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Lycira und ich hatten die Grenze überquert. Das hatte sie mir aber auch nur sagen können, weil sie ihre interdimensionalen Sensoren benutzte, mit denen sie quasi einen Röntgenblick nach außerhalb der Hülle des Kometen hatte. Wir sind bald da, Betsy., sagte sie. Leider werden wir unser Versteck jetzt verlassen müssen. „Schade, Lycira.“, gab ich zurück. „Die Schaukelei hatte gerade angefangen, mir so richtig Spaß zu machen. Aber was ist mit Invictus? Er wollte uns doch zu dem Clan führen. Wo ist er?“ Nun., machte mein Schiff eine Andeutung. In gewisser Weise war er die gesamte Zeit über hier.

Ich begann nachzudenken. Schon die gesamte Zeit, die unser Flug innerhalb des Kometen gedauert hatte, hatte ich mich gefragt, wo er eigentlich so plötzlich hergekommen war. Was war, wenn sich Invictus in den Kometen verwandelt hatte und Lycira das erkannt hatte. Offenbar hatte sie mich aber nicht mehr warnen können, aber es war wohl auch gut so. Je weniger ich wusste, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass mir einmal ein versehentlicher Gedanke daran vor den falschen Leuten herausrutschte. Schließlich war ich Nicht-Telepathin und merkte so nicht unbedingt, wenn jemand sich in meinen Geist begab, außer er tat Dinge, die es mich merken lassen würden. Aber wenn jemand heimlich meine Absichten herausfinden wollte, dann war das wohl für ihn eher kontraproduktiv. Dann war es schon besser, ich wusste es erst gar nicht.

„Moment mal, Lycira.“, sagte ich. „Du hast die ganze Zeit über gewusst, dass es sich bei dem Kometen um den verwandelten Invictus handelt. Du hast mir nur deshalb nichts gesagt, weil du mich schützen wolltest. Ich sollte nicht aus Versehen etwas ausplaudern oder zeigen können, du verstehst?“ Oh, Betsy!, antwortete sie. Wenn so manches andere Schiff wüsste, was ich für eine intelligente Pilotin habe, dann würde ihm sicher vor Neid der Rostschutzlack von der Hülle platzen und zwar deckplattenweise! „Also tatsächlich.“, sagte ich. Ihr Avatar vor meinem geistigen Auge nickte.

Wir flogen tiefer in das genesianische Gebiet ein. Jetzt sah mein Schiff auch die Energiewolke wieder, in die sich Invictus verwandelt hatte. Diese führte uns schließlich zu einem Planeten, in dessen Umlaufbahn Lycira schwenkte. Wir sind da, Betsy.“, sagte sie. Ich werde dir aber auch eine Waffe mit Techniker Jannings‘ Hilfsmittel replizieren. Man weiß ja nie. „Das wirst du schön bleibenlassen, Lycira!“, sagte ich fest. „Wenn ich bewaffnet zu den Genesianern komme, dann werden sie denken, ich sei auf einen Konflikt aus, was ich ja gar nicht bin.“ Aber dann lass mich bitte wenigstens eine dauerhafte Sprechverbindung zu dir halten!, bat mein Schiff schon fast verzweifelt. Und dich zumindest von hier oben beschützen, wenn es sein muss! Du weißt, dass es meine Aufgabe ist, meine Pilotin zu schützen! „Auch wenn sie dir sagt, dass sie nicht beschützt werden will?!“, fragte ich. „Pass auf! Ich werde mich auf deinen Kompromiss einlassen. Aber mich würde noch interessieren, was Invictus zu der Sache meint.“

Kaum hatte ich das gesagt, hörte ich die Stimme des Einhorns in meinem Geist: Das sollst du auch erfahren, Betsy Scott! Ich bin der Meinung, dass du alle Waffen hast, die du benötigst. Aber Lycira kann nicht anders. Sie wurde ebenso programmiert. Deshalb ist ihr Kompromiss der einzig gangbare Weg! Außerdem stehst du auch noch unter meinem Schutz. Wir werden von Situation zu Situation gemeinsam entscheiden. Wenn es möglich ist, alle drei. Ich habe eine geistige Verbindung zu dir und Lycira unterhält sie per SITCH. Wir sind also jederzeit alle beide über deine Situation informiert. Sorge dich also nicht! „Ok!“, gab ich erleichtert zurück.

Ich hatte plötzlich den Eindruck, das Modell einer Tempelanlage zu betasten. Natürlich kam das nur daher, dass mir Lycira zeigte, was sie sah. „Ist das der Tempel der Rotash, den sie für ihre angebliche neue Göttin errichtet haben?“, fragte ich. Das ist er., gab Lycira zurück. Siehst du das Einhorn am Eingang? Es ist das Symbol für Valora. Ich beame dich der Torwächterin am besten direkt vor die Nase. Umso eher hast du ihre Aufmerksamkeit. „Alles klar.“, sagte ich, nahm den Neurokoppler ab und stand auf: „Aktivieren, Lycira! Sobald ich unten bin, informierst du die Granger!“ „OK, Betsy.“, sagte mein Schiff dieses Mal über den Lautsprecher in der Konsole und aktivierte ihren Transporter.

Ich fand mich in mitten einer Dschungellandschaft wieder. Aber bevor ich noch großartig nachdenken konnte, stellte sich mir eine Kriegerin in den Weg und hielt mich zurück: „Wer bist du, Terranerin und was tust du hier? Wir sind gerade mitten in einer heiligen Zeremonie! Du störst! Mach, dass du fortkommst!“

Sie hatte ihren Griff, mit dem sie mich fast eisern umklammert hatte, wieder gelöst. Das hatte mir Gelegenheit gegeben, mich zu ihr zu drehen und mit fester Stimme zu sagen: „Ich bin Betsy Tochter von Renata! Und ich bin hier, um euch zu zeigen, dass ihr eine falsche Göttin anbetet!“ „So?“, fragte die Kriegerin zynisch. „Tun wir das?“ Dann hörte ich ein Geräusch, das mir unmissverständlich klarmachte, dass sie ihren traditionellen Dolch gezogen haben musste. Aber mein geschultes feines Gehör hatte mir noch ganz andere Sachen verraten. Obwohl sie sich große Mühe gegeben hatte, sehr überzeugt zu klingen, war ihr das irgendwie nicht ganz gelungen. Ihre Betonung war überzeichnet und fast so, als spielte sie mir ein Theater vor. Sie war offenbar nicht wirklich der Überzeugung, die sie da gerade krampfhaft versuchte, mir darzulegen.

Im Ohrhörer meines Sprechgerätes hörte ich plötzlich Lyciras Stimme: „Betsy, ich habe sie erfasst und muss nur noch feuern, wenn du es wünscht. Keine Angst, mein Phaser steht auf Betäubung.“ „Lycira, ich habe nein gesagt!“, gab ich streng zurück.

In diesem Augenblick geschah mit der Kriegerin etwas Seltsames. Sie warf ihre Waffe in hohem Bogen von sich, soweit ich das beurteilen konnte und schlang ihre Arme um mich. Dann presste sich ihr zitternder Körper an den meinen. „Hast du gerade Lycira gesagt?“, flüsterte sie in mein rechtes Ohr. „Ja.“, sagte ich ruhig. „Dann musst du Allrounder Betsy Scott von der Sternenflotte sein.“, vermutete die Kriegerin. „Oh ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben. Ihr habt doch eure Oberste Direktive. Die würde euch doch verbieten, uns zu helfen.“

Ihre Ausdrucksweise hatte mich verwirrt. Sie hatte davon gesprochen, die Hilfe der Föderation zu erwarten. Sie hatte es Hilfe genannt und nicht Ketzerei. Jenes Verhalten würde nur dann Sinn machen, wenn sie eine Spionin Shashanas wäre und keine echte Rotash.

Ich drehte mich ins Profil und richtete mich auf. Dann sagte ich: „Sieh mich an, Kriegerin! Trage ich etwa eine Uniform der Sternenflotte?“ „Nein.“, sagte sie. „Du siehst aus, als seist du eine ganz normale Bürgerin der Föderation.“ „Genau.“, sagte ich. „Und die Bürgerin Betsy Scott findet, dass Sytania mal gehörig der Hintern versohlt werden muss und Valora aus ihrer Verblendung geführt gehört!“ Angesichts meiner Wortwahl musste die Kriegerin schallend lachen. „Na gut!“, sagte sie. „Dann will ich dir auch mal was verraten, Bürgerin Betsy Scott. Die Sternenflottenoffizierin in dir scheint ja im Moment nichts zu melden zu haben. Dann ist ja alles in bester Ordnung. Sie konnte dich offenbar nicht davon abhalten, gegen die ach so heilige Oberste Direktive zu verstoßen, weil du genau weißt, was hier auf dem Spiel steht. Genau das weiß ich auch. Deshalb habe ich mich freiwillig gemeldet, als Shashana nach einer Spionin suchte.“ „Habe ich es mir doch gedacht.“, sagte ich. „Und nun, da wir Verbündete sind, darf ich den Namen meiner neuen Freundin erfahren?“ „Ich bin Adriella.“, sagte die Kriegerin. „Es ist besser, wenn du meinen vollen Namen nicht kennst. Wer weiß, wer dich am Ende vielleicht noch in die Finger bekommt und dann …“ „Verstehe, Adriella.“, sagte ich. „Aber diese Strategie kommt mir irgendwie bekannt vor.“

Sie stellte sich links von mir hin und bot mir ihren rechten Arm: „Komm, Betsy Tochter von Renata! Ich werde dich führen. Wir beide werden es irgendwie hinbekommen, denke ich!“ „Dessen bin ich mir auch sicher.“, sagte ich und hakte mich bei ihr ein. „Ich habe da auch schon eine Idee. Ich werde zwar etwas schauspielern müssen, aber das schaffe ich schon. Du musst mir nur vertrauen und darfst keine unnützen Fragen stellen. Sonst kommen sie uns noch drauf und das willst du ja sicher auch nicht.“ „Da hast du Recht.“, sagte Adriella und dann setzten wir uns in Richtung Tempel in Bewegung.

Im Reich der Toten saß Shimar vor dem Fernseher und sah sich gemeinsam mit Mikosch an, was im Diesseits geschah. Sicher hätte er das auch ohne das Gerät tun können, aber er hatte sich jetzt schon sehr an das Dasein in Rudis Wohnung gewöhnt und da gehörte das Gerät nun einmal dazu. Gerade hatte er gesehen, wie Shannon und Scotty IDUSA quasi das Leben gerettet und die tindaranische Regierung auf ihren Fehler aufmerksam gemacht hatten. Auch ihr Einlenken hatte er zur Kenntnis genommen. „Das glaube ich einfach nicht.“, sagte er. „Ausgerechnet Shannon rettet mein Schiff und sorgt für politisches Umdenken. Das hätte ich ihr wirklich nicht zugetraut.“

Er wandte sich dem Kater zu: „Du etwa?“ Mikosch, der halb geschlafen hatte, hob nur kurz den Kopf und gähnte. „Schon klar.“, sagte der junge tindaranische Flieger. „Du kennst sie ja nicht. Dieses Programm muss ja für dich irre langweilig sein. Warte mal. Ich suche uns was Besseres.“

Er schaute den Fernseher fest an und konzentrierte sich auf mein Bild. Tatsächlich sah er alsbald, wie Adriella und ich den Pfad zum Tempel entlanggingen. Er war gerade in den Moment eingestiegen, in welchem ich gegenüber der genesianischen Kriegerin meine Absicht kundgetan hatte, Sytania mal so richtig den Hintern zu versohlen. „Hat dir schon mal jemand gesagt, wie sexy du wirst, Kleines, wenn du davon sprichst, Sytania eine fiese Niederlage zu bereiten?!“, sagte Shimar und gab einen Laut von sich, als hätte er gerade sein Lieblingsessen erspäht und vor, es jetzt auf einen Ratz zu verschlingen. „Noch besser ist es natürlich, wenn du es dann auch noch tust und ich zusehen darf und noch besser ist es, wenn wir es zusammen tun. Das ist …“ Er machte das Geräusch erneut.

Mikosch sah ihn nur skeptischen Blickes von oben bis unten an, als würde er schon ahnen, was noch kommen würde. „Was weißt du denn davon?“, fragte Shimar etwas konsterniert. „Ich dachte, dich hätten sie bei Zeiten kastriert.“

Adriella und ich hatten den Eingang des Tempels erreicht. Aus seinem Inneren schallte uns bereits eine laute Stimme entgegen. „Kriegerinnen vom Clan der Rotash!“, sagte sie. „Wir sind heute hier zusammengekommen, um unserer Göttin das Heiligste zu opfern, was wir haben. Unser Blut!“ „Was genau hat das zu bedeuten, Adriella?“, flüsterte ich meiner neuen Verbündeten zu. „Sie stechen sich alle nacheinander einen heiligen Dolch in den Bauch.“, antwortete sie. „Dabei versuchen sie, ihre Hauptschlagader zu treffen.“ „Ihre was?!“, empörte ich mich. „Aber dann werden sie ausbluten und das ist doch eigentlich für eine Genesianerin ein wirklich jämmerlicher Tod. Normalerweise bringt euch so was doch automatisch in die Zwischenwelt und nicht ins Gore!“ „Da siehst du mal, wie weit unser Glaube pervertiert ist!“, sagte Adriella. „Dem müssen wir wirklich ein Ende bereiten!“, sagte ich entschlossen. „Bring mich zu der Priesterin!“

Sie führte mich durch den Eingang in den Tempel, wo uns die Priesterin, eine große schlanke Kriegerin mit schwarzem Haar, gleich ansichtig wurde. Sie hatte außerdem ein metallenes Horn in der Hand, in dem sich bereits allerlei Blut befand.

Adriella, die aufgrund ihrer Intelligenz, wie ich sie einschätzte, längst verstanden hatte, schob mich in ihre Richtung, damit sie mich auch ja sehen konnte. „Was tut diese Ungläubige hier, Adriella?!“, fragte sie erbost. „Warum wagt sie es, unsere heilige Opferzeremonie zu stören?“ „Oh ich bin keine Ungläubige.“, sagte ich. „Ich mag zwar so aussehen, aber ich bin total von eurem Glauben überzeugt! Heil dir, Valora!“

Diesen Fehler hatte ich absichtlich gemacht. Natürlich wusste ich, dass Valora als Wächterin von Gore angesprochen werden wollte, Aber ich wollte erreichen, dass alle ein wenig verwirrt waren. Offenbar war mir das, zumindest bei der Priesterin, auch gelungen, denn sie sah mich an und fragte: „Wie kannst du von unserem Glauben überzeugt sein, Terranerin und nicht wissen, dass Valora in Wahrheit die Wächterin von Gore ist? Ich zweifle wirklich an deiner Überzeugung!“ „Dann soll die Göttin selbst entscheiden, ob ich es wert bin, in euren Orden aufgenommen zu werden. Ich bin bereit, meinen Glauben durch sie prüfen zu lassen. Sie soll in meinen Geist sehen und dort wird sie es feststellen können. Kannst du das ermöglichen, Priesterin?!“, erklärte ich.

Die Genesianerin wollte noch etwas erwidern, aber dazu kam sie nicht, denn im gleichen Moment fuhr ein schwarzer Blitz durch die Decke und Valora stand vor uns. Du willst also ernsthaft, dass ich deinen Glauben prüfe, Betsy Scott? In Ordnung! Das kannst du haben!

Das Eindringen in meinen Geist spürte ich natürlich nicht, aber ich bemerkte sehr wohl, dass sie meine Erinnerungen um- und umdrehte. Dabei kamen auch recht unschöne Dinge zutage, die ich am liebsten längst vergessen hätte. Ich wusste, ich durfte mich nicht wehren oder gar versuchen, sie auf Invictus‘ Hinterlassenschaft zu lenken. Man hätte mir sonst Schmus vorwerfen können. Lange würde ich das aber nicht mehr aushalten. Offenbar hatte ich mich überschätzt.

Adriella war hinzugekommen. An meinem verzerrten Gesicht musste sie gesehen haben, dass etwas mit mir nicht stimmte. „Du musst durchhalten!“, rief sie mir zu. „Nimm meine Hand und drück sie, wenn es zu schlimm wird! Aber du musst warten, bis sie es von allein gefunden hat! Erinnere dich an dein mentales Sternenflottentraining und vor allem an das, was dir Shimar beigebracht hat! Vertraue darauf und auf mich! Hier, nimm meine beiden Hände!“ „Oh, Adriella!“, rief ich atemlos und griff zu. „Gerade das darf ich nicht! Ich darf nicht versuchen, die Sache irgendwie zu steuern, sonst …!“ Ich gab einen Schrei von mir und drückte ihre Hände so fest, dass ich mir einbildete, ihre Knochen brechen zu hören.

Rudi war von einem Spaziergang mit Mausi zurückgekehrt. Sofort hatte er Shimar gesehen, der krampfhaft versuchte, durch den Fernseher mit mir Kontakt aufzunehmen. Immer wieder dachte er angestrengt: Komm schon, Kleines! Halt durch! Wir sind ja alle bei dir! So weit entfernt ist Valora nicht mehr! Das sehe ich! Halt durch! Halt durch!

Rudi war an die Couch herangetreten, auf der Shimar und Mikosch saßen. „Du strengst dich ganz umsonst an, mein Junge.“, sagte er zu dem jungen tindaranischen Flieger. „Sie empfängt dich nicht. Zumindest nicht auf diesem Weg. Dieser Fernseher ist einem aus meinem Jahrhundert nachempfunden und die waren ja auch nicht interaktiv. Spare deine Kräfte!“ „Aber ich muss doch …“, sagte Shimar bereits total erschöpft. „Du musst gar nichts.“, sagte Rudi. „Überleg doch mal. Jeder mentale Eingriff könnte von Valora als Betrug gewertet werden und dann glaubt sie nicht, was sie sehen wird. Denk doch nach, mein Sohn. Ich weiß, dass es schwierig ist, eine Kameradin, die du noch dazu liebst, in so einer Situation zu sehen und nichts tun zu können. Mir geht es ja genauso. Ich liebe mein Miezerle ja nach wie vor über alles. Auch ich fühle wie du. Aber wir müssen uns zusammennehmen. Sonst öffnen wir dem Feind Tür und Tor und machen ihren Plan kaputt. Willst du das etwa?! Sie hat diese Kriegerin. Sie ist die Einzige, die ihr jetzt helfen darf. Adriella kann zwar nicht mehr, als psychischen Beistand leisten, aber das muss jetzt reichen. Hör auf einen alten erfahrenen Soldaten, Shimar von Tindara! Höre auf mich!“

Shimar ließ von weiteren Kontaktversuchen ab. „Du hast Recht, Rudi.“, sagte er schließlich. „Aber sie tut mir einfach nur leid.“

Valora hatte inzwischen die Stelle in meinem Geist erreicht, an der Invictus die Vision und ihre Folgen abgelegt hatte. Jetzt sah sie genau, was sie und er sich damals geschworen hatten und erinnerte sich auch daran, wie erschüttert sie gewesen war über das Bild ihrer eigenen Kinder, für die wir nichts anderes waren als Schachfiguren. Aber sie sah auch, dass sie ja das gleiche Recht zur Paarung mit sterblichen Hengsten hatte, wie es Invictus mit sterblichen Stuten tat, um zu realisieren, dass sich ihre Kinder an die Kostbarkeit des Lebens erinnern würden.

Jetzt erinnere ich mich wieder., sagte sie. Oh was war ich für eine Närrin! Auf was habe ich mich da eingelassen?! Warum nur habe ich mich nicht früher erinnert und zugelassen, dass meine Eifersucht solche Blüten treibt?! Und vor allem, warum habe ich mich auf Sytania eingelassen?!

Sie drückte ihren Kopf gegen meine Brust und ich begann damit, sie liebevoll zu streicheln. Dabei kamen mir, wohl auch aus Erschöpfung aber auch vor Rührung, die Tränen. „Es ist ja schon gut, Valora.“, sagte ich. „Das alles ist ja schon über 5000 Jahre her. Da kann es schon mal passieren, dass man es vergisst.“ Aber eigentlich darf es das nicht!“, gab Valora zurück. Invictus hat es ja auch nicht vergessen. Aber vielleicht ist sein Gedächtnis einfach besser als meines. „Das vermag ich nicht zu beurteilen.“, sagte ich diplomatisch.

Es gab einen weißen Blitz und der Drudenfuß auf ihrem Hinterteil war verschwunden. Fort mit diesem unseligen Symbol des Bösen!, sagte sie noch. Dann wandte sie sich den Genesianerinnen zu: Hört mich ein letztes Mal an. Ich bin nicht die Wächterin von Gore. Ich bereue, was ich euch getan habe und dass ich mich mit Sytania zusammentat, um euch so schändlich zu betrügen. Bitte glaubt nicht länger an mich. Kehrt zu eurem alten Glauben zurück. Das ist besser für euch.

Leandra war aus der Menge getreten und hatte einen Phaser in der Hand. „Du!“, stieß sie hervor und richtete die Waffe auf mich. „Du hast uns alles zerstört. Dank dir müssen wir wieder die Zeit der Schande ertragen. Dafür wirst du sterben, Betsy Scott! Sterben wirst du!“

„Deckung nehmen!“ Eine weibliche Stimme hatte diesen Befehl in den Raum gerufen. Wie automatisch warf ich mich auf den Bauch und dann hörte ich zweifaches Phaserfeuer über mir. Dann fiel jemand neben mir hin.

Als nächstes erinnerte ich mich, dass ich wieder im Pilotensitz von Lycira saß und meine Hände in den Mulden lagen. Es wird alles wieder gut, Betsy., schmeichelte mir ihre liebe Stimme zu. „Lycira!“, stammelte ich. „Wo kommst du her? Ich hatte dir doch befohlen …“ Du hattest mir befohlen, die Granger zu informieren., sagte mein Schiff. Das ging auch per Mail. Du hattest nicht gesagt, dass ich hinfliegen soll. „Dann danke ich dir, dass du meine Befehle so wörtlich ausgeführt hast.“, sagte ich erleichtert. Du kennst mich doch., sagte sie.

Das Sprechgerät piepte. Wir werden gerufen., erklärte Lycira. Es ist ein Rufzeichen aus dem Tempel. „Lass mich hören.“, sagte ich.

Ihr Avatar nickte und dann hörte ich Adriellas Stimme: „Hier ist Adriella Prätora des Clans der Rotash! Da ich, um dich zu retten, Prätora Leandra getötet habe, bin ich jetzt Prätora. Ich habe auch eine eigene Theorie zur Zeit der Schande. Der Grund, aus dem die Götter das nicht korrigiert haben, ist meiner Meinung nach, dass wir, als ein Volk von tapferen Kriegerinnen, uns jeder Unbill stellen sollten mit Tapferkeit und Würde und nicht den Problemen ausweichen und bequeme Lösungen suchen sollten wie dreckige Ferengi! Das haben auch meine Kriegerinnen eingesehen. Auch Valora hat uns verlassen. Danke, Bürgerin Betsy Scott! Danke für alles! Oh eines noch: Valora sagte, dass es ihr und Invictus nicht mehr möglich sei, das Ende der Dimensionen zu verhindern. Dafür ist der Schaden zu groß. Aber sie setzt große Hoffnungen in euch.“ Das Gespräch endete.

Wohin jetzt, Betsy?, fragte Lycira. „Hast du die Position der Granger?“, fragte ich. Ja., gab sie zurück. „Dann bring uns hin!“, befahl ich. Lyciras Avatar nickte und sie setzte Kurs, um danach sofort auf Warp zu gehen.

Rudi und Shimar hatten alles am Fernseher mitbekommen. „Das hätte ich ihr nicht zugetraut.“, sagte der junge Tindaraner und machte ein überraschtes Gesicht. „Oder kennst du so etwas von deinem Miezerle?“ „Nun.“, sagte Rudi. „Sie gibt sich normalerweise immer recht unschuldig, aber ich habe auch schon erlebt, dass sie auch anders kann, wenn sie will. Sie ist nur meistens rational genug, um nicht sofort überzureagieren.“ „Das habe ich auch schon festgestellt.“, sagte Shimar. „Aber wenn sie dann doch mal ihre bissige und kratzige Seite zeigt, unsere kleine Miezekatze, dann hat man meistens keine Fragen mehr. Aber gerade das macht ja ihren Auftritt dann auch so wirksam. Aber mal was anderes: Mich würde brennend interessieren, was Sytania jetzt zu unternehmen gedenkt, da ihre Verbindung zu Valora zerstört ist. Die hat ja schließlich erkannt, dass sie da ganz schön auf dem Holzweg war. Die Einhörner sind ja viel mächtiger als Sytania und wenn Valora damals nicht freiwillig ja gesagt hätte, dann wäre diese Allianz ja nie zustande gekommen.“ „Das ist wohl richtig.“, antwortete mein Großvater. „Aber bevor wir nachsehen, ob wir auch Feindsender sehen können, würde ich dir vorschlagen, du redest erst einmal. Ich sehe nämlich, dass dir noch etwas auf der Seele brennen muss, so wie du mich ansiehst.“ „Das stimmt tatsächlich.“, sagte Shimar. „Ich hätte nie gedacht, dass sie sich traut, jemanden anders als mich in ihren Geist zu lassen, noch dazu wenn sich derjenige nicht bemerkbar macht. OK, sie hat es ja selbst Valora angeboten, aber selbst das hätte ich nicht von ihr gedacht. Sie ist viel mutiger geworden, was Telepathie angeht.“ „Und das verdankt sie nur dir!“, sagte Rudi stolz. „Mir?“, fragte der tindaranische Aufklärerpilot unschuldig und sah ihn ungläubig an. „Was habe ich denn schon groß getan? Ich habe sie doch nur an die harmlose Seite der Telepathie herangeführt. Ich wollte doch nur, dass sie ihre Angst verliert. Valora in ihren Geist zu lassen, das stellte meiner Meinung nach schon ein ganz schönes Risiko dar. Sie hatte ja ihre Meinung noch nicht geändert und hätte Betsy schwer traumatisieren oder sogar verletzen können, wenn ihr nicht gepasst hätte, was sie dort gesehen hätte. Dann wäre vielleicht meine ganze Arbeit umsonst gewesen.“ „Hätte spielt Klarinette, mein Sohn.“, sagte Rudi. „Es ist ja Gott sei Dank alles ganz anders gelaufen. Valora ist schließlich nicht Sytania, auch wenn sie in ihrer Verblendung zunächst auf deren Seite war. Aber wie du gesehen hast, war das ja nur ein temporärer Zustand. In ihrem Inneren hat sie doch einen guten Kern. Die Eifersucht kann nur manchmal extrem scheußliche Blüten treiben, mein Junge. Glaub einem alten Mann. Ich habe Erfahrung. Ich weiß, wovon ich rede.“ „Das spreche ich dir auch sicher nicht ab.“, sagte Shimar. „Aber jetzt möchte ich doch sehr gern sehen, was unsere Feindin so treibt.“ „Also gut.“, sagte Rudi. „Versuchen wir es mal. Aber ich denke, du solltest es besser tun. Du weißt schließlich besser, wie sie und ihr Schloss aussehen.“ „Ach ja.“, sagte Shimar. „Wir müssen dem Fernseher ja die richtigen Befehle geben. Sonst weiß er ja nicht, was er uns zeigen soll.“ Damit begann er, sich auf das Bild von Sytania in Logars Thronsaal zu konzentrieren. Dass das Schloss ihres Vaters durch die Prinzessin erobert worden war, das wusste er schließlich.

 

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