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Shary und Tchey waren an dem Punkt angekommen, von dem aus der Wettflug starten sollte. „Ich habe ein mulmiges Gefühl bei der Sache, Tchey.“, meldete das Schiff Bedenken gegenüber ihrer Pilotin an. „Nanu.“, sagte Tchey mit viel Erstaunen in der Stimme. „Es war doch deine eigene Idee. Und jetzt auf einmal machst du einen Rückzieher? Sieht dir gar nicht ähnlich, Shary.“ „Ich mache keinen Rückzieher.“, verteidigte sich Shary. „Ich denke nur, dass wir die Chancen hätten gerechter verteilen sollen.“

Tchey klopfte sich auf die Schenkel vor Lachen. „Die Chancen gerechter verteilen!“, prustete sie. „Ja, das sollten wir tatsächlich. Wir sollten auf die armen Genesianerinnen wirklich etwas Rücksicht nehmen. Vielleicht hättest du doch eine leichtere Strecke berechnen sollen, Shary.“ Sie lachte erneut auf. „Hochmut kommt vor dem Fall, Tchey.“, mahnte Shary und der Avatar vor Tcheys geistigem Auge hob mahnend den Zeigefinger ihrer rechten Hand. „Ruhig, Shary.“, sagte Tchey und riss sich merklich zusammen. Die Reaktion ihres Schiffes hatte sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. „Es tut mir leid. Ich hätte mich nicht so über deinen Einwand lustig machen dürfen. Aber sag mir doch mal, was du genau meintest.“ „Es ist wegen der Cobali.“, sagte Shary und klang dabei schon wieder etwas unsicher. „Was ist, wenn ich mein Versprechen gegenüber ihnen nicht einhalten kann, weil wir verlieren. Bei zehn Genesianerinnen ist die Chance zehnmal so hoch, dass eine von ihnen gewinnt. Auch wenn ich die beste Pilotin der Föderation an meiner Seite habe. Aber vielleicht ist die Beste der Genesianerinnen ja genauso gut wie du oder, was wir nicht hoffen wollen, sogar besser! Ich meine …“ „Hey!“, fiel Tchey Shary harsch ins Wort. „Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn man mich herabwürdigt. Aber du hast dich in einem geirrt, Shary. Die Chance ist nicht zehn zu eins, sondern es steht zehn zu zwei. Immerhin bist du eine selbstständig handelnde und denkende künstliche Intelligenz.“ „Aber in den Augen der Genesianer bin ich nur ein Gegenstand.“, sagte Shary. „Nur eine Maschine.“ „Diskutieren die Genesianer gerade die Sache mit dir durch, oder tu ich es?!“, fragte Tchey spitzfindig wie eine Anwältin. Sharys Avatar vor ihrem geistigen Auge zeigte auf sie. „Na also.“, sagte die Reptiloide. „Und ich sehe dich als gleichwertige Partnerin. Das weißt du doch, oder?“ „Danke, Tchey.“, sagte Shary.

Neben ihnen tauchten plötzlich zehn kleine wendige genesianische Schiffe auf. „Ah, die Konkurrenz ist auch schon da.“, lächelte Tchey. „Shary, siehst du die Rapach?“

Shary scannte die Umgebung. „Ja, ich sehe sie.“, sagte sie dann. „Sie ist genau hinter uns allen. Jetzt werden wir gerufen. Es ist ein Sammelruf, den auch die Genesianerinnen hören können.“ „OK.“, sagte Tchey. „Dann stell mal durch.“

Der Avatar nickte und dann wich ihr Bild dem der Obersten Prätora. „Teilnehmerinnen, ich werde euch jetzt noch einmal die Regeln dieses Wettstreits in Erinnerung rufen. Jede von euch muss die Strecke, die ich euch in einer SITCH-Mail geschickt habe, bis zur Wendemarke fliegen und dort zurück. Wer als Erste wieder hier ankommt, hat gewonnen! Die Waffen gegeneinander zu verwenden, oder gar durch unfaire Manöver den Antrieb einer Gegnerin zu beschädigen, ist nicht erlaubt. Schilde dagegen sind es, da ihr auch an Stellen vorbeikommen werdet, an denen es massive Strahlung gibt! Wer noch Fragen hat, kann sie mir gern stellen.“

Shashana hatte kurz abgewartet. Da aber kein Rückruf kam, fuhr sie fort: „Dann werde ich jetzt jeder ihre Startnummer senden. Ihr fliegt dann in Zweierreihen nebeneinander los. Jede Reihe bekommt ein eigenes Startsignal wie bei einer Staffel, damit nicht alle miteinander kollidieren.“

Es gab eine kurze SITCH-Mail, die Tchey sofort per Gedankenbefehl öffnete. Daraus konnte sie ersehen, dass sie und Shary leider eine sehr niedrige Startnummer hatten. „Wir sind an neunter Stelle.“, sagte sie. „Aber das macht nichts. Ich liebe Herausforderungen!“ „Ich auch.“, sagte Shary. „Frag mal meinen Antrieb. Der freut sich schon, den Genesianerinnen unsere Plasma-Rückstände um die Ohren zu jagen.“ „Nun mal ganz ruhig und ganz langsam, Shary.“, sagte Tchey. „Erst mal müssen wir etwas umparken.“ Damit erteilte sie Shary den Befehl, sich zu drehen und die Position an neunter Stelle einzunehmen. Dann drehte sich die Rapach jeder Reihe einzeln zu und feuerte drei Mal kurz mit dem Phaser in den leeren Raum. Das war das vereinbarte Startzeichen.

Vor dem Kontaktkelch sitzend hatte Sytania die Situation um Tchey und die Genesianer beobachtet. Auch Telzan war bei ihr. Er hatte wohl ihr Vertrauen zurückgewonnen. Offensichtlich hatte Meroola mit ihrer Vermutung Recht gehabt. Sytania nahm Telzan tatsächlich ab, dass er ein echtes Feld trug.

„Siehst du was sie tun, Telzan?“, fragte Sytania. „Ja, das sehe ich, Herrin.“, antwortete der Vendar. „Sie formieren sich offenbar zu einem albernen Wettflug. Meine Frau hat mich über die Sache in Kenntnis gesetzt, aber ich verstehe nicht, was sich Tchey Neran-Jelquist davon verspricht.“ „Dann scheint Cirnach dich nicht über alles informiert zu haben, mein guter Telzan.“, schloss die Prinzessin aus seinen Worten. „Sie scheint dir nicht gesagt zu haben, dass sie Daten hat, die unsere Position sehr gefährden könnten! Valoras und mein Status bei den Genesianern wäre dann dahin und …“ „Ihr scheint zu vergessen.“, ging Telzan dazwischen. „Dass Ihr den schon lange nicht mehr habt. Shashana hat Euch nie als Göttin angesehen und Valora schon mal gar nicht. Sie ist von Beginn an durch euer Spiel gestiegen und würde ihre Rasse lieber zum Aussterben verurteilen, als sich Euch beim Thema Fortpflanzung anvertrauen. Gut, da sind noch die Rotash. Aber sie sind ein einzelner kleiner Clan. Sie können nicht viel ausrichten.“ „Sei’s drum!“, sagte Sytania schnippisch. „Wenn die Genesianer ausstürben, dann wäre mir das auch egal! Aber das brächte mir ja auch einen Vorteil. Sie könnten mich dann auch nicht mehr bekämpfen, wenn ich vorhätte, in die Dimension Universum einzufallen. Fast immer dann, wenn die Föderation nicht gewillt war, ihre eigene Dimension zu verteidigen, haben sie das gemeinsam mit anderen Kriegervölkern übernommen. Wenn es gegen mich ging, dann standen auf einmal Genesianer und Klingonen Seite an Seite und die auswärtigen Retter dürfen wir auch nicht vergessen!“ „Ihr denkt an Euer letztes großes Debakel, Herrin, nicht wahr?“, sagte Telzan und sah sie fast mitleidig an. „Ja, genau daran denke ich und ich denke auch vor allem an die verdammten Tindaraner, wenn ich von Rettern von außerhalb rede!“ „Die!“, lachte der Vendar und klopfte sich auf die Schenkel. „Die haben im Moment eigene Probleme! Von denen habt Ihr im Augenblick gar nichts zu befürchten. Aber Ihr solltet Euch wirklich um Tchey Neran-Jelquist kümmern. Der Plan, den Ihr gemeinsam mit meiner Frau gefasst habt, dürfte sehr gut funktionieren. Wenn sie erst einmal bei Shashana unten durch ist, dann …“ „Ja, dann!“, sagte Sytania.

Es gab einen schwarzen Blitz. „Was habt Ihr getan?“, fragte Telzan neugierig, der zwar gespürt hatte, dass sie ihre Kräfte benutzt hatte, der aber selbstverständlich nicht wusste, was sie konkret tat. „Ich habe im Universum der Föderation und der Genesianer auf der Rennstrecke noch ein Hindernis mehr geschaffen!“, grinste die Königstochter. „Aber das hat es in sich. Jedes genesianische Schiff, das durch den kleinen Wirbel dort fliegt, wird danach langsam in seine Einzelteile zerfallen. Tchey und Shary jedoch wird nichts passieren. Wenn diese einfältige Reptiloide das nicht merkt, bis sie am Ziel ankommt, dann wird Shashana ihr unehrenhaftes Verhalten vorwerfen, weil sie trotz der Tatsache, dass ihre Gegnerinnen offensichtlich massive Schwierigkeiten hatten, einfach weitergeflogen ist. Lass uns mal sehen, was aus der Sache wird, mein guter Telzan.“ „Ja, Herrin.“, sagte der Vendar und legte seine Hand wieder neben die ihre auf den Fuß des Kelches um ihr dann die andere freie Hand zu geben.

Tchey und Shary hatten ihre Position nicht wirklich verbessern können. Nur ein Schiff hatten sie überholt. „Ich muss schon sagen, Shary.“, sagte Tchey, die gerade damit beschäftigt war, ihr Schiff durch ein Asteroidenfeld zu manövrieren, in dem es starke Strahlung gab, die immer stärker wurde, je tiefer sie in das Feld kamen. „Deine Strecke hat es echt in sich.“ „Was dachtest du denn, Tchey.“, erwiderte der Avatar. „Ich berechne doch keine Strecken für Anfänger! Die Genesianer hätten uns ja ausgelacht! Aber jetzt habe ich auch Schwierigkeiten. Die Strahlung hat bereits damit angefangen, meine Sensoren zu beeinträchtigen. Ich befürchte, dass meine optischen Systeme dieser Belastung nicht mehr lange standhalten.“ „Willst du mir damit sagen, dass dir langsam schwindelig wird?!“, fragte Tchey flapsig. Sharys Avatar nickte. „Dann schalte deine optischen Systeme offline!“, befahl Tchey. Die einzigen Informationen, die du jetzt kriegst, kriegst du von mir! Meine Augen funktionieren auch hier und wenn du …“

Sie hatte kurz aus einem von Sharys Cockpitfenstern gesehen. „Oh wie sauber!“, sagte sie. „Was hast du gemacht? Soviel ich weiß, hast du keine Scheibenwischer.“ „Das zwar nicht.“, sagte Shary. „Aber der Staub im Weltall hat eine bestimmte Zusammensetzung, die nur deshalb von meiner Hülle angezogen wird, weil die in bestimmter Weise polarisiert ist. Wenn ich diese Polung umkehre, dann …“ „Cool!“, sagte Tchey. „Da muss erst mal einer drauf kommen!“ „Tja.“, sagte Shary. „Ich wollte zumindest dafür sorgen, dass eine von uns den vollen Durchblick hat.“ „Nett von dir.“, sagte Tchey. „Dann können wir ja jetzt los. Vertrau mir.“

Sie gab Shary einige Gedankenbefehle, die sie auf einem vollen Impuls weiter in das Feld eindringen ließen. Shary hatte nichts gegen diese Manöver einzuwenden. Sie wusste, dass Tchey genau wusste, was sie tat.

Irgendwann hatten sie das Feld passiert. Die Flugzeit war Tchey sehr lang vorgekommen. Dieses Feld hatte ihr eine Menge abverlangt! Es hatte sie nicht nur gezwungen, Shary sehr präzise Steuerbefehle zu geben, nein, sie hatte ja auch noch für ihr Schiff sehen müssen. „Den Göttern sei Dank!“, sagte Tchey. „Hier sind wir durch! Reaktiviere deine Sensoren und sag mir, was die Genesianer so treiben!“ „Ich kann nicht mehr alle sehen.“, sagte Shary. „Das mag daran liegen, dass sie sich längst nicht mehr innerhalb der Reichweite meiner Sensoren befinden. Ich sehe allerdings neun Antriebssignaturen vor uns. Alle sind genesianisch und alle gehören zu den Schiffen, gegen die wir antreten. Mit uns sind es elf. Nur eines dürfte noch hinter uns sein. Ich scanne mal nach hinten. Ja, da ist es!“ „Keine guten Aussichten.“, sagte Tchey. „Wenn wir nicht bald eine gerade Strecke finden, auf der wir auf Warp gehen können, dann … Was ist denn das?! Komm!“

Sie gab Shary einen energischen Gedankenbefehl, der sie sofort dazu brachte, eine scharfe Linkskurve zu fliegen. Dann stoppte sie das Schiff durch eine harte Abschaltung des Antriebs. Auch die Trägheitsdämpfer schaltete sie auf volle Leistung. „Was ist denn los?“, fragte Shary irritiert. „Ich weiß es nicht.“, sagte Tchey, die vor angestrengter Konzentration etwas außer Atem geraten war. „Ich glaubte, dass ich aus dem Augenwinkel heraus etwas gesehen hätte, mit dem wir fast zusammengestoßen wären.“ „Ich habe nichts gesehen, Tchey.“, sagte Shary. „Dann war das Ding im toten Winkel deiner Sensoren.“, insistierte Tchey. „Scanne mal nach steuerbord und achtern. Dann dürftest du es auch sehen.“

Shary führte Tcheys Befehle aus, obwohl das Schiff sich zuerst keinen Reim auf sie machen konnte. Was sie dann aber sah, bestätigte alles, was Tchey ihr gesagt hatte. „Da ist nicht nur ein Teil, Tchey.“, sagte sie. „Warte, ich zeige dir die Bilder.“ Damit stellte sie ihre Sensorenbilder auf Tcheys Neurokoppler. „Du meine Güte!“, rief Tchey aus. „Aus dem, was da so rumliegt, könnte man ja ein ganzes Raumschiff bauen. Aber das kann doch nicht alles Weltraumschrott sein!“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Shary. „Dafür sind die Teile nämlich alle zu neu. Aber offenbar fallen den Genesianerinnen ihre Schiffe unter dem Hintern auseinander, seit wir durch das eine Phänomen geflogen sind. Erinnerst du dich?“ „Ja.“, sagte Tchey. Dieser Wirbel, der mir offen gesagt verdammten Spaß gemacht hat. Sag bitte nicht, du beobachtest dass schon seit …“ „Doch.“, sagte Shary und setzte zum Überholen auf ein Schiff an, dass ohne Warpantrieb vor ihnen dahindümpelte. „Shary, nein!“, sagte Tchey sehr energisch und riss die Steuerkontrolle wieder an sich. Das gelang ihr aber auch nur, weil Shary von ihrem plötzlichen Ausbruch sehr beeindruckt und verwirrt war. „Warum nicht?“, fragte sie. „Die Genesianer haben Probleme und wir nicht. Wir könnten doch jetzt unsere Position verbessern und …“ „Weil man nicht auf jemanden eintritt, der bereits am Boden liegt, Shary.“, erklärte Tchey langsam, bestimmt und deutlich. „Denk mal nach! Was würde passieren, wenn wir auf so unehrenhafte Art diesen Wettstreit gewinnen? Shashana würde uns alles, was sie uns versprochen hat, nicht mehr zubilligen und wer hätte was davon, he? Wer hätte einen Vorteil davon, wenn wir die Genesianer nicht von dem Virus befreien können? Von deinem Deal mit den Cobali gar nicht erst zu reden.“ „Sytania.“, sagte Shary kleinlaut. „Entschuldige bitte, Tchey. Da wäre ich doch gerade beinahe in ihre Falle getappt. Aufgeben dürfen wir nicht. Dann haben wir gleich verloren. Aber wir dürfen auch nicht weiterfliegen, dann sind wir Ehrlose. Was machen wir denn da nur?“ „Was wir machen?“, sagte Tchey. „Ganz einfach! Wir treten in Streik!“

Sie legte demonstrativ die Beine übereinander, während sie Shary befahl, sich entgegen der Flugrichtung zu drehen und dann ihren Ankerstrahl zu setzen. „Hoffen wir, dass Shashana auf uns aufmerksam wird.“, sagte Tchey. „Wie weit bist du von der nächsten Sonne weg, Shary? Könntest du Energie tanken?“ „Ja, das könnte ich.“, sagte das Schiff. „Du willst also, dass wir es uns gut gehen lassen.“ Tchey nickte. „Dann will ich dir aber auch etwas Gutes tun.“, sagte Shary und ihr Replikator servierte Tchey einen Drink mit Schirmchen. Natürlich war das nichts Alkoholisches. „OK.“, sagte Tchey. „Dann warten wir mal ab.“

Lange mussten sie nicht warten, denn wenige Minuten später ging bereits das letzte der genesianischen Schiffe, das sie noch nicht überholt hatte, neben ihnen längsseits. Dann wurden sie von einer Genesianerin gerufen: „Flieg gefälligst weiter, du …!“

Etwas in Tcheys Gesicht hatte die Fremde verstummen lassen. Dann sagte sie nur noch stammelnd: „Allrounder?“ Auch Tchey hatte jetzt ihr Gesicht erkannt. „Warrior?“, fragte sie ebenso verwundert. Die beiden Frauen kannten sich offensichtlich noch aus ihrer gemeinsamen Zeit auf der Scientiffica. Die Fremde war die einzige Überlebende ihres Clans gewesen und von Tchey und ihrem Commander aufgelesen worden. Dann wurde sie Warrior ehrenhalber. „Sie haben bestimmt Ihre Gründe!“, sagte die Fremde. „Allrounder Tchey Neran hatte immer ihre Gründe für ihr Verhalten! Warten Sie! Ich komme zu Ihnen an Bord und wir reden.“ Damit beendete sie die Verbindung.

Tchey sank blass im Pilotensitz zusammen. War das wahr? Hatte sie gerade wirklich mit ihrer alten Bekannten gesprochen? Aber wie konnte das sein? Droena und ihr Mann Yaron waren doch zuletzt auf die Erde nach Little Federation gezogen! Was war passiert? Warum war sie jetzt wieder in der Heimat?

„Tchey?!“, Sharys Ansprache hatte sie zusammenfahren lassen. „Was ist los? Worüber denkst du nach?“ „Erinnerst du dich noch an Warrior Droena, Shary?“, fragte die leicht verwirrte Reptiloide ihr Schiff. „Natürlich erinnere ich mich.“, antwortete Shary. „Das war doch die Genesianerin, die mir nicht über den Weg getraut hat. Sie dachte doch, ich wolle sie umbringen, weil du mir damals unbedingt helfen wolltest. Sie dachte wohl, das würde enden wie bei Tom Paris und B’Elanna Torres.“ Tchey gab einen bestätigenden Laut von sich und sagte: „Aber dabei hatte sie vergessen, dass ich nun gar kein amouröses Interesse an ihr hatte. Das ist schon mal der erste Punkt, an dem ihr Beispiel gewaltig hinkt. Aber du hattest auch viel zu viel Angst. Du hättest deine manipulative Fähigkeit auch nie gegenüber mir eingesetzt. Das entspricht auch gar nicht deinem Charakter, Shary. Du bist nicht so fies wie die gemeine Alice. Du bist eine ganz Liebe, die ihr Herz, pardon, ihre moralischen Unterprogramme, unter der richtigen Speicheradresse abgelegt hat. Du würdest niemandem etwas Böses tun. Das weiß Droena mittlerweile aber auch. Ich denke, das ist auch der Grund, aus dem sie sich doch traut, zu uns an Bord zu kommen. Aber meine ganzen Fragen, die müsste sie mir dringend mal beantworten.“

Sharys innere Sensoren hatten etwas entdeckt. „Die Gelegenheit wirst du früher haben als du denkst, Tchey.“, sagte sie. Im gleichen Augenblick sah Tchey eine Säule aus Energie neben sich, die langsam aber sicher eine feste Gestalt annahm. Dann sagte eine wohl bekannte Stimme: „Hier bin ich, Tchey!“ „Hallo, Droena!“, sagte Tchey immer noch sehr erstaunt. „Was machen Sie denn hier? Damit, dass Sie eine meiner Gegnerinnen sind, hätte ich ja nie gerechnet. „Aber warum sind Sie überhaupt hier? Das Letzte, das ich von Ihnen hörte war, dass Sie und Yaron …“ „Yaron!“, unterbrach Droena ihre ehemalige Kameradin. „Von dem bin ich geschieden, nur um Sie auf den aktuellen Stand zu bringen. Es ging einfach nicht mit uns beiden. Die interkulturellen Unterschiede waren einfach zu groß. So hat sich zumindest diese Vulkanierin ausgedrückt, die uns geschieden hat. Wissen Sie, was Yaron zu mir gesagt hat, als wir die Scheidungspapiere unterschrieben haben? Danke, dass du es mit mir versucht hast, Droena. Verstehen Sie! Er war nicht sauer, sondern typisch demetanisch verständig. Die Vulkanierin hat ihn dann auch noch gelobt und gesagt, er sei sehr vernünftig mit der Situation umgegangen. Ich wäre am liebsten vor Rührung in Tränen ausgebrochen! Aber für eine genesianische Kriegerin gehört sich das ja nicht. Ich habe meine Zelte dort sofort abgebrochen. Dort hat mich alles zu sehr an ihn erinnert. Ich ging wieder in die Heimat und die Oberste Prätora hat mich adoptiert. Mein jetziger Name lautet also: Droena Tochter von Shashana Oberste Erbprätora der Genesianer.“ „Ui!“, machte Tchey und schaute sie anerkennend an. „Das nenne ich einen Karriereschub!“ Droena grinste. „Sie und Ihre Sprüche.“, sagte sie. „Hey.“, sagte Tchey. „Das meinte ich verdammt ernst!“

Die hoch gewachsene schlanke drahtige Kriegerin setzte sich auf den Platz neben Tchey. „Ich muss Sie warnen.“, sagte Tchey mit einem Lächeln. „Ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst ist, aber Sie befinden sich gerade an Bord von Shary!“ „Das ist mir durchaus bewusst.“, sagte die genesianische Kriegerin. „Und es macht mir auch nichts aus. Zumindest nicht mehr. Ich habe meine Angst vor dir längst abgelegt, Shary. Ich weiß, dass ich damals dumm und paranoid war und mein Verhalten hat deine Versuche, zu uns ein vertrautes Verhältnis aufzubauen, nicht gerade gefördert. Es tut mir leid, Shary. Kann sie mich hören, Tchey?“ „Das kann sie.“, sagte die Reptiloide. „Aber Sie können ihre Antwort ohne Neurokoppler nicht hören. Warten Sie.“

Sie drehte sich zu Sharys Replikator, der daraufhin einen zweiten Neurokoppler ausspuckte. Diesen schloss sie an einen zweiten Port an und gab ihn Droena, die ihn sich sofort aufsetzte und wenige Sekunden danach in das Gesicht von Sharys Avatar blickte. „Hi, Shary.“, sagte sie. „Hast du mitbekommen, was ich dir gerade gesagt habe?“ „Hi, Droena.“, sagte Shary. „es freut mich dich kennen zu lernen. Aber ich habe mitbekommen, was du gesagt hast und ich nehme deine Entschuldigung an. Aber jetzt sollten wir die Daten, die wir gesammelt haben, was dieses Phänomen da draußen angeht, so schnell wie möglich an Shashana schicken. Sie sollte erfahren, warum wir in Streik getreten sind.“ „Da hast du Recht, Shary.“, sagte Droena. „Und glücklicherweise kenne ich als gute Tochter ja auch Mummys direktes Rufzeichen. Pass auf!“ „Sehr gut.“, sagte Tchey. „Dann müssen wir uns zumindest nicht mit irgendeiner begriffsstutzigen Kommunikationsoffizierin herumschlagen.“ Dabei grinste sie, denn diese Ausbildung hatte sie ja selbst. Auch die Kriegerin lächelte.

Sie gab das Rufzeichen per Gedankenbefehl in Sharys Rechner ein. Tchey, die dies durch die gemeinsame Benutzung der Neurokoppler und durch Sharys Einstellungen bedingt auch mitbekommen hatte, staunte nicht schlecht. „Wow!“, machte sie. „Sie trauen sich ja was!“ „Was wäre sie denn auch für eine Kriegerin, wenn sie sich das nicht trauen würde, Tchey.“, sagte Shary. „Als sehr mutig würde es sicher nicht gelten, wenn sie sich vor einem Raumschiff in die Hose machen würde. Und Angst davor, dass ich sie töten oder manipulieren könnte, muss sie ja nicht haben.“ Droena und Tchey nickten nur.

Vor ihren geistigen Augen erschien plötzlich das Gesicht der Obersten Prätora. „Was gibt es, Tchey?“, fragte sie, die sehr wohl erkannt hatte, von welchem Rufzeichen der Ruf gekommen war. „Wir müssen Euch etwas melden, Oberste Prätora!“, sagte Tchey fest. Dann flüsterte sie Shary zu: „Gib ihr die Daten.“ Das Schiff führte den Befehl sofort aus. „Was sind das für Daten, Tchey?“, fragte Shashana. „Sie betreffen ein Phänomen, durch das wir gerade alle geflogen sind.“, sagte Tchey. „Das Ding hat dafür gesorgt, dass all unseren Gegnerinnen ihre Schiffe quasi unter dem Hintern zerbröseln. Das fanden mein Schiff und ich total merkwürdig und sind dem mal nachgegangen. Sharys Scans haben ergeben, dass die Urheberin des Phänomens Sytania ist!“ „Sytania?!“, fragte Shashana gleichzeitig verwundert und auch etwas böse. „Was hat die Ehrlose nur bewogen, sich hier einzumischen?! Was hätte sie davon, einen einfachen Wettstreit unter ehrbaren Gegnerinnen zu sabotieren?! Ist ihr denn so langweilig?!“ „Nun, ich glaube nicht, dass das etwas mit Langeweile zu tun hat.“, sagte Tchey. „Denkt doch mal nach, Oberste Prätora. Was könnte sie für ein Motiv haben. Ich meine, ihre Vorgehensweise dürfte doch schon alles sagen. Ich könnte zum Ziel fliegen, wenn ich wollte, aber Euren Kriegerinnen fallen die Schiffe buchstäblich unter dem Hintern auseinander. Was ergibt das Eurer Ansicht nach?“

Sie gab Shary den Gedankenbefehl, die Verbindung in die Warteschleife zu legen. „Lassen wir Shashana eine Weile nachdenken.“, sagte sie. „Meine Mutter ist clever.“, sagte Droena. „Ich denke, sie wird schnell drauf kommen.“ „Sie hat Recht, Tchey.“, sagte Shary. „Shashana hatte kurz die Verbindung beendet und uns jetzt schon wieder gerufen. Das ist ja auch die einzige Möglichkeit, aus meiner Warteschleife herauszukommen.“ Dann stell sie mal durch.“, sagte Tchey.

Erneut wich das Gesicht von Sharys Avatar dem von Shashana. „Ich denke, ich weiß jetzt, was Sytanias Motiv ist!“, sagte die oberste der genesianischen Kriegerinnen fest. „Sie wollte dich dazu bringen, unehrenhaft zu handeln. Sie hatte wohl gehofft, du würdest nicht merken, dass hier etwas nicht stimmt. Aber du hast es gemerkt! Du hast gemerkt, dass du unehrenhaft gewinnen würdest unter diesen Umständen und hast alles getan, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen. Außerdem hast du Sytania gezeigt, dass du ihr Spiel nicht mitspielst. Sicher konntest du nicht alle retten, aber die Rettung des Lebens meiner Adoptivtochter rechne ich dir hoch an! Du bist eine Frau von Ehre, Tchey Neran-Jelquist! Als Lohn für dein ehrenhaftes Verhalten sollen dein Schiff und du euren Preis erhalten. Ihr werdet eine SITCH-Mail erhalten, die Koordinaten von Planeten enthält, auf denen sich Männerfriedhöfe befinden. Diese könnt ihr dann an die Cobali weitergeben. Diese hätten dann sozusagen dort Schürfrecht bis ans Ende der Zeit. Aber auch euer Geschenk will ich annehmen. Ich werde der Sonde Bescheid geben.“ „Das machen wir besser in der großen Halle, Oberste Prätora.“, schlug Tchey vor. „Da sind die Bedingungen viel besser. Wir hätten mehr Platz und …“ „Also gut.“, sagte Shashana. „Aber nenne mir doch noch alle Bedingungen, die sonst noch erfüllt werden müssen. Ich werde alles in die Wege leiten.“ „Ich denke, eine medizinische Liege wäre gut.“, sagte Tchey. „Für den Rest dürfte die Xylianerin sorgen.“ „In Ordnung.“, sagte Shashana. „Wir werden alles vorbereiten. Meine Kriegerinnen werden deinem Schiff einen Landeplatz geben und sie gegebenenfalls warten, wenn du willst. Meine Tochter wird dich begleiten und dir den Weg zu mir ebnen. Ich bin sehr gespannt auf eure Erkenntnisse! Sehr gespannt.“ Damit beendete sie das Gespräch.

Tchey wandte sich Droena zu. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so ein Schwein habe, Warrior. Sie hier zu treffen. Ich denke, wenn Sie nicht neben mir gesessen hätten, dann hätte ich die Sache Shashana noch viel intensiver auseinandersetzen müssen. Aber es kann schon sehr hilfreich sein, über Vitamin B zu verfügen.“ „Das kann es wohl.“, antwortete die Kriegerin und Shary fügte bei: „Meiner Ansicht nach war das kein kleines normales Schwein, sondern schon ein ausgewachsener Zuchteber!“ „Warum sagst du nicht gleich, es war eine ganze Farm!“, lachte Droena. Sharys Avatar grinste.

Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich plötzlich von sehr locker wieder in sehr aufmerksam. „Tchey.“, meldete sie. „Ich registriere Positionslichter. Sie signalisieren uns zu landen.“ „Dann komm, Shary.“, sagte Tchey. „Einen guten Gastgeber soll man schließlich nicht verärgern, indem man ihn warten lässt.“ „Unsere Partys sind legendär!“, grinste Droena. „Oh ja.“, sagte Tchey. „Das kann ich mir vorstellen. Und ich armes Etwas darf dann morgen wieder mit einem dicken Kopf aufwachen!“ „Das liegt ja ganz bei dir.“, sagte Shary. „Stimmt allerdings.“, sagte Tchey und gab ihr die nötigen Befehle, die auslösten, dass sie der Rapach folgten, die ebenfalls die Landekoordinaten anflog.

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