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In dem ganzen Durcheinander hatte niemand mehr auf Benevidea geachtet. Niemand außer Saron, der sie jetzt auf der Seite liegend vorgefunden hatte. Der demetanische Sekretär war recht versiert in Erster Hilfe. Er hatte kaum einen Kurs versäumt. Speziell das Thema über Vierfüßer hatte ihn interessiert. Bei den vielen verschiedenen Spezies, die mittlerweile in der Föderation lebten, war das auch notwendig, so dachte er zumindest. Er sah es also auch als seine allererste Pflicht an, sich stets informiert zu halten.

Er kniete sich also neben das junge Einhorn und hob ihren Kopf auf. Dann sah er ihr in die Augen. Die Schleimhäute waren schneeweiß! Das war für ihn ein eindeutiges Zeichen, dass etwas mit ihrer Kreislaufsituation nicht stimmen konnte. Auch ihre schnelle Atmung wies auf einen Schock hin. Saron war froh, dass sie überhaupt noch atmete, denn auch er hatte den roten Schatten gesehen, den er einwandfrei als die Schlinge eines Lassos mit Rosannium identifiziert hatte. Die rote Farbe war recht eindeutig. Es musste allerdings auch eine enorme Menge gewesen sein, der die Kleine ausgesetzt war, denn ihr Horn war total eingefallen. Saron wusste, dass dies auf die Verletzung ihres telepathischen Zentrums zurückzuführen war, die durch die Strahlung entstanden sein musste. Da Mächtige auf ihre Kräfte unmittelbar angewiesen sind, war dem Sekretär auch klar, dass Benevidea sterben würde, wenn man die Strahlung nicht aus ihrem Organismus entfernen würde. Aber eventuell würde sie auch von ihrer prekären Kreislaufsituation schon vorher getötet. Aber zumindest dagegen würde er etwas tun können.

Er nahm also alle Kraft zusammen und versuchte, die Kleine in Brust-Bauch-Lage zu drehen. Da sie aber bereits die Hälfte des Gewichtes eines erwachsenen Tieres hatte, also ungefähr 300 kg wog, gelang ihm das nicht.

Yetron und Time hatten jenes Geschehen auch zur Kenntnis genommen. „Das kann er nicht schaffen!“, stellte der Terraner fest und warf seinem Ersten Offizier einen auffordernden Blick zu: „Los, Yetron!“

Der Aufgeforderte nickte und schlug gemeinsam mit seinem Vorgesetzten den Weg zur Unglücksstelle ein. Die Männer wurden aber bald von Scotty aufgehalten, der Mikel im Schlepptau hatte. „Er will unbedingt mithelfen.“, erklärte Scotty die Anwesenheit des blinden Agenten. „Und ich auch. Ich habe alles gesehen. Sind Data und meine Frau wirklich aus der Dimension geschwebt?“ „Das können wir so nicht sagen, Mr. Scott.“, sagte Yetron. „Dazu fehlen uns die Beweise. Aber wenn es uns gelingt, Benevidea zu retten, dann kann sie uns diese sicher liefern.“ „Ok!“, rief Scotty aus. „Worauf warten wir dann noch?!“

Zügigen Schrittes liefen die Männer auf Saron und das Einhorn zu. Dann sagte Time: „Hören Sie auf, Mr. Saron! Wir helfen Ihnen jetzt. Allein würden Sie ihr nur etwas brechen oder gar ausrenken. Sie dürfen nicht vergessen, dass sie jetzt verwundbar ist.“ „Sie muss in Brust-Bauch-Lage, Commander!“, rief Saron schon sehr verzweifelt. Er hatte an Benevideas linker Halsseite auch immer wieder nach ihrem Puls getastet und festgestellt, dass dieser immer schwächer wurde. „Das wissen wir.“, sagte Time beruhigend. „Deshalb sind wir ja jetzt hier und helfen Ihnen. Sie bleiben an ihrem Kopf und wir erledigen den Rest.“ „OK.“, atmete der Sekretär erleichtert auf. Er war offensichtlich froh, die Verantwortung über diese Aktion abgeben zu können, aber weit gefehlt. Als er Time nämlich fragend ansah, gab dieser nur einen negierenden Laut von sich und sagte: „Mr. Saron, Sie haben uns bewiesen, dass Sie von Erster Hilfe bei Vierfüßern eine Menge verstehen, also haben Sie auch das Sagen.“ „Na gut, Commander.“, sagte Saron, dem es angesichts der Situation zwar sehr mulmig war, der aber auch genau wusste, dass keine Zeit für lange Diskussionen blieb.

Scotty hatte Mikel und sich auf Benevideas rechter Seite positioniert. Dabei war er selbst hinten geblieben und hatte Mikel an der Vorderseite abgesetzt. „Bringen Sie eine Hand unter ihre Schulter und die andere unter ihren Huf, Agent.“, sagte Saron, der seinerseits am Kopf des Einhorns geblieben war. „Sonst brechen Sie ihr gleich noch das Bein. Mr. Scott, Sie fassen ihr Becken und ihren Hinterhuf. Commander Time, Agent Yetron, für Sie gilt ähnliches.“

Alle nickten Sarons Anweisungen ab und fassten beherzt zu. Nur Scotty fragte verwirrt: „Warum wollen Sie das Einhorn drehen, Mr. Saron? Is’ nich’ die stabile Seitenlage viel besser?“ „Das gilt für Wesen, die des aufrechten Gangs mächtig sind.“, informierte Saron ihn. „Herz und Lunge sind entsprechend aufgehängt. Für Vierfüßer ist das Liegen auf der Seite über einen längeren Zeitraum aber fatal. Sie können von ihrem eigenen Gewicht erdrückt werden. Besonders dann, wenn ihr Kreislauf ohnehin schon instabil ist.“ „Oh Entschuldigung!“, entschuldigte sich mein Mann sichtlich peinlich berührt. „Schwamm drüber.“, sagte Saron. „Aber wir müssen jetzt loslegen. Sonst überlebt sie den Tag nicht! Also, Gentlemen! Auf drei! Eins, zwei, drei!“

Alle hoben gleichzeitig ihr Viertel von Benevidea an. Dann schoben Time und Yetron von links, während Scotty und Mikel von rechts zogen. Saron ging nur am Kopf mit und passte auf, dass dieser nicht unkontrolliert durch die Luft wackelte. Schließlich sollte sich das arme Einhorn bei dieser schwungvollen Aktion nicht noch den Hals brechen. So hatten sie die Kleine dann tatsächlich bald in Brust-Bauch-Lage gedreht.

Sofort begann Saron erneut, mit seinen bescheidenen Mitteln Benevideas Lebenszeichen zu überprüfen. Dazu nahm er eine ihrer Lippen zwischen zwei Finger seiner rechten Hand und drückte auf die Gefäße, bis die Schleimhaut ganz weiß war. Erst dann ließ er wieder los und zählte laut bis zehn. Dann ließ er einige Sekunden verstreichen und tat es erneut. Allerdings kam er jetzt nur bis fünf. Dann war die Farbe und somit das Blut in die Gefäße zurückgekehrt. „Sieht aus, als hätten wir Erfolg.“, sagte er. „Ihr Kreislauf jedenfalls scheint sich zu erholen.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Mikel, der seine Hände auf ihrer Flanke platziert hatte. „Sie atmet auch schon ruhiger.“ Er begann damit, sie liebevoll zu streicheln.

„Sie dürfte ’n anständigen Schock haben.“, stellte Scotty fest. „Dann braucht man Volumen. Sie sollte trinken. Ich hole was.“

Damit war er in Richtung des nächsten Replikators verschwunden. Offenbar wollte er seine Schlappe von eben unbedingt wieder ausbügeln. Gut für alle hörbar befahl er dem nur wenige Schritte von ihrer Position entfernten Gerät: „Einen 5-Liter-Eimer imperianisches handwarmes Quellwasser mit einer Saugvorrichtung!“

Das gewünschte wurde bald von dem Gerät ausgespuckt. Dabei erinnerte der Eimer an einen, aus dem in meiner Zeit Kälber getränkt wurden. Wahrscheinlich befürchtete Scotty, Benevidea könnte sich verschlucken, wenn sie in ihrer jetzigen Situation aus dem großen Eimer trinken müsste. Für ein Wesen mit so einer langen Luftröhre könnte das dann durchaus tödlich enden.

Stolz wie Oskar kam er bald darauf mit dem Eimer zurück. Als er Benevidea allerdings den Sauger anbot, schreckte sie zurück. Das war eine Reaktion, die für ein Fluchttier durchaus normal war, wenn es auf eine Situation traf, die ungewohnt war. Der Sauger stellte so etwas zweifellos dar. Scotty aber kippte nur etwas von dem Wasser auf seine Hände und strich damit den Sauger ein. Dann hielt er ihn ihr erneut hin und schmierte ihr aber auch etwas von dem Wasser an seinen Fingern direkt ins Maul. Dazu lupfte er ihre rechte Wange leicht an. Genießerisch begann die kleine Stute darauf doch mit dem Ablecken seiner Finger. Als sie aber gerade so richtig dabei war, zog er unvermittelt seine Hand weg. Sofort suchte Benevideas Nase nach der Quelle des wohlschmeckenden Wassers, das sie wohl sehr an zu Hause erinnerte. Da war aber nur der Sauger, der ebenfalls danach roch. Deshalb fasste sie sich dann wohl doch ein Herz und fasste ihn mit ihren weichen Lippen, um dann sofort mit dem Saugen zu beginnen.

Für uns mag Wasser nach nichts riechen und schmecken. Tiere aber haben sehr viel feinere Nasen und Geschmacksnerven. Damit können sie durchaus einzelne Stoffe herausfiltern und beurteilen, ob sie ihnen schmecken. Das war auch meinem Mann klar.

„Yes!“, entfuhr es Mikel, für dessen Ohren ihr Schmatzen eine Wohltat darstellen musste, so wie er sich jetzt verhielt. Er stand nämlich fröhlich lächelnd neben dem Einhorn. „Sie machen sich prima als Säuglingsschwester, Mr. Scott.“, lästerte Yetron, dem Scotty seinen Spruch aber keineswegs übel nahm. Er war ja schließlich selbst als der größte Sprücheklopfer der Nation bekannt und durfte sich also nicht wundern, wenn einmal etwas zurückkam. „Danke, Agent.“, gab mein Mann erleichtert zurück.

Benevidea hatte den gesamten Eimer geleert und dann den Sauger losgelassen, um ihr Maul abschlecken zu können. „Ja, schlapf, schlapf.“, sagte Mikel lautmalerisch. „Das war gut, was, Mäuschen?“ Als hätte das Einhorn ihn verstanden, gab es ein erleichtertes Schnauben von sich.

Eine weibliche Gestalt mit einem Arztkoffer in der rechten Hand näherte sich dem Geschehen. In ihrem Gefolge ging ein Taskonianer. Es handelte sich um Cupernica und Learosh. Die Androidin hatte sich Loridanas Assistenten sozusagen kurz ausgeliehen, da sie ihren eigenen, Mr. Oxilon, in der Menge so schnell nicht hatte ausmachen können. Sie hatte sich das Szenario nur kurz angesehen. Dann wandte sie sich an die Männer: „Sehr gut, Gentlemen. Sie waren sehr kompetente Ersthelfer. Mr. Learosh und ich übernehmen ab hier. Mr. Saron, ich konnte sehen, dass Sie offensichtlich die Aktion geleitet haben. Sie scheinen über eine sehr große Bandbreite an Kenntnissen der Ersten Hilfe zu verfügen. Sternenflottenoffiziere müssen die Lehrgänge absolvieren, aber Ihnen, als einem Zivilisten, rechne ich das hoch an! Ich spreche Ihnen hiermit ein großes Lob aus. An Ihnen sollte sich manch anderer ein großes Beispiel nehmen. Ich werde selbstverständlich auch Ihre Vorgesetzte darüber informieren. Aber jetzt dürfen sie alle erst einmal gehen.“ „In Ordnung.“, sagte Time und alle nickten erleichtert. Dann gingen die fünf Männer und ließen die Mediziner ihre Arbeit verrichten, die darin bestand, Benevidea eine Spritze mit einer Mischung aus Stoffwechsel steigernden Medikamenten und einem speziell gegen Rosannium wirkenden Gegengift zu geben. Mehr konnten sie im Moment nicht für sie tun.

Gemäß der tindaranischen Protokolle hatte IDUSA Shimar zu sich an Bord gebeamt, als sie die erhöhte Dosis Rosannium in der Atmosphäre ganz in der Nähe seines Standortes registriert hatte. Die Menge war groß genug gewesen, um Dill oder Logar außer Gefecht zu setzen. Für ihren Piloten, der ja ein weitaus schwächerer Telepath als die beiden Könige war, hätte sie durchaus tödliche Folgen haben können. Das hatten ihre Berechnungen zweifelsfrei ergeben.

Irritiert hatte sich Shimar zunächst umgeschaut. Er hatte sich zwar im Pilotensitz seines Schiffes befunden, was er auch erkannt hatte, die Situation als solche war ihm aber im Gegensatz zu seinem Schiff noch nicht ganz klar.

Er suchte nach dem Neurokoppler. Glücklicherweise fand er ihn auch bald und konnte ihn sich aufsetzen. IDUSA, die dies sofort registriert hatte, lud seine Reaktionstabelle. Dann sah Shimar in das erleichterte Gesicht der jungen tindaranischen Fliegerin, als die sich der Avatar immer dargestellt hatte. „Warum hast du mich an Bord geholt, IDUSA?“, fragte er ruhig. „Die Verhaltensprotokolle für IDUSA-Einheiten haben es mir geboten.“, sagte das Schiff. „Ich konnte eine für Sie zweifelsfrei tödliche Menge Rosannium in der Atmosphäre registrieren. Wenn Sie dieser weiter ausgesetzt gewesen wären, dann würden wir nun nicht mehr miteinander sprechen.“

Sie ließ ein Lämpchen am Auswurffach des Replikators blinken. Shimar drehte sich dem Gerät neugierig zu und entnahm ein kleines Glas. „Was ist das, IDUSA?“, fragte er. „Eine Medizin gegen Strahlungsvergiftung.“, sagte das Schiff nüchtern. „Glücklicherweise sind Sie weitaus weniger betroffen, als es die arme Benevidea war. Bitte trinken Sie das. Es wird das Rosannium aus Ihrem Körper tilgen. Wie gesagt. Bei Ihnen ist es nicht so schlimm. Deshalb reicht eine orale Einnahme.“ „OK, pass auf, IDUSA.“, sagte Shimar. „Während ich das hier trinke, zeigst du mir am besten mal, was du bezüglich Benevidea gesehen hast.“ „Wie Sie wünschen.“, entgegnete das Schiff. „Ich bin allerdings ohnehin davon überzeugt, dass Sie nach meinen Bildern einen Drink brauchen werden.“ „Fein.“, sagte Shimar. „Dann hebe ich mir den Kurzen hier für gleich auf. Leg schon los!“ „Wie Sie wünschen.“, sagte das Schiff und warnte: „Es wird nicht angenehm.“

Scotty hatte Mikel zu Kissara zurückgebracht, die sich gemeinsam mit Kang und ihm jenseits des größten Durcheinanders an einen noch stehenden Tisch gesetzt hatte. Kangs Platz war nur leider verweist, denn der Klingone hatte sich zurückgezogen. Seinem Gehen war eine Diskussion vorausgegangen, auf die Kissara nun noch einmal hinwies: „Was für einen schlauen Ersten Offizier ich doch habe, Mikel. Mir war klar, dass Sie Techniker Scott ablenken wollten, indem Sie seine Aufmerksamkeit zunächst auf sich und dann auf Benevidea ziehen. So denkt er nicht ständig an das Verschwinden seiner Frau und wird hoffentlich nichts Unüberlegtes auf eigene Faust tun.“ „Wann genau ist Ihnen klar geworden, was ich vorhatte?“, fragte der blinde Agent seinen Commander. „Als Sie aufstanden und Ihren Taststock scheinbar vergaßen.“, antwortete die Thundarianerin. „Meinem scharfen Katzenblick entgeht so leicht nichts. Das sollten Sie wissen und ich denke, darauf hat Ihr Verhalten auch abgezielt, nicht wahr? Sie wollten, dass ich Ihnen den Rücken freihalte für Ihr Ablenkungsmanöver. Sicher hätte Kang, der sich ja auch freiwillig gemeldet hatte, Körperlich viel besser beim Drehen des Einhorns helfen können, aber er hat einen entscheidenden Vorteil nicht, den Sie besitzen und den Sie auch sehr gut ausgespielt haben, Nämlich Ihre Behinderung, die Sie genutzt haben, um Scotty abzulenken. Sie haben mit Absicht eine Situation herbeigeführt, in der er Sie führen musste, als Sie ihren Stock liegenließen, nicht wahr? Deshalb habe ich Kang auch befohlen, zunächst sitzenzubleiben und ihm erst später erlaubt, sich zu entfernen.“ „Das war eine sehr gute Vorbereitung von Ihnen, Kissara!“, lobte Mikel. „Dazu kommt noch der sahnige Steilpass von Yetron, mit dem er mir mitten in meine Karten gespielt hat. Es war sehr clever von ihm, Scotty darauf hinzuweisen, dass wir Betsy nur retten können, wenn wir zuerst Benevidea retten. Sahne, ach was sage ich! Das war Creme Karamell!“ Kissara musste grinsen. „Ich werde es Mr. Yetron ausrichten, wenn ich ihn sehe. Ach, Agent, wie lange ist Ihr letzter Besuch der Simulation eines Fußballspiels eigentlich her?“ Jetzt war es Mikel, der grinsen musste.

Der Agent setzte sich gerade hin und stützte den rechten Ellenbogen auf die Tischplatte. Das tat er meistens, wenn er nachdachte. „Woran denken Sie, Agent?“, fragte Kissara. „Ich denke aber trotzdem, dass wir es Kang erklären sollten, Kissara.“, mahnte der junge Terraner. „So mancher könnte jetzt zwar anführen, dass ein Commander es nicht nötig hat, jede seiner Entscheidungen seinen Untergebenen zu erklären, aber …“ „Oh ich weiß, was Sie meinen.“, fiel ihm Kissara ins Wort. „In jeder anderen militärischen Organisation wäre das wohl auch so. Aber wir sind schließlich bei der Sternenflotte und die nimmt Rücksicht auf andere Kulturen. Dass meine Entscheidung für Mr. Kang eventuell eine Schmach bedeuten könnte, war mir von Anfang an klar und ich werde es ihm auch erklären! Ich werde ihm sagen, warum ihm bei so etwas ein vermeintlich schwächerer vorgezogen wurde. Das hatte ich von Anfang an vor. Bleiben Sie hier, Agent. Ich werde ihn suchen!“ Damit stand sie auf, blickte sich kurz um und ging dann zielstrebig in eine Richtung. In jener Richtung hatte sie Techniker Jannings erspäht, den sie fragen wollte, ob er Kang vielleicht auf das Schiff gebeamt hatte. Sie kannte ihren strategischen Offizier und ahnte wohl, dass er die Granger als adäquaten Rückzugsort für sich sehen könnte.

Shimar hatte sich die Daten angesehen, die sein Schiff gesammelt hatte. Dann hatte er äußerst bedient den Drink heruntergeschüttet. „Du musst eine Aussage machen. Das steht fest.“, sagte er leise. „Denken Sie wirklich, dass Agent Sedrin Taleris-Huxley, die ja anscheinend die leitende Ermittlerin in diesem Fall ist, sich dazu herablassen wird, die Aussage eines Raumschiffes aufzunehmen?“, fragte IDUSA. „Sie wissen doch, dass wir in der Rechtsprechung der Föderation nicht den gleichen Stellenwert haben wie in der tindaranischen. Wenn ich eine Androidin, eine Simulation oder ein Hollogramm wäre, dann wäre das bestimmt etwas anderes. Aber in meinem Fall …“

Sie hatte ihren Satz mit Absicht nicht beendet, um ihm eine Möglichkeit zum Einhaken zu geben. „Dann hättest du immer noch mich!“, sagte Shimar sehr energisch und sehr selbstbewusst. „Ich bin ein Organischer. Mir werden sie glauben und meine Aussage werden sie auch anhören. Wenn ich dann auf dich hinweise, werden sie quasi gezwungen sein, sich auch die Deine zu Gemüte zu führen. Aber du könntest die Daten ja schon einmal an Sedrins Rufzeichen schicken. Dann hat sie zumindest etwas zum Gucken.“ „In Ordnung.“, sagte IDUSA und tat, was ihr Pilot ihr soeben gesagt hatte.

Sie schaltete Shimar plötzlich einige Sensorenbilder auf den Neurokoppler. Der junge Tindaraner sah einen sehr verzweifelt dreinschauenden Scotty, der offenbar nicht so recht wusste, wohin er gehen sollte. Der Weg, den er eingeschlagen hatte, schien total wirr und er machte ein sehr trauriges Gesicht. Offenbar hatte die Wirkung von Mikels Ablenkungsmanöver doch verfrüht nachgelassen. Aber nicht nur IDUSA hatte etwas bemerkt, auch Shimar hatte im gleichen Moment einen kalten Schauer wahrgenommen, wie ihn Telepathen oft wahrnehmen, wenn sie bemerken, dass jemand, der ihnen sehr nahe steht, in Gefahr ist oder im Begriff, sich etwas Gefährliches anzutun.

„Hol ihn sofort an Bord!“, befahl Shimar in Richtung seines Schiffes. „Wer weiß, was er sich sonst antut!“ „Verstanden.“, erwiderte das Schiff gewohnt nüchtern. „Initiiere Transportererfassung. Ziel erfasst. Transport läuft.“

Wenig später fand sich Scotty an Bord des tindaranischen Schiffes wieder. Zunächst war er sehr irritiert ob dieser Tatsache, ließ sich aber dann doch ruhig von Shimar, der sofort seine Hand genommen hatte, zum Sitz für den Copiloten führen und nahm dort Platz.

Der junge Tindaraner sah seinem älteren terranischen Freund ins Gesicht. Auch wenn er keine telepathischen Fähigkeiten gehabt hätte, hätte er seine Angst wahrgenommen, die laut und deutlich aus seinen Augen sprach. Ihm war klar, dass Scotty wohl dringend reden musste.

Obwohl sie nicht flogen, sondern nur neben der Granger die Umlaufbahn um die Erde hielten, sagte er zu seinem Schiff: „IDUSA, übernimm das Steuer!“ Dann wandte er sich Scotty zu: „Ganz ruhig, Scotty. Ist ja gut.“ „Gar nichts is’ gut!“, erwiderte mein Mann fast panisch, eine Gefühlsregung, die weder Shimar noch IDUSA von ihm kannten. „Wo hat sie Betsy hingebracht, Shimar?! Wo is‘ meine Frau?! Wir müssen sie finden! Wir müssen sie finden! Benevidea wurde von Rosannium getroffen! Von Rosannium, Shimar! Weißt du, was das bedeutet?! Sie konnte sicher nicht zu Ende bringen, was sie versucht hat und jetzt steckt Betsy sicher irgendwo zwischen den Dimensionen fest. Bitte, Shimar! Bitte mach was! Mach doch was!“ Er schlug verzweifelt die Hände vor sein Gesicht.

Shimar überlegte angestrengt. So hatte er Scotty, den sonst stets nie um eine Lösung verlegenen Scotty, noch nie gesehen. So verzweifelt und hilflos kam er ihm vor. Aber was konnte er tun, um ihm zu helfen? Er wusste ja auch nicht, wo ich war. Seine telepathische Reichweite war begrenzt. Er war ja kein imperianischer oder zeitländischer Mächtiger und schon gar kein Bewohner des Raum-Zeit-Kontinuums. Allerdings wünschte er sich jetzt, Kairon wäre bei ihm. In seinen Augen schuldete ihm der Mächtige ohnehin noch etwas. Shimar hatte schließlich geholfen, seiner Schwester das Leben zu retten und dabei selbst Kopf und Kragen riskiert. Der junge Tindaraner fand, dafür könnte sich Kairon ruhig revanchieren.

Es war schließlich sein Schiff, die ihm die Anspannung nehmen konnte. Seine Gedanken waren für sie, da er immer noch den Neurokoppler trug, ja nach wie vor gut zu erkennen gewesen. „Shimar, bitte geben Sie Scotty den zweiten Neurokoppler.“, bat sie nüchtern. „Ich habe Ihnen beiden etwas mitzuteilen.“ „In Ordnung, IDUSA.“, gab Shimar ruhigen Tons zurück und holte das Gerät aus dem Fach unter der Konsole, wo es immer gelegen hatte. Dann gab er es Scotty mit den Worten: „Bitte setz das auf. IDUSA möchte mit uns beiden reden.“ „Na gut.“, sagte mein Mann und setzte den Neurokoppler auf. Dann gab er Shimar den Anschluss, welchen dieser sofort in einen freien Port steckte. IDUSA, die das sofort bemerkt hatte, lud Montgomerys Reaktionstabelle. Dann sagte sie: „Gentlemen, ich denke, ich habe Allrounder Scott gefunden. Shimar, ich habe ohne Ihren Befehl selbstständig Kontakt mit unserer interdimensionalen Sensorenplattform aufgenommen und ihr den Auftrag erteilt, nach ihren Lebenszeichen zu fahnden. Sie wissen ja, dass die Reichweite meiner eigenen interdimensionalen Sensoren auch begrenzt ist. Die Plattform hat sie aber tatsächlich gefunden und ihre Koordinaten an mich weitergegeben. Da sind nur diverse Merkwürdigkeiten an ihrem Standort.“

Shimar ließ hörbar die Luft aus seinen Lungen entweichen. Ihre Nachricht würde ihm sehr helfen, meinen immer noch sehr aufgebrachten Mann zu beruhigen. „Hör zu, IDUSA!“, befahl er recht erleichtert. „Dafür, dass du ohne meinen Befehl gehandelt hast, musst du dich nicht entschuldigen. Wir zwei kennen uns ja mittlerweile schon so gut, dass du meine Befehle wohl schon vorausahnen kannst. Nichts anderes hätte ich dir nämlich gesagt. Aber du sprachst von Merkwürdigkeiten. Was meinst du damit?“ „Sehen Sie selbst.“, sagte IDUSA und stellte beiden Männern das auf den Neurokoppler, was sie von der Sensorenplattform erfahren hatte.

Die Männer sahen ein Universum. Es war aufgebaut wie das der Föderation. Nur schien es um ein Vielfaches jünger zu sein, wie die Daten, die am unteren Bildrand mitliefen, ihnen verrieten. Kein Planet und kein Sonnensystem schienen älter als einige Stunden zu sein. Alles, sogar die Dimension selbst, schien diesen Umstand zu erfüllen.

„Das is’ ja komisch.“, merkte Scotty an. „Ich weiß, dass die Erde allein schon fast fünf Milliarden Jahre alt is’. Von anderen Planeten ganz zu schweigen. Bist du sicher, dass mit eurer Plattform alles in Ordnung is’?“ „Sicher bin ich mir da nicht.“, sagte Shimar. „Schließlich bin ich nur ein einfacher Patrouillenflieger und kein Ingenieur wie du. Aber das können wir ja gleich mal testen. IDUSA, bestimme das Alter von Zeitland mit Hilfe der Plattform!“ „Verstanden, Shimar.“, gab das tindaranische Schiff zurück, nahm erneut Kontakt mit der Plattform auf und übermittelte die nötigen Befehle. Ihr Ergebnis allerdings verwirrte Scotty noch mehr. „Das Alter der Dimension lässt sich nicht bestimmen.“, sagte das Schiff. „Es existiert keine bekannte mathematische Einheit, in der es zu bestimmen wäre. Die Dimension ist einfach schon zu alt. Ihr Alter sprengt jede Skala.“ „Genau das wollten wir hören.“, sagte Shimar. „Wenn die Plattform alle Dimensionen als jünger einstufen würde, als sie es wirklich sind, dann würde das erst recht für Zeitland gelten. Mich würde sehr wundern, wenn IDUSA jetzt eine Zahl hätte nennen können. „Jenn’ hat gesagt, wir sollen bei so etwas immer Zeitland als Referenz nehmen. Den bisher bekannten Daten nach ist die Zeit nämlich die älteste Dimension.“ „Die Plattform funktioniert also normal.“, schloss Scotty. „Sag mal, Schiffchen, gibt es noch mehr Merkwürdigkeiten an dem Universum, in dem sich Betsy jetzt befindet?“ „Affirmativ, Techniker Scott.“, sagte IDUSA. „Die grundlegende Energiesignatur dieser Dimension trägt Benevideas Neuralmuster.“ „Das bedeutet, dass sie die Dimension erschaffen hat, nicht wahr?“, fragte Scotty. IDUSAs Avatar vor seinem geistigen Auge nickte. „Aber Warum sollte sie eine Dimension erschaffen und dann meine Frau dorthin entführen?“, fragte Scotty. „Bedauerlicherweise fehlen mir die Daten, um Benevideas Verhalten daraufhin genau analysieren und meine Schlüsse ziehen zu können.“, sagte das Schiff. „Dazu kenne ich das Einhorn zu wenig. Aber wir könnten hinfliegen und uns die Sache mal genauer ansehen. Vielleicht können wir dann ja auch Betsy retten.“ „Na dann, Schiffchen!“, forderte Scotty sie auf.

IDUSAs Avatar vor ihren geistigen Augen wandte sich Shimar mit einem fragenden Blick zu. „Ach, das habe ich ja völlig vergessen.“, sagte Scotty. „Du musst ja erst deinen Piloten fragen.“ „Der damit aber sehr einverstanden ist.“, ergänzte Shimar und gab ihr den nötigen Gedankenbefehl, ihm die Steuerkonsole zu zeigen und ihm somit wieder die Kontrolle zu übergeben.

Er lenkte das Schiff aus der Umlaufbahn und dann auch noch aus dem Sonnensystem. In der irdischen Umlaufbahn oder gar im irdischen Sonnensystem den interdimensionalen Antrieb zu benutzen, konnte sehr gefährlich sein und er wollte, wenn es nicht unbedingt notwendig war, dieses Risiko nicht eingehen.

Außerhalb des Systems befahl er ihr schließlich, den interdimensionalen Antrieb zu aktivieren. Kaum hatte IDUSA das aber getan, wurde sie von etwas zurückgestoßen und kam ins Trudeln. Sie wurde sogar so instabil, dass sie sich auf ihren Bug stellte. Ihr Heck wackelte hin und her wie ein Lämmerschwanz und sie drohte vollständig auf die Seite zu kippen. Der Interdimensionale Antrieb schien nicht wirklich zu greifen und sie schwankte unkontrolliert durch die interdimensionale Schicht.

Von Shimar konnte sie in dieser Situation keine Hilfe erwarten, wie sie bei seiner Untersuchung feststellen musste. Er war fast bewusstlos. Der Grund hierfür war eine telepathische Wahrnehmung gewesen, die in ihm das Gefühl ausgelöst hatte, als hätte ihm ein Boxer zuerst in die Magengrube und dann an den Kopf geschlagen. Nur Scotty, der ja als Nicht-Telepath von so etwas nicht unbedingt betroffen war, war für sie in diesem Moment noch zu erreichen. „Bitte helfen Sie mir, Techniker Scott!“, sagte IDUSA und ihr Avatar vor Scottys geistigem Auge machte ein alarmiertes Gesicht. „Ich bin kurz davor, eine Notabschaltung des interdimensionalen Antriebs vornehmen zu müssen, weil sonst meine Systeme und meine strukturelle Integrität gefährdet sind! Wenn ich das aber tue, stürzen wir unkontrolliert in irgendeine Dimension!“

Scotty überlegte krampfhaft, was ihm aber bei der Achterbahnfahrt, die sie jetzt hinlegten, nicht sehr leicht fiel. IDUSAs Umweltkontrollen versuchten zwar, das Gröbste zu kompensieren, da der Flug aber unkontrolliert war, gelang das nicht wirklich und so bekam Scotty ihre Drehungen und das Auf und Ab hautnah mit. Er wusste, er musste es irgendwie hinbekommen, die Fluglage des Schiffes wieder zu begradigen. Aber das würde bedeuten, dass er fast zum Kunstflieger werden musste. So eine Ausbildung hatte er aber nicht. Er war sich jedoch über die physikalisch notwendigen Dinge klar, die jetzt getan werden mussten. Vielleicht klappte es ja auch, obwohl ihm die Routine eines ausgebildeten Kunstfliegers fehlte.

Er nahm allen Mut zusammen und befahl IDUSA: „Zeig mir ’ne Handsteuerung, Schiffchen. Für das Manöver muss ich dich spüren und es wird mir nich’ reichen, einfach nur Zahlen einzugeben.“ „Also gut.“, sagte das Schiff und führte Scottys Befehl aus.

Der ältere Terraner sah bald die gewünschte Konsole vor sich. Dann befahl er: „Geh zurück auf unsere Anfangskoordinaten, indem du den interdimensionalen Antrieb normal abschaltest ohne Notprozedur. Dann schaltest du die elektronische Trimmung aus und stellst die Bugspule auf Steig- und die Heckspule auf Sinkflug ein!“ „In Ordnung, Techniker Scott.“, sagte IDUSA und tat auch dies. Jetzt musste Scotty nur noch mit Hilfe des Joysticks, über den die Flughöhe normalerweise geregelt wurde, eine gute Balance herstellen, was ihm schlussendlich auch gelang. Endlich lag sie wieder gerade im Universum! „Vielen Dank, Techniker.“, sagte IDUSA erleichtert. „Ich hielt es für sehr unwahrscheinlich, dass Sie sich ein solches Manöver überhaupt zutrauen. Aber Sie haben mich eines Besseren belehrt.“ „Gern geschehen, Schiffchen.“, sagte Scotty ebenfalls sehr erleichtert. „Obwohl wir ganz schön viel Schwein hatten!“

Nur mit viel Mühe war es Shimar gelungen, den telepathischen Eindruck, den ihm die Dimension vermittelt hatte, wieder abzuschütteln. Angestrengt und außer Atem wandte er sich jetzt Scotty zu: „Was ist passiert?“ „Ich habe uns mit viel Glück zurückgebracht!“, sagte Scotty nassforsch. „Das is’ passiert.“ „Ich glaube, Benevidea will uns da nich’ haben, wo Betsy jetzt is’.“ „Das kann ich auch nur bestätigen.“, sagte Shimar. „Pass auf! Ich nehme dich mit nach Tindara. Dann reden wir mit Zirell und Jenna über die ganze Angelegenheit.“ „Gute Idee!“, sagte Scotty. „Vielleicht findet Jenn’ ja eine Schwachstelle im Abwehrschild dieser Dimension oder so. Auf eigene Faust versuchen wir es auf jeden Fall nich’ noch mal. Das ginge wahrscheinlich sowieso auf Kosten von IDUSAs Antrieb und den braucht sie schließlich noch. Von deiner Gesundheit will ich gar nich’ reden.“ „OK.“, sagte Shimar und befahl in Richtung seines Schiffes: „IDUSA, flieg unsere Heimatkoordinaten an und gib mir Zirell!“ „Sofort, Shimar.“, sagte das Schiff und führte die Befehle ihres Piloten aus.

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