Jenna war im Maschinenraum von 281 Alpha dabei, Shimars Schiff für seine Patrouille vorzubereiten. Dabei half ihr Shannon, mit der die hoch intelligente Halbschottin gleich ein Gespräch über ihre nächtliche Eskapade anfing. Shannon hatte ihr nämlich gleich zu Arbeitsbeginn davon berichtet. Sie hatte es besser gefunden, falls noch etwas passieren sollte. „So, so.“, sagte Jenna. „Sie haben sich also den Wanst mit Pralinen vollgeschlagen. Darf man erfahren, was der Grund dafür war? Ich meine, selbst Sie halte ich für vernünftig genug, so eine Tortur Ihrem Magen nicht unbedingt mit Absicht zuzumuten, auch wenn Sie mir jetzt sicher in alt bekannter Weise widersprechen werden. Ich bin überzeugt, dass selbst Mr. O’Neill so etwas Dummes nie getan hätte.“ „Müssen Sie mir so den Wind aus den Segeln nehmen, Jenn’?“, fragte die blonde Irin missmutig. „Aber wenn Sie es genau wissen wollen, ich hatte einen Grund zum Feiern!“ „Oh.“, sagte Jenna. „Und da haben Sie vor lauter Partystimmung ihre Gesundheit vergessen. Na, das muss ja eine wilde Party gewesen sein! Darf ich wissen, was Sie gefeiert haben?“ „Oh ja.“, sagte Shannon und warf ihrer Vorgesetzten einen genießerischen Blick zu. „Das dürfen Sie. Ich hatte sogar erst vor, Sie einzuladen, aber dann habe ich mir das doch überlegt. Hätte nämlich Ihren Ruf als Genie ruiniert.“ „Upsi!“, frotzelte die brünette Chefingenieurin. „So schlimm?“
Sie zog ihre Assistentin aus dem Wartungsschacht des Schiffes wieder auf die Station zurück. Vorher entschuldigte sie sich noch beiläufig bei Shimars Schiff: „Entschuldige uns bitte kurz, IDUSA.“, und setzte sich dann mit ihr wieder auf zwei Plätze an einer Arbeitskonsole. „So.“, sagte sie dann. „Jetzt sagen Sie mir aber bitte, was da letzte Nacht so Aufregendes passiert ist, dass Sie glauben, wenn Sie mich einbezogen hätten, meinen Ruf zu ruinieren.“
Shannon lief rot an. „Nun sagen Sie schon.“, insistierte Jenna. „So schnell haut mich nichts um. Das wissen Sie doch und falls ich mich bei irgendeiner Sache einmal geirrt haben sollte, springe ich auch nicht gleich aus dem Fenster.“ Sie grinste. „Davon wäre hier im Weltraum auch abzuraten.“, sagte Shannon. „Die Schwerelosigkeit würde zwar dafür sorgen, dass Sie nirgendwo aufprallen, aber das All ist ziemlich frei von Sauerstoff um diese Jahreszeit, wenn Sie mich fragen.“ Jenna lachte. „Na sehen Sie.“, sagte sie danach. „Ich weiß also, dass so etwas für mich total ungesund wäre. Außerdem bin ich ja nicht Sytania. Die ist ja so von sich eingenommen, dass sie …“ „Das hätte bei ihr nur keine Konsequenzen.“, sagte Shannon. „Obwohl ich der alten Hexe schon manchmal den Tod an den Hals gewünscht hätte. Aber das wäre auch nich‘ gut wegen der Dimensionen. Ich weiß es ja.“ „Na ja, Assistant.“, sagte Jenna. „Wir Sterblichen haben den Luxus, dass bei uns in Gedanken alles erlaubt ist, weil unsere Gedanken keine unmittelbare Wirkung auf die Elemente oder Dinge haben.“ „Das gilt aber nur für Nicht-Telepathen.“, sagte die blonde Irin ergänzend. „Sehr richtig.“, lobte Jenna. „Und was sind die meisten Terraner und somit auch Sie?“ „Sie meinen also.“, sagte Shannon. „Ich darf denken, was ich will?“ McKnight nickte. „Uff!“, machte Shannon. „Was für ’ne Erleichterung!“
Jenna war aufgefallen, dass sie ihr eigentliches Thema total aus den Augen verloren hatten. „Noch einmal zu Ihrer Party zurück.“, sagte Jenna. „Was hatten Sie noch gefeiert?“ „Ich hatte gefeiert.“, sagte Shannon. „Dass mir etwas gelungen ist, von dem Sie immer wieder behauptet haben, es sei unmöglich.“ „Wovon reden Sie?“, fragte Jenna neugierig. „Von Sprechkontakt zu Tabran und Shiranach, unseren Freunden aus dem Tembraâsh!“
Jenna blieb vor Staunen und Verwirrung der Mund weit offen stehen. „Was haben Sie da gerade gesagt, Shannon?!“, fragte sie mit leicht alarmiertem Blick. „Das ist unmöglich! Die Wächterin des Tembraâsh hat eine mentale Barriere um die Dimension errichtet, die jeglichen Sensorenkontakt abhält. Auch elektromagnetische Wellen kommen nicht durch, geschweige denn kann die Dimension angeflogen werden. Das tut sie, damit die alten praktizierunfähigen Vendar dort sicher vor Nachstellungen ihrer früheren Opfer sind. Wie wollen ausgerechnet Sie …?“ „Ich habe geahnt, dass Sie mir nicht glauben.“, sagte Shannon. „Deshalb habe ich IDUSA das Gespräch auch aufzeichnen lassen. Tja, meine Rufe kommen anscheinend überall durch.“ Sie grinste.
„So komisch finde ich das gar nicht!“, sagte Jenna alarmiert, nachdem sie über die eventuellen Gründe, aus denen so etwas doch möglich sein könnte, nachgedacht hatte. „Aber lassen Sie uns sehen, was da letzte Nacht passiert ist. „Wie kamen Sie überhaupt dazu, es zu probieren?“ „Ich war wohl in Experimentierlaune.“, sagte die technische Assistentin und ließ IDUSA die Aufzeichnung abspielen, nachdem sie und Jenna ihre Neurokoppler umgesteckt hatten.
Vor ihren geistigen Augen erschien der Umriss von Shannons Quartier. „Schön haben Sie’s.“, stellte Jenna lächelnd fest, nachdem ihr Blick über einige private Einrichtungsgegenstände der blonden Irin gewandert war. An den Wänden beispielsweise waren viele Bilder von grünen Wiesen mit sehr vielen Blumen und noch mehr Schafen zu sehen. In einer Ecke stand ein als Tischchen umfunktioniertes Whiskyfass. Shannon waren sie jetzt auch ansichtig geworden. Sie saß auf einem der typischen tindaranischen Sitzkissen, welches sie allerdings mit einem grünen Bezug bezogen hatte. Jenna dachte sich, dass sie dies wohl an ihre irische Heimat erinnern sollte. Vor ihr auf dem Tisch sah Jenna eine Arbeitskonsole, an die ein Neurokoppler angeschlossen war. Diesen hatte die Shannon aus der Aufzeichnung auf dem Kopf.
„Haben Sie IDUSA schon vorher befohlen, mit der Aufzeichnung zu beginnen?“ fragte die Technikerin ihre Assistentin. „Jops!“, machte Shannon und lehnte sich cool zurück. „Wenn, dann wollte ich, dass alle alles mitbekommen können.“ „Warum haben Sie überhaupt so etwas in Betracht gezogen?“, fragte die hochintelligente Halbschottin, der noch immer nicht ganz klar war, was O’Rileys Motiv für das Experiment sein konnte. „Wollten Sie mir etwa eins auswischen?“ „Wo denken Sie hin?!“ sagte Shannon entrüstet. „Dazu habe ich doch nun wirklich keinen Grund. Ihre Genialität hat uns oft genug den Arsch gerettet! Da sollte ich doch eher dankbar sein als eifersüchtig, oder?“ „Shannon!“, meinte Jenna empört. „Worüber sind Sie denn jetzt gestolpert?“, fragte Shannon verwundert. „Wenn Sie es so genau wissen wollen.“, setzte McKnight an. „Über den Arsch.“ „Faszinierend!“, lachte Shannon. „Ich wusste gar nich’, dass man darüber stolpern kann. Aber Sie kriegen wohl alles hin. Außerdem wissen Sie doch wohl, wie ich rede.“ „Oh ja.“, bestätigte Jenna. „Das weiß ich.“
Sie legte den rechten Zeigefinger an ihre Lippen, denn sie befürchtete wohl, dass sie einiges verpassen könnten, wenn sie sich weiter in ihre Unterhaltung vertieften, ohne IDUSA zu befehlen, die Aufzeichnung abzubrechen oder einzufrieren. Hier kam es auch bald zu einer Situation, die sehr entscheidend sein sollte. Die Shannon in der Aufzeichnung befahl dem Stationsrechner jetzt nämlich: „IDUSA, verbinde mich über das interdimensionale Relais mit dem Rufzeichen von Tabrans Sprechgerät in dessen Haus!“ „Ich weise Sie darauf hin.“, entgegnete der Rechner, dessen Avatar jetzt auch im Hintergrund zu sehen war. „Dass dies nicht möglich sein wird. Die Dimension Tembraâsh ist auf konventionelle Weise mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht zu erreichen. Sie kann weder angeflogen, noch können Rufzeichen in ihr auf konventionelle Weise angesprochen werden.“ „Du sagst höchstwahrscheinlich, IDUSA.“, sagte die Shannon in der Aufzeichnung. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit denn, he?“ „Exakte 99,93581 %, Shannon.“, sagte IDUSA. „OK.“, sagte die blonde Irin und grinste verschmitzt. „Dann habe ich ja noch einen kleinen Teil eines Prozents, auf das ich bauen kann.“ „Rein rechnerisch stimmt das.“, bestätigte der Stationsrechner. „Aber dieser Teil ist verschwindend gering.“ „Is’ mir schnurz!“, flapste Shannon. „Versuch’s trotzdem!“ „Vertrauen Sie etwa auf das buchstäbliche und sprichwörtliche Glück der Iren?!“, wollte der Rechner jetzt etwas nachdrücklicher wissen. Ihr war total unklar und es mochte für sie auch total unlogisch und unvernünftig anmuten, warum Shannon eine mathematisch so kleine Chance überhaupt wahrnehmen wollte. „Die Kandidatin hat 100 Gummikekse!“, flapste Shannon. Sie machte aber auch keinen Hehl daraus, dass sie schon etwas ungeduldig und genervt von den vielen Fragen IDUSAs war. „Und nun mach!“ „Ich hoffe.“, erwiderte IDUSA. „Dass Sie später nicht zu enttäuscht sein werden.“ „Das werde ich schon nich’.“, sagte Shannon und lehnte sich zurück.
Es vergingen einige Sekunden, in denen nichts geschah. Jenna und Shannon sahen nur einer weiteren Shannon zu, die nervös an den Nägeln kaute.
Plötzlich schreckte die Shannon in der Aufzeichnung zusammen. IDUSA musste ihr das Gefühl gegeben haben, sie anzutippen. „Was is’?!“, sagte Shannon alarmiert. „Sie werden es nicht für möglich halten.“, begann der Rechner und der Avatar vor Shannons geistigem Auge machte ein verblüfftes und ungläubiges Gesicht. „Aber mir ist tatsächlich das gelungen, was bei allen Physikern als höchst unwahrscheinlich gilt. Offensichtlich ist an der Legende über das Glück der Iren doch etwas dran.“ „Natürlich is’ da was dran, IDUSA!“, sagte Shannon etwas mürrisch. „Was dachtest du denn? Na gib schon her!“
Der Avatar vor ihrem geistigen Auge wich einige Schritte zurück, um dem zwar etwas verschneit wirkenden, aber dennoch erkennbaren Bild Shiranachs Platz zu verschaffen. Sofort hatte Shannon die alte Vendar erkannt. „Hi, Shiranach!“, rief sie hoch erfreut aus. „Lange nix mehr von dir gehört! Wie haben wir’s denn so? Was macht dein Ehegespenst?!“
Shannon hatte sich vorgestellt, den Sendeknopf auf der virtuellen Konsole, die IDUSA ihr zeigte, losgelassen zu haben, damit Shiranach auch eine Möglichkeit bekam, zu Wort zu kommen. „Shannon El Taria?“, fragte die alte Vendar mit ungläubigem Staunen in Stimme und Gesicht. „Live, in Farbe und Lebensgröße!“, frotzelte Shannon zurück. Ihr war offensichtlich noch nicht klar, was ihre Kommunikationsexperimente für Folgen haben sollten. Wie sollte es auch, denn dies überstieg bei weitem ihren Horizont. „Aber was hast du denn?“, fragte sie. „Freust du dich denn gar nich’, mit deiner alten Freundin Shannon zu plaudern? So ’ne frostige Begrüßung hätte ich ja man gar nich’ erwartet.“ „Bitte, Shannon El Taria!“, sagte Shiranach und klang dabei sehr besorgt. „Wir müssen dieses Gespräch beenden!“ „Wieso denn das?“, fragte Shannon überrascht. „Wir haben ja noch gar nich’ richtig damit angefangen.“ „Dieses Gespräch dürfte es gar nicht geben!“, sagte Shiranach und klang fast schon verzweifelt. Offensichtlich verstand sie nicht, was da gerade passierte. „Na gut?“, sagte Shannon übertrieben und spielte die beleidigte Leberwurst. „Wenn du nich’ mit mir quatschen willst, dann vielleicht dein Mann. Na nun raus mit der Sprache! Wo is’ Taby, der alte Haudegen?!“ „Er ist draußen und wartet unser Schiff.“, sagte Shiranach. Dabei wurde sie immer aufgeregter. „Er wird jetzt keine Zeit haben und ich habe leider auch keine mehr.“ Damit beendete sie die Verbindung. „Was is’ mit der denn los?“, fragte die Shannon aus der Aufzeichnung halblaut sich selbst. „Na ja. Sehen wir morgen weiter.“ Sie grinste: „IDUSA, Aufzeichnung beenden. Meine kleine einsame Party muss ja nich’ jeder mitkriegen.“ Das Bild von Shannons Quartier verschwand.
„Jenn’?“, eine wohl bekannte männliche Stimme hatte sie angesprochen. Es war eine sehr junge Stimme gewesen, die McKnight, trotz sie mit dem Gesicht von demjenigen fortgedreht war, der sie angesprochen hatte, sofort erkannte. „Oh, Shimar.“, sagte sie und klang dabei sehr erschrocken, was der junge Tindaraner auch zur Kenntnis genommen hatte. Auf solche akustischen Merkmale zu achten, hatte er von mir längst sehr gut gelernt.
„Was ist denn los?“, fragte Shimar. „Man könnte ja den Eindruck bekommen, ihr hieltet mich für einen Geist, Shannon und du.“ „Oh nein.“, entgegnete die hoch intelligente Halbschottin und die blonde Irin nickte beifällig. „Dann sagt mir doch bitte was ihr habt!“, insistierte Shimar. „So kenne ich euch nämlich gar nicht.“
Jenna zog den tindaranischen Piloten hinter eine Säule: „Komm mit!“ Dann flüsterte sie ihm zu: „Es könnte sein, dass IDUSA und du Schwierigkeiten bekommt. Deshalb solltest du ihr unbedingt befehlen, eine technische Verbindung mit dem Rechner hier aufrecht zu erhalten, damit ich, wenn es nötig sein sollte, sofort Korrekturen an der Software für ihren interdimensionalen Antrieb vornehmen kann.“ „Du machst mir Angst, Jenn’.“, sagte Shimar ebenfalls sehr leise. „Aber was ist denn mit ihrem Antrieb. Ich meine, wenn da was nicht stimmt, dann muss ich wohl Joran fragen, ob er mir sein Schiff leiht. Mit Zirell und Maron wäre das doch sicher leicht und schnell abzusprechen. Deshalb braucht ihr doch nicht so …“ „Du bist total auf dem Holzweg.“, sagte Jenna schnell, um ihn zu unterbrechen. Gleichzeitig wollte sie das Gespräch aber auch schnell hinter sich haben und ihm die offensichtlich schlechte und vor allem gefährliche Nachricht schnell überbringen. „Jorans Schiff würde die gleichen Schwierigkeiten haben.“ „Bei den Göttern, Jenn’!“, rief Shimar aus und fasste sie an den Schultern. „Jetzt rede doch endlich. Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen!“ „Es sind nicht die Schiffe, sondern die Dimensionen!“, stieß Jenna mit blassem Gesicht hervor. „Es gibt Hinweise darauf, dass sich irgendwas in ihnen gefährlich verändert. Es gibt wahrscheinlich eine Verschiebung der Ladung der Teilchen in der interdimensionalen Schicht. Sicher bin ich noch nicht. Den endgültigen Beweis könnten nur IDUSA und du erbringen. Deshalb will ich die technische Verbindung ja auch.“ „Oh Mann!“, sagte Shimar und verzog das Gesicht, als hätte er gerade in eine sehr saure Zitrone gebissen. Als ausgebildeter Flieger konnte er sich wohl schon denken, was so eine Ladungsverschiebung für Konsequenzen haben konnte. Sicherheitshalber beschloss er aber, noch einmal bei der physikalisch sehr begabten Jenna nachzufragen. „Könnte das dazu führen, dass IDUSAs interdimensionaler Antrieb nicht funktioniert?“ „Ich denke schon.“, sagte die Chefingenieurin, die Shimar nichts vormachen wollte. „Es kann aber auch bedeuten, dass du nicht dort landest, wohin du willst, oder dass IDUSA überhaupt kein Feld aufbauen kann. Ihr Antriebsfeld, das vom interdimensionalen Antrieb produziert wird, ist ja in gewisser Weise geladen. Es trifft auf die Ladung in der Schicht. Dann erfolgt eine Reaktion zwischen den Beiden, die den Flug ermöglicht. Wenn sich jetzt die Ladung verschiebt, kann es sein, dass auch die Reaktion anders ausfällt. Deshalb will ich die Funktion ja überwachen und gegebenenfalls eingreifen können.“ „Schon klar, Jenn’.“, sagte Shimar und ließ sie los, um ihr tröstend über den Kopf zu streichen. „Tut mir leid, dass ich dich gerade so hart angefasst habe.“ „Ach, Schwamm drüber.“, wiegelte Jenna ab. „Da habe ich schon weitaus Schlimmeres erlebt. Aber ihr solltet echt vorsichtig sein.“ „Das werden wir auch.“, versicherte Shimar. „Du kennst uns doch. Aber wie kommst du überhaupt darauf, dass es eine Ladungsverschiebung gegeben hat und was bedeutet das im Klartext für uns alle? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur Auswirkungen auf IDUSAs und meinen Flug haben wird und damit Ende.“
Jenna wurde sehr traurig und nachdenklich. „Nun sag schon.“, drängte Shimar. „Ich habe nämlich auch schon Schlimmeres erlebt. Bedenke bitte, dass ich mich sogar schon geistig mit Sytania selbst duelliert habe und dabei ganz allein war. Was Schlimmeres kann es doch gar nicht geben, oder?“ „Du irrst dich!“, sagte Jenna fest, die froh war, dass er sie für einen Moment auf ein anderes Thema gelenkt hatte. „Soweit ich mich erinnere, hat dir Kamurus ganz gut geholfen!“ „Terranische Haarspalterin!“, grinste Shimar. „Ich gebe es ja zu. So war es ja auch. Aber wir schweifen schon wieder ab. Was könnte auf uns alle zukommen, Jenna?!“
McKnight war erschrocken. Zum ersten Mal in diesem Gespräch hatte er nicht ihren Spitznamen verwendet. Das deutete für sie stark darauf hin, dass es ihm wirklich ernst sein musste.
„Gehen wir zurück zu Shannon und setzen wir uns.“, schlug sie vor. „OK.“, sagte Shimar langsam und zögerlich, denn er hatte irgendwie ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache, dennoch folgte er Jenna vertrauensvoll, die ihm zielstrebig zu ihrem und Shannons Arbeitsplatz voranschritt.
Dort angekommen winkte Jenna ihrer Assistentin: „Beenden Sie bitte die Wartungsarbeiten an Shimars Schiff, Shannon! Ich habe mit Shimar selbst noch etwas zu besprechen.“ „OK.“, sagte die blonde Irin schlaksig und nahm ihre Werkzeugtasche aus dem Regal, die sie vor ihrem Gespräch mit Jenna hier deponiert hatte.
Jenna zeigte auf den jetzt freigewordenen Platz und setzte sich selbst auf den zweiten Sitz. Shimar nahm neben ihr Platz. „Wenn das so weiter geht.“, sagte Jenna dann. „Könnte die Verschiebung der Ladung zu starken Problemen innerhalb der Dimensionen führen und ich meine alle Dimensionen!“ „Uff.“, machte Shimar. „Das wird es mir sehr schwer machen, Zirells Befehl auszuführen. Aber es würde bestätigen, was Sianach gesagt hat.“ „Sianach?“, fragte Jenna verwundert. „Was hat sie denn damit zu tun?“ „Sianach hat uns alle vor dem Weltuntergang gewarnt.“, fasste der Telepath zusammen, was er in Marons Geist gesehen hatte. „Maron wollte ihr nicht glauben und jetzt will Zirell, dass IDUSA und ich nach Spuren von Sensorenstrahlung in der interdimensionalen Schicht suchen, die darauf hindeuten, dass Sytanias Vendar ihre Sensorenplattform dazu benutzt haben, um das Raum-Zeit-Kontinuum auf technologischem Wege auszuspionieren. Diran, Sianachs Ehemann, der wie du weißt Tolea dient, ist von ihr unter den Bann gestellt worden, jedem Vendar, dem er begegnet, sagen zu müssen, was geschehen wird und was wir planen.“
Wieder erschrak Jenna. Durch ihre Beziehung mit Joran wusste sie über diverse Dinge sehr gut Bescheid, die das Wesen der Vendar angingen. Sie wusste auch alles über das Bannwort und dessen Konsequenzen. Außerdem schoss ihr jetzt auch Wissen in den Kopf, das von den alten zeitländischen Herrschern stammte, von denen sie ja schon einen in ihrem Körper beherbergt hatte. Lord Grandemought hatte ja damals allen gesagt, dass genau so etwas passieren konnte. Ohne den richtigen Schlüsselreiz würde das Wissen nicht freizusetzen sein. Aber wenn er gesetzt würde, dann würde Jenna genau das Passende erfahren und alle anderen dann von ihr. Der Lord hatte das mit Absicht so eingerichtet, denn er hatte die Vermutung, dass selbst Jennas Gehirn mit dem Wissen der alten Zeitländer auf einmal überfordert wäre. Außerdem wusste er nicht, ob alle anderen schon reif genug dafür waren. Von der Gefahr, dass es in falsche Hände geraten könnte, ganz zu schweigen.
„Allen Vendar?!“, sagte Jenna erschrocken. „Laut dem, was ich aus Marons Geist lesen konnte.“, sagte Shimar. „Könnte das wohl sein. Sianach konnte sich nicht an den genauen Wortlaut des Banns erinnern, weil sie nicht dabei war. Sie hat es nur an seinem Blick auf dem Schirm gesehen und aus seinen Äußerungen erfahren. Zirell hat noch einmal mit ihr gesprochen. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Tolea diesen Fehler gemacht hat.“
Jenna ließ erleichtert die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Du kannst dir also denken, was ich meine.“, sagte sie. „Natürlich kann ich das!“, bekräftigte Shimar. „Ich bin doch nicht mit dem Klammersack gepudert! Aber so etwas Ähnliches sagte Sianach tatsächlich.“ „Oh nein!“, sagte Jenna. „Falls du wirklich Spuren von Spionage finden solltest, würde das ja bedeuten, dass …“ „Das würde wohl heißen.“, sagte Shimar. „Dass Zirell mir den Befehl erteilen könnte, Diran aufzubringen, bevor er noch was Dummes anstellt, ohne es zu wollen. Ich mag gar nicht dran denken, was passieren könnte, wenn er Telzan oder einem seiner Leute begegnet.“ „Genau darum geht es ja.“, sagte Jenna. „Ich denke, darum sollst du auch suchen. Wenn du Entwarnung geben kannst, ist ja alles OK, aber …“ „Wer weiß, wie lange das her ist.“, unterbrach Shimar sie. „Unter Umständen ist es schon zu spät und die Ladungsverschiebung hat ihr Übriges dazu getan. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass da nichts war. Vorsichtig sein müssen wir allemal. Das ist zumindest meine Meinung.“ „Da wirst du von mir keinen Widerspruch hören.“, sagte Jenna.
Shannon hatte ein Diagnosepad an einen Port an einer Konsole in IDUSAs Cockpit angeschlossen. „Soweit ich das hier sehe.“, sagte sie. „Schnurrst du wie ein Kätzchen, Schiffchen.“, und grinste flapsig. „Der Patrouille steht nix im Wege.“ „Ich danke Ihnen, Shannon.“, sagte die Stimme des Rechners. „Aber da gibt es noch etwas, über das ich mit Ihnen sprechen möchte. Techniker McKnight macht sich Sorgen, nicht wahr? Das würde ich zumindest aus ihren medizinischen Werten und ihrem Verhalten schließen.“ „Das stimmt wohl, IDUSA.“, sagte Shannon ein wenig mürrisch. „Die macht sich ins Hemd, weil ich einen kleinen Plausch mit Tabran und Shiranach hatte. Eigentlich nur mit Shiranach und die war auch noch total kurz angebunden. Aber so genau nehmen brauchen wir’s ja nich’.“ „Mit wem haben Sie gesprochen?“, fragte IDUSA. „Sie sollten wissen, dass dies unmöglich ist.“ „Das hat deine Kollegin auch gemeint.“, äußerte sich Shannon flapsig über den Einwand des Stationsrechners. „Bis ich sie eines Besseren belehrt habe.“ „Haben Sie etwa Ihre Programmierkenntnisse ausgenutzt, um sie zu manipulieren?!“, fragte der Avatar des Schiffes empört. „Wenn Sie so vorgegangen sein sollten, werde ich Sie melden müssen.“ „Hey, halt die Luft an.“, sagte Shannon. „Hältst du mich wirklich für so eine Verbrecherin?! Ne, ne! Ich habe ihr nur gesagt, dass sie es trotz aller mathematischen Einwände versuchen soll. Ihre Sicherheitsmaßnahmen habe ich nich’ ausgehebelt! Für wen hältst du mich denn?! Jetzt bin ich aber enttäuscht!“ „Es lag mir fern, Sie zu enttäuschen, Shannon.“, sagte IDUSA. „Aber ich wollte nur sichergehen.“ „Schon klar.“, sagte Shannon. „Aber du weißt doch, dass ich eigentlich ’ne ganz Liebe bin.“ „Sicher.“, sagte das Schiff.
Shannon entfernte das Diagnosepad. Jetzt war ihr Neurokoppler ihre einzige Verbindung zu IDUSA. „Was haben Sie denn erreichen können?“, fragte diese und ihr Avatar machte ein neugieriges Gesicht. „Oh ’ne Menge!“, prahlte Shannon. „Entgegen aller Berechnungen haben wir nämlich doch eine Verbindung mit Tabrans Rufzeichen zustande gekriegt, deine Kollegin und ich. Nur, Shiranach hat total verängstigt reagiert. Warum verstehe ich nich’. Ich war’s doch nur, die gute alte Shannon!“ „Vielleicht war gerade das die Schwierigkeit.“, mutmaßte IDUSA. „Na hör mal!“, sagte Shannon empört. „Was willst du mir denn damit sagen?“ „Sicher nicht das, was Sie jetzt vielleicht denken mögen.“, beschwichtigte IDUSA. „Das hat mit Ihnen persönlich sicher nichts zu tun, aber vielleicht mit der Tatsache, dass das Tembraâsh eigentlich weder per SITCH noch per Flug zu erreichen ist, wenn die Wächterin das nicht möchte.“ „Na ja.“, sagte Shannon. „Vielleicht hatte sie ja ihren großzügigen Tag. Jenna ist jedenfalls total durch den Wind wegen der Sache. Sie macht ’n riesiges Gewese drum. Kann ich überhaupt nich’ verstehen.“
„Wie war die Qualität der Verbindung?!“, fragte IDUSA sehr eindringlich, nachdem sie einige Daten ausgewertet hatte. „Ach.“, machte Shannon. „Du nich’ auch noch.“ „Oh doch!“, sagte das Schiff und ihr Avatar hob bedrohlich den rechten Zeigefinger vor Shannons geistigem Auge. „Aber, wenn du’s unbedingt wissen musst, sie war mies! Total mies! Das Bild war total verschneit und der Ton, Oh Backe. Irgendwann wurde es dann zwar besser, aber nur ganz langsam.“ „Hätte es diese Auswirkungen gegeben, wenn die Wächterin Ihrem Gespräch mit Shiranach zugestimmt hätte?!“, fragte das Schiff. „Ich glaube nich’.“, brummte Shannon. „Ich glaube, dann wäre die Qualität gleich gut gewesen.“
Sie dachte kurz nach, eine Tatsache, die bei Shannon selten genug vorkam, zumindest ihren eigenen Angaben nach. Dann sagte sie: „Oh verdammt!“ „Genau.“, bestätigte das Schiff. „Ich für meinen Teil glaube, dass etwas die mentale Mauer, die von der Wächterin um Tembraâsh gelegt wird, langsam aufweicht und sie nichts dagegen tun kann, warum auch immer. Aber ich denke, dass wir gerade dieses Warum auch immer herausfinden sollen.“ „Da drauf kannst du gepflegt einen lassen!“, sagte Shannon. „Oder auch zwei oder drei, wie ich Zirell kenne, wird sie sicher nich’ sehr begeistert davon sein, wenn sie das erfährt und Shimar und dich losschicken, um zu gucken, was da Sache is’.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte IDUSA. „Werden Sie es Commander Zirell selbst sagen, oder werden Sie warten, bis Techniker McKnight das getan hat.“ „Das erledige ich lieber selbst.“, sagte Shannon. „Ich finde es nämlich total unangenehm, von der eigenen Vorgesetzten ans Messer geliefert zu werden. Aber andererseits, wenn da was is’ und mein Experiment hat das zutage gefördert, dann muss sie es ja sogar vielleicht sagen. Wenn die Welt untergeht, nützt uns Loyalität schließlich auch nix mehr. Aber wenn Zirell Bescheid weiß, lässt sich da vielleicht noch was machen.“ „Ganz Ihrer Ansicht, Shannon.“, sagte IDUSA.
Shimar betrat den Ort des Geschehens. „Ist sie flugbereit?“, fragte er. „So bereit, wie sie nur sein kann.“, sagte Shannon flapsig, um ihre jetzt doch leicht ins Ängstliche gekippte Stimmung zu verheimlichen. Sie wusste zwar, dass ihr Gegenüber Telepath war, sie ihm also eigentlich nichts vormachen konnte, hoffte aber trotzdem, er würde es nicht bemerken.
Sie ging an Shimar vorbei und verließ das Schiff in seine genaue Gegenrichtung. Jetzt waren er und das Schiff allein. Sofort zog der Tindaraner seinen Neurokoppler aus der Tasche und schloss ihn an, was IDUSA veranlasste, sofort seine Reaktionstabelle zu laden. „Guten Morgen, Shimar.“, sagte sie und ihr Avatar lächelte freundlich. „Hi, IDUSA.“, gab Shimar zurück. „Ist alles klar bei dir?“ „Ja.“, sagte das Schiff. „Laut Shannons Analyse bin ich putzmunter wie ein Fisch im Wasser. Unserem gemeinsamen Flug dürfte also nichts im Wege stehen.“ „OK.“, sagte Shimar. „Dann sollten wir so schnell wie möglich starten. Übrigens, Jenna möchte, dass du Verbindung mit dem Rechner im Maschinenraum hältst. Sie meint, etwas könnte in der interdimensionalen Schicht nicht stimmen und deshalb möchte sie eingreifen können, wenn es nötig werden sollte.“ „Könnte das mit dem in Zusammenhang stehen, was in der letzten Nacht geschehen ist?“, fragte IDUSA. „Keine Ahnung.“, gab Shimar Unwissen vor. „Was ist denn in der letzten Nacht geschehen?“ „Shannon hat Kontakt mit Shiranach gehabt.“, sagte IDUSA. „Das würde bestätigen, was mir Jenna gesagt hat.“, sagte Shimar. „Sie erklärt es mit einer Verschiebung der elektrischen Ladung in den Teilchen in der interdimensionalen Schicht. Deshalb sollten wir so schnell wie möglich losfliegen, solange wir es noch können.“ Er gab ihr den Gedankenbefehl zum Start, den IDUSA bereitwillig ausführte.
Shannon und Jenna hatten erleichtert den Start beobachtet. „Was machen wir jetzt mit der Situation, Jenna?“, fragte Shannon. „Ganz einfach.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin. „Sie übernehmen hier und ich gehe zu Zirell und sage ihr Bescheid.“ „OK.“, sagte Shannon und sah zu, wie ihre Vorgesetzte mit ernstem Ausdruck im Gesicht den Maschinenraum verließ.