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Telzan hatte seiner Frau beim Weben zugesehen. Er sah mit viel Wohlwollen, dass sie das Tuch schon fast fertig hatte. Aber er hatte auch den Kontaktkelch bei sich, in dem er jetzt auch mich sah, die ich auf dem Weg zu Akantus war. Sofort befahl er dem Kelch, ihm die Zukunft zu zeigen, indem er sich den Lauf der Sonne in beschleunigter Form vorstellte, aber was er da zu sehen bekam, schreckte ihn doch sehr.

Dies war auch seiner Frau aufgefallen, die kurz von ihrer Arbeit aufgesehen hatte. „Was schreckt dich so, mein armer Ehemann?“, fragte sie. „Es ist das, was Scott tun wird, wenn wir nicht …“

Ein schwarzer Blitz hatte seine Ausführungen unterbrochen. Dann stand Sytania vor Cirnach und ihm. „Habe ich dich gerade den Namen Scott sagen hören?!“, fragte Sytania streng. „Es wird nichts nützen, wenn du leugnest!“ „Das würde mir nie im Traum einfallen.“, sagte Telzan. „Ich würde Euch nie belügen, Gebieterin. Ja, es stimmt. Ich habe Scott gesehen. Der Kontaktkelch hat mir gezeigt, dass sie auf dem Weg zu Akantus ist. Ich habe gesehen, dass sie sich auch von ihm Fäden besorgen wird, um es uns gleich zu tun. Die zweite Hälfte des Webstuhls des Schicksals ist in ihrem Besitz, oder besser, sie wird es sein. Aber das wird ihr alles nichts nützen, wenn wir den töten, der ihr die Fäden geben könnte. Aber das müssen wir nicht selbst tun. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass Spinnenweibchen ihre Partner nach dem Liebesakt töten und fressen. Nur wird Argonia den Liebesakt ganz weglassen!“ Er lachte hämisch auf. „Sehr gut, Telzan!“, rief Sytania aus. „Der arme einsame Akantus wird sich so freuen, endlich eine Partnerin gefunden zu haben, dass er deren wahre Absicht gar nicht hinterfragen wird. Ich werde es Argonia gleich sagen!“

Die imperianische Königstochter konzentrierte sich auf das Bild ihrer Schöpfung und dachte: Argonia, ich habe einen Auftrag für dich. Geh zu Akantus Höhle und töte ihn. Ich werde dir den Weg weisen. Du wirst schon früh genug ankommen. Jedenfalls früher als Scott, die ja zu Pferd unterwegs ist. Sie hat zwar einen Vorsprung, Aber ich kenne einige Abkürzungen. Meine Macht werde ich nicht nutzen, um dich dort abzusetzen. Das könnte Akantus nämlich spüren und dann würde er misstrauisch. Das dürfen wir auf keinen Fall riskieren, verstehst du? Auf gar keinen Fall! Ich wünsche dir auch später einen guten Appetit bei seinen Überresten! Ich werde Euch nicht enttäuschen, meine Schöpferin!, gab Argonia fest auf gleichem Wege zurück. Dann sahen Sytania und die beiden Vendar, wie sie sich davonmachte.

Kipana war jetzt schon fast eine Stunde lang ununterbrochen galoppiert und ich hatte langsam Mühe, mich im Sattel zu halten. Immer wieder hatte ich versucht, sie dazu zu bewegen, ihre Kräfte zu sparen. Ich wusste ja nicht, wie weit es noch zu Akantus’ Höhle sein würde. Sie aber war nicht davon abzubringen gewesen. Ich wusste, dass Logar hieran wohl nicht ganz unschuldig war und hoffte inständig, er würde ihr mittels seiner Macht auch die Kraft geben, diesen Höllentripp durchzuhalten.

Plötzlich blieb sie stehen und ich zog sofort meinen Erfasser, um die Umgebung zu scannen. Dann fragte ich: „Erfasser, handelt es sich bei der Umgebung in Reichweite um die von Akantus’ Höhle?“ Genug Daten, um mir diese Frage zu beantworten, hatte das Gerät ja. „Affirmativ.“, gab die nüchterne Computerstimme zurück. „OK.“, sagte ich erleichtert, steckte das Gerät wieder ein und stieg aus dem Sattel, den ich meiner armen großen Dickmaus gleich abnahm und an den nächsten Baum über einen niedrig hängenden Ast hing. Dann verfuhr ich ähnlich mit der Beißstange, die ich aus dem Zaumzeug hakte und zum Sattel hing. Einen mitgeführten Strick, den ich in der Satteltasche gefunden hatte, befestigte ich am Zaum und führte sie zu einem weiteren Baum in der Nähe, wo ich sie lang anband, damit sie dort auch grasen konnte. Dann streichelte und klopfte ich sie noch eine Weile: „Fein gemacht, Süße! Ganz fein!“

Ein Geräusch hinter mir hatte mich plötzlich aufhorchen lassen. Es war mir, als würde ich etwas krabbeln hören, das aber recht groß sein musste. „Akantus, bist du das?“, fragte ich. Aber statt einer Antwort erhielt ich nur einen Hinweis von Kipana, die plötzlich unruhig mit den Hufen scharrte. Jenes Verhalten hatte ich schon oft bei ihr beobachten können, wenn sie etwas Böses oder eine Gefahr gespürt hatte. Dafür hatte sie untrügliche Instinkte!

Sofort zog ich erneut meinen Erfasser und befahl ihm die Interpretation der gescannten Daten. „Das zu scannende Objekt enthält Sytanias Neuralmuster.“, sagte das Gerät. Es handelt sich um eine weibliche Spinne von der Größe eines Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine Schöpfung von Sytania handelt, beträgt 100 %!“ Sofort hatte ich geschaltet und das Gerät wieder eingesteckt. Dabei hatte ich ihm noch zugezischt, „Ich danke dir.“ Auch Kipana hatte ich fest geklopft und gekrault. Schließlich war sie es ja auch gewesen, die mich erst aufmerksam gemacht hatte.

Ich zog den Dolch des Vertrauens und ging damit auf die Spinne zu. Dann sagte ich fest und etwas aggressiv: „Ich weiß nicht, wer du bist, oder woher du kommst! Aber das interessiert mich im Moment auch nicht! Wenn du auch nur versuchen solltest, Akantus zu nahe zu kommen, dann bekommst du meine Waffe zu spüren! Nur, dass dir das klar ist!“ Warum denn gleich so hitzig?, gab sie telepathisch zur Antwort und ich konnte ihre Hinterlist sehr gut hören. Ich will doch gar nichts Böses von Akantus. Ich bin eine Frau, er ist ein Mann. Was denkst du denn, dass ich wollen könnte, hm? „Darauf werde ich nicht hereinfallen!“, sagte ich mit immer noch der gleichen Grundhaltung. „Mir ist bekannt, dass Spinnenweibchen Ihre Männchen nach der Liebe gern verspeisen! Ich denke, deine Schöpferin hat dir den Befehl erteilt, den Liebesakt gleich ganz wegzulassen, he?! Oder irre ich mich da etwa?! Du brauchst gar nicht zu leugnen! Deine Absichten sind mir mehr als klar, gerade weil ich jetzt weiß, dass du definitiv von Sytania kommst!“ Du irrst, Sternenflottenoffizierin., gab Argonia zurück. Ich bin nur unsterblich verliebt in Akantus. „Ja, sterben!“ sagte ich. „Sterben wird jetzt gleich jemand. Aber das wird mit Sicherheit nicht Akantus sein. Fragen wir doch den Dolch des Vertrauens, ob du die Wahrheit gesprochen hast!“

Ich öffnete meine Hand nur leicht und der Dolch fuhr heraus und flog in Richtung der Spinne. Dann bohrte er sich durch ihre Atmungsorgane an ihrem Hinterleib. Das konnte ich sehr gut in meinem Geist sehen, da er es mir zu zeigen schien. Dann hörte ich eine röchelnde weibliche Stimme in meinem Kopf: Zieh den Dolch wieder heraus! Ich dachte immer, dass ihr von der Sternenflotte Leben achtet! „Aber nicht dann, wenn es das Leben bedroht, das wir schützen sollen!“, sagte ich mit einer Art von Aggression in der Stimme, die ich von mir sonst eigentlich gar nicht kannte. „Falls es dir entgangen sein sollte, wir sind im Krieg mit deiner Schöpferin! Also ist sie der Feind genau wie du!“ Aber ihr versucht es doch sonst immer mit Diplomatie., versuchte Argonia mich einzulullen. Bitte, zieh den Dolch endlich heraus! Zieh …

Ein letztes Röcheln und dann war sie tot. Erst jetzt nahm ich den Dolch wieder an mich. Dabei stellte ich fest, dass er sich so durch die Röhren gebohrt hatte, dass er sie regelrecht zusammengetackert hatte. Selbst dann, wenn ich ihn also herausgezogen hätte, hätte sie keine Luft bekommen. Wer schon einmal versucht hat, ein Getränk durch einen löcherigen Strohhalm zu saugen, der weiß jetzt vielleicht, wovon ich rede. Sie war also gleichzeitig verblutet und erstickt. Nachdem ich ihr Blut mit einigen Blättern notdürftig vom Dolch gewischt hatte, steckte ich ihn wieder ein.

Ein erneutes Geräusch hatte mich aufhorchen lassen. Es klang ähnlich wie das Krabbeln vorher. Aber jetzt hörte ich eine männliche Stimme in meinem Geist: Hab keine Furcht, Betsy! Ich wusste, wir würden uns irgendwann noch einmal sehen. Ich weiß, was du willst. Folge mir in meine Höhle. Von dort aus werden wir alles andere regeln. Den Leichnam hier werden wir mitnehmen. Ich werde sie essen müssen, um genug Faden produzieren zu können. Wir haben ein sehr wichtiges Projekt zu verwirklichen, du und ich. Ein sehr Wichtiges! „Ich werde dir tragen helfen, Akantus.“, gab ich verbal zurück. Sehr gut! sagte er. Dann habe ich auch gleich eine Möglichkeit, dich zu führen. So nahmen wir die Spinne, ich am Hinterteil mit meinen Händen und er mit einem seiner Beinpaare vorn und machten uns auf den Weg in seine Höhle.

Hier angekommen beförderte er zunächst die Leiche von Sytanias Schöpfung in ein Netz unter der Decke, das ihm als Vorratskammer diente. Aber auch ich hatte mitbekommen, dass ich wohl ordentlich zu tun bekommen würde. Der Webstuhl und alles, was ich benötigen würde, war nämlich auch schon da. Ich konnte mir auch denken, wie es dazu gekommen war. Sicher hatte Shimar von seinem Schiff aus alles gesehen und meinen Commander über die Situation informiert. Die Granger konnte nicht in der Tiefe operieren, in der es IDUSA konnte. Sie war zu groß und hätte trotz der tragfähigen Atmosphäre der Dimension einen Absturz riskiert. Sie war eben eher für den weiten Weltraum gebaut.

Der Spinnenmann hatte sich jetzt vor mir auf den Rücken gelegt. Wir sollten so schnell wie möglich beginnen., schlug er vor. Ich nehme an, deine Leute haben dir alles mitgegeben, was du so brauchen wirst.

„Das stimmt, Akantus.“, sagte ich, nachdem ich meine Ausrüstung überprüft hatte. „Aber denkst du nicht, dass du zunächst einmal etwas essen solltest? Ich meine, du wirst eine Menge Proteine benötigen, wenn …“ Gute Idee!, gab Akantus zurück und ließ mich zusehen, wie er genüsslich in Sytanias toter Schöpfung bis un begann sie auszusaugen.

Ich nahm meinen Erfasser und scannte mich selbst. Danach war das Stück Spinne dran. Dann ließ ich diese Daten unter der genannten Fragestellung durch das Interpretationsprogramm laufen. Dieses verneinte den Umstand der Giftigkeit, wies mich aber darauf hin, dass es zu leichten Komplikationen kommen könnte, weil meine Verdauung es ja nicht gewöhnt sei. Es lieferte mir aber auch gleich die passende Empfehlung für ein Medikament gegen Übelkeit. „Danke, Erfasser.“, sagte ich und steckte das Gerät wieder ein.

Akantus gab mir das Stück Spinne, in das ich etwas zögerlich biss. Es schmeckte leicht nach Erdnuss. Die Konsistenz erinnerte mich an eine härtere Zwiebel. Irgendwie war das nicht schlecht. Aber im Interesse meiner Gesundheit sollte ich es wohl besser bei diesem einen Stück bewenden lassen. Meine diplomatische Pflicht hatte ich ja erfüllt. Ich würde dann doch lieber meinen Haferschleim aus der Packung schlabbern.

Nach dem Essen zog ich mir medizinische Handschuhe über. „Wollen wir dann anfangen, Akantus?“, fragte ich. Wie du wünschst., sagte er und ich bemerkte, dass er sich anzuspannen begann. „Warte!“, sagte ich. „Ich will zuerst deine Spinnwarzen mit etwas Alkohol und einem Wattebausch von Resten alter Fäden befreien. Ich bin überzeugt, wenn die Verklebungen weg sind, dann hast du es viel leichter.“ In Ordnung., gab er zurück. Dann mach nur.

Bald hatte ich erledigt, was ich gesagt hatte. Das fühlt sich gut an., meinte Akantus. So etwas habe ich lange nicht mehr gefühlt. So, jetzt nimm dir besser mal einen dieser Stäbe, um die du den Faden wickeln wirst. Du wirst gefühlt haben, dass meine Warzen schon ganz dick und voll sind. Lange halte ich das nicht mehr aus! „OK.“, sagte ich und packte einen Stab aus, so schnell ich konnte. Dann hielt ich ihn an den Ausgang einer der Warzen und sagte: „Jetzt!“

Ich spürte, wie die Warze gegen seinen Beckenboden gepresst wurde. Dann kam tatsächlich ein Fadenende zum Vorschein, das ich eilig um den Stab wickelte. Dann sagte ich: „Du kannst dich entspannen. Ich habe das Ende.“ Schon?, gab er erstaunt zurück. Deine Reinigungskur muss Wunder gewirkt haben. Sonst hatte ich es damit nie so leicht und benötigte mehrere Versuche. „Du solltest vielleicht öfter mal zum Fluss gehen und deine Spinnwarzen reinigen.“, schlug ich vor. Das werde ich., sagte Akantus. Aber eines möchte ich noch gern von dir wissen. Wirst du wieder für mich singen? „Wenn du möchtest?“, sagte ich. „Sicher möchte ich., sagte Akantus. Du singst nämlich sehr schön. Übrigens, dass, was wir hier beide gerade tun, hätte sich zum Beispiel deine Vorgängerin Hoshi sicher nicht getraut. Für sie wäre ich bestimmt viel zu abstoßend gewesen. „Aber für mich bist du das nicht!“, erklärte ich fest, die ich genau wusste, woher er diese Information hatte. Schließlich war er in meinem Geist und ich hatte gerade daran gedacht, wie Sehende, also auch sicher sie, auf ihn reagieren würden. „Ich mag dich! Du bist groß, weich und hast einen guten Charakter und du hast sicher mit einem Recht. Das wäre ihr bestimmt alles abgegangen. Ach übrigens, damals hast du mir gesagt, du würdest dafür beten, dass wir einmal einer Spezies begegnen würden, deren Sprache eine Melodie ist. In gewisser Weise sind deine Gebete wohl erhört worden.“ Ach ja, die Tindaraner., sagte er. Und du bist sogar in einen verliebt! Herz, was willst du mehr. Ich nickte nur lächelnd und hob zu einem ruhigen Stück aus meinem Heimatjahrhundert an, während ich langsam den Stab drehte, auf den sich immer mehr Faden wickelte. Wenn die Spule voll wäre, würde ich mit dem Aufspannen der Fäden und mit dem Weben beginnen, um auch ihm eine Pause zu gönnen.

Bis zum Sonnenuntergang hatte Telzan vor dem Kontaktkelch gesessen und meine Fortschritte beobachtet. Dabei hatte er nur manchmal kurz zu seiner Frau hinübergesehen, um ihre mit den Meinen zu vergleichen. „Betsy El Taria hat enorm aufgeholt, Telshanach.“, stellte er fest. „Genau wie du benötigt sie nur noch eine Reihe bis zum Ende.“ „Wenn das mal kein Schicksal ist, Telzan.“, sagte die Vendar.

Kaum hatte sie das gesagt, ging eine Erschütterung durch die gesamte Dimension. Sofort zog Telzan seinen Erfasser, gab bestimmte Befehle ein und scannte die Umgebung. „Es beginnt.“, sagte er. „Aber wie kann es beginnen, wenn wir doch alles tun, um es zu verhindern?“, fragte Cirnach. „Vielleicht müssen wir den Webstuhl des Schicksals doch wieder korrekt zusammenfügen. Das würde auch zu der Theorie von Jenna McKnight passen, die ja sagt, dass Gut und Böse nicht ohne einander existieren können. Ich denke, wir müssen unsere Tücher verbinden, Betsy El Taria und ich. Anders wird es keine Rettung geben! Denk bitte nach, mein Ehemann. Denk nach! Es gibt immer für alles ein Für und Wider. Immer gibt es zwei Seiten. Komm! Hilf mir packen. Wir bringen unseren Webstuhl in Akantus‘ Höhle und dann fügst du die Hälfte, die von den Quellenwesen kommt, mit der von Betsys Webstuhl zusammen. Sie wird uns keine Steine in den Weg legen, denke ich. Dazu ist sie viel zu vernünftig. Sie wird auch bemerkt haben, dass es nicht anders geht.“

Telzan hatte kurz überlegt. Dann aber war er aufgestanden und hatte beherzt nach der einen Seite des Stuhles gegriffen: „Lass uns gehen, Telshanach! Wir laden den Stuhl in den Laderaum meines Schiffes und fliegen hin. Das geht am schnellsten. Vorausgesetzt, ich bekomme es überhaupt unter den Voraussetzungen gestartet.“

„Ihr werdet nirgendwo hingehen!“ Ein schwarzer Blitz und dann hatte eine weibliche Stimme genau das in den leeren Raum gerufen. Die Vendar hatten sofort Sytania erkannt. „Es führt kein Weg daran vorbei, Herrin!“, hatte sich Telzan ihr mutig entgegengestellt. „Wenn wir das nicht tun, dann werdet auch Ihr vergehen! Es wird keine absolute Macht für Euch geben!“

Er zählte bis drei und Cirnach und er hoben den Webstuhl an, um entschlossenen Schrittes die Richtung zu ihrem Schiff einzuschlagen. „Bleibt stehen, ihr Narren!“, befahl Sytania. „Habt ihr denn gar kein Vertrauen mehr in mich?! Ich werde euch zeigen, dass ihr euch gründlich irrt!“

Schwarze Blitze zogen durch die Luft, aber sie schienen den Vendar eher unkontrolliert und zufällig zu sein. Deshalb warfen sie auch nur noch einen bedauernden Blick auf ihre Herrin und gingen ungerührt weiter.

Auch Akantus und ich hatten die Erschütterungen bemerkt. „Es beginnt.“, sagte ich, nachdem auch ich die Stabilität der Dimension mit meinem Erfasser überprüft hatte. Ja, es beginnt., bestätigte der Spinnenmann. Aber ich bemerke in deinem Geist bereits eine Lösung. Du willst dein Tuch mit dem von Cirnach verbinden. Ich denke auch, dass das die richtige Lösung sein wird. Du bist intelligent genug, um auf so etwas zu kommen. Das habe ich geahnt. Du warst ja auch intelligent genug, um zu sehen, dass du nicht alle guten Wesen, denen du die Lebensfäden in diesem Tuch widmest, direkt beim Namen kennen musst, sondern dass es ausreicht, wenn du liebevoll daran denkst, es eben allen guten Wesen in allen Dimensionen zu widmen. Darauf wäre sicher nicht jeder gekommen. „Du schmeichelst mir.“, lächelte ich. „Dann hoffen wir mal, dass Cirnach genauso schlau ist.“

Auch Scotty und Shimar hatten alles mitgekriegt. Der junge Tindaraner musste inzwischen alle fliegerischen Kenntnisse aufbieten, um IDUSA in dieser unruhigen Atmosphäre überhaupt stabil zu halten. Aber da er geschickt die Pausen zwischen den Verwerfungen ausnutzte, gelang ihm das auch einigermaßen. Er hatte sogar die Zeit gefunden, sich mit Scotty über einiges zu unterhalten. „Weißt du, dass Loridana den Grund gefunden hat, aus dem IDUSA und ich so gut miteinander zurechtkommen?“, fragte Shimar. Scotty gab nur einen negierenden Laut von sich. „Sie sagte, mein moralisches Zentrum wäre viel feiner durch Nervenzellen mit dem Rest meines Gehirns verbunden, als es bei anderen Tindaranern der Fall sei, die sie schon gesehen hätte. Sie sagt, dass muss ich schon von Geburt an haben. Deshalb nehme ich auch unsere Rechtsprechung so ernst und das wiederum lässt mich diese IDUSA-Einheit hier sehr ernst nehmen.“, „Aha.“, sagte Scotty. „Das erklärt natürlich einiges.“

Telzan und Cirnach waren auch bald über der Höhle von Akantus angekommen. Es war dem Vendar tatsächlich gelungen, sein Schiff zu starten, aber mit der Landung haperte es jetzt gewaltig. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass die sehr tragfähige und unruhige Luft das Schiff auf und ab tanzen ließ wie einen Ball, wenn immer er versuchte, den Sinkflug einzuleiten. Das war aber auch der Grund, aus dem er Cirnach und den Webstuhl nicht einfach herunterbeamen konnte. Eine stabile Erfassung bestimmter Koordinaten mit dem Transporter war ja so auch nicht möglich.

Cirnach hatte Shimars Schiff nicht aus den Augen gelassen. Sie hatte gesehen, dass es ihm, im Gegensatz zu ihrem Mann, wohl gelingen könnte, eine Landung hinzulegen. „Die Zeit läuft uns davon, Telzan!“, drängte sie. „Offensichtlich benötigst du Hilfe und es gibt hier nur einen, der sie dir gewähren kann und der sie dir, wenn er vernünftig ist, auch gewähren wird! Ruf den Tindaraner. Shimar El Tindara ist immer sehr vernünftig gewesen, seit wir ihn kennen. Er wird dir bestimmt helfen. Ich weiß, dass du ein stolzer Krieger bist, der nur ungern Hilfe annimmt. Aber jetzt schluck endlich deinen Stolz herunter und ruf den Tindaraner!“

Telzan versuchte offenbar, sie zu ignorieren. Er biss nur die Zähne zusammen und vertiefte sich noch mehr in seine erfolglosen Landeversuche. „Ruf den Tindaraner!“, wiederholte Cirnach. „Sonst tue ich es!“

IDUSA und ihre Crew hatten das Unterfangen der Vendar mitbekommen. „Es sieht aus, Gentlemen.“, sagte das Schiff. „Als hätten unsere Gegner einige Schwierigkeiten.“ „Ich würde sie nicht unbedingt als unsere Gegner bezeichnen.“, sagte Shimar, der sich in diesem Moment gut an Rudis Worte erinnerte. Sie waren für ihn zwar so weit weg wie ein verrückter Traum, aber sie waren noch immer präsent. „Telzan und seine Frau würden nicht samt Webstuhl im Laderaum ihres Schiffes herkommen, wenn sie nicht eingesehen hätten, dass das Gute nicht ohne das Böse existieren kann und andersrum. Du hast mir ja gerade die Bilder aus dem Frachtraum ihres Schiffes gezeigt.“ „Korrekt.“, sagte IDUSA. Dann stellte sie fest: „Wir werden gerufen. Es ist Cirnach. Der Ruf kommt von der Copilotenkonsole.“ „Gib sie her!“, befahl Shimar. „Ich habe einen Plan.“ „In Ordnung.“, sagte IDUSA.

Vor dem geistigen Auge des Tindaraners erschien Cirnachs Bild. „Bitte Hilf uns, Shimar El Tindara!“, bat Cirnach. „Unter diesen Voraussetzungen können wir nicht beamen und die Landung wird mein Mann ohne dich wohl auch nicht schaffen. Ich muss aber zu Betsy El Taria, um mein Tuch mit dem ihren zu verbinden. Bitte hilf uns.“ „Das ist ein sehr vernünftiger Ansatz, Cirnach.“, lobte Shimar. „Weißt du, wenn mehr Planeten in mehr Dimensionen von Frauen regiert würden, dann gebe es sicher auch viel mehr vernünftige Entscheidungen. Euch ist euer Stolz nicht immer im Weg.“ „Ich danke dir, Shimar El Tindara.“, sagte Cirnach lächelnd und mit einem fast schon verliebt anmutenden Blick.

„Jetzt mach mal halblang, du Charmebolzen!“, mischte sich Scotty ein. „Willst du sie anmachen und Betsy somit das Herz brechen?!“ „Nein.“, beruhigte ihn Shimar. „Ich will nur erreichen, dass er denkt, dass sie mir verfallen könnte. Dann wird er alles versuchen, um wieder ihr Held zu werden und dann wird sie genau das bekommen, was sie will.“ „Ah so.“, sagte Scotty. „Also alles nur Ticktack. Ich meine Taktik.“ „Genau.“, grinste der tindaranische Pilot. „Alles nur Ticktack!“

„Ihre Taktik scheint aufzugehen.“, meldete IDUSA. „Dieses Mal ruft uns Telzan.“ „Na dann her mit ihm.“, sagte Shimar. „Meine Frau hat Recht!“, sagte Telzan verzweifelt. Bitte hilf mir, Tindaraner! Hilf mir!“ „Schon gut.“, sagte Shimar. „Ich steige auf deine Höhe und setze mich neben dich. Dann sage ich dir genau, was du tun musst.“ „OK.“, sagte Telzan.

Bald waren beide Schiffe auf einem parallelen Spiralkurs abwärts unterwegs. „Du musst die Pausen zwischen den atmosphärischen Verwerfungen ausnutzen.“, sagte Shimar zu Telzan. Nur während dieser kannst du sie herunterdrücken. Stell außerdem den Regler für den Schub der Triebwerke auf null. Dann laufen sie zwar auch noch, aber nur mit Minimalleistung. Das macht sie langsam und somit schwer. Wenn du von mir das Kommando „Und aus“ bekommst, drehst du den Schaltschlüssel und die Triebwerke sind aus. Das machen wir aber erst, wenn wir aufsetzen. Nicht zu früh und nicht zu spät.“

IDUSAs Landestützen berührten den Boden. So ging es auch bei Telzans Schiff. „Und aus!“, befahl Shimar und gab IDUSA gleichzeitig den entsprechenden Gedankenbefehl. Im gleichen Moment standen die Schiffe fest auf dem Boden. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mir von dir mal eine Flugstunde gefallen lassen würde, Tindaraner.“, sagte Telzan. „Ich bin dir verdammt dankbar. Bitte schick mir Scotty El Taria mit. Er soll mir beim Rückbau der Webstühle helfen. Wir haben keine Zeit.“ „OK.“, sagte Shimar.

„Ich habe es gehört.“, sagte Scotty, schulterte seine Werkzeugtasche und ging. Auch Shimar entstieg IDUSA. Er wollte sich um Kipana kümmern, die ja irgendwie abgelenkt werden musste und die er erspäht hatte.

Scotty und Telzan hatten bald Akantus’ Höhle betreten. „Ich komme in Frieden, Betsy El Taria!“, sagte der Vendar. „Er spricht die Wahrheit, Darling.“, sagte Scotty. „OK.“, sagte ich. „Auch ich bin hier, Betsy El Taria.“, vernahm ich Cirnachs Stimme. „Ich denke, wir müssen unsere Tücher verbinden, um den Untergang aufzuhalten.“ „So weit war ich auch schon, Cirnach!“, rief ich.

Die Männer stellten sich an die jeweiligen Enden der Webstühle. „Ein Wort von dir, Darling.“, sagte Scotty. „Und ich entferne diese Leiste!“ „Das Gleiche gilt auch für dich, Telshanach.“, sagte Telzan. Dann sah er Scotty an: „Hast du Werkzeug?“ „Fragt der mich, ob ich Werkzeug hätte!“, empörte sich mein Mann. „’n anständiger Ingenieur geht ohne seinen Werkzeugkasten nirgendwo hin! Merk dir das! Hier, ich habe sogar alles zweimal, falls eine Garnitur mal kaputt geht!“ „Ich danke dir, Scotty El Taria.“, sagte Telzan.

„Also gut.“, sagte ich. „Ich vertraue euch! Los, Scotty!“ Auch Cirnach sagte: „Los, Telzan!“

Scotty und Telzan hatten bald die beiden künstlichen Hälften der Webstühle entfernt und die ursprünglichen wieder zusammengefügt. Dann hatten Cirnach und ich unsere Gerüstfäden verknotet und unsere Arbeitsfäden verzwirbelt, um eine feste und stabile Nahtstelle zu bekommen. „Ich werde deine Hand führen, Betsy El Taria.“, sagte Cirnach. „Durch die Knoten könntest du sonst deine Orientierung einbüßen.“ „In Ordnung, Cirnach.“, sagte ich. „So weben wir auf jeden Fall die letzte Reihe gemeinsam.“

Je stärker wir zusammengearbeitet hatten, desto geringer waren die Erdbeben geworden. Als wir unsere Reihe beendet hatten, hörten sie sogar ganz auf. „Es ist vollbracht!“, stellte Telzan stolz fest. „Die Dimensionen sind wieder stabil!“

„Aber zu welchem Preis, du Verräter!“ Ein schwarzer Blitz hatte die Luft zerrissen. Dann stand Sytania vor uns. „Wie hast du es angestellt, meine Leute auf deine Seite zu bringen, du verdammte Tindaranermieze?!“ „Ach, das war ganz einfach, Milady!“, sagte ich schadenfroh. „Das haben sie schon selbst erledigt, weil sie vernünftig sind im Gegensatz zu Euch!“ „Unter anderen Umständen könntest du jetzt was erleben!“, sagte Sytania. „Aber ich bin zu geknickt! Ich werde mich zurückziehen! Nein, mein schöner Plan! Mein schöner Plan!“ Sie verschwand auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen war.

Shimar hatte vor der Höhle alles mitbekommen. Er hatte Kipana durch gezielte Bodenarbeit sehr gut beruhigen können und schätzte die Situation jetzt so ein, dass er sie alleinlassen konnte. So war er in die Höhle gekommen und fragte Scotty nun: „Na, da hat sich meine Mieze, also deine Frau, wohl ganz anständig die Krallen an Sytanias Plan geschärft, was?“ Mein Mann nickte nur stolz und Telzan gab zu: „In der Tat!“

„Darauf ein gepflegtes Miau!“ Die Besitzerin der weiblichen Stimme, die das gesagt hatte, kam jetzt langsam auf uns zu. Es war Kissara, die heruntergebeamt war. Über eine permanente Datenverbindung zwischen IDUSA und der Granger hatte sie alles mitbekommen können. „Allrounder Scott, Ich habe die Daten bereits an die Präsidentin geschickt. Nugura will Ihnen den Sarek-Stern am goldenen Band verleihen für besondere diplomatische Leistungen. Wir bringen Sie auf der Erde vorbei. Die Verleihung soll in Washington stattfinden. Mr. Scott, Shimar, Sie dürfen sie gern begleiten.“ „Aber das war doch nicht mein Verdienst.“, sagte ich bescheiden. „Telzan und Cirnach haben ganz von allein mit uns zusammengearbeitet.“ „Bescheiden wie immer.“, lächelte Scotty. Dann nahmen Shimar und er mich in die Mitte, wir verabschiedeten uns alle von Akantus und wir beamten auf den Granger. IDUSA wurde in Schlepp genommen. So ging es zur Erde.

Kissaras Überredungskunst sei Dank hatte ich die Auszeichnung schließlich doch angenommen. Aber auch in meiner Dankesrede hatte ich noch einmal darauf hingewiesen, dass es ja Telzan und Cirnach waren, die von ganz allein mit mir zusammengearbeitet hatten. Alle waren froh, dass in der Not doch die Feindschaft überwunden worden war und alle einander beigestanden hatten, denn so knapp war es bisher wohl noch nie gewesen. Auch Logar würde jetzt wieder seinen rechtmäßigen Thron besteigen, auch wenn das seiner Tochter gar nicht gefiel. Wir hofften alle, dass ein Ehestreit unter Mächtigen nie wieder solche Ausmaße annehmen würde.

ENDE

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