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Wir hatten den nächsten Turbolift genommen und waren auch bald auf der Krankenstation angekommen. Hier deutete Loridana sofort nach der Begrüßung auf Shimars Körper: „Schwer zu glauben, dass diese Kristalldruse der gleiche gut aussehende junge Mann ist, in den sich unser junger Allrounder hier so Hals über Kopf verliebt hat.“ „Nun, Scientist.“, sagte Kissara und warf ihr einen leicht tadelnden Blick zu. „Erinnern Sie sich noch, dass Scott Sie einmal in meinem Beisein gefragt hat, in wie weit Sie eine Gefangene Ihrer Augen wären?“ „Ja.“, sagte die Zeonide. „Aber ich konnte mit ihrer Frage zunächst nicht viel anfangen.“ „Aber dafür haben Sie jetzt die Antwort!“, sagte Kissara etwas strenger. „Oh, ich verstehe.“, sagte Loridana sichtlich peinlich berührt. „Ich sollte wirklich versuchen, über das rein Äußerliche hinwegzusehen. Es tut mir leid, Madam. Als Sternenflottenoffizierin dürfte mir das eigentlich nicht passieren, weil es ja so viele verschiedene Spezies mit so verschiedenem Aussehen gibt, dass …“ „Entschuldigung angenommen, Scientist!“, ging Kissara dazwischen. „So und jetzt gehe ich zu Agent Mikel! Er soll mir mal erklären, wie er Shimar in seinen Körper zurückbekommen möchte!“ „Biobett zwei!“, gab die leicht geknickte Loridana Auskunft.

Die Kommandantin ging geradewegs durch zu dem genannten Biobett. Hier fand sie ihren Ersten Offizier bereits in sehr entspannter Haltung vor. „Können Sie mich hören, Agent?“, fragte sie leise.

Mikel tat einen tiefen Atemzug. Dann sagte er: „Ja, das kann ich, Kissara. Es tut mir leid, dass ich bereits ohne Sie mit der Show anfangen wollte. Aber Shimar hat gesagt, er will mir nicht länger zur Last fallen.“ „Was genau haben Sie denn vor?“, fragte Kissara. „Zwischen Ihnen und Shimars Körper gibt es doch keine Silberschnur, oder?“ „Noch nicht.“, sagte Mikel. „Aber ich beabsichtige, eine zu spannen. Sie wissen, dass ich meinen Körper verlassen kann, wenn ich will. Dann gehe ich temporär in Shimars Körper und wieder zurück in den meinen. Danach kann sich Shimar an der nun vorhandenen Schnur hinüberhangeln. Er ist Telepath. Sein Geist kann sie durchaus ergreifen. Später wird er sie zerreißen, damit ich nicht auf ewig mit seinem Körper verbunden bleiben muss.“ „Wenn man bedenkt, was ich schon alles mit Ihnen erlebt habe, Mikel.“, sagte Kissara. „Dann klingt auch das sehr plausibel. Und dann komme ich auch noch und bringe Sie raus! Jetzt müssen Sie sicher wieder ganz von Vorn anfangen!“ „Das wird schnell gehen.“, sagte Mikel. „Shimar hilft mir ja gut mit, wo er kann. Nur eines noch: Ist Betsy hier?“ „Ich bin hier, Mikel!“, rief ich aus dem Hintergrund. „Dann ist ja alles gut.“, sagte Mikel und schloss die Augen. Sofort positionierten sich auch Loridana und Learosh an den Monitoren. Dabei überwachte die eine Mikel und der andere Shimar. Kissara und ich blieben im Hintergrund.

Shimar hatte Mikels Fortschritte tatsächlich beobachtet. Du hast es gleich geschafft, Mikel., sagte er. Gleich wirst du deinen Körper verlassen. Vielen Dank für alles, was du mir ermöglicht hast. Jetzt kann ich Betsy noch besser verstehen. Das ist das größte Geschenk, was du mir machen konntest, weißt du das?! Danke, Shimar!“, gab Kissaras Erster Offizier hocherfreut zurück. Und ich hatte schon befürchtet, der Aufenthalt in meinem Körper sei für dich nur eine Last gewesen wegen meiner Behinderung und dann auch noch wegen eines popeligen telepathischen Mikrozentroms, mit dem du … Hey!, unterbrach Shimar ihn. Ich dachte, ich hätte dir klar gemacht, dass das genaue Gegenteil der Fall ist! Aber darüber reden wir noch einmal, wenn ich wieder in meinem Körper bin. Du wirst jetzt nämlich gleich …

Mikel spürte, wie sich alles um ihn herum zu drehen begann. Außerdem hörte er ein Sausen, was für ihn ein eindeutiges Zeichen war, dass er seinen Körper verlassen hatte. Auch Loridana und ihr Assistent konnten dies am Monitor nachvollziehen.

„Bericht, Scientist!“, forderte Kissara von ihrer Untergebenen. „Agent Mikel ist in Shimars Körper übergetreten.“, sagte Loridana. „Er ist aber nur wenige Sekunden dort verblieben und ist jetzt wieder zurück in seinem.“ „Die Silberschnur hat sich etabliert!“, fügte Learosh bei. „So weit, so gut.“, sagte unser Commander. „Jetzt ist wohl Shimar dran.“ Die Ärztin und ihr Assistent nickten bestätigend.

Mikel fühlte, dass Shimar begonnen hatte, die Silberschnur mit seinem Geist zu prüfen. Sie wird einen großartigen Job machen, Mikel!, versicherte er. Ich gehe jetzt rüber. Sobald ich drüben bin, zerreiße ich sie, wie wir es abgesprochen haben. Kann ich dir irgendwie helfen?, fragte Mikel. Du hast schon mehr als genug für mich getan., sagte Shimar. Den Rest schaffe ich wohl allein.

Damit griff er nach der Silberschnur und begann sich an ihr hinüber zu hangeln. Kaum hatte er dies aber getan, sah er, wie sich unter ihm ein riesiger Abgrund auftat. Außerdem brach ein Sturm los und er hörte Sytanias Stimme in seinem Geist: Na, mit meiner Einmischung hättest du wohl nicht gerechnet, Shimar von Tindara, was?! Und dich habe ich wohl auch total überrascht, Mikel, he?! Na ja. Oft habt ihr mich unterschätzt. Aber jetzt werdet ihr meine Rache dafür zu spüren bekommen. Früher oder später wird die Schnur reißen und dann fällst du tief, Tindaraner! Das wird deinen Geist vernichten!

Die Alarme der Monitore hatten Kissara und die Mediziner gleichermaßen aufgeschreckt. „Was ist los?!“, fragte die thundarianische Kommandantin. „Genau können wir das nicht sagen!“, sagte eine völlig alarmierte Loridana. „Aber offenbar hat Sytania Einfluss genommen. Sie versucht offenbar, die Silberschnur zu zerstören!“ „Verdammt!“, sagte Kissara. „Aber das hätten wir uns denken müssen. Es lief ja bisher alles zu glatt. Können Sie ihnen Rosannium spritzen oder einen zellaren Peptidsenker oder so etwas?“ „Sie vergessen, dass das, was Mikel und Shimar tun, auch auf telepathischer Basis stattfindet!“, sagte die Ärztin etwas hektisch. „Die Medikamente würden auch das unmöglich machen und wir würden vielleicht sogar beide verlieren!“ „Das habe ich nicht bedacht.“, entschuldigte sich Kissara. „Verzeihen Sie bitte, Loridana.“ „Schon gut.“, winkte Loridana ab und wandte sich wieder dem Monitor zu.

Mikel hatte gefühlt, wie stark der Sturm, den Sytania heraufbeschworen hatte, an ihm zerrte. Das war kein Wunder, da er ja auch als einer der beiden Pfosten für die Silberschnur fungierte. Er versuchte zwar sich vorzustellen, wie er sie immer wieder erneuerte und verstärkte, aber da Sytania immer genau das Gegenteil davon tat, erschöpfte ihn das jetzt schon sehr. Lange würde er diesen Kampf mit ihr nicht mehr führen können. Aber auch Shimar war in keiner viel besseren Situation. Er konnte weder vor noch zurück, denn dann hätte er umgreifen müssen. Dazu hätte er auf einer Seite temporär loslassen müssen, was die Gefahr bedeutet hätte, dass er fallen konnte. Er wusste, dass es unter diesen Umständen klüger war, genau dort hängen zu bleiben, wo er hing, auch wenn das die Last für Mikel noch erhöhen würde.

Mach schon!, rief Mikel Shimar zu. Ich kann nicht mehr! Es tut mir leid!, gab der Tindaraner zurück. Wenn ich nur mit einer Hand loslasse, dann falle ich sofort. Der Sturm ist zu stark. Du musst durchhalten, bis sie von außen eine Möglichkeit gefunden haben! Versuch es, Mikel! Versuch es! Wenn du es schon nicht für mich tun willst, dann versuch es wenigstens für Betsy!

Ich hatte eine schreckliche Angst um Shimar und Mikel bekommen. Dieser erlaubte ich jetzt, so weit in mir hochzukriechen, bis mir tatsächlich die Tränen über das Gesicht liefen. „Ich bringe Sie raus, Betsy.“, sagte Kissara. „Nein!“, schluchzte ich. „Bitte führen Sie mich zu Mikels Bett und vertrauen Sie mir! Ich habe einen Plan! Bitte vertrauen Sie mir!“ „Also gut.“, sagte Kissara und schlug mit mir die Richtung zu Mikels Bett ein. „Sein Ohr!“, sagte ich. „OK.“, sagte sie und ihre Hand schob meinen Kopf in die richtige Richtung. Dann flüsterte ich unter Tränen, die auch auf Mikels Gesicht fielen: „Danke für die schöne Zeit mit dir, Srinadar. Es war unglaublich. Aber jetzt muss ich dich wohl gehen lassen. Vergiss bitte nie, dass und wie sehr ich dich geliebt habe. Vergiss das bitte niemals, Shimar Sohn von Tanell und Suvar! Vergiss das bitte niemals!“ Erneut schüttelte mich ein Weinkrampf.

Auch Sytania hatte zwangsläufig mitbekommen, was ich Shimar durch Mikel gesagt hatte. Siehst du, Shimar!, sagte sie schadenfroh. Sogar deine Freundin gibt dich auf. Ihre Angst um dich ist echt. Das kann ich, als Mächtige, ja sehr gut fühlen. Sie weiß eben, wann man verloren hat. Es sieht nicht gut für dich aus, Shimar. Und wenn es schon so weit ist, dass sie nicht mehr wissen, wie sie dir helfen sollen, dann habe ich ja längst gesiegt und kann mich getrost zurückziehen. Ich habe ja alles erreicht, was ich erreichen wollte. Scott ist demoralisiert und du bist tot!

Sie lachte hämisch und zog sich zurück. Dabei hatte sie aber nicht bedacht, dass sie damit auch ihren Sturm mitnahm. Sofort nutzte Shimar das aus, indem er sich mit aller Kraft an der Silberschnur in seinen Körper hinüberzog.

Learosh wies auf den Monitor und winkte seine Vorgesetzte herbei. „Offenbar scheint sich die Molekularstruktur des Kristalls zu verändern.“, sagte die Ärztin. „Sie wird wieder zu humanoider DNS. Er verwandelt sich!“ „Nicht nur das.“, sagte Learosh. „Ich erkenne einen Herzschlag.“ „Bestätigt.“, sagte Loridana, nachdem sie einen Blick auf die Kurven geworfen hatte.

In diesem Moment tat Shimar einen tiefen Atemzug und öffnete die Augen. „Hey.“, sagte er. „Kann mir mal jemand sagen, wo ich hier eigentlich bin?!“ „Du bist auf der Granger, Srinadar!“, rief ich erfreut aus, die ich mich auf wundersame Weise plötzlich wieder beruhigt hatte. Mein Plan, Sytania einen schnellen und bequemen Sieg vorzugaukeln, wie sie ihn mochte, war aufgegangen. Meine Angst war zwar echt gewesen, aber ich hatte auch gewusst, wie selbstgefällig und bequem sie war und vor allem wusste ich genau, wie sehr sie nach Macht und nach schnellen siegen gierte. Dass Gier Hirn fraß und das vor allem bei ihr, war eine Tatsache, die jedem Sternenflottenoffizier bekannt war. Dann ließ sie schon mal alle Vorsicht fahren und wurde nachlässig. Genauer nachzusehen war ihr da eher lästig, weil es Arbeit bedeutete. Aber selbst dann, wenn sie nachgesehen hätte, hätte sie ja echte Angst gesehen.

„Was bei allen Göttern war das, Betsy!“, fragte Kissara, die wohl über mein Verhalten etwas verwirrt war. „Na ja.“, sagte ich. „Ich habe Sytania nur einen schnellen Sieg vorgespielt, wie sie ihn liebt. Was kann ich dafür, wenn sie auf mich reinfällt und nicht hinguckt? Selber schuld!“ „Oh, das ist mein cleveres Kleines!“, rief Shimar erfreut, warf mir einen ebensolchen Blick zu, wie Kissara mir beschrieb und schlief dann ein.

„Der Agent und Shimar sollten eine Weile schlafen.“, sagte Loridana. „So eine Wiedergeburt ist sicher anstrengend für alle Beteiligten. Ich werde sie zur Beobachtung auf der Krankenstation behalten, bis wir in der tindaranischen Dimension sind. Bitte gehen Sie jetzt, Commander und Sie bitte auch, Allrounder. Dann können sich Learosh und ich in Ruhe um die Patienten kümmern.“ „In Ordnung.“, sagte Kissara und nahm mich bei der Hand: „Kommen Sie!“ Ich folgte bereitwillig.

Auf Zirells Basis hatte Maron nach einer recht langweiligen Nachtschicht mit seiner Müdigkeit zu kämpfen. Der Demetaner sehnte regelrecht den Moment herbei, an dem Zirell durch die Tür kommen und ihn ablösen würde.

Statt Zirell meldete sich aber bald IDUSA bei ihm über den Neurokoppler: „Agent, die Sensoren der Station sehen eine Energiewolke in Gestalt eines Einhorns, die sich auf uns zu bewegt. Ihr Neuralmuster kann ich als das von Valora identifizieren.“

Mit einem Schlag war der Erste Offizier hellwach. „Was hast du gerade gesagt, IDUSA?!“, fragte er alarmiert. „Valora?! Das kann nichts Gutes bedeuten. Sicher will sie ihrer Stieftochter jetzt endlich den Garaus machen! Schilde hoch und wirf die Rosannium-Generatoren an, IDUSA! Aber etwas plötzlich!“ „Ich mache Sie darauf aufmerksam.“, sagte der Rechner. „Dass sich Nidell gerade bei dem kleinen Einhorn befindet und es behandelt. Wenn ich jetzt die Atmosphäre dort im Frachtraum mit Rosannium versetze, gefährde ich beide! Das werden Sie doch sicher nicht wollen, Agent. Oder irre ich mich da etwa?“

Maron dachte nach. Dann sagte er: „Nein, da irrst du dich selbstverständlich nicht, IDUSA. Ich danke dir. Oh, ich und meine Fehlentscheidungen. In diesem Fall bin ich froh, dass du kein Sternenflottenrechner bist. Der hätte meinen Befehl sicher sofort ausgeführt, weil er nicht auf selbstständiges Handeln programmiert ist. Aber was tut Valora? Zeig es mir!“

Vor dem geistigen Auge des Demetaners erschien das Innere des umgemünzten Frachtraums. Hier sah er jetzt das kleine Einhorn und Nidell, die auf einem Strohballen saß und sich dort offensichtlich gerade nach erfolgreicher Behandlung ausruhte. Aber er sah auch Valora, die als Energiefeld die Hülle der Station durchdrungen hatte und nun in fester Gestalt neben der kleinen Stute stand. Er traute dem Braten nur nicht so wirklich. Immer noch ging er davon aus, dass Valora der Kleinen etwas Böses wollen könnte.

Entschlossen stand er auf, legte den Neurokoppler ab und überprüfte seine Waffe. Dann replizierte er mit Hilfe seines Sicherheitscodes eine Fokussionslinse mit einem Rosannium-Kristall und steckte sie auf. „Was tun Sie da, Agent?!“, ermahnte ihn IDUSA über den Bordlautsprecher. „Ich werde die Kleine retten, IDUSA!“, sagte Maron entschlossen. „Dazu werde ich tun, was immer auch notwendig ist!

Damit verließ er die Kommandozentrale und stieg in den nächsten Turbolift. Dann befahl er: „Frachtdeck, IDUSA! Notfallgeschwindigkeit!“ Der Rechner aber führte seinen Befehl nur teilweise aus. Ihre Daten hatten ihr gesagt, dass Valora keinesfalls mehr eine Gefahr für das kleine Einhorn darstellte, da ihre Verbindung zu Sytania eindeutig getrennt war. Dies hätte sie ihm noch gern gesagt, aber dazu war es ja nicht mehr gekommen. Jetzt musste sie nur verhindern, dass Maron eine Schuld auf sich lud, mit der wohl keiner, am allerwenigsten er selbst, später hätte leben können.

Endlich war Maron angekommen. Die Fahrt war ihm sehr lang vorgekommen, jedenfalls wenn er davon ausging, dass der Lift mit der höchsten möglichen Geschwindigkeit unterwegs war, wie er befohlen hatte. Verärgert drehte er sich vor dem Aussteigen noch einmal zum Computermikrofon: „IDUSA, ich hatte Notfallgeschwindigkeit befohlen!“ „Das hatten Sie.“, antwortete der Rechner. „Aber dafür gibt es keinen Grund. Meine Daten sagen eindeutig, dass weder die Kleine, noch Nidell, in Gefahr sind! Überlegen Sie, was Sie tun, Agent! Bitte überlegen Sie! Tun Sie bitte nichts, was Sie am Ende bereuen!“

Maron hatte ihr nicht zugehört. Mit festem Blick war er dem Lift entstiegen und hatte seine Waffe an die rechte Schulter gelegt. Dann hatte er seine Augen auf das Fadenkreuz im Display gerichtet. So zielend ging er jetzt auf Valora zu. Dabei rief er noch in Nidells Richtung: „Nidell, geh! Verlass den Raum! Es könnte für dich sonst gleich auch sehr gefährlich werden und ich habe nicht die Absicht, dir wehzutun! Aber bei dir, Valora, sieht das schon anders aus! Wenn du auch nur versuchen solltest, dem Fohlen ein Haar zu krümmen, dann machst du Bekanntschaft mit einer großen Ladung Rosannium! Also, an deiner Stelle würde ich machen, dass ich mich von hier verziehe! Ich meine es ernst!“

Nidell hatte sich Maron zugedreht. Sie hatte nicht vor, den Raum zu verlassen. Als Telepathin hatte sie sofort gespürt, dass Valora keine bösen Absichten verfolgte. Sie hatte aber auch gesehen, dass Maron sehr entschlossen war. Offensichtlich war es jetzt an ihr, die Situation zu entschärfen. „Hast du den Verstand verloren, Maron!“, schrie sie ihn an. „Denk doch mal nach! Die Kleine hat keine Angst vor Valora! Siehst du das denn nicht! Im Gegenteil! Schau! Die Beiden kuscheln sogar! Schau doch hin, Maron! Schau doch hin!“ Sie schrie sich fast die Lunge aus dem Leib. Aber dennoch hatte sie das Gefühl, dass keines ihrer Worte zu ihm durchdringen wollte.

Marons Blick war immer noch fest auf das Display des Phasers gerichtet. Für sein Umfeld hatte der Demetaner keine Augen. „Ich zähle bis drei, Valora!“, wandte er sich bedrohlich an das erwachsene Einhorn. „Wenn du bis dahin nicht verschwunden bist, werde ich feuern! Eins, zwei, drei!“

„Nein, Maron! Um Himmels Willen!“ Mit ihrem letzten Ausruf hatte Nidell ein paar Schritte in Marons Richtung getan. Dabei war sie direkt in den Strahl des feuernden Phasers gelaufen. Jedenfalls glaubte das Maron, der nur noch etwas Kleines Schlankes vor sich ins Stroh fallen sah.

Sofort war er ernüchtert. Er warf den Phaser mit aller Kraft so stark in Richtung der Wand, dass das Gehäuse sicher geborsten wäre, wenn die Waffe nicht einen Zentimeter vor der Wand im Stroh gelandet wäre. „Weg mit der Waffe!“, schrie er. „Was will ich damit?!“ Dann beugte er sich zu Nidells Körper herunter, den er tot glaubte. Alle Anzeichen sprachen dafür. Das konnte er auch ohne Erfasser sehen. Nidells Körper hatte sogar angefangen zu kristallisieren. „Was habe ich getan?“, fragte er erschüttert. „Mutter Schicksal, was habe ich getan?!“

Eine weiche große Nase berührte ihn im Gesicht. Dann hörte er Valoras Stimme in seinem Geist: Hab keine Furcht, Maron von Demeta. Ich will dir nichts Böses. Ich bin nur hier, um mein Stiefkind abzuholen, das bei uns in der Herde leben wird. Im Gedenken an Betsy, die mich nie aufgegeben hat und immer meinen guten Kern sah, auch als ich eine verblendete und kurzsichtige Närrin war und mich Sytania hingab, werde ich die Kleine Benevidea nennen. „Ich verstehe.“, gab Maron traurig verbal zurück. „Wegen ihrer Kräfte kann sie nicht mehr unter Sterblichen bleiben. Und ich denke, der Name passt auch zu ihr. Benevidea! Die Gutes sieht! Das bringt mich auch gleich zu Nidell. Sie hat das von Anfang an gesehen und IDUSA auch. Hätte ich nur auf die Beiden gehört! Jetzt darf ich mich vor dem tindaranischen Kriegsgericht wegen Tötung einer Kameradin verantworten!“

„Das musst du nicht, Maron.“ Eine leise helle Stimme hatte sich tröstend an ihn gewandt. Dann stand Nidell quicklebendig vor ihm. „Aber wie …?“, staunte er. „Ganz einfach.“, sagte die medizinische Assistentin. „Du hast zwar abgedrückt, aber dein Phaser hat nicht gefeuert. Ich denke, IDUSA hat sich über die drahtlose Diagnoseverbindung in dessen System gehackt und die Feuertaste gesperrt. Dann musste ich dir nur noch das passende Theater liefern.“ „Aber dein kristalliner Zustand.“, sagte Maron verwundert.

Weißt du denn nicht, dass die Tindaraner das auch zu Lebzeiten steuern können?, mischte sich Valora ein. Nidell und ich haben alles telepathisch abgesprochen. Euer Rechner hat uns auch sehr gut zugearbeitet. „Na dann hat Mann ja wohl keine Chance, wenn er von drei so charmanten Ladies auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird, IDUSA eingeschlossen.“, lächelte Maron und ließ sich erleichtert ins Stroh fallen. „Das stimmt wohl.“, lächelte Nidell und kauerte sich neben ihn. Dann sahen beide zu, wie sich Valora und Benevidea in zwei Energiewolken verwandelten und die Station verließen.

Maron sammelte seine Waffe wieder ein. Dann fragte er: „Kannst du arbeiten, Nidell?“ „Oh sicher.“, erklärte die medizinische Assistentin. „Die Frage solltest du dir aber besser selbst stellen. Sollen Ishan und ich dich krankschreiben?“ „Nicht nötig.“, sagte Maron und drehte sich ebenfalls zum Gehen. „Es geht schon. Ich werde Zirell nur eine Menge gestehen müssen.“ „Na, dann ist ja gut.“, sagte Nidell und beide verließen den Frachtraum, um wieder an ihre Arbeit zu gehen.

In der Kommandozentrale war Maron bereits von Zirell erwartet worden, die sich inzwischen die eingegangenen Mails von Time und Kissara durchgelesen hatte. Sie hatte ihnen auch schon geantwortet und die Granger auf ihrer Station herzlich willkommen geheißen. Die Electronica würde ja nicht kommen, denn sie war zu einer anderen Mission abberufen worden. Aber auch Iranach durfte gern kommen und den geflickten Webstuhl des Schicksals mitbringen. Sie würde allen ja sagen können, was Logar Time gesagt hatte. Aber auch IDUSAs Nachricht war von der Kommandantin zur Kenntnis genommen worden, in der ihr der Rechner den Vorfall im Frachtraum gemeldet hatte. Jeden Vorfall, in dem das Abfeuern einer Waffe und war es auch nur ein Versuch, eine Rolle spielte, musste der Computer eigentlich zuerst Maron melden. Das verlangten die Protokolle, da so etwas ja auch Einfluss auf die Sicherheit der Station haben konnte. Wurde zum Beispiel deren Hülle dabei beschädigt, konnte sie Atmosphäre in den Weltraum verlieren und das war sehr lebensfeindlich für alle. Von den Toten und Verletzten durch eine Schießerei ganz zu schweigen. Da Maron aber involviert war, war Zirell die nächste Adresse.

Der Erste Offizier setzte sich wieder auf seinen Platz und sah sie abwartend an. „Na, da ist ja ganz schön was passiert, während ich in süßen Träumen lag, Maron.“, sagte Zirell ruhig, was ihn sehr überraschte, denn er hatte eigentlich mit einem handfesten Donnerwetter ihrerseits gerechnet. „Das kann schon sein, Zirell.“, sagte Maron diplomatisch. „Aber auf was genau beziehst du dich? Du hast da eine Menge Nachrichten auf deinem Schreibtisch.“ „In gewisser Weise beziehe ich mich auf all diese Nachrichten, Maron.“, sagte die Tindaranerin. „Wir sollten in den großen Konferenzraum gehen. Ich denke, da haben wir genug Platz für alle. „In Ordnung.“, sagte Maron.

Der Blick seines mentalen Auges war über den virtuellen Schirm gewandert, den IDUSA beiden gezeigt hatte. Dann hatte Maron auf einmal zu grinsen begonnen. „Was steht hier?“, fragte er etwas fassungslos. „Die Electronica hat eine Raumbrüchige Namens Meroola Sylenne aufgefischt und die behauptet auch noch, in gewisser Weise für die neueste Niederlage Sytanias verantwortlich zu sein?“ „Das stimmt inhaltlich so, Maron.“, sagte Zirell. „Und ich wette mit dir, dass es wahr ist. Wenn es sich um unsere Meroola handelt, dann gehe ich jede Wette mit dir ein, dass es genauso stimmt!“ „Das werde ich ja, wenn alles gut geht, auch irgendwann selbst überprüfen können.“, sagte Maron. „Hier steht schließlich auch, dass sie Asyl auf Celsius bekommen hat. Ich werde sie dort einmal besuchen.“ „Das musst du vielleicht gar nicht.“, sagte Zirell. „In der Anlage der Mail von der Electronica befindet sich der Vernehmungsbericht. Dort wird es sicher auch eine erkennungsdienstliche Akte mit einem Bild geben. Aber die kriegt nur ein Agent auf.“ „Schon gut, Zirell.“, sagte Maron und befahl IDUSA, die Akte zu öffnen. Über das, was er dort sah, traf ihn fast der Schlag. Das Bild auf dem Deckblatt zeigte genau die Person, von der sie beide gerade geredet hatten. „Das ist ohne Zweifel Meroola Sylenne.“, sagte Maron. „Allerdings hieß sie Meroola Ed Joran, als wir sie das letzte Mal sahen. Sie hatte Jorans Doppelgänger aus einer Parallelrealität geheiratet. Erinnerst du dich?“ Zirell nickte nur. „Aber vielleicht ist ihm etwas passiert.“, sagte sie. „Dass sie einfach nur geschieden sind, glaube ich nicht. Die Gegend, in der sie gelebt haben, gilt nicht als sehr sicher. Aber Meroola und ihr Joran hatten uns damals versichert, sie kämen schon klar.“ „Vor Schicksalsschlägen ist niemand gefeit, Zirell.“, sagte Maron. „Aber wir sollten jetzt erst einmal gehen. Obwohl ich auf diese Vernehmung wirklich sehr neugierig bin. Ich bin wirklich gespannt, wie Meroola es angestellt haben will, Sytania derart an den Karren zu fahren.“ „Nach der Konferenz wirst du dafür noch genug Gelegenheit haben.“, tröstete Zirell. „Ich nehme ja an, von uns beiden wird keiner zum Außenteam gehören. Die Nachricht von der Granger besagt eindeutig, dass Shimar große Fortschritte bei der Genesung macht und Kissaras Ärztin ihn schon wieder für dienstfähig hält. Jenna wird sein Schiff überprüfen. Er wird sich sehr freuen, dass sie nicht verschrottet worden ist.“ „Das denke ich auch.“, sagte Maron. „Zumal das ja fast die Konsequenz war, als er tot war. Aber ich denke auch, er wird sich noch mehr freuen, wenn er erfährt, wem er das zu verdanken hat.“ „Oh ja!“, sagte Zirell mit Überzeugung. „Ich glaube, dass wird ihn aus den Socken hauen! Komm jetzt, Maron. Wir wollen unsere Gäste schließlich nicht warten lassen und sollten noch einiges vorbereiten.“ „OK.“, sagte der Erste Offizier und stand gemeinsam mit seiner Vorgesetzten auf, um mit ihr den Raum zu verlassen. IDUSA erhielt den Auftrag, ihnen über die Handsprechgeräte Bescheid zu geben, sobald die Granger gedockt hätte.

Kissara selbst hatte temporär meinen Posten am Steuerpult übernommen, da sie fand, dass dies eine Ausnahmesituation war. So hatte ich Zeit, mich mit Shimar auszutauschen. Wir hatten einen langen Spaziergang über das gesamte Schiff gemacht und ich hatte ihm dabei auch von meiner Mission berichtet. Darauf war er plötzlich stehengeblieben und hatte mich mitten auf dem Flur geküsst und fest in den Arm genommen. Es war uns beiden völlig egal gewesen, ob uns jemand zusah. „Du hast keine Ahnung, wie mutig das von dir war, Kleines!“, rief er aus. „Ich hätte dir nicht zugetraut, dass du jemand anders in deinen Geist lassen kannst. Zumal du ja nicht sicher warst, was Valora unter diesen Umständen mit dir gemacht hätte. Du musst aber auch Sytania sehr überrascht haben. Anders kann ich mir nicht erklären, warum sie nicht versucht hat, Valora wieder für sich einzunehmen.“ „Das denke ich auch, Srinadar.“, sagte ich und küsste dieses Mal ihn.

Leider machte die Sprechanlage im Flur unserem romantischen Spaziergang ein abruptes Ende. Am anderen Ende der Verbindung war Kissara, die uns mitteilte, dass wir an Zirells Basis gedockt hatten und uns alle im Transporterraum treffen würden, um dann gemeinsam auf die Station zu beamen. „Also gut.“, sagte Shimar. „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich darauf freue, meine Kameraden wiederzusehen und wenn das stimmt, was ich nur noch als verrückten Traum in Erinnerung habe, dann muss ich mich noch bei einer Frau bedanken, der ich das, was sie getan hat, überhaupt nicht zugetraut hatte. Aber du hast mir ja bestätigt, dass alles, was ich im Reich der Toten im Fernseher deines Großvaters gesehen habe, der Realität hier entsprach. Shannon! Ausgerechnet Shannon! Das hätte wohl niemand für möglich gehalten.“ „Tja.“, grinste ich. „Sie ist halt immer wieder für eine Überraschung gut. Aber das mit deinem Schiff ist ja nicht das Einzige. Sie hat ja auch das Vertrauen deiner Regierung in die Vendar wiederhergestellt. Also, wenn du es auch nicht zurück ins Leben geschafft hättest, dann hätte es trotzdem jemanden gegeben, der deine IDUSA hätte fliegen können. Aber so oder so, wir haben es Shannon zu verdanken. Das stimmt schon. Wenn sie auch ein wenig Hilfe von meinem Mann und Tolea hatte, die damit ihre Schuld beglichen hat.“ „Eine Schuld, die sie in meinen Augen nie hatte.“, sagte Shimar. „Ich habe aus freien Stücken getan, was ich damals getan habe.“ „Das weißt du, das weiß ich!“, rappte ich ihm etwas vor. „Nur Tolea, die glaubt es nich’.“ Shimar grinste. „Gehen wir.“, lachte er. Bevor ich hier noch vor Lachen platze! Du bist so süß, wenn du witzig bist.“ „Oh, ich setze dich gern wieder zusammen.“, frotzelte ich. „Hey gern!“, sagte Shimar und legte einen fast erotischen Touch in seine Stimme. „Aber dazu sollten wir uns mehr Zeit nehmen.“ Dann räusperte er sich und schien angestrengt zu versuchen, jeden weiteren Gedanken daran aus seinem Kopf zu vertreiben. Dabei flüsterte er sich selbst noch auf Tindaranisch zu: „Konzentrier dich, Junge! Das ist ein Befehl!“ Darüber musste wiederum ich, die alles genau verstanden hatte, leise lachen. „OK.“, lächelte ich dann. „Lass uns lieber gehen, bevor das hier noch ausartet. Schließlich sind wir beide im Dienst.“ „Sehe ich genauso.“, sagte Shimar, nachdem er sich erneut geräuspert hatte. Dann nahm er mich bei der Hand: „Na komm!“

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