wir müssen entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss. In so einer Situation wollte ich eigentlich nie sein.“ „Ich auch nicht, Telshanach.“, sagte Joran und schlug traurig die Augen nieder.

Tchiach hatte die gesamte Zeit über nachdenklich aus dem Fenster gesehen. Was sie dort sah, hatte sie zum Lachen gebracht. „Vater, Stiefmutter Jenna, Da kommt ein, ein, ein riesiger gestreifter Kürbis!“, rief sie plötzlich aus. Auch Jenna musste lachen. „Der einzige gestreifte Riesenkürbis, den ich kenne, ist das Schiff von Allrounder Scott.“, sagte sie erleichtert. „IDUSA, können deine Sensoren das bestätigen?“ „Affirmativ, Techniker.“, sagte die Angesprochene. „Aber sie bestätigen noch etwas anderes. Offenbar hat Lycira die Hälfte der Kinder mit ihrem Transporter erfasst. Wenn ich jetzt die andere Hälfte nehme, könnten wir sie alle retten und uns dann um den Schleier kümmern.“ „Mach es so, IDUSA!“, befahl der total erleichterte Joran seinem Schiff. Ihr Avatar nickte und sie führte den Befehl synchron mit Lycira aus.

Erwartungsgemäß waren die Kinder etwas verwirrt, als sie in der Campinghütte in unserer Nähe ankamen. Hatten sie sich doch gerade noch auf den Spielgeräten auf dem Spielplatz befunden. „Es ist alles in Ordnung!“, erklärte Sedrin und leerte die Schmuckschatulle, die Sam inzwischen besorgt hatte, auf dem Tisch vor sich aus. Dann wandte sie sich Sam zu: „Die Kinder kennen Sie, Sam. Ich denke, sie werden Ihnen eher vertrauen als mir, einer Fremden. Ich möchte, dass Sie dort hinübergehen und ihnen sagen, dass wir ein neues Spiel mit Ihnen spielen. Jeder nimmt sich ein Schmuckstück und legt es an. Dann laufen alle damit zu Ihnen.“ „OK.“, sagte Samson, der den Eindruck gewonnen hatte, dass sie sehr wohl wusste, was sie tat und vor allem die Situation sehr gut einordnen konnte. Offenbar gab es da draußen eine Gefahr für die Kinder und sie war die Einzige, die sie davor bewahren konnte.

Er ging also zur gegenüberliegenden Wand und rief den Kindern von dort aus zu: „Passt auf! Wir spielen jetzt ein ganz tolles Spiel! Jeder von euch nimmt sich ein Schmuckstück und legt es sich an. Dann bringt ihr es alle zu mir. Mal sehen, wer die oder der Schnellste ist!“

Fast alle taten, was ihnen Sam gesagt hatte. Nur ein kleiner Junge von ca. sechs Jahren mit einer bunten Jeans und kurzen braunen Haaren weigerte sich. „Das mach‘ ich nich’, Dad’!“, rief er mit viel Entrüstung aus. „Du sagst doch immer, das is’ Mädchenkram!“ „James O’Grady!“, polterte Sam los. „Du wirst tun, was dein …!“ „Warten Sie!“, ging ich dazwischen. „Das machen wir anders!“

Ich drehte mich dem Kleinen zu, dessen Stimme ich sehr gut wahrnehmen konnte. Dann hockte ich mich neben ihn und flüsterte ihm zu: „Pass auf, James. Ich bin die Tante Betsy. Ich weiß ein Geheimnis über diesen Schmuck. Er hilft gegen das, was dich und deine Freunde in Gefahr gebracht hat. Er ist also eine Waffe! Das macht dich zu einem kleinen Soldaten, wenn du ihn trägst.“ „OK.“, sagte James etwas zögerlich, aber dennoch sehr vertrauensvoll und streckte seine Hand nach einer Kette aus. Ich wusste selbst nicht wie, aber offenbar hatte ich irgendwie einen Draht zu ihm bekommen und ein kleiner Soldat wollte er offensichtlich gern sein. „Hilfst du mir mit dem Verschluss, Tante Betsy?“, fragte er dann. Ich nickte und machte mich in seinem Nacken zu schaffen. „So.“, sagte ich. „Und nun lauf!“

Sytanias Geschöpf hatte zwar das Grundstück der O’Gradys erreicht, aber im gleichen Moment war es, wegen des Rosanniums in der Luft des Hauses unter sich, das ja auch die Wände nach außen durchdringen konnte, sehr schwach geworden und hatte seine strukturelle Integrität schon um ein Vielfaches eingebüßt, wie IDUSA ihrer Besatzung mitteilte. „In Ordnung.“, sagte Joran zufrieden. „Den Rosannium-Phaser auf das Wesen abfeuern, IDUSA! Geben wir ihm den Rest!“ „Wie Sie wünschen, Joran.“, sagte das tindaranische Militärschiff nüchtern und führte den Befehl ihres Piloten aus. Der Energieschleier wurde in alle Richtungen zerstreut und löste sich auf. „So.“, sagte Joran, dem es offenbar großen Spaß gemacht hatte, das Geschöpf seiner ehemaligen Gebieterin hinzurichten. „Hat noch jemand irgendwelche Fragen, Bitten oder Anmerkungen?“ „Ja, ich.“, sagte Jenna. „Kann ich Mr. O’Grady jetzt sagen, dass die Gefahr gebannt ist?“ „Das kannst du, Telshanach.“, sagte der zufriedene Vendar. „Gib mir die Verbindung, IDUSA.“, sagte Jenna.

Samson war sehr erleichtert, ihr Gesicht wieder auf dem Display des Sprechgerätes zu sehen. „Es ist alles wieder in Ordnung, Mr. O’Grady.“, sagte Jenna beruhigend. „Vielen Dank, Techniker McKnight. Sie haben unter anderem auch das Leben meines einzigen Kindes gerettet. Ich würde mich Ihnen gegenüber gern erkenntlich zeigen. Wie wäre es, wenn Sie herkämen und ein paar Tage in der zweiten Hütte verbringen. Natürlich aufs Haus.“ „Das ist sehr nett.“, sagte Jenna. „Aber ich bin nicht allein. Ich muss das mit den anderen Beiden besprechen. Einen kleinen Moment bitte.“

Sie ließ den Sendeknopf los. „Wir sollten annehmen, Telshanach.“, sagte Joran und auch Tchiach nickte. „Das denke ich auch.“, sagte Jenna. „Umso näher sind wir an Betsy und den Huxleys.“

Jenna nahm das Gespräch wieder auf: „Mr. O’Grady, wir nehmen an! Aber Sie sollten die armen Kinder nach Hause schicken. Wir kommen dann zu Ihnen.“ „In Ordnung, Techniker McKnight.“, sagte Sam und beendete das Gespräch.

Dann wandte er sich den Kindern zu: „Es ist alles wieder gut. Ihr müsst keine Angst mehr haben. Geht ruhig nach Hause. Eure Eltern warten sicher schon.“ „Danke, Onkel Sam.“, sagten alle, nahmen einander an die Hände und verließen Hütte und Grundstück, nachdem sie den Schmuck zurückgegeben hatten.

Wenige Sekunden danach erschienen auch Joran, Jenna und Tchiach vor uns. IDUSA hatte sie zu uns transportiert, sobald sie das Weggehen der Kinder registriert hatte. „Ich grüße euch.“, wandte sich Joran an uns drei und gab uns allen nacheinander die Hand. Auch Jenna und Tchiach taten es ihm gleich. „Hallo, Joran.“, sagte Sedrin. „Aber wie haben wir eigentlich zu verstehen, dass ihr uns unterstützen wollt?“ „Anführerin Zirell meint, dass die Regierungen nicht unbedingt den Ernst der Lage verstehen.“, antwortete Joran. „Deshalb sollten wir in Bereitschaft sein, damit ihr euch nicht erst lange mit der Regierung der Föderation herumschlagen müsst.“ „Oh, die haben im Moment wohl ganz andere Probleme.“, sagte Sedrin. „Es gibt Neuwahlen, Allerdings werden die nicht zur Bildung einer neuen Regierung führen, wie ich das sehe. Wir sind auf dem Weg hierher an einem öffentlichen Nachrichtenportal vorbeigekommen und da stand, dass rund 80 % der abgegebenen Stimmen ungültig waren und die Wahl wiederholt werden muss. Wenn die Leute vernünftig sind, dann werden sie es immer wieder genauso machen und so hat das Misstrauensvotum keine Wirkung. Die Wahlen sind frei und geheim. Es darf also niemandem vorgeschrieben werden, wo er oder sie das Kreuz zu machen hat. Du verstehst?“ „In der Tat.“, antwortete der grinsende Vendar.

Auch Samson hatte die neuen Gäste erblickt und kam nun zu uns herüber. „Sie sind bestimmt die Leute vom tindaranischen Militär.“, sagte er. „Bitte kommen Sie mit mir. Ich zeige Ihnen Ihre Unterkunft.“ „Sehr gern, Mr. O’Grady.“, sagte Jenna, der Joran in dieser Situation sehr gern das Reden überlassen hatte. Sein Englisch war mit Fehlern gespickt und das wollte er Samson nur ungern zumuten. Dann gingen alle drei im Gänsemarsch hinter ihm her.

Jaden hatte sich mir zugewandt. „Das war verdammt gute Arbeit mit dem Kleinen, Betsy!“, lobte er. „Ich denke, ich hätte das nicht hingekriegt. Ich hätte mich wahrscheinlich verhalten wie Mr. O’Grady. Ich meine, für ihn muss das doch eine Blamage gewesen sein. Ausgerechnet der eigene Sohn benimmt sich daneben.“ „Mit Verlaub, Commander!“, sagte ich absichtlich entgegen unserer Absprache, um ihn auch etwas zu irritieren. „Ich denke, das war eher zweit- bis drittrangig. Viel dringender war es, sein Leben zu retten. Ich weiß allerdings auch nicht, warum mir das immer wieder passiert. Ich war nie Mutter und kann somit doch gar nicht wissen, wie man mit Kindern umgeht. Gut, ich mag vielleicht einige recht sichere Instinkte haben, aber …“

Sedrin war herübergekommen und hatte sich zwischen mich und ihren Mann gestellt. „Aber ich weiß es, Allrounder!“, sagte sie ebenfalls entgegen unserer Absprache, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Während Ihrer Ausbildung zur Kommunikationsoffizierin wurde Ihre Fähigkeit kultiviert, wenn es nötig ist, die relevanten Informationen aus Gesprächen herauszuhören und herauszufiltern, um dann entsprechend auf sie zu reagieren. Nicht jeder, der einen Notruf absetzt, ist ein trainierter Sternenflottenoffizier, der genau weiß, was er sagen muss, um Ihnen die passenden Informationen zu geben. Es kann sein, dass Ihr Gegenüber Panik verspürt in einer Notsituation und auch gar nicht auf Ihre Fragen eingehen kann. Dann müssen Sie gut zuhören und die andere Person reden lassen, um an die Informationen zu gelangen. Was war das entscheidende Wort, auf das Sie reagiert haben? Warum haben Sie ihm denn das mit der Waffe gesagt, he?“ „Mädchenkram.“, stellte ich fest. „Offenbar habe ich völlig wertfrei auf den Begriff Mädchenkram reagiert. Mein Verstand muss einen Weg gesucht haben, diesen angeblichen Mädchenkram in so genannten Jungskram zu verwandeln, ohne dass mich diese doch nicht wirklich zeitgemäße Aussage emotional tangiert hat. Der Kleine kann ja nichts dafür, wenn sein Vater ihn so erzieht und …“ „Sehr richtig.“, sagte die Agentin. „Und Kindermund tut ja meistens Wahrheit kund. Ich schätze, die Offenlegung seiner Erziehung vor so vielen Frauen war Mr. O’Grady sehr peinlich und ein getroffener Hund bellt nun einmal.“ Ich nickte ihr nur bestätigend zu.

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