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Scotty und Shimar waren im Gästequartier zurückgeblieben und Scotty hatte seine Arbeit niedergelegt, um das in seinen Augen sehr seltsam anmutende Verhalten seines Freundes besser beobachten zu können. Ihm war nämlich aufgefallen, dass Shimar sehr konzentriert dasaß und seine Augen geschlossen hatte. Er überlegte, ob er ihn ansprechen sollte, befürchtete dann aber doch, eine verbale Ohrfeige wegen seiner Störung kassieren zu können. Er ahnte, dass sein Kumpel wohl gerade seine telepathischen Fähigkeiten nutzen würde. Nur der Grund und der Zweck, aus dem er das Tat, würde ihm verborgen bleiben, wenn er nicht fragen würde.

Langsam drehte sich Montgomery dann doch in Shimars Richtung und flüsterte: „Shimar, bist du aufnahmefähig?“ Darauf schmolz mein Freund tatsächlich aus seiner konzentrierten Haltung und drehte sich meinem Mann zu. Dann lächelte er mild und sagte nur leise, aber bestimmt: „Jetzt ja, Scotty.“ „Oh ich hoffe, ich habe dich nich’ gestört.“, sagte mein Mann verlegen, was bei ihm eigentlich höchst selten vorkam. Er mochte es auch gar nicht verlegen zu sein. Verlegenheit war ein Zustand, der seiner Meinung nach gar nicht zu ihm passte. „Hey. Ist schon gut.“, sagte Shimar tröstend. „Du musst dir keine Vorwürfe machen.“ „Was hast du denn da gerade versucht?“, fragte der terranische Techniker. „Um ehrlich zu sein.“, sagte Shimar. „Ich habe versucht, Commander Kissara zu finden.“ „Ach du meine Güte!“, rief Scotty aus. „Das kriegen wir doch sicher auch viel einfacher hin! Da musst du dich doch nich’ so anstrengen. Warte mal. Der liebe Scotty macht das schon.“

Er wandte sich dem nächsten Computermikrofon zu, aber Shimar winkte nur ab: „Wenn du den Computer fragst, machen wir uns verdächtig. Betsy könnte später herausbekommen, was Kissara und wir planen. Sie kann gut mit Elektra und Jannings und die beiden könnten ihr mit Sicherheit jede Bewegung aufzeigen, die wir mit Hilfe des Rechners gemacht haben. Bitte lass mich.“ „Na gut.“, sagte Montgomery und lehnte sich wieder zurück. „Du hast sicher Recht. Als Ingenieur muss ich das ja beurteilen können. Daran hatte ich tatsächlich nicht gedacht.“

Erneut begann der junge Tindaraner, sich auf sein Vorhaben, meinen Commander zu finden, zu konzentrieren. Dabei stellte er sich zunächst ihr Bild vor und dann visualisierte er sich selbst, wie er durch die Flure auf dem Schiff auf sie zu schwebte. Schließlich formte sich in seinem Geist ohne sein weiteres Zutun ein Bild. Es war das Innere der Offiziersmesse. In deren Mitte stand ein Tisch, der mit einem weißen Tischtuch bedeckt war. Auf diesem Tisch befand sich außerdem noch eine Dekoration aus weißen Lilien in einer bauchigen blauen Vase, die in der Mitte des Tisches stand. Um den quadratischen Tisch herum standen vier mit buntem Blumenmuster bezogene Stühle. Auf jedem der vier Plätze standen ein weißer mittlerer Teller und rechts und links daneben lag silbernes Besteck. Rechts oben stand jeweils ein ebenfalls weißes hohes Glas, aus dem man Sekt trinken konnte. Kissara lief geschäftig zwischen dem Tisch und dem Replikator hin und her und trug Schüsseln auf. Plötzlich aber hielt sie bei ihrer Tätigkeit inne, was Shimar veranlasste, sofort seine seherischen Fühler von ihr zu nehmen. Er dachte sich wohl, dass sie ihn gespürt haben könnte, denn das konnten Mitglieder ihrer Spezies.

Er wandte sich wieder Scotty zu: „Ich habe sie, Scotty. Sie ist in der Offiziersmesse. Anscheinend bereitet sie dort etwas vor. Ich habe nicht genau nachgesehen, aber es scheint doch um einiges zu gehen. Ich denke, dass sie eine kleine Feier plant. Vielleicht können wir ihr ja dabei helfen. Komm mit!“

Er stand auf und zog Scotty mit sich. Dann waren sie schon auf dem Weg in die Messe. „Warum hast du nich’ genau nachgesehen?“, fragte Scotty. „Sie hat mich gespürt.“, erwiderte Shimar. „Ihre Spezies kann das. Wie terranische Katzen auch sind Thundarianer in der Lage, Telepathie zu spüren. Ich wollte bei ihr nicht den Eindruck entstehen lassen, ich wolle sie ausspionieren.“ „Schon klar.“, sagte mein Mann. „Wenn die falschen Leute mitkriegen würden, dass ein Angehöriger des tindaranischen Militärs eine Angehörige der Sternenflotte ausspioniert, dann könnte das schon zu so manchem Eklat führen. Da hast du Recht.“ „Genau.“, sagte Shimar. „Und das sollten wir auf jeden Fall vermeiden.“

Sie waren vor der Tür der Messe angekommen und Shimar betätigte die Sprechanlage. Es dauerte allerdings eine kleine Weile, bis Kissara antwortete. Das machte aber weder Scotty noch Shimar etwas aus. Auch ihre kurze Antwort irritierte sie nicht weiter. Sie konnten sich sehr gut denken, dass mein Commander sehr beschäftigt war: „Ja!“ „Hier sind Techniker Scott und Shimar.“, identifizierte mein Freund beide gegenüber ihr. „Wir kommen wegen der Sache mit Allrounder Scott. Wir würden Ihnen gern behilflich sein, Commander. Wir wissen, dass Sie Befehl haben, sie von der Richtigkeit der Annahme des Sarek-Sterns zu überzeugen. Sie hat es uns gesagt.“

Kissara grinste konspirativ. Dann entgegnete sie: „Na dann!“ und ließ den Computer die Tür öffnen, worauf Shimar und Scotty den Raum betraten.

Scotty deutete auf den Tisch. „Wow!“, sagte er. „Mein lieber Schwan! Das sieht ja nach ’ner richtigen Party aus!“ „Es ist nur ein kleiner Umtrunk mit einigen Kleinigkeiten.“, sagte Kissara bescheiden. „Ich möchte, dass Betsy das Gefühl bekommt, dass wir sie alle drei für das beglückwünschen, was sie getan hat und sie auf keinen Fall in unseren Augen verurteilt wird. Ich weiß, dass normalerweise zu so etwas auch noch Kerzen gehören, aber die lasse ich mit Absicht weg. Sie würden nur eine unnötige Gefahr und eine Quelle für Angst bei Betsy darstellen. Sie soll sich ja schließlich zwischen uns Dreien wohlfühlen, nicht wahr?“ Sie schnurrte einige Male vor sich hin. „Is’ schon gut.“, sagte Scotty. „Es geht auch mal ohne Kerzen.“ Auch Shimar nickte.

„Können wir Ihnen noch helfen?“, fragte Scotty schließlich und deutete erneut auf den Tisch. „Oh nein, Mr. Scott.“, schmeichelte Kissara. „Ich bin schon längst fertig hier. Ich gebe zu, dass ich mit dieser Aktion sicherlich Neuland betrete. Sicher hat ein Captain zu früheren Zeiten nie so etwas für einen oder eine Untergebene getan, aber wir sind ja auch schon in so mancher außergewöhnlichen Situation gewesen. Manchmal muss man starre Konventionen eben auch einmal umgehen, um ein Problem zu lösen und genau das möchte ich Scott mit dieser kleinen privaten Feier verdeutlichen. Sie soll ruhig wissen, dass ich das hier ganz allein für sie und uns drei arrangiert habe.“

Sie überprüfte noch einmal ihr Werk mit ihren scharfen Katzenaugen. Dann wandte sie sich dem Computermikrofon zu: „Computer, wo befindet sich Allrounder Betsy Scott?“ „Allrounder Betsy Scott befindet sich nicht an Bord dieses Schiffes.“, kam es nüchtern zurück. „Was?!“, staunte Kissara.

Bevor sie aber noch weitere Schritte unternehmen konnte, piepte die Sprechanlage. Im Display machte sie zweifelsfrei das Rufzeichen von Ribannas und meinem Arbeitsplatz auf der Brücke aus. „Was gibt es, Ribanna?“, fragte sie. „Das tindaranische Schiff hat seinen Traktorstrahl gelöst und fliegt in einiger Entfernung vor uns.“, meldete meine indianische Kollegin. „An Bord kann ich eindeutig Allrounder Scotts Lebenszeichen ausmachen. Der Erfasser hat sie identifiziert. Soll ich mit dem Schiff zu der IDUSA-Einheit aufschließen, Madam?“ „Warten Sie, Allrounder!“, befahl Kissara und sah Shimar wieder konspirativ an. Dann sagte sie in tindaranisch korrekter anredeweise: „Du kannst uns doch bestimmt über die Situation aufklären, nicht wahr? Dein Schiff würde sich doch sicher nicht so einfach von Betsy entführen lassen, ohne dich zumindest zu verständigen und nachzufragen, ob du damit einverstanden bist.“ „Das stimmt.“, nickte Shimar. „Sie haben das richtig erkannt, Commander. IDUSA hat genaue Befehle von mir bekommen, wie sie sich verhalten soll. Ich habe nämlich auch einen Plan gefasst, mit dessen Hilfe wir Betsy doch noch überzeugen könnten. Ich zeige Ihnen die Mail. Wenn Sie die Befehle auch kennen, können wir doch umso leichter zusammenarbeiten.“

Er griff in die Tasche seiner Uniform und holte sein Sprechgerät hervor. Dann suchte er aus dem entsprechenden Verzeichnis die Mail heraus und präsentierte Kissara und Scotty das Display. „Das ist ja Tindaranisch!“, staunte Scotty, dem das Ganze wie eine Mischung aus chinesischen Schriftzeichen und einem Notenschlüssel vorkam, was für die tindaranische Schrift aber durchaus normal ist. „Natürlich ist das Tindaranisch, Mr. Scott.“, lächelte Kissara. „Shimar ist Angehöriger der tindaranischen Streitkräfte und seine IDUSA ist ein tindaranisches Schiff, das ebenfalls dem tindaranischen Militär gehört. In welcher Sprache sollte er denn sonst bitteschön die Befehle an sie formulieren?“ „Ich weiß nich’.“, witzelte Scotty. „Niederländisch vielleicht.“ Kissara und Shimar mussten lachen.

Inzwischen hatte Shimar die Mail durch das Programm seines Universalübersetzers laufen lassen und Kissara und Scotty die englische Fassung gezeigt. „Ist es besser so?“, fragte er. Mein Commander nickte und las sich die Mail im Display seines Sprechgerätes durch. „Also gut.“, sagte sie. „Damit können wir doch prima arbeiten.“

Sie wandte sich wieder der Sprechanlage zu: „Ribanna, halten Sie unseren Kurs und die Fluggeschwindigkeit. Es besteht kein Grund zur Eile. Verbinden Sie mich nur mit IDUSA!“ „Aye, Commander.“, sagte Ribanna und führte aus, was Kissara ihr gerade befohlen hatte.

Bald war das Bild Ribannas im Display der Sprechanlage dem der jungen schwarzhaarigen tindaranischen Fliegerin gewichen, als die IDUSAs Avatar auch über den Neurokoppler dargestellt wurde. Dann sagte eine stets freundliche elektronische Stimme: „Hier ist IDUSA. Wie kann ich Ihnen helfen, Commander Kissara?“ „Hi, IDUSA.“, sagte Kissara ruhig und freundlich, als spräche sie mit einem Mitglied der Besatzung eines fremden Schiffes. Sie war es zwar nicht gewohnt, gab sich aber alle Mühe, der künstlichen Intelligenz am anderen Ende der Verbindung den gleichen Respekt entgegenzubringen, als handle es sich um eine Organische, mit der sie sprach. Als Sternenflottenoffizierin war sie es ja gewohnt, die Bräuche anderer Kulturen und deren Rechtsprechung zu akzeptieren. Bei den Tindaranern würde sie da mit Bestimmtheit keine Ausnahme machen.

„Helfen kannst du mir wahrscheinlich tatsächlich.“, sagte Kissara. „Weißt du, mir ist nämlich eine meiner Offizierinnen abhandengekommen. Vielleicht hast du sie ja sogar gesehen. Sie ist ca. 1,64 m groß, von durchschnittlicher Statur, hat bräunliche kurze Haare und trägt das Rangabzeichen eines Allrounders. Ach ja. Da gibt es noch ein besonderes Kennzeichen, das dich sicher auch besonders interessieren könnte, falls du eine Reaktionstabelle von ihr erstellen solltest, damit ihr euch verständigen könnt. Sie hat kein Augenlicht. Das würde für dich bedeuten, die optischen Signale aussparen zu müssen, nicht wahr?“ „Sie haben eine erstaunliche technische Kombinationsgabe, Commander.“, sagte IDUSA. „Was Sie gerade gesagt haben, ist nämlich korrekt. Die Tabelle würde nicht funktionieren, würde ich diesen Aspekt nicht berücksichtigen. Bezüglich Ihrer Offizierin würde ich gern meine Daten prüfen. Bitte warten Sie einen kurzen Moment.“

IDUSA schickte ein kurzes Signal über den Neurokoppler. Für mich fühlte es sich an, als hätte sie mich sanft, aber bestimmt leicht in die rechte Seite gepiekt. Das hatte mich zusammenfahren lassen, denn ich war mit den Gedanken an einem anderen Ort gewesen. „Was ist, IDUSA?“, fragte ich, nachdem ich mich von meinem Schrecken erholt hatte. „Ich habe Ihren Commander in der Leitung.“, sagte Shimars Schiff. „Sie fragt nach Ihnen. Was soll ich antworten?“

Ihre Frage war für mich nicht einfach zu beantworten. Die Dinge, über die ich gerade nachgedacht hatte, waren für mich nicht einfach gewesen und ein Gespräch mit ihr, die wohl alles versuchen würde, mich doch noch von der Annahme des Sarek-Sterns zu überzeugen, war wahrlich das Letzte, was ich jetzt haben wollte. Ich wusste aber auch, dass sie nicht lockerlassen würde und dass sie Strategien wie die Ignoranz ihres Rufes durchaus durchschauen würde. Es würde also besser sein, ich brächte das Gespräch so schnell wie möglich hinter mich.

Ich setzte mich also gerade hin und sagte: „Gib sie schon her, IDUSA! Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“ „In Ordnung.“, erwiderte das Schiff.

Dann wechselte sie den Task und sagte zu Kissara: „Ich denke, dass ich sie tatsächlich gesehen habe, Commander. Ist es vielleicht diese hier?“ Damit zeigte sie ihr kurz mein Bild. „Ja!“, rief Kissara aus. „Das ist sie tatsächlich! Was für ein Glück, dass du sie gefunden hast, IDUSA! Vielen, vielen Dank! Wo wäre ich jetzt nur ohne dich?!“ „Das mag vielleicht daran liegen, dass Sie mich gerade zu einer Tätigkeit aufgefordert haben, die uns Computern sozusagen in die Grundprogrammierung gelegt ist. Die rudimentärsten Funktionen, die wir ausführen können, sind Suchen und Vergleichen. Um das Suchen hatten Sie mich gerade gebeten.“ „Das ist wohl wahr.“, schnurrte Kissara ins Mikrofon. „Kannst du mich mit ihr sprechen lassen?“ „Selbstredend, Commander.“, sagte das tindaranische Schiff und stellte die Verbindung her.

Kissara war erstaunt, in mein doch sehr nachdenklich anmutendes Gesicht zu sehen. „Hallo, Allrounder.“, begrüßte sie mich nüchtern. „Was haben Sie sich dabei gedacht, einfach das Schiff Ihres Freundes zu entführen?“ „Ich habe sie nicht entführt, Commander.“, rechtfertigte ich mich. „Ich wollte nur mit ihr ein kleines Stück vorausfliegen, um Gelegenheit zum Nachdenken zu bekommen. Ich bin nach wie vor der Ansicht, den Sarek-Stern nicht verdient zu haben. Ich denke, wenn Nugura ihn mir gibt, dann setzt sie ein falsches Signal, Madam! Ein verdammt falsches Signal! Auf der Akademie hat man uns beigebracht, die Oberste Direktive auf keinen Fall zu übertreten. Dessen habe ich mich aber schuldig gemacht. Gut, ich gebe zu, die Sache mit der Zusammenarbeit zwischen Cirnach, Telzan und uns hat damit nichts zu tun gehabt, für deren angebliche Erreichung ich ihn bekommen soll. Aber wenn man tiefer gräbt, dann wird man diese Leiche garantiert in meinem Keller finden und dann wird man sehr viel schmutzige Wäsche waschen.“

Scotty war neben Kissara hingetreten. „Bitte geben Sie mir mal das Mikro.“, flapste er. Sie lächelte nur und reichte meinem Mann den gewünschten Gegenstand. Sie ahnte wohl, dass er definitiv etwas plante und wenn Scotty etwas plante, dann hatte das in der Vergangenheit schon oft zum Erfolg geführt.

Er räusperte sich und sagte dann: „Darling, wie gut warst du in temporaler Mechanik?“ „Ging so.“, murmelte ich zurück. „Viele andere haben es gehasst, aber ich fand es so durchschnittlich.“ „Gut.“, sagte Scotty. „Dann wird IDUSA uns hierbei helfen, damit das hier auf keinen Fall schiefgehen kann. Kann sie mich jetzt hören?“ „Sicher.“, sagte ich. „Unser Gespräch läuft ja über ihre Systeme.“ „Dann pass auf, Schiffchen.“, instruierte Scotty sie. „Erstell mal ’ne Simulation von der Situation, wie sie wahrscheinlich gewesen wäre, hätte Betsy das Band zwischen Valora und Sytania nich’ zerstört! Die zeigst du dann in aller Ruhe meiner Frau. Außerdem werden wir dieses Gespräch hier erst mal beenden, damit sie nich’ unter Druck entscheiden muss. Wenn ihr darüber geredet habt, rufst du uns wieder.“ „Verstanden, Techniker Scott.“, sagte IDUSA nüchtern und beendete die Verbindung.

„Sie machen mich neugierig, Mr. Scott.“, sagte Kissara. „Aber ich mag Situationen, die mich neugierig machen. Das haben wir Thundarianer mit irdischen Katzen ebenfalls gemeinsam. Ich persönlich finde so etwas sehr aufregend, dennoch verstehe ich nicht ganz, was Sie damit bezwecken wollen.“ „Dann warten Sie doch einfach ab, Commander.“, schlug Shimar vor. „Sie wissen doch, dass Scotty ein Talent für ungewöhnliche Lösungen besitzt, von dem sich so mancher noch eine dicke Scheibe abschneiden könnte.“ „Du hast Recht.“, schnurrte Kissara. „Also warten wir es ab.“

IDUSA hatte inzwischen die Simulation erstellt und damit begonnen, sie mir zu zeigen. Mir gefiel aber gar nicht, was ich dort zu sehen bekam. Sytania und Valora hatten die gesamte bekannte Dimension Universum mit Hilfe der Rotash unterworfen und die imperianische Königstochter war die neue Oberbefehlshaberin der Sternenflotte und das neue Staatsoberhaupt der Föderation geworden. Selbst die Aldaner oder andere starke Telepathen hatten uns nicht helfen können, denn mit der richtigen Konfiguration von Meilenstein addiert mit der richtigen Menge Rosannium gemischt mit der vereinten Macht des Einhorns und der Prinzessin war eine totbringende Herrschaft entstanden, vor der sogar Logar und Dill zitterten. Als wir dann auch noch den Befehl von Sytania persönlich auf telepathischem Weg erhielten, Meilenstein gegen Logar einzusetzen, Sytanias eigenen Vater, wurde es mir zu viel. „Stopp sofort diese schreckliche Simulation, IDUSA!“, befahl ich. „Mir wird übel!“ „Ich habe Ihnen nur das wahrscheinlichste Ergebnis präsentiert.“, sagte Shimars Schiff nüchtern. „Meinen Daten zufolge wäre das der wahrscheinlichste Ausgang der Situation gewesen, wenn Sie nicht eingegriffen hätten und Valora gezeigt hätten, was Sytania wirklich vorhatte. Wenn Sie Valora nicht in Erinnerung gerufen hätten, dass sie ja die gleichen Rechte wie Invictus hat, was die Paarung mit Sterblichen angeht und warum das von Zeit zu Zeit notwendig ist, dann wäre sehr wahrscheinlich genau das geschehen. Valora war ja auch nicht allein. Viele der anderen Stuten der Einhörner hatten sich ja auch auf ihre Seite gestellt. Die Einhörner sind die mächtigsten Wesen im Dunklen Imperium. Ich hoffe, ich muss Ihnen nicht erklären, was das bedeutet.“ „Das musst du nicht.“, sagte ich und schluckte. „Das habe ich auch so verstanden. Ruf Kissara und stopp deinen Antrieb! Ich will ihr sagen, dass ich zumindest willig bin, über die Annahme des Sarek-Sterns nachzudenken. Aber an dich hätte ich da auch noch eine Frage. Diese Sache mit dem Blitz. Das war Ironie. Das kriegst du meines Wissens nicht allein hin. Dabei brauchst du Hilfe. Ich weiß zwar, dass Shannon deine Sprachroutinen aufpeppt, aber Ironie kriegst du spontan nicht allein hin. Wer hat dir wie dabei geholfen, he?“ „Es war Shimar.“, sagte das tindaranische Schiff. „Er hat mir exakte Befehle erteilt, wie ich mich Ihnen gegenüber zu verhalten habe.“ „Er also auch.“, sagte ich bedient. „Das ist korrekt.“, sagte sie. „Wir alle sind nämlich der Meinung, Sie hätten den Stern durchaus verdient. Manchmal ist es eben notwendig, etwas über die Stränge zu schlagen um ein Ziel zu erreichen. Natürlich macht so etwas den Umgang mit der Obersten Direktive vielleicht kompliziert, aber das Leben ist auch kompliziert. Nicht immer ist alles schwarz oder weiß. Ach, ich sollte in Ihrem Fall vielleicht lieber von ja oder nein, ein oder aus, beziehungsweise null oder eins sprechen, da Sie ja mit Farben nichts anfangen können. Aber für einen Computer wie mich ist es auch schwierig bis unmöglich, Zwischentöne korrekt zu interpretieren. Dazu benötige ich oft Hilfe von biologischen Lebensformen. Aber genau wie die Lex Technologica das für uns genauso regelt, nämlich damit, dass wir in so einem Fall jemanden fragen sollen, wird es über kurz oder lang auch Kommentare und Hilfen zur Auslegung der Obersten Direktive für Sie geben. Dessen bin ich mir sicher. Ich halte Ihre Regierung durchaus für vernünftig genug dafür. Sicherlich muss jeder Fall genau geprüft werden, aber das kann man ja dann sicher tun.“ „Das stimmt.“, gab ich zu. „Wo ist die Granger?“ „Sie nähert sich jetzt von hinten.“, erklärte IDUSA. „OK.“, sagte ich. „Sobald ich mit Kissara gesprochen habe, verbindest du mich mit Ribanna. Sie soll uns dann an eine freie Schleuse weisen.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte IDUSA. Dann begann sie damit, für mich die Verbindung mit meinem Commander herzustellen.

In der Offiziersmesse der Granger hatten Kissara, Scotty und Shimar aufgeregt abgewartet. Scotty war von einem Bein auf das andere gestiegen und Shimar hatte nervös mit den Knöpfen seiner Uniform gespielt. Kissara war schnurrend auf und ab getigert. Dabei hatte sie in ihr Schnurren auch leise gurrende Laute gemischt. Das wies auf starke freudige Aufregung ihrerseits hin. Dieses Verhalten war auch von irdischen Katzen bekannt. Ihr seidiger langer Schweif war ebenfalls aus seiner Tasche an ihrer Uniformhose gekrochen und tänzelte nun zuckend durch die Luft. Das war etwas, das Scotty noch nie gesehen hatte. Fasziniert schaute er genau hin und musste niesen. „Oh entschuldigen Sie, Mr. Scott.“, sagte Kissara. „Ich bin gerade im Fellwechsel. Da kann es schon einmal zu einigen herumfliegenden Haaren kommen. Sie sollten einmal sehen, was passiert, wenn ich abends meine Uniform ausziehe.“ „Is’ nich’ schlimm, Commander.“, sagte mein Mann und schnäuzte sich in ein eilig aus der Tasche seiner Hose gezogenes Taschentuch. Dann rieb er sich die Nase und fügte bei: „Das is’ sicher mit ein paar geringfügigen Einstellungen der Umweltkontrollen erledigt. Ich könnte Jannings sicher dabei helfen.“ „Die Umweltkontrollen in meinem Quartier sind bereits entsprechend konfiguriert.“, sagte Kissara. „Sie nehmen bereits die Haare aus der Luft. Aber trotzdem vielen Dank, Mr. Scott.“

Sie wandte sich Shimar zu: „Dein Schiff macht es spannend.“ Mein Freund nickte. „Sie ist eben sehr gründlich, Commander. Ich bin aber sicher, sie wird bald …“

Kaum hatte er ausgesprochen, piepte auch schon die Sprechanlage. „Jetzt empfängt der schon elektromagnetische Wellen.“, witzelte Scotty und Kissara und Shimar grinsten.

Blitzschnell hatte sich die Thundarianerin zur Anlage gedreht. Dort hatte sie IDUSAs Rufzeichen erkannt, die uns ja jetzt direkt rufen konnte, da sie das Unterrufzeichen der Sprechanlage in der Offiziersmesse ja jetzt kannte. „Ja, wir hören, IDUSA.“, sagte Kissara. „Commander, Allrounder Scott hat sich entschlossen, wieder auf Ihr Schiff zurückzukehren. Sie möchte zumindest über die Annahme des Sarek-Sterns nachdenken. Bitte sorgen Sie dafür, dass wir an eine freie Schleuse gewiesen werden.“ „Das sind sehr gute Nachrichten, IDUSA.“, erwiderte Kissara. „Ich werde mich sofort darum kümmern. Du musst uns aber unbedingt erzählen, wie du das angestellt hast.“ „Das haben Sie nur Techniker Scott zu verdanken.“, sagte das Schiff. „Die Simulation, welche ich auf seinen Befehl erstellt habe, hat anscheinend den Ausschlag gegeben.“ Das Gespräch endete.

Kissara wies Ribanna per SITCH-Mail an, IDUSA und mich an eine freie Schleuse zu weisen. Dann wandte sie sich meinem Mann zu: „Herzlichen Glückwunsch, Mr. Scott! Sie scheinen Ihre Frau ja sehr gut zu kennen und genau zu wissen, auf was sie reagiert.“ „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, Commander.“, sagte Scotty bescheiden. „IDUSA hat gesagt, Betsy will nachdenken. Das is’ nur die halbe Miete.“ „Na gut.“, sagte Kissara. „Dann sind wir wohl für die andere Hälfte zuständig. Holen Sie Betsy doch einfach gemeinsam mit Shimar an der Schleuse ab! Dann bringen Sie Zwei sie hier her und dann werden wir ja sehen.“ Sie grinste konspirativ und schnurrte. „OK.“, sagte Scotty und winkte Shimar: „Du hast die Dame gehört, Junge. Komm schon!“ Damit waren er und Shimar aus der Messe verschwunden. Kissara setzte sich nur ruhig auf den Stuhl am Kopfende des Tisches und begann zu schnurren. So würde sie jetzt abwarten, bis wir Drei zurück waren.

IDUSA war den Positionslichtern gefolgt. So hatten wir bald die freie Schleuse erreicht. „Denken Sie, dass Sie sich doch noch zur Annahme des Sarek-Sterns durchringen können?“, wollte das Schiff von mir wissen. „Ich weiß es noch nicht, IDUSA.“, antwortete ich. „Falls ja, dann werde ich definitiv darauf hinweisen, dass ich ja eigentlich gar nichts getan habe, um Cirnach und Telzan zur Zusammenarbeit mit uns zu bewegen. Wir wollen ja schließlich hübsch bei der Wahrheit bleiben, auch wenn ich den Eindruck nicht loswerde, dass Nugura dringend nach einer Heldenfigur sucht, der sie den guten Ausgang der Sache noch während ihrer Amtszeit anhängen kann. Aber du und ich, wir wissen als einzige, dass es ja ganz anders war.“ „Bestätigt.“, sagte das Schiff nüchtern. „Meine Daten stützen auch eher Ihre Version als die Nuguras. Es war schließlich Cirnach, die uns gerufen hat und nicht andersherum.“ Ich nickte und gab einen bestätigenden Laut von mir. „Deshalb frage ich mich ja auch, was ich damit zu tun habe. Gut, ich habe erlaubt, dass Scotty und Telzan gemeinsam den Webstuhl des Schicksals wieder zusammensetzen und ich habe mein Tuch mit Cirnachs verbunden. Aber das habe ich nur aus reiner Notwendigkeit getan.“ „Aber Sie haben erkannt, dass es notwendig war.“, sagte die künstliche Intelligenz, während wir langsam auf das Hangardeck der Granger schwebten. „Das stimmt, IDUSA.“, gab ich zu. So mancher hätte da vielleicht anders reagiert und in ihrer Absicht etwas Böses vermutet. Aber ich hatte ja den Dolch des Vertrauens. Im Notfall hätte ich ihre Absichten sicher auch mit ihm überprüfen können. Aber ich bin sicher, das wussten die Vendar auch und wollten sicher nicht getötet werden. Also haben sie nicht gelogen.“ „Sehr wahrscheinlich.“, bestätigte Shimars Schiff.

Wir hatten gedockt und das Schiff hatte ihren Antrieb deaktiviert. „Wir sind da.“, sagte sie. „Es wartet auch bereits eine Delegation auf Sie.“ „Uff!“, stöhnte ich. „Ich hasse einen großen Bahnhof! Wer ist es denn, IDUSA? Ich frage nur, falls ich salutieren muss. Ich möchte nämlich keinen Fehler machen.“ „Ihrem Verhalten nach.“, analysierte das Schiff. „Scheinen Sie damit ja ohnehin ein Problem zu haben. Das war ja auch der Grund, aus dem Sie den Stern nicht annehmen wollten. Aber kein Wesen ist perfekt, Betsy. Auch keine künstliche Intelligenz wie ich. Auch wir können Fehlfunktionen erleiden oder Dinge nicht oder sogar falsch verstehen. Wichtig ist nur, dass man aus Fehlern lernt. Kennen Sie den demetanischen Grundsatz: Perfektion ist Stillstand?“ „Ja.“, sagte ich. „Wenn alles perfekt wäre, dann gebe es keine Entwicklung. Aber alles entwickelt sich ständig, weil es ständigem Wandel ausgesetzt ist. Perfektion an sich kann es also laut den Demetanern nie geben und Stillstand ist nicht gut. Er macht nachlässig und träge. Das hat man ja an den Borg gesehen, die sich für perfekt hielten und doch hatten sie eine Schwachstelle. Sonst hätte Janeway sie ja nicht besiegen können. So perfekt können sie also auch nicht gewesen sein, wenn das sogar einem einfachen nicht perfekten minderen Menschen gelungen ist.“ „Wenn man es genau nimmt.“, sagte IDUSA. „Dann waren es laut meiner Datenbank auch eigentlich verhältnismäßig einfache Organismen, also Krankheitserreger, mit denen Janeway die Königin der Borg infiziert hatte.“ „Oh, noch besser.“, sagte ich mit schadenfrohem Unterton. „Ich verrate dir was, IDUSA. Wenn es einfachen Krankheitserregern sogar möglich war, deren ach so perfekten Körper zu befallen und zu töten, dann sollte sie ihre Definition von hohen und niederen Lebensformen wirklich mal überdenken. Aber das ist ja sowieso heute egal. Sie ist tot. Im Endeffekt hat ihre Arroganz sie getötet, denke ich. Dadurch hat sie ihre Gegner unterschätzt und das war ihr Fehler.“ „Das ist korrekt.“, sagte IDUSA. „Obwohl sie, als perfekte Lebensform, für die sie sich ja selbst hielt, ja eigentlich gar keine Fehler hätte machen dürfen. Aber wir schweifen ab, Betsy. Shimar und Scotty werden sicher schon ganz ungeduldig.“ „OK.“, sagte ich. „Da bin ich ja erleichtert, dass es nur die Beiden sind. Ich hatte ehrlich gedacht, da stünden jetzt Kissara oder Mikel. Nur eins noch: Du denkst also, wenn Nugura ihre Orden nur an perfekte Offiziere verleihen würde, dann würden sie in ihrem Büro vor sich hin schimmeln, da niemand sie abholen würde?“ „Sehr salopp ausgedrückt, aber das trifft es.“, sagte IDUSA.

Sie öffnete die Luke. „Sie können aussteigen.“, sagte sie. „Danke.“, sagte ich und legte den Neurokoppler ab, um mich dann aus ihrem Cockpit zu begeben.

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