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Inzwischen waren Data, Saron, Nugura und ich bei ihrem Fahrzeug angekommen, in welchem ihr klingonischer Fahrer auf uns gewartet hatte. Diesen wies die Präsidentin jetzt an, den Kofferraum mittels eines Knopfdrucks zu öffnen, was er dann auch tat. „Verstauen Sie Ihr Hilfsmittel im Kofferraum, Allrounder.“, sagte Nugura zu mir. Sie werden dann direkt neben mir sitzen. Mr. Saron, Sie werden sich wohl dann mit dem Platz an der Außenseite der Bank begnügen müssen!“ „Kein Problem, Mitregentin.“, sagte Saron und auch ich nickte. Dann gab ich Data den Befehl, in den Kofferraum zu steigen, was er auch bereitwillig tat. Ich hatte den Eindruck, er hatte sich mit seiner Rolle einer rechtlosen Maschine stärker angefreundet als ich mich mit der meinen, obwohl ich ja durchaus freier war als er. Aber er war eben eine künstliche Intelligenz und kein Organischer. Vielleicht lag es daran.

Die Mitregentin selbst bot mir jetzt ihren Arm an, um mich zur Tür des Fahrzeugs zu geleiten. Dann stieg sie selbst ein und zog mich neben sich. Darauf folgte Mr. Saron und die Tür schloss sich. Erst jetzt bemerkte ich, wie die Kabine, in der wir jetzt saßen, eigentlich ausgestattet war. Die Bank, auf der wir saßen, war mit weichem Material bezogen, das mich an Pelz erinnerte. Ich schloss aber aus, dass es echter Pelz war. Wenn, dann war er bestimmt repliziert. Außerdem befand sich vor mir ein kleiner Tisch mit einem Replikator. Auch die Verkleidung der Wände der Kabine schien sehr luxuriös zu sein. Sie erinnerte mich an sehr hochwertiges Leder. Zwischen uns und der Fahrerkabine, in der sich Mr. Barnaby und der Chauffeur befanden, gab es ein Schiebefenster. Der gesamte Innenraum des Fahrzeugs war in elegantem Schwarz gehalten. Die äußere Farbe des Fahrzeugs war Silber metallic.

Nugura nahm ein Mikrofon aus einer Halterung und drückte einen Knopf, der sich genau vor ihr an der Wand zur Fahrerkabine befand. „Mr. Kolof, wir fahren zum Schloss!“, befahl sie. „Aber langsam! Schön langsam, ja?! Wir wollen doch schließlich, dass uns alle sehen! Außerdem haben wir einen Gast. Allrounder Scott begleitet uns. Sie sitzt neben mir! Ach, übrigens, ab heute werden Sie mich als Mitregentin ansprechen!“ „Verstanden, Mitregentin!“, gab die tiefe Stimme des Klingonen zurück. Dann setzte sich das Fahrzeug langsam in Bewegung.

Sie wandte sich ihrem Sekretär zu: „Mr. Saron, informieren Sie Allrounder Scott über das Angebot dieses Replikators an Champagner-Sorten! Ich würde gern auf meine Ehe mit Sytania mit Ihnen beiden anstoßen!“ „Ja, Mitregentin.“, sagte der Sekretär und wendete sich zum Replikator, um dort ein Menü aufzurufen. Mir aber war klar, dass diese Liste ziemlich lang sein musste und dass ich im Dienst war. Im Dienst hatte ich mir geschworen, niemals auch nur einen Tropfen Alkohol anzurühren, auch wenn es sich um Produkte aus Synthehol handeln würde. Wenn ich diesen Schwur aufweichte, wäre es nicht weithin, bis ich auch echten Alkohol zu mir nehmen würde und das wäre am Steuer der Granger eher kontraproduktiv. Andererseits wollte ich ihr Angebot auch nicht so einfach ablehnen, denn ich wollte sie nicht vor ihrem Sekretär, ihrem Leibwächter und ihrem Fahrer kompromittieren, auch wenn letztere davon sicher gar nichts mitbekommen hätten. Ein Kompromiss musste her. Also sagte ich nur diplomatisch: „Danke für Ihr Angebot, Mitregentin, aber ich bin im Dienst. Ich denke, es würde ein sehr schlechtes Licht auf die Sternenflotte werfen, wenn man mich Alkohol trinkend durch die Straßen fahren sehen würde. Für die Presse wäre das sicher ein gefundenes Fressen.“

Das Staatsoberhaupt überlegte eine Weile. Dann sagte sie: „Wie Recht Sie doch haben, Scott! Offenbar war ich so in Feierlaune, dass ich total vergessen habe, wer wir eigentlich sind. Später im Schloss ist das etwas anderes. Aber hier in der Öffentlichkeit? Stimmt. Hier ist das gar nicht gut. Also, Mr. Saron, lesen Sie Scott bitte die alkoholfreien Getränke vor!“

Saron nickte und schloss das eine Menü, um dann das andere zu öffnen. Aber ich ahnte bereits, dass wir beim Schloss angekommen sein würden, bevor er auch nur mit dem Vorlesen der Hälfte des Menüs fertig sein würde, obwohl wir nur geschätzte 30 km/h fuhren. Auf meine eigene Schätzung mochte ich mich aber auch nicht wirklich verlassen, denn der Innenraum des Fahrzeugs war so gut isoliert, dass kaum Geräusche von außen hineindrangen. Auch gab es eine so gute Federung, dass ich es an dessen Bewegungen auch nicht festmachen konnte. Deshalb sagte ich an Saron gewandt: „Lassen Sie uns das abkürzen, Mr. Saron. Ich bin auch mit einer stinknormalen irdischen Cola zufrieden. Zur Feier des Tages darf auch ein Schuss Kirschsaft drin sein, aber das reicht mir schon zum Anstoßen.“ „Ist gut.“, sagte Saron und replizierte mir das Gewünschte. Allerdings ließ er den Replikator das Getränk in einer weißen Sektflöte servieren, wie mir Nugura beschrieb. Dann replizierte er das Gleiche für sich und die Präsidentin und steckte die Gläser jeweils in einen Getränkehalter, von denen sich auch drei an dem Tischchen befanden. Je einer vor einem der Sitzplätze.

Vorsichtig, fast zärtlich, nahm er meine rechte Hand, als hätte er Angst, sie zu zerbrechen, wenn er zu stark zufasste. Dann führte er sie zu meinem Glas. „Danke, Mr. Saron.“, sagte ich. Dann bekam ich mit, dass Nugura ihr Glas erhoben hatte und sagte: „Auf die Liebe!“ Auch Saron und ich erhoben unsere Gläser und wir drei stießen an. Dann sagte der Sekretär, „Möge Ihre Ehe stets glücklich sein, Mitregentin. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für Sytania!“ „Was für eine schöne Erwiderung, Mr. Saron!“, sagte Nugura und schmolz dahin.

Ich musste mich abwenden, denn niemand von beiden sollte jenen Ekel in meinem Gesicht sehen, der sich jetzt erneut anmeldete. Das konnte doch nicht wahr sein! Mindestens von Saron hätte ich etwas mehr Klugheit erwartet. Nugura war verliebt. Sie war also im Moment nicht schuldfähig, was das anging. Dass sie nicht erkannte, dass Sytania sie nur benutzte, war rein logisch. Aber warum war Saron genauso? Warum ließ er zu, dass sie in Sytanias Falle lief? Warum ließ ich das eigentlich zu? OK, ich hatte eine Ausrede! Dies hier mochte zwar wie meine Heimat aussehen, dennoch war es eine fremde Gesellschaft und die Oberste Direktive verbot mir sie aufzuklären. Es hätte zwar die Möglichkeit gegeben, wenn sie mich um Aufklärung gebeten hätte, oder wenn Sytania ihre Maske fallengelassen hätte, dass ich ihr dann helfe, weil sie dann um Hilfe gebeten hätte und das war ein Notruf, auf den ich reagieren hätte dürfen, aber das war ja nicht eingetreten. Oh nein! Was tat ich hier?! Ich suchte doch tatsächlich nach Wegen, die Oberste Direktive, das Gesetz der Gesetze, auszuhebeln! Meine Professoren auf der Akademie hätten mir die Ohren langgezogen, wenn sie meine Gedanken jetzt gekannt hätten. Wenn ein telepathischer Spionageoffizier in meiner Nähe gewesen wäre, dann wäre er jetzt gezwungen gewesen, mich zu verhaften! Wenigstens mahlte ich mir die Situation so aus.

Saron war aufgefallen, dass ich nicht mit angestoßen hatte. „Ist etwas nicht in Ordnung, Allrounder Scott?“, fragte er. „Tut mir leid, Mr. Saron.“, sagte ich und schluckte. „Ich war wohl gerade mit meinen Gedanken woanders.“ „So.“, mischte sich Nugura ins Gespräch. „Und wo waren Sie, Scott?“ „Bei Commander Kissara und Scientist Loridana.“, log ich. „Ich hatte mir gerade ausgemalt, wie schade es ist, dass sie diese schöne Zeremonie verpasst haben. Aber sie können ja später alles in den Medien nachlesen.“ „Wie rührend!“, sagte Nugura. „Ist sie nicht rührend, Mr. Saron? Sie denkt stets an andere. Aber Sie können ruhig mit uns feiern, Scott. Ihre Vorgesetzte und Ihre Ärztin werden es schon nicht übel nehmen. Die beiden sind ausgebildete Offizierinnen der Sternenflotte wie Sie auch. Sie werden mit dieser Unbill schon fertig werden. Das bedeutet nicht, dass Sie nicht fröhlich sein dürfen. Bitte zwingen Sie mich nicht, es Ihnen zu befehlen!“ „Also gut, Mitregentin.“, sagte ich und bekam sogar ein Lächeln zustande. Allerdings musste ich dafür einen kleinen Trick anwenden, den ich als Laienschauspielerin in meinem Heimatjahrhundert gelernt hatte. Ich stellte mir nämlich vor, Caruso zu streicheln. „Es geht doch, Scott!“, sagte Nugura und klopfte mir auf die Schulter. Ich nickte nur und stürzte den Inhalt meines Glases so schnell herunter, dass ich aufstoßen musste. Natürlich entschuldigte ich mich sofort.

Das Fahrzeug kam zum Stehen und die Türen öffneten sich. Gleichzeitig ertönte das Signal für die Sprechanlage und der Fahrer meldete sich: „Wir sind da, Mitregentin!“ „Danke, Mr. Kolof!“, sagte Nugura und stieg auf der linken Seite aus. Saron und ich nahmen die rechte Seite. „Bitte lassen Sie mich Allrounder Scott behilflich sein, Mitregentin.“, bat Saron. „In Ordnung, Mr. Saron.“, antwortete Nugura.

Ihr Sekretär stieg mit mir aus dem Fahrzeug und bot mir dann seinen Arm an. Dann führte er mich zum Kofferraum, vor dem wir stehenblieben. „Wir sind jetzt etwa einen Meter vom Kofferraum entfernt.“, sagte er. „Die Klappe ist offen. Denken Sie, dass Ihr Hilfsmittel und so hören kann, oder müssen wir noch näher heran?“ „Das wird gehen, Mr. Saron.“, antwortete ich und sagte deutlich: „Data, komm her!“

Befehlsgemäß entstieg der Androide dem Kofferraum und stellte sich neben mich, die ich Sarons Arm losgelassen hatte. Dann sagte ich: „Data, Schutz- und Führmodus ein. Mr. Saron folgen!“

Sofort streckte mir Data seinen Arm hin und ich legte meine linke Hand darauf. So gingen wir hinter Saron her, der uns in Richtung Schlosspark führte. Plötzlich aber blieb er stehen und drehte sich zu uns um, die wir dadurch auch zum Stehenbleiben gezwungen waren. Dann sagte er leise zu mir: „Sie haben doch etwas, Allrounder Scott. Sie scheinen manchmal so merkwürdig abwesend. Mir können Sie es doch ruhig sagen. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich sehr verschwiegen.“ „Es ist nichts, Mr. Saron.“, log ich. „Es ist wirklich nichts. Ich weiß nur manchmal nicht, wie ich ausdrücken soll, wie sehr ich mich über Nuguras Ehe mit Sytania freue!“ „Das ist ja lieb.“, sagte Saron und verdrückte sogar eine Träne vor Rührung. „Aber so sind Sie eben. Das ist Allrounder Betsy Scott, wie sie leibt und lebt. Nur eines würde mich noch sehr interessieren. Welche Bedeutung hat die deutsche Fürbitte, die Sie Nugura und Sytania mit auf den Weg gegeben haben, genau?“ „Oh es bedeutet, dass sie immer treu gegenüber einander und immer ehrlich zueinander sein sollen. Ich habe die Kindliche Göttin gebeten, immer dafür zu sorgen.“ „Wie schön!“, rief Saron aus. „Was für eine schöne Fürbitte! Aber lassen Sie uns jetzt bitte gehen. Sonst verpassen wir noch das gesamte Fest.“ „OK.“, sagte ich und befahl Data: „Data, Mr. Saron weiter folgen!“ So setzten wir uns in Bewegung. Ich war allerdings heilfroh, dass mir Saron meine Lügen bis jetzt abgenommen hatte. Ich wünschte mir so sehr, etwas tun zu können, um diese Farce hier bald zu beenden. Wie nah ich allerdings davor war, ahnte ich noch nicht.

Wir betraten den Schlosspark, der über und über mit Blumen geschmückt war, wie mir Data leise beschrieb und wie mir auch meine überaus feine Nase mitteilte. Die oft sehr schwer anmutenden Düfte jedoch brachten mich der Ohnmacht nah und ich fragte mich ernsthaft, warum Sytania immer so übertreiben musste. Dass dies von Nugura gekommen war, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wie ich sie im Moment jedoch einschätzte, hatte sie zu allem Ja und Amen gesagt. Ich musste mich wirklich öfter ermahnen, Rücksicht auf den Umstand zu nehmen, dass sie nicht die Nugura war, die ich kannte.

Saron brachte uns zu einem Tisch, von dem aus wir die Gespräche am Tisch der Brautleute gut hören konnten. Ob dies seine Absicht gewesen war und sich vielleicht doch ein versteckter Notruf in seinem Verhalten befand, vermochte ich zu jenem Zeitpunkt noch nicht genau zu sagen. Mir war aber eines klar. Ich würde mit Sicherheit keinen Alkohol zu mir nehmen, denn ich dachte mir, dass ich einen klaren Kopf behalten müsste. Irgendwie hatte ich das starke Gefühl, dass mein klarer Kopf noch sehr nötig werden könnte.

Ein bajoranischer Kellner kam an unseren Tisch und fragte mich nach meinem Getränkewunsch. Als ich nur zur Antwort gab, lediglich ein Glas Ananassaft zu wünschen, sah er Data und mich etwas pikiert an und sein Tonfall änderte sich, als er sagte: „Sie wollen nicht mit Ihrer Präsidentin Feiern, Allrounder Scott?!“

Ich holte tief Luft und zählte im Geist langsam bis zehn, bevor ich sagte: „Ihnen kann es ja wohl egal sein, was Sie mir bringen, Mister! Ihr Job ist es lediglich, die gewünschten Speisen und Getränke vom Tresen und aus der Küche zum Gast zu befördern. Alles andere hat Sie nicht zu interessieren! So und jetzt machen Sie Ihren Job und bringen mir bitte meinen Saft! OK?!“ Der Kellner nickte und schlurfte von dannen. Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, nicht von jener weinseligen Stimmung, wie sie hier überall herrschte, angesteckt werden zu dürfen. Diese Hochzeit hier klebte und triefte vor ekeligem stinkenden Schmalz. Einem Klebstoff, an dem wir kleben würden wie die Fliegen, wenn wir nicht aufpassten. Ich aber hatte mir vorgenommen, sehr wohl aufzupassen, soweit es mir meine gesetzlichen Möglichkeiten erlaubten. Ich ertappte mich jetzt aber immer öfter bei dem Gedanken, dass Sarons Verhalten mir gegenüber vielleicht tatsächlich ein Hilferuf war. Vielleicht hatte er ja doch etwas von dem klugen Saron, den es im Originaluniversum der Föderation gab.

Die Mitregentin musste aufgestanden sein, um einige Hände von Politikern zu schütteln. Jedenfalls nahmen Data und ich das an. Sie war nämlich gegangen. So waren jetzt Sytania und Telzan miteinander allein. Der Vendar setzte sich in seiner juteartigen Uniform, die über und über mit Orden behängt war, was ein Klirren und Klappern auslöste, neben Sytania und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Merkwürdigerweise konnte ich das aber sehr gut verstehen. Den Grund dafür sollte ich aber erst erheblich später herausfinden. Jedenfalls sagte Telzan: „Herrin, bei allem Respekt, aber was bringt Euch diese Ehe? Ihr könnt mit Nugura keinen Thronerben, geschweige denn eine Thronerbin zeugen. Ich habe aber auch gesehen, dass Ihr den Männern gegenüber nicht abgeneigt währt. Also, was hat das zu bedeuten. Ihr liebt sie doch nicht wahrhaftig, oder?“ „Oh was für ein kluger Kopf du doch bist, Telzan!“, erwiderte die Prinzessin und lachte dreckig. „Alles, was du gerade gesagt hast, ist goldrichtig! Dass ich keinen Erben benötige, weißt du hoffentlich. Ich bin schließlich unverwundbar durch Einflüsse der Sterblichen und durch die Unbill der Natur. Im Gegenteil. Ich kann die Elemente sogar beherrschen! Du hast auch mit dem Umstand Recht, dass ich Nugura nicht liebe! Unsere Ehe, mein bester Telzan, ist nur ein Mittel zum Zweck und der ist erfüllt! Ich habe, was ich von ihr wollte, die Föderation! Ich werde ihre Anwesenheit noch eine Weile ertragen, damit kein Verdacht aufkommt und dann werde ich sie irgendwann mittels meiner Kräfte heimlich still und leise entsorgen. Es wird wie ein Unfall aussehen, Telzan! Wie ein Unfall! Wenn es an der Zeit ist, werde ich mir eine neue Liebschaft suchen zu meinem Vergnügen! Aber nur dann, wenn mir wirklich danach ist. Bis zu jenem Zeitpunkt werde ich die aus Nuguras bedauerlichem Tod resultierende Witwenschaft sehr genießen!“ Wieder lachte sie widerlich gemein auf. Es war ein Lachen, das mir die Schuhe auszog und mir die Fußnägel hochklappte.

Nugura war zurückgekommen und stand genau zum selben Zeitpunkt hinter ihnen, ein Umstand, der weder Telzan, noch Sytania aufgefallen war. Die letzten Sätze der Königstochter hatte sie hautnah mitbekommen. Dies hatte zur Folge, dass sie in Tränen ausbrach: „Das hätte ich von dir nicht gedacht, Sytania! Ich dachte, du liebst mich!“ „Liebe!“, lachte Sytania. „Liebe, tja, du kleines naives Ding! In diesem Fall hättest du mal besser auf deine Wissenschaftler gehört! Die waren nämlich von Anfang an der Meinung, ich könne keine Liebe empfinden und sie hatten Recht! Ja, Recht hatten sie! Ich habe dich nur aus reiner Berechnung geheiratet! Deine Unterschrift hat mir die Föderation gesichert und mehr wollte ich nicht. Auch ein Rücktritt von deinem Amt wird daran nichts ändern, weil du dich mit einer Heirat nach dem Ritual der Könige einverstanden erklärt hast und mit deinem Blut, das mit dem meinen gemischt wurde, unterschrieben hast! Du hättest dir vorher überlegen sollen, was du tust! Jetzt ist es zu spät! Und bilde dir ja nicht ein, ich würde den letzten Teil des Rituals erfüllen. Eine Hochzeitsnacht, in der ich dir einen Teil meiner Macht gebe, wird es nie geben! Ich teile nämlich nicht! Was mein ist, das ist mein! Mein ganz allein!“

Weinend drehte Nugura sich um und lief weg. Saron aber war sofort hinter ihr und fasste fest ihre Hand. „Was haben Sie vor, Mitregentin?!“, fragte er alarmiert. „Was ich vorhabe, Mr. Saron?!“, fragte Nugura schluchzend. „Ich werde meinem Leben ein Ende setzen! Wenn Sytania meinen Tod will, dann soll sie ihn haben, aber ich bestimme, wann es so weit sein wird! Das ist zumindest das Einzige, über das ich noch bestimmen kann! Oh was habe ich getan? Was habe ich nur getan?“

Saron nahm ein Taschentuch aus seiner Anzugtasche und versuchte damit ihre Tränen zu trocknen, die unaufhörlich wie ein Sturzbach aus ihren Augen rannen. „Aber wenn Sie das tun, dann hat sie gewonnen, Mitregentin.“, argumentierte der wortgewandte Demetaner. „An Ihrer Stelle würde ich …“

Ihre Hand, die er bis dahin festgehalten hatte, war ihm aus der seinen gerutscht, da diese sehr feucht von ihren Tränen war, deren Feuchtigkeit sich einen Weg durch das Taschentuch gebahnt hatte, welches er auch noch gehalten hatte. Sie hatte sich sofort gedreht und war in Richtung Schloss davongelaufen. Zurückgelassen hatte sie einen völlig verzweifelten Saron, der sich jetzt im Park umsah. Allerdings hatte keiner der Umstehenden offenbar Kenntnis von der Situation. Wie denn auch?! Sie waren ja viel zu sehr mit Feiern beschäftigt.

Dann aber geschah etwas, das mich mit großer Erleichterung erfüllte. Saron drehte sich plötzlich zu mir um und schrie panisch: „Allrounder Scott! Hilfe!“

Da war er endlich, der Notruf! Jener Notruf, auf den ich trotz der Obersten Direktive jederzeit reagieren durfte, wenn ich denn wollte und jetzt wollte ich. Auch Data hatte jenen persönlich an mich gerichteten Notruf mitbekommen. Da er hier aber als mein Hilfsmittel galt, würde niemand etwas dagegen haben, wenn auch er reagieren würde und wenn es nur auf meinen Befehl wäre. Ich ahnte, dass er sich zu mir drehen und mich zu Saron führen würde. Damit es aber nach wie vor danach aussah, als ob er eine rechtlose und unselbstständige Maschine wäre, sagte ich zur Tarnung: „Data, Schutz- und Führmodus ein. Mr. Saron suchen und anzeigen!“ Dann hakte ich mich bei dem Androiden ein, der mich zu Nuguras Sekretär brachte.

„Sie will sich etwas antun!“, sagte Saron mit zitternder Stimme. „Sie will sich etwas antun! Im Schloss, Allrounder! Im Schloss! Kommen Sie!“ „Ist schon gut, Mr. Saron.“, tröstete ich. „Wir kriegen das schon hin.“ Dann sagte ich zu Data: „Data, Mr. Saron folgen.“ So gingen auch wir in Richtung Schloss.

Nugura hatte inzwischen die Dachterrasse erreicht, die aus einem Zimmer im letzten Stockwerk gut zugänglich war. Hier warteten zwei Shuttles, die als Unterabteilungen an ihre Raumjacht gekoppelt waren, was sich durch ihre Rufzeichen verdeutlichte. Auf eines ging sie nun zu, als sie hinter sich eine tiefe Stimme wahrnahm. „Kann ich Ihnen helfen, Mitregentin?“

Sie drehte sich um und blickte in das Gesicht von Allrounder Janson, ihres Privatpiloten. „Nun, Mr. Janson!“, sagte Nugura fest. „Was ich tun muss, das muss ich allein tun.“

Sie stieg ins Cockpit eines der Shuttles, was Janson irritiert zur Kenntnis nahm. „Aber Sie haben doch gar keine Flugausbildung!“, rief er ihr noch hinterher. „Die benötige ich auch nicht.“, erwiderte Nugura. „Ich muss dem Computer ja nur sagen, wohin ich möchte. Den Rest kann ja er übernehmen. Ich werde in die Sonne fliegen und mich von ihr verbrennen lassen. Dann wird Sytania hoffentlich sehen, wie stark mein Herz für sie gebrannt hat!“ Die Luke schloss sich hinter ihr.

Unfähig sich zu bewegen oder gar eine Entscheidung zu treffen stand Janson da. Er hatte seiner Vorgesetzten so etwas nicht zugetraut. Er hätte nie gedacht, dass sie sich aus Liebeskummer umbringen würde! Was sollte er jetzt nur tun?! Was sollte er tun?!

Saron, Data und ich waren auch mittlerweile unten am Schlosstor angekommen. „Wie sicher sind Sie, dass sie ins Schloss gegangen ist?“, fragte ich an Saron gewandt. „Eigentlich zu einem großen Teil.“, sagte Saron mit zitternder Stimme. „Bitte, Allrounder! Bitte tun Sie etwas. Wir müssen sie finden, bevor sie sich etwas antut. Sytania ist das doch nicht wert, oder? Jemand, der die arme Nugura so hintergeht, ist so etwas doch nicht wert, oder?“ „Ich bin froh, dass wir in diesem Punkt einer Meinung sind, Mr. Saron!“, sagte ich fest. Dann befahl ich in Datas Richtung: „Data, nach Mitregentin Nugura suchen und ihre Position melden!“ „Kann er das denn?“, fragte Saron. „Sicher!“, sagte ich und versuchte Zuversicht zu versprühen. „Seine Augen funktionieren wie ein Erfasser. Der kann durch Wände scannen und kilometerweit gucken, wenn er so richtig in Form ist!“

„Mitregentin Nugura gefunden.“, meldete Data. „Sie befindet sich an Bord eines Shuttles auf der Dachterrasse im letzten Stock. Dieses startet gerade.“ „Dort stehen zwei Shuttles.“, erklärte Saron. „Gut.“, entschied ich. „Dann nehmen wir das Zweite! Nugura wird ja wohl kaum in der Lage gewesen sein, es technisch unbrauchbar zu machen.“ „Nein.“, sagte Saron. „Sie hat ja noch nicht einmal eine fliegerische Ausbildung. Sie wird dem Computer den Kurs befehlen, den er fliegen soll.“ „Das dachte ich mir.“, sagte ich. „Auf diese Weise kann selbst jeder Laie ein Shuttle fliegen. Aber das bedeutet auch, dass wir uns mit dem Computer duellieren und wer könnte das besser als eine andere künstliche Intelligenz. Data, Autarkiemodus!“

Saron fuhr zusammen, als hätte ich den Satan persönlich angerufen. Dann sagte er: „Sind Sie denn des Wahnsinns, Allrounder?! Einer künstlichen Intelligenz den Autarkiemodus zu befehlen, obwohl man nicht selbst in Not ist, ist bei Todesstrafe verboten. Die Vendar-Polizei der Großartigen Königin Sytania wird …“ „Die werden gar nichts, wenn Sie nichts sagen, klar?!“, entgegnete ich. „Jedenfalls werde ich nichts sagen und wir haben ja hier schließlich einen Notfall, oder wie würden Sie das nennen, wenn Ihre Arbeitgeberin gerade dabei ist, sich das Leben zu nehmen?! Sie haben meine Hilfe verlangt und das bedeutet, wir spielen nach meinen Regeln, in Ordnung?!“ „OK.“, sagte ein völlig perplexer Saron.

Data hatte uns zur Dachterrasse geführt und dann waren wir in das zweite Shuttle gestiegen, welches er daraufhin gestartet hatte. Ich saß neben ihm, während Saron mit dem Platz auf der Rückbank des Shuttles vorliebgenommen hatte. „Wie weit gehen Nuguras technische Kenntnisse, Mr. Saron?“, fragte ich. „Sie kann keine Sicherheitsprogramme umgehen, wenn Sie das meinen, Allrounder.“, sagte Saron. „Endlich fangen wir an, einander zu vertrauen.“, lobte ich. „Das bedeutet, der Computer des Shuttles wird nicht zulassen, dass sie auf Warp geht oder zu nah an die Sonne kommt.“, überlegte ich. „Die Waffen wird er wohl auch sperren, sobald er merkt, dass jemand am Schaltpult sitzt, die ihm die vollständige Flugkontrolle übergeben hat. Wir haben also noch einige Chancen.“

Plötzlich drehte sich Data mir zu und sagte: „Anfrage: Eine Situation ist aufgetreten, die im Autarkiemodus nicht gelöst werden kann.“ „Details!“, befahl ich. „Ein externer Ruf aus dem vorausfliegenden Shuttle ist eingegangen.“, sagte Data. „Mit Mr. Saron und mir auf beiden Konsolen verbinden!“, befahl ich. Dann drehte ich mich nach hinten und flüsterte Saron zu: „Wir müssen sie ablenken. Vielleicht hat Data dann eine Chance, sie in den Traktorstrahl zu kriegen.“ „Verstehe.“, sagte Saron.

Ein Signal kündete von der Ausführung meiner Befehle und dann hörten wir Nuguras Stimme: „Warum folgen Sie mir?! Können Sie mich nicht einfach meinem Leben ein Ende setzen lassen?!“ „Das können wir nicht tun, Mitregentin.“, sagte Saron ruhig. „Sytania ist es nicht wert, dass Sie wegen ihr aus dem Leben scheiden! Ich sage es noch einmal. Wenn Sie das tun, dann hat sie gewonnen.“

Wir wurden plötzlich langsamer. „Warum haben wir verlangsamt, Allrounder.“, fragte Saron besorgt. Ich, die ich sehr wohl mitbekommen hatte, dass die Verlangsamung des Schiffes nach einer Eingabe von Data eingetreten war, sagte nur: „Vertrauen Sie ihm, Saron.“, und deutete auf den neben mir sitzenden Data. „Er wird seine Gründe haben. Lassen Sie uns ruhig weiter mit Nugura sprechen. Vielleicht hilft ihm das ja sogar.“ „Einverstanden.“, sagte Saron, dessen Stimme noch immer einen leicht skeptischen Unterton aufwies. Trotzdem nahm er das Mikrofon wieder in die Hand und sagte: „Mitregentin, denken Sie doch nach. Es wird mit Sicherheit eine andere Lösung geben. Es gibt weitaus mächtigere Wesen als die Großartige Königin. Ich weiß, dass ich mich strafbar mache, wenn ich ihre Macht anzweifele oder gar in meinem Denken zulasse, dass es so etwas geben könnte. Aber es ist die …“

Data hatte das Shuttle plötzlich in einer weiten Steuerbewegung ausweichen lassen. Dann hörte ich ein Signal und spürte einen Ruck, der mir verriet, dass wir Nuguras Shuttle in den Traktorstrahl genommen haben mussten. Im nächsten Moment wurde Nugura zu uns an Bord gebeamt.

Nun stand das arme verzweifelte Nervenbündel vor uns. „Sie haben mich genarrt!“, schluchzte sie. „Wie haben Sie … Scott, Ihr Hilfsmittel steuert das Schiff! Ich hätte Ihnen nicht zugetraut, dass Sie sich das trauen! Er ist bestimmt auch im Autarkiemodus, nicht wahr?“ „Das ist richtig, Mitregentin.“, gab ich zu. „Auch wenn ich damit gegen die Gesetze der Großartigen Königin verstoße, aber ich …“

Sie begann erneut zu schluchzen. „So großartig finde ich unsere so genannte Großartige Königin gar nicht mehr!“, schrie sie. „Sie hat mir das Herz gebrochen, Scott! Dafür soll sie zahlen! Ich möchte ihr wehtun, Scott! Ich möchte Sytania wehtun! Aber wie tut man jemandem weh, der unverwundbar ist?“

Ich stand von meinem Sitz auf und drängte sie auf den freien Platz neben Saron. Dann fasste ich ihre Hände fest und sagte: „Denken Sie nach, Mitregentin. Was ist das Größte für Sytania?“ „Ihre Macht!“, erwiderte Nugura. „Genau.“, sagte ich. „Und was wäre, wenn plötzlich das Gerücht aufkäme, dass es da jemanden gibt, die genauso mächtig wäre, wie sie es selbst ist?“ „Das würde sie nachts nicht in den Schlaf kommen lassen.“, sagte Nugura, der Saron inzwischen einige Taschentücher gereicht hatte. „Sie wird Beweise verlangen. Ich nehme an, Sie wollen, dass ich dieses Gerücht verbreite, nicht wahr? Das tue ich gern, wenn ich sie damit ärgern kann! Sollte sie gegen diese Person kämpfen wollen, dann werde ich die Letzte sein, die ihr das ausredet! Es tut mir leid, was ich der Föderation angetan habe. Es tut mir so leid! Warum musste ich mich darauf einlassen, mit meinem Blut zu unterschreiben?!“ „Sie wissen doch, Mitregentin.“, sagte ich. „Wenn schon Scheiße, dann Scheiße mit Schwung!“ „Wieder so ein Spruch, den ich Ihnen im Leben nicht zugetraut hätte, Scott.“, sagte Nugura. „Die Ehe mit Mr. Scott scheint Ihnen ja sehr gut zu tun. Sie machen sich und sind wohl lange nicht mehr das brave Mäuschen, für das wir Sie alle bisher gehalten haben. Aber wie haben Sie mich genarrt. Das Shuttle hat plötzlich seinen eigenen Antrieb deaktiviert und dann war ich in Ihrem Traktorstrahl.“ „Das Sicherheitssystem Ihres eigenen Schiffes hat Sie genarrt, Mitregentin.“, sagte ich. „Sobald der Computer die Kontrolle übernimmt, tut er alles, worauf er programmiert wurde. Das bedeutet auch, er schützt Ihr Leben. Er wird nicht zulassen, dass Sie in die Sonne fliegen. Schon gar nicht ohne Schilde.“ „Woher wissen Sie, dass meine Schilde unten waren?“, fragte Nugura. „Das konnte ich mir denken.“, antwortete ich. „Sonst könnten Sie sich ja der Strahlung nicht aussetzen und das war ja das, was Sie wollten.“ „Ich gebe auf, Scott.“, sagte Nugura. „Sie sind offensichtlich zu intelligent für mich. Aber sagen Sie mir bitte, ob es diese Person, von der Sie gesprochen haben, wirklich gibt.“ „Ich werde Sie über alles informieren.“, versprach ich und wandte mich an Data: „Data, nach Hause!“ Der Androide nickte und wendete beide Schiffe. So flogen wir mit Nuguras Shuttle im Schlepp wieder Richtung Erde, während ich Nugura über die originale Sytania aufklärte. Was sie daraus machen würde, überließ ich selbstverständlich ihr.

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