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Shimar war nach seiner Vernehmung durch Maron in sein Quartier zurückgekehrt. Der Erste Offizier hatte gemeint, er solle sich erst einmal ausruhen und müsse nicht unbedingt an der Konferenz teilnehmen. Dass Shimar das bitternötig hatte, war mehr als offensichtlich. Jetzt hatte er sich nur noch müde und abgekämpft auf sein Bett geworfen.

Die Ansprache durch den Stationsrechner, der ja meinen Ruf registriert hatte, bekam er auch erst beim vierten Mal mit: „Shimar, ich habe ein Gespräch für Sie.“ „Bitte nicht, IDUSA.“, sagte Shimar erschlagen. „Ich habe gerade einen anstrengenden Flug hinter mir und dann auch noch eine Vernehmung durch Maron. Ich bin total geschlaucht und fertig. Vertröste den Rufer bitte auf später, ja?“ „Ich denke, Sie werden anders reagieren, wenn ich Ihnen sage, wer am anderen Ende der Verbindung ist.“, entgegnete der Rechner, der von mir inzwischen die Instruktion erhalten hatte, Shimar auf alle Fälle zum persönlichen Beantworten des Rufes zu bewegen.

Missmutig und gequält setzte sich der junge Tindaraner auf. „Wer denn, IDUSA?“, fragte er. „Es ist Ihre Freundin.“, antwortete der Rechner nüchtern wie immer.

Sofort war Shimar hellwach. „Gib sie her, IDUSA!“, befahl er. „Sofort!“ „Natürlich, Shimar.“, antwortete der Computer im Gegensatz zu ihm sehr ruhig.

Das Bild des Avatars vor seinem geistigen Auge, das ihm über einen in die Wand des Quartiers eingebauten Neurokoppler präsentiert worden war, wich dem meinen. Dann hörte er mich sagen: „Srinadar, kannst du mich hören?“ „Natürlich kann ich das, Kleines!“, rief Shimar überglücklich. „Wo zur Hölle bist du?“ „Ich bin in einer Dimension, die meiner Heimat sehr ähnelt.“, antwortete ich. „Aber Data und ich haben festgestellt, dass es sich um eine Kopie handelt, die wahrscheinlich eine Schöpfung von Benevidea ist. Es weist alles darauf hin. Hier ist aber vieles anders. Hör zu, Srinadar. Ich bin sicher, Benevidea will, dass Data und ich etwas sehen oder lernen.“ „Das kann ich mir auch vorstellen, Kleines.“, sagte Shimar. „Es würde zumindest auch erklären, warum wir dich nicht rausholen konnten. Ich bin sicher, sie hat einige Sicherungen eingebaut. Bevor wir das nicht genau wissen, sollten wir es nicht noch einmal versuchen, denke ich. Sonst riskieren wir noch, dass du in Stückchen hier ankommst oder so etwas. Aber warum nimmst du zuerst mit mir Kontakt auf. Wäre nicht das Sternenflottenkommando in deiner Heimat die bessere Wahl? Ich kann von hier aus auch nichts tun.“ „Das kann ich nicht.“, sagte ich. „Eine Störung verhindert das. Ich bin sicher, Benevidea will nicht, dass ich direkt mit meinem Zuhause rede, weil die Gefahr bestünde, dass man mich herausholt, bevor ich gelernt habe, was ich ihrer Meinung nach lernen soll. Hör zu! Ich schicke meine schriftlichen Berichte alle an dein Rufzeichen. Bitte gib sie Maron, Zirell, Mikel und Kissara. Eine andere Möglichkeit sehe ich gerade nicht. Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben. Hat sich bei euch etwas getan?“ „Die Führungsoffiziere halten eine Konferenz ab.“, sagte Shimar. „Benevidea ist krank. Ihr telepathisches Zentrum wurde durch eine Überdosis Rosannium vergiftet. Time kümmert sich um sie.“ „Time!“, sagte ich erleichtert. „Das ist gut. Der hat bisher alles wieder hingekriegt. Aber das kann auch bedeuten, dass sie keine Verbindung mehr zu ihrer Schöpfung hat. Das Ganze könnte außer Kontrolle geraten. Stell mich bitte sofort auf dein Handsprechgerät und dann geh zum Konferenzraum. Ich muss mit den Führungsoffizieren reden.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Dann bleib bitte dran!“ Dann befahl er dem Rechner der Station, meinen Ruf auf sein Handsprechgerät durchzustellen und ging aus seinem Quartier.

Im Konferenzraum waren alle damit beschäftigt, sich die Bilder anzusehen, die Jennas Sonde, die sie auf Zirells Befehl geschickt hatte, inzwischen aus der fremden Dimension gesendet hatte und noch immer live sendete. Dabei orientierte sie sich zunächst an meinen Lebenszeichen. Aber sie fotografierte auch alles, was sonst noch in ihrer Reichweite war. So fiel Zirell auch ein riesiges Schloss auf, das hoch über Washington thronte. Es stand auf dem Hügel, auf dem vorher das Kapitol gestanden hatte. Es war im imperianischen Baustil errichtet. Das konnten alle sehen. „Was bitte ist das?!“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Wie du unschwer erkennen dürftest, ist es ein Schloss, Zirell.“, sagte Kissara. „Ein Schloss, errichtet im imperianischen Baustil.“ „Was macht ein Schloss im imperianischen Baustil mitten auf der Erde?“, fragte Mikel. „Kann mir jemand sagen, wo es genau steht?“

Zirell winkte Maron: „bitte hilf deinem Kollegen.“ „Sicher.“, sagte der Demetaner und wandte sich dem blinden Agenten zu, aber nur um ihm zunächst vorsichtig ins Ohr zu flüstern: „Hast du eine Theorie?“ Mikel nickte. Dann sagte Maron laut: „Es steht dort, wo eigentlich das Kapitol stehen müsste. Das ist doch ein sehr wichtiges Gebäude für euch Terraner, nicht?“ „Ja.“, sagte Mikel. „Gemeinsam mit dem so genannten Weißen Haus bildet es den Regierungssitz und …Oh nein! Das bestätigt meine Theorie ja sogar.“ „Gehst du davon aus, dass Sytania in dieser Version eurer Heimat die Erde erobert hat, Mikel El Taria?“, fragte Joran, den Zirell vorsichtshalber als Experten für Sytanias Handeln und für das Handeln von Mächtigen überhaupt mit zu der Konferenz geladen hatte. Genauso wie Jenna, die ihre Expertise zum Thema interdimensionale Technologie abgeben sollte. „Davon gehe ich tatsächlich aus.“, sagte Mikel. „Aber Warum hat Benevidea Scott und Data in so ein Horrorszenario entführt?“, fragte Maron entrüstet. „Was sollen sie lernen?“ Alle zuckten nur ratlos mit den Schultern.

Shimar war inzwischen unterwegs zum nächsten Turbolift. Dabei hatte er das Sprechgerät mit unserer Verbindung in die Brusttasche seiner Uniform gesteckt und das Mikrofon mittels einer Klemme am Kragen befestigt. Nervös starrte er immer wieder auf das Display. „Ich bin unterwegs, Kleines!“, sagte er sehr hektisch. „Was immer du tust, beende nicht diese Verbindung!“ „Davor musst du definitiv keine Angst haben, Srinadar.“, sagte ich. „Ich bin ja heilfroh, dass ich sie überhaupt zustande bekommen habe. Aber ich habe wenig Zeit. Ich weiß nicht, wie lange ich reden kann. Bitte beeil dich!“ „Ich mache ja schon, Kleines.“, sagte Shimar und beschleunigte seinen Schritt. Im gleichen Moment wurde er allerdings auf einige Leuchten aufmerksam, die ihn über die Terminals der Flursprechanlage zu verfolgen schienen.

Missmutig drehte er sich einem der Terminals zu: „IDUSA, was ist denn?! Ich habe nun wirklich keine Zeit!“ „Das ist mir klar.“, sagte die Stimme des Rechners. „Schließlich läuft das Gespräch zwischen Allrounder Scott und Ihnen auch über meine Systeme und ich bin deshalb über die Situation informiert. Ich habe ein Angebot für Sie, das Sie bestimmt nicht abschlagen werden. Um Ihre Kräfte zu benutzen, sind Sie viel zu nervös. Das sagen mir Ihre medizinischen Werte. Sie könnten sich sicher nicht konzentrieren und die Gefahr wäre zu groß, dass Sie irgendwo landen. Ich aber könnte Sie mit dem Transporter erfassen und direkt in den Konferenzraum beamen. Ich würde Sie direkt vor Commander Zirells Nase absetzen. Das ginge doch viel schneller, finden Sie nicht?“ „Na gut.“, sagte Shimar und hielt sich bereit.

Über seine plötzliche Ankunft waren alle, die an der Konferenz teilnahmen, sehr verwundert. „Wie kommst du hierher, Shimar?“, fragte Zirell. „Solltest du nicht in deinem Quartier sein und dich ausruhen?“ „Vielleicht sollte ich das wirklich, Zirell.“, sagte mein Freund. „Aber vorher muss ich euch allen noch was zeigen. Ihr werdet nie erraten, mit wem ich Kontakt habe!“

Er zog sein Sprechgerät aus der Tasche und präsentierte allen das Display. Hier sahen nun auch Zirell, Kissara, Jenna, Joran und Maron mein Gesicht. „Wie hast du das bitte angestellt?“, fragte Maron irritiert. „Das war ich nicht.“, sagte Shimar. „Betsy hat Kontakt zu mir aufgenommen. Sie befindet sich in einer Dimension, die ihrer Heimat sehr ähnlich ist. Ihr kennt ja alle meine Aussage. Sie scheint aber in irgendwas geraten zu sein, das nicht gut ist. Sie kann nicht lange reden. Sie spricht immer davon, dass sie keine Zeit hätte.“

Kissara war auf Shimar zugegangen. „Bitte gib mir das Mikrofon.“, sagte sie. „Ich werde es auch kurz machen.“ „OK.“, sagte Shimar und tat, worum mein Commander ihn gerade gebeten hatte.

„Halten Sie aus, Scott!“, sagte Kissara. „Wir arbeiten an Wegen, Sie und Data da rauszuholen!“ „Negativ, Commander!“, entgegnete ich. „Ich denke, Benevidea will, dass ich etwas sehe oder lerne. Vorher wird sie mich hier nicht rauslassen. Shimar hat mir zwar gesagt, dass sie krank ist und vielleicht sogar keine Kontrolle mehr über ihre Schöpfung hat, aber das muss nichts bedeuten. Das Programm könnte ja trotzdem weiter ablaufen. Ich weiß nicht, was sie für Sicherungen eingebaut hat, die meine Rückkehr eventuell verhindern sollen. Es war bestimmt nicht böse von ihr gemeint, als sie diese Dimension geschaffen hat. Als sie vor dem Kapitol aufgetaucht ist, hatte sie schreckliche Angst! Diese Tatsache dürfen wir nicht einfach übersehen, Commander. Bevor Sie etwas unternehmen, sollten Sie erst einmal mit Time Kontakt aufnehmen. Shimar sagt, er kümmere sich um Benevidea. Vielleicht weiß er ja schon mehr über ihre Motive.“

Ich hatte Scottys Schritte auf der Terrasse wahrgenommen. „Ich muss schlussmachen!“, sagte ich und beendete ohne ein weiteres Wort die Verbindung.

Kissara und Zirell sahen sich gegenseitig fragend an. Schließlich war es Maron, der sich an Jenna wandte, um den jetzt entstandenen Knoten zwischen den beiden Kommandantinnen zu lösen: „McKnight, was wissen Sie über die Sicherungen, die Scott erwähnt hat? Glücklicherweise hatte Shimar sein Sprechgerät ja auf Lautsprecher gestellt. So konnten wir alle mithören, was sie uns gesagt hat.“ „Laut Shimars Aussage ist die interdimensionale Mauer sehr massiv, Sir.“, erklärte die angesprochene Technikerin. „Ich denke, ein Transportversuch wäre nicht zu empfehlen, selbst wenn wir den Transporterstrahl anpassen würden. Die Tatsache, dass die Dimension, als Benevidea den Kontakt verlor, nicht aufgehört hat zu leben, dürfte uns zeigen, wie autark sie ist. Vielleicht reagieren ja sogar die Sicherungen selbstständig und es wäre durchaus möglich, dass die Sicherung einen Transport verhindert oder dass Allrounder Scott und Commander Data hier in Stückchen ankommen, die sich unter Umständen über die ganze Transporterplattform verteilen könnten. Ich wette, das möchten Sie auch nicht riskieren, Agent!“ „Natürlich nicht.“, sagte Maron. „Aber was ist, wenn sie gerade deshalb gar nicht mehr aus eigener Kraft nach Hause kommen können. Was ist, wenn die Dimension nicht weiß, wann sie Scott und Data freigeben muss. Was ist, wenn dafür Benevideas Kontrolle nötig wäre, die es aber jetzt nicht mehr gibt?“ „Ich habe nicht gesagt, dass wir nicht an Wegen arbeiten, sie zu befreien, Sir.“, sagte Jenna. „Ich habe nur gesagt, dass es im Moment noch nicht möglich ist.“

Zirell schaltete sich in das Gespräch ein. „Jenn’ hat Recht!“, entschied sie. „Wir haben noch so gut wie keine Informationen und ich war noch nie eine Freundin von Schnellschüssen! Schon gar nicht dann, wenn es um Leben geht! Jenn’, du arbeitest weiter an technischen Möglichkeiten! Maron, Joran, Kissara und Mikel, wir alle beobachten Scotts und Datas Situation. Außerdem werden wir mit Time reden! Sehen, was Scott und Data tun, können wir ja. Nur rausholen können wir sie bisher nicht und ich habe keine Lust, mit unverhältnismäßiger Gewalt auf die Situation zu reagieren! Wer weiß, welche Konsequenzen das am Ende hat. Scott erwähnte ja, dass sie glaube, dass sie etwas lernen soll. Das Gefühl habe ich, nach allen Aussagen, die ich bisher gehört habe, auch. Joran, sobald wir wieder in der Kommandozentrale sind, verbindest du mich mit Commander Time! Vielleicht weiß er ja schon mehr. Bis dahin heißt es für uns bezüglich Commander Data und Allrounder Scott: nur gucken, nicht anfassen! Ich hoffe, es konnten mir alle folgen!“ Alle nickten. „Dann sind wir uns ja einig!“, sagte Zirell.

„Ich denke, wir können diese Besprechung dann auch auflösen.“, stellte Maron fest. „Schließlich haben wir alle noch genug zu tun.“ „Ganz deiner Ansicht.“, sagte Zirell und machte ein Handzeichen in den Raum, das alle zum Verlassen desselben aufforderte. Um ihre Forderung zu bekräftigen, sagte sie noch: „Das wär’s! Wegtreten!“

Alle leisteten Folge und Joran, Maron und sie selbst gingen wieder in die Kommandozentrale, während sich Jenna wieder an ihren Arbeitsplatz und Kissara und Mikel auf die Granger begaben. Alle vertrauten Zirell und ihren Leuten. Sie würden die Situation schon zum Guten wenden und ihnen sagen, wenn sie ihre Hilfe brauchten.

Nach unserem Gespräch, das mich doch sehr aufgewühlt hatte, ging ich zu Scotty, der sich inzwischen darangemacht hatte, die restlichen Einrichtungsgegenstände für Caruso aus dem Jeep zu holen und sie aufzustellen. Er schien auch recht froh darüber zu sein, dass ich ihm assistierte, denn die Situation schien ihn etwas zu überfordern. Zumindest hatte ich diesen Eindruck, so sehr, wie er mit den Dingen hin- und herschob.

„Soll ich dir vielleicht helfen?“, bot ich an. „Das kannst du wahrscheinlich tatsächlich, Darling.“, sagte er. „Du hattest ja in deiner Kindheit selbst eine Katze und wirst daher genauer über Carusos eventuelle Bedürfnisse Bescheid wissen als ich. Wo könnten wir denn am besten seinen Korb und seinen Kratzbaum hinstellen, wo seine Toilette und wo seine Fressnäpfe?“ „Also.“, überlegte ich und wollte einen Scherz machen, um ihm etwas die Anspannung zu nehmen, die gut hörbar jeden seiner bisherigen Sätze begleitet hatte. Ich konnte mir vorstellen, dass der Grund dafür war, dass er einmal nicht der Macher und Problemlöser sein konnte, als den ihn alle kannten, sondern dies auch einmal abgeben musste. Das war etwas, was ihm wahrscheinlich sehr schwer fiel. Aber mir gegenüber, seiner eigenen Ehefrau, musste er doch davor keine Angst haben. Wo, wenn nicht in den eigenen vier Wänden, durfte er denn sonst einmal eine vermeintliche Schwäche zugeben und zeigen?

„Ich würde auf jeden Fall seine Näpfe nicht direkt neben seine Toilette stellen.“ „Igitt!“, rief Scotty aus. „Das würden wir ja auch nicht gut finden. OK, Caruso ist ein Tier, aber gerade Katzen gelten doch als sehr reinlich, stimmt’s?“ Ich nickte.

Ich orientierte mich zur nächsten Wand und ging die gesamte Ecke ab, die Scotty als Carusos Platz auserkoren hatte. Die Fläche war meiner Meinung nach groß genug, dass man hier alles auch mit den nötigen Abständen unterbringen konnte. Sogar ein kleiner Hocker stand an der Wand, den ich gleich als Platz für den Schlafkorb reservierte. „Katzen liegen gern erhöht!“, erklärte ich. „Sie haben immer gern den Überblick. Auch wenn sie schlafen, wollen sie jederzeit über Ihre Umgebung Bescheid wissen. Ihre Sinne sind sehr scharf. Das müssen sie ja sein, weil es Jäger sind. Deshalb empfinden sie eine erhöhte Position als sehr positiv und somit als sehr entspannend. Rechts daneben könnte sein Kratzbaum“ „OK.“, sagte Scotty und hob den Korb auf den Hocker. „Passt genau!“, stellte er fest. „Seine Näpfe sollten wir auch in die Komfortzone stellen.“, sagte ich und deutete auf einen Platz links neben dem Hocker. Auch dies tat Scotty.

Dann drehte ich mich und ging einige Schritte wieder zurück in Richtung des eigentlichen Flurs. Am Eingang der Nische blieb ich stehen. „Und hier kommt sein Klo hin.“, sagte ich etwas platt. Das war bei uns zu Hause genauso und Mikosch hatte damit nie ein Problem. Dazwischen war etwa so viel Platz wie hier.“ „Na dann!“, sagte Scotty und platzierte das Katzenklo, in das er vorher genug Streu gefüllt hatte. Auch seinen Wassernapf füllte er am Replikator, damit mir nichts daneben gehen konnte, wie er sagte. Ich übernahm das Füllen des Fressnapfes mit Trockenfutter. „Jetzt ist ja alles bereit.“, stellte er fest. Komm mal mit in die Küche. Ich muss nötig mal mit dir reden.“ „OK.“, sagte ich. „Ich auch mit dir. Ich habe da ein paar Fragen. Außerdem wirst du ja bestimmt hungrig sein.“ „Ach, lass mich schnell beim Replikator vorbeischneien.“, witzelte Scotty. „OK.“, sagte ich. „Dann gehe ich schon mal vor.“

Damit ging ich vor in die Küche und setzte mich dort auf einen Stuhl. Ich war darauf gefasst, jetzt von ihm verhört zu werden, was mein angebliches Gespräch mit seinen Mitarbeitern anging, das ja nie wirklich stattgefunden hatte. Vielleicht konnten meine Worte ihn aber doch überzeugen, Ich war nur heilfroh, dass es in dieser Föderation offenbar keine Telepathen gab, die meine Lüge durch Untersuchungen von Molly oder Cendus doch noch entlarven konnten.

Scotty hatte mit einem Tablett, auf dem sich ein großer Teller Eier mit Speck befand, die Küche betreten und sich zu mir an den Tisch gesetzt. „Also, Darling.“, sagte er. „Du hast meine Leute ja wirklich gut im Griff. Cendus und Molly schwören Stein und Bein, dass sie solche Gespräche mit dir nie geführt haben und dass Data nicht in unserer Fabrik entstanden sein kann. Es sind auch keine Materiallisten oder ähnliches vorhanden, die darauf hinweisen könnten. Es gibt auch kein Backup seiner Software in unseren Systemen. Ihr wart wirklich gründlich. Ihr wusstet genau, wie man Beweise verschwinden lässt, damit ich nichts merke. Aber das ist kein Wunder, wenn die Drahtzieherin einen Geheimagenten kennt. Ich wette, du hast Agent Mikel da auch mit reingezogen, was?“ „Mikel weiß nichts.“, nahm ich meinen ehemaligen Schulfreund und jetzigen Vorgesetzten in Schutz. „Aber Cendus ist Celsianer. Die sind mit Technik auf Du und Du. Er weiß schon, wie das muss.“ „Na gut.“, sagte Scotty. „Ich glaube dir. Du bist eine Offizierin der Sternenflotte. Das bedeutet, du musstest schwören, niemals zu lügen und zu betrügen. Das mussten meine Mitarbeiter nicht. Sie können jederzeit behaupten, dass da nie etwas war und Cendus kann auch dafür sorgen, dass unsere Systeme behaupten, dass da nie etwas war. Deine Überraschung war also echt perfekt, Darling! Sie war perfekt! So etwas hätte ich dir nie zugetraut!“ „Danke, Scotty.“, sagte ich.

Er hatte begonnen, sich seinem Essen zu widmen. Zwischen zwei Bissen fragte er jedoch: „Worüber wolltest du denn mit mir reden, Darling?“ „Die Hochzeit.“, sagte ich. „Ist es wirklich wahr, dass Sytania und Nugura heiraten wollen?“ „Aber natürlich!“, sagte Scotty. „Sie haben sich bei dem letzten Gipfeltreffen ineinander verliebt. Das weiß doch jeder! Ging doch groß durch die Presse! Also, Darling, das müsstest du doch noch wissen. Dein Commander hat sich doch sogar freiwillig als Nuguras Trauzeugin zur Verfügung gestellt! Ach, entschuldige. Dein Gedächtnisverlust. Hatte ich nich‘ mehr auf dem Schirm. Aber du weißt doch hoffentlich noch, dass es überhaupt ein Treffen gegeben hat, oder?“ Ich schüttelte den Kopf. „Sytania wollte Frieden, nachdem du und ihre Vendar so gut zusammengearbeitet habt, um uns alle zu retten, ihr eigenes Leben inklusive.“ „Das wusste ich nicht mehr.“, redete ich mich heraus.

Ein Signal von meinem Sprechgerät im Wohnzimmer ließ mich aufhorchen. „Ich gehe ran.“, sagte ich und stand auf. Dann ging ich hinüber ins Wohnzimmer, wo Data immer noch auf mich wartete. Nur Caruso hatte es sich inzwischen auf seinem Schoß bequem gemacht und Data hatte damit begonnen, ihn zu streicheln, was der Kater mit lautem Schnurren quittierte. Dass es eine künstliche Hand war, die ihn gerade streichelte, schien ihm also egal zu sein.

Der mit dem Sprechgerät vernetzte Hausrechner hatte mich ebenfalls mit der verbalen Meldung: „Ankommender Ruf!“ auf selbigen aufmerksam gemacht. „Rufzeichen vorlesen!“, befahl ich ins Mikrofon. „Das Rufzeichen lautet: ** 00#120.dem.“, kam es nüchtern zurück. Meine Ausbildung ließ mich sofort erkennen, dass es sich um ein öffentliches Rufzeichen vom Planeten Demeta handeln musste. Es musste aber aus dieser Dimension stammen, denn der vorstehende Hinweis auf einen Ursprung außerhalb der Dimension, die Buchstaben I.D. für interdimensional, fehlte.

Ich nahm das Mikrofon aus der Halterung und drückte die Sendetaste. Dann sagte ich: „Scott hier!“ „Na endlich, Allrounder!“, gab eine bekannte Stimme zurück. „Endlich erreiche ich Sie. Endlich hatten Sie die Güte, Ihr Gespräch zu beenden.“

Jene Stimme hatte ich genau erkannt. „Commander?“, sagte ich. „Was tun Sie auf Demeta und was ist los?“ „Loridana und ich hatten uns hier getroffen und gemeinsam Urlaub gemacht.“, sagte Kissara. „Das war reiner Zufall. Aber jetzt sitzt unser Shuttle mit technischen Problemen hier fest. Das Ersatzteil kommt nicht vor übermorgen, soweit man uns sagte. Das bedeutet, ich kann morgen nicht Nuguras Trauzeugin sein. Richten Sie Nugura das aus!“

Ich überlegte. Wenn die Trauzeugen nicht vollständig waren, konnte die Hochzeit nicht stattfinden. So konnte Nugura vielleicht vor dem Weg ins Verderben bewahrt werden. Andererseits wäre das für diese Gesellschaft, in der die Föderation offenbar Sytanias politische und ihr Staatsoberhaupt sogar die private Freundin der Prinzessin war, ein sehr schlimmes Ereignis, wie es schien. Die Auswirkungen konnten unberechenbar sein und ich durfte mich ja nicht in die natürliche Entwicklung einer Gesellschaft einmischen und sie nach meinem Willen lenken, nur weil es mir gerade so passte. Es wäre also besser, genau das zu tun, was von mir erwartet wurde und das war ohne Zweifel, die Hochzeit zu retten und nicht sie zu sabotieren, Da ja offenbar alle gut fanden, dass Nugura und Sytania heirateten.

Ich räusperte mich also und setzte mich gerade hin. Dann nahm ich das Mikrofon in die linke Hand, salutierte mit der rechten in Reichweite der Kamera und sagte schmissig: „Commander Kissara, Allrounder Betsy Scott bittet um Erlaubnis, Sie in Ihrer Funktion als Trauzeugin zu vertreten!“ „Erteilt!“, gab Kissara zurück. Dabei schien sie sehr erleichtert. „Danke, Scott! Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann! „Jetzt müssen Sie nur noch Nugura überzeugen.“ „Das mache ich schon, Madam.“, lächelte ich zuversichtlich und beendete die Verbindung.

Ich ging zurück zu Scotty. Dort machte ich leicht auf hektisch und sagte: „Scotty, ich muss zu Nugura!“ „Kein Problem.“, sagte mein Mann. „Ich fahre dich zum Schloss. Warte kurz. Ich hole den Jeep ums Haus vor die Terrasse.“ „Zum Schloss.“, wiederholte ich leicht verwirrten Tons. „Sicher.“ Dann ging ich wieder ins Wohnzimmer zurück, um auf ihn zu warten. Data würde ja vermutlich den Jeep nicht fahren dürfen, denn das würde ja eigene Entscheidungen von ihm voraussetzen und die durfte er ja in dieser Gesellschaft nicht treffen.

Trotz seines lauten Protests hatte ich Caruso von Datas Schoß genommen. „Tut mir leid, Caruso.“, hatte ich gesagt. „Aber ich denke, ich benötige dein Kuschelkissen gleich anderweitig.“ „Dessen bin ich mir auch sicher.“, erwiderte Data. „Schließlich könnten Sie sich in einem unbekannten Schloss ohne Führung sehr leicht verlaufen und Scotty wird nicht mitkommen dürfen, da er Zivilist ist und er das, was Sie mit Ihrer Oberbefehlshaberin besprechen, von Gesetzeswegen nicht mitbekommen darf. Ich kenne meine Rolle, Allrounder. Sie müssen sich nicht sorgen.“ „Das tue ich auch nicht, Commander.“, sagte ich und atmete erst einmal erleichtert tief durch.

Scotty war mit dem Fahrzeug vor die Terrasse gefahren und hatte mir kurz durch das offene Fenster zugerufen: „Kannst kommen, Darling! Aber bring dein Hilfsmittel mit!“ „Das musst du mir nicht sagen, Scotty.“, sagte ich und lächelte. „Das hätte ich sowieso getan. Ohne Data käme ich ja in dem fremden Schloss eh nicht klar.“

Ich stand auf und streckte meine linke Hand nach vorn. Dann sagte ich zu Data: „Data, Schutz- und Führmodus ein! Scottys Fahrzeug suchen! Beifahrertür anzeigen!“ Sofort stellte sich Data neben mich und ich legte meine linke Hand auf seinen angewinkelten rechten Arm. Dann gingen wir langsam in Richtung von Scottys Jeep. Dort legte er die rechte Hand auf den Griff der Beifahrertür, um mir zu ermöglichen, mich an seinem Arm in deren Richtung vorzutasten. Dann öffnete ich sie und stieg ein. Data hatte ich vorher auf die Rückbank geschickt, indem ich auf die hintere Tür gedeutet hatte, und ihm den Befehl: „Einsteigen!“, erteilt hatte. So fuhren wir dann auch los in Richtung jenes Schlosses, von dem Scotty gesprochen hatte.

Während wir an einer Ampel warten mussten, drehte sich Scotty plötzlich zu mir um. „Ich bin heilfroh, dass du ihm diese lächerliche Uniform ausgezogen hast, Darling.“, sagte er. „Aber musstest du ihm ausgerechnet meinen besten Anzug anziehen?“ „Tut mir leid, Scotty.“, sagte ich und sah ihn sanft an. „Aber das habe ich ja nun leider nicht gesehen.“ „Schon verziehen.“, lächelte er und küsste mich sogar kurz, bevor er das Fahrzeug wieder in Bewegung setzte. „Aber mich wundert, dass meine Leute nicht in der Lage waren, für ihn auch gleich vernünftige Klamotten zu schneidern. Es hätte doch nur einiger Eingaben in einen Replikator bedurft.“ Ich zuckte nur unwissend mit den Schultern.

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