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Als wir die Oberfläche der Erde betraten, herrschte in Washington das schönste Frühlingswetter. Die Luft war angenehm warm. Ich schätzte ihre Temperatur auf ca. 25 °. Der Park vor dem Kapitol war brechendvoll. Aber da waren nicht nur eine Menge Leute, sondern auch eine Menge Tische, die offensichtlich bereits für die Feier aufgestellt worden waren. Man konnte nur auf sehr schmalen Wegen durch den Park laufen, denn entweder waren die Wege durch Tische verstellt oder von Natur aus sehr schmal angelegt, da sich rechts und links von ihnen viele Beete mit einheimischen Blumen und anderen Pflanzenarten befanden, die auch hin und wieder durch einige gläserne Zylinder abgelöst wurden, die Habitate für außerirdische Pflanzen boten, die ja ihre eigene Umwelt benötigten, weil sie mit dem irdischen Klima nicht zurechtkämen, wenn sie ihm ausgesetzt wären. Dies hatte wohl zweifelsfrei repräsentative Gründe, denn der Präsident der Erde wollte sich wohl nicht nachsagen lassen, nicht offen für andere Kulturen zu sein und dies sollte wohl ein Symbol dafür darstellen.

Shimar und ich waren vor so einem Zylinder stehengeblieben, dessen Umweltkontrolle von Zeit zu Zeit einmal den Duft seiner jetzt blühenden Bewohnerin, einer demetanischen Süßgrasstaude, zu uns an die frische Luft pumpte. Mich erinnerte dieser Geruch leicht an heimischen Lebkuchen. Shimar aber schien sich weniger für den Duft, als für die Optik der Pflanze zu interessieren. Jedenfalls tat er in meinen Augen so denn das plötzliche Erwachen seines grünen Daumens hatte ich ihm nicht wirklich abgenommen. Ab und zu schien er sogar nach Scotty zu schielen, der jetzt bereits einige Schritte mehr Entfernung zwischen uns und sich gebracht hatte.

Ich wandte mich zu ihm um. „Was ist denn nun wirklich der Grund, aus dem du dich hier aufhalten willst?“, fragte ich. Eine Reaktion von ihm blieb aber aus. „Hör mal, Srinadar!“, wurde ich deutlicher und zupfte ihn am Ärmel. „Du hast doch wohl nicht ernsthaft geglaubt, dass ich dir dein Interesse an Grünzeug wirklich abnehme!“

Wieder sah er in die Richtung, in welche sich Scottys Schritte unaufhaltsam entfernten. Dann drehte er sich schließlich doch zu mir und sagte mit sichtlich peinlicher Berührung in der Stimme: „Korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liegen sollte, Kleines. Aber hat dein Mann gerade indirekt zugegeben, damals bei der Schlägerei in der Kneipe auf der Basis den ersten Schlag geführt zu haben? Wusste sein Captain das? Ich meine, Kirk hatte doch sicher wissen wollen, wer eigentlich angefangen hat. Zirell würde das auf jeden Fall sehr interessieren, falls sich ein Mitglied ihrer Crew auf einer fremden Basis danebenbenimmt.“ „Kissara auch.“, sagte ich kleinlaut, denn mir war auch klar, dass er alles richtig verstanden hatte. Was sollte ich jetzt nur tun? Scotty war mein Mann und ich musste ja nicht gegen ihn aussagen, wenn ich nicht wollte. Andererseits würde sich sicher heute niemand mehr für den genauen Hergang einer über 1000 Jahre alten Kneipenschlägerei interessieren und er würde es schon gar niemandem sagen. Es hätte ja auch niemand mehr einen Vorteil aus diesem Wissen. Kirk, der meinem Mann eine disziplinarische Maßnahme hätte aufdrücken können, war lange tot und der Geschichte war die Schlägerei sowieso egal. Die Korrektur der Bücher durch meine Aussage hätte ja am eigentlichen Hergang heute nichts mehr verändert. Mir war allerdings auch die Konspiration in seiner Handlung bewusst. Hätte er Scotty damit konfrontieren wollen, dann hätte er nicht getan, als interessiere ihn eine Grünpflanze und dann wäre er sicher nicht mit mir in einiger Entfernung zu meinem Mann stehengeblieben. Also sagte ich: „Du hast Recht, Srinadar. Das habe ich auch gehört. Aber es wird wohl unser kleines Geheimnis bleiben. Derjenige, den es noch interessieren könnte, ist schon lange tot und kann Scotty ja eh nichts mehr. Wir können es ihm deshalb ja auch nicht sagen und somit ist Scotty frei.“ „Na.“, witzelte Shimar. „Bei unseren Verbindungen bin ich mir da nicht ganz sicher.“ Meine Reaktion, die er sich offensichtlich erhofft hatte, blieb aber leider aus. Mein Gesicht war nach wie vor sehr versteinert. „Das war ein Witz!“, sagte er. „Ich habe einen Spaß gemacht, Kleines.“ „Entschuldige.“, sagte ich und begann damit, nervös meinen Kragen zurecht zu zupfen. „Ich bin total nervös, Shimar. Hoffentlich leiste ich mir keinen Patzer bei der Zeremonie.“ „Ach, das wird schon klappen, meine kleine Maikatze.“, sagte Shimar. Wie ich dich kenne, machst du das mit links und selbst wenn etwas schiefgehen sollte, dann bist du doch bisher immer wieder auf den Füßen gelandet.“ „Hoffentlich hast du Recht.“, sagte ich skeptisch.

Männliche Schritte kamen auf uns zu. Sie waren zu gleichmäßig, um von Scotty zu stammen. Für einen Menschen waren sie überhaupt viel zu gleichmäßig. „Data?!“, vermutete ich einfach in den leeren Raum. „Das ist korrekt, Allrounder.“, ließ sich die förmliche Stimme meines androiden Nachbarn vernehmen, der jetzt vor uns angehalten hatte und mir seine rechte Hand entgegenstreckte. Ich nahm sie und schüttelte sie kurz. Dann wurde Shimar genauso begrüßt. „Ihre Fähigkeit, mich an meinem Gang zu erkennen, fasziniert mich immer wieder, Allrounder.“, sagte Data. „Oh das ist kein Kunststück, Commander.“, sagte ich. Ich wette mit Ihnen, dass Geordie das auch konnte.“ „Davon gehe ich nicht aus.“, sagte Data. „Ihre Spezies verlässt sich sehr auf das Auge. Es ist das dominanteste Ihrer Sinnesorgane. In frühen Jahren wurde bei Geordie eine Möglichkeit genutzt, ihm sein Augenlicht wiederzugeben. Sein Gehirn musste sich also nie umstellen. Das könnte dafür gesorgt haben, dass sich diese Fähigkeit bei ihm gar nicht ausgebildet hat. Es ist nur eine Theorie. Ausprobiert haben wir es nie, denn es gab keinen Anlass. Damals wusste ich ja noch nicht, dass ich einmal einer blinden Frau begegnen werde, die keinen Visor tragen wird. Sonst hätten wir es vielleicht getan.“ „Na ja.“, sagte ich lapidar. „Die Zukunft kennt außer den Mächtigen und einigen Telepathen mit seherischen Fähigkeiten niemand. Da mache ich Ihnen keine Vorwürfe, Sir.“

Ein weiterer Mann kam auf uns zu. Er ging weitaus natürlicher. Seine Schritte waren mir nicht so geläufig, wohl aber seine Stimme, die gleich darauf sagte: „Ach hier sind Sie, Allrounder Scott. Meine Vorgesetzte, die Präsidentin, sucht Sie schon. Sie würde gern anfangen.“ „Ich komme gleich, Mr. Saron.“, sagte ich, denn seine Äußerungen hatten mich ihn jetzt als Nuguras Sekretär identifizieren lassen. „Richten Sie ihr das bitte aus.“ „Das tue ich, Allrounder Scott.“, sagte Saron freundlich und war wieder verschwunden.

„Wer von uns soll dich denn auf die Bühne begleiten?“, fragte Shimar. Ich überlegte kurz und sagte schließlich: „Ich denke, es wird besser sein, wenn Sie das tun, Data. Ich muss bestimmt eine Rede halten und Ihre Anwesenheit hat mich immer sehr beruhigt. Ich bin nämlich ein total nervöses Hemd. Sie können mich ja sicher auch sehr genau in Richtung des Mikrofons ausrichten. Laut Protokoll muss ich ja auch eine kleine Dankesrede halten, obwohl ich noch gar nicht so genau weiß, was ich eigentlich sagen soll. Shimar, du kannst ja mit Scotty in der ersten Reihe warten. Tut mir leid, aber …“ „Hey, schon gut, Kleines.“, sagte Shimar. „Ich weiß ja, dass du nicht mit ihm durchbrennen wirst.“ Ich lächelte und hakte mich bei Data ein, der mich in Richtung Bühne, die vor den Stufen des Kapitols aufgebaut war, führte. Shimar blieb zurück und hielt nach Scotty Ausschau, den er auch bald in der Menge erspäht hatte.

Data und ich hatten bald die Bühne erreicht. „Sie sollten wissen, Commander.“, sagte ich. „Dass ich etwas Angst habe.“ „Sind Sie mit dem Protokoll für diese Zeremonie vertraut?“, wollte er wissen. „Ja.“, gab ich zu. „Shimar, Scotty und ich haben sie in der Simulationskammer geprobt.“ „Sind Ihnen während der Proben Fehler unterlaufen?“, fragte er weiter. „Während der ersten Male schon.“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Aber dann wurde es besser. Zum Schluss habe ich alles doch richtig gemacht.“ „Wie lange ist das her?“, fragte Data. „Ich weiß es nicht genau.“, sagte ich. „Vielleicht nur einige wenige Stunden.“ „Dann dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen grobe Fehler unterlaufen, gegen null tendieren.“, tröstete Data auf seine eben sehr spezielle Art, in der nur ein Androide trösten konnte. „Biologische Wesen sind zwar zu einem gewissen Prozentsatz immer unberechenbar, Aber Sie weichen höchst selten von der Norm ab.“ „Danke für die Blumen, Commander.“, sagte ich. „Aber ich kann mir nicht helfen. Irgendwie habe ich das verdammt ungute Gefühl, dass heute noch irgendwas passiert.“ „Nun.“, sagte Data. „Der weibliche Teil ihrer Spezies, dem ja auch sie angehören, ist für sichere Instinkte und Intuition bekannt. Wenn Sie also so ein Gefühl haben, dann besteht zumindest eine leichte Wahrscheinlichkeit, dass es auch genauso eintritt. Ich werde also die Augen offen halten.“ „Danke, Sir.“, sagte ich erleichtert. Dann scherzte ich: „Was für ein Jammer, dass Fredy und Caruso nicht dabei sein können.“ „Nein, das können sie leider nicht.“, erwiderte Data. „Haustiere sind bei so einer Feier nicht geduldet und in den stickigen Transportboxen wäre das für sie auch Tierquälerei. Sie lassen Ihnen aber folgendes ausrichten.“ Er spielte erst eine Aufzeichnung von Fredys und dann eine von Carusos Schnurren ab. „Wie süß!“, grinste ich.

Aber ich war offensichtlich nicht die Einzige gewesen, die ein komisches Gefühl hatte. Shimar und Scotty hatten ihre Plätze eingenommen. Die Ordner hatten sie tatsächlich in die erste Reihe gelassen. Nervös tippelte mein Freund jetzt von einem Bein auf das Andere. „Was is’ los?“, fragte Scotty flapsig. „Ich weiß nicht.“, sagte Shimar. „Ich kann mir nicht helfen, aber hier liegt irgendwas in der Luft.“ „Ui.“, machte Scotty. „Wenn Telepathen komische Gefühle haben, dann ist da meistens was dran. Wir sollten verstärkt aufpassen, denke ich.“ Shimar nickte bestätigend.

Meine beiden Männer würden aber nicht die einzigen sein, die in dieser Situation ein Auge auf mich hatten, denn dies hatte auch Agent Yetron offensichtlich vor, der gemeinsam mit seinem Commander an einem Tisch ganz in der Nähe der Bühne Platz genommen hatte. Er hatte sich zwar an dem großzügigen Buffet bedient, welches Nugura wohl extra zu meinen Ehren aufgefahren hatte, dies war aber wohl nur seine Tarnung und nicht sein primäres Ziel gewesen. Ganz Geheimagent hatte er immer wieder von seinem Teller aus zu uns herübergelinst. Zu Data und mir, die wir jetzt die Bühne betreten hatten. Offensichtlich wollte der Demetaner etwas überprüfen.

Das Verhalten seines Ersten Offiziers war Time nicht entgangen. „Was hat das zu bedeuten, Agent?“, fragte er. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, Sir.“, sagte Yetron und machte ein unschuldiges Gesicht. „Ich nehme an dieser Feier Teil wie so manch anderer Anwesender hier auch.“ „Sehe ich etwa aus, als würde ich meine Uniform mit der Kneifzange anziehen, Mr. Yetron?!“, fragte Time mit sehr großer Empörung in der Stimme. „Sie sollten wissen, Agent, dass ich Ihnen so etwas lange nicht mehr abnehme! Sie beobachten Scott, nicht wahr?! Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ „Mir ist klar, dass Sie meinen Versuch, Ihnen einen Bären aufzubinden, was meine Absichten angeht, nicht schlucken würden, Sir.“, sagte der Demetaner ruhig. „Dafür kennen wir uns zu lange und zu gut. Aber so manch anderem gegenüber sollten wir die Fassade aufrechterhalten. Ehrlicherweise sollte ich Ihnen sagen, dass ich mit einer noch unbekannten Gefahr oder einer sehr prekären Situation rechne. Es gibt das Gerücht, Scott würde den Sarek-Stern gar nicht annehmen wollen.“ „So!“, sagte Time. „Und was soll daran so gefährlich sein, he?“ „Ich sprach von einer Gefahr oder einer prekären Situation.“, sagte Yetron. „Ich habe nicht gesagt, dass die Gefahr die Situation sei oder umgekehrt. Prekär könnte es für Nugura werden, falls Scott sich vor aller Augen weigern sollte, den Stern anzunehmen. Gegenüber der Presse wäre das sicher eine fatale Schlappe für sie. Was die Gefahr angeht, habe ich leider nichts Konkretes. Aber vielleicht ist ja auch alles nicht so schlimm.“ „Kann man Ihrer Quelle trauen, was die Gefahr angeht?“, fragte Time, der jetzt sehr hellhörig geworden war. „Ich denke, man kann ihr nicht mehr trauen als jeder anderen Gerüchteküche auch.“, sagte Yetron und zog an seinem Strohhalm. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so viel auf Gerüchte geben, Agent.“, sagte Time. „Das tue ich normalerweise auch nicht.“, erwiderte Yetron. „Dennoch sollten wir uns auf alle Eventualitäten vorbereiten.“ „Waren Wir das bisher nicht immer?“, fragte Time sehr selbstbewusst. „Bisher ja.“, sagte Yetron. „Aber oft hatten wir, wenn ich das bemerken darf, auch sehr großes unverschämtes Glück dabei.“ „Das können Sie wohl laut sagen.“, sagte Time. „Nehmen wir doch nur mal unsere letzte Mission. Die Sache mit der selbstmordgefährdeten Tolea hätten wir sicher ohne Shimar und Kairon nicht lösen können.“ „Da stimme ich Ihnen durchaus zu.“, sagte Yetron. „Aber denken Sie, dass das Gerücht bezüglich Scotts Weigerung wahr sein könnte? Es würde zu ihrem Charakter auf jeden Fall passen.“ „Ich glaube nicht, dass sie Nugura kompromittieren wird, Agent.“, sagte Time. „Dafür ist sie zu brav. Ich denke eher, dass sie den Stern vielleicht annimmt, die Situation aber sicher in ihrer Dankesrede noch einmal genauer beleuchten wird.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte der Demetaner und sah erneut verstohlen zur Bühne hinüber. „Sie beginnen jetzt.“ „Dann lassen Sie uns mal schauen.“, sagte Time und seine Augen wandten sich ebenfalls in Richtung Bühne.

Diese hatten Data und ich jetzt betreten und der Androide hatte mich hinter einer auf den Boden gezeichneten Linie abgestellt. Hier musste ich warten, bis mich Nugura auffordern würde, zu ihr zu kommen.

Auch die Präsidentin war über einen zweiten Aufgang auf die Bühne gekommen und hatte sich nun auf der anderen Seite der Linie direkt vor dem Mikrofon postiert. Ihr war nicht entgangen, dass Data bei mir geblieben war. „Vielen Dank, dass Sie Allrounder Scott assistieren, Commander.“, hatte sie zu ihm gesagt. „Das ist doch selbstverständlich.“, hatte Data darauf nur erwidert.

Jetzt klopfte Nugura nur kurz vorn auf das Mikrofon, ein Zeichen für den vulkanischen Tontechniker am Mischpult, das hinter der Bühne stand, den Regler höher zu drehen. Dann sagte sie: „Ladies und Gentlemen, wir sind heute an diesem schönen Tage hier zusammengekommen, um eine junge Frau zu ehren, die sich sehr um unser aller Wohl verdient gemacht hat. Es handelt sich um Allrounder Betsy Scott, ohne die wir heute alle sicher nicht mehr am Leben wären! Ihr allein haben wir es zu verdanken, dass jene unheilige Allianz zwischen Sytania und Valora zerstört ist und dass Valora wieder auf den rechten Weg geführt wurde! Mit ihrer Bereitschaft, dies gegen alle Widerstände zu tun, hat Allrounder Scott großen Mut bewiesen. Mut, den ihr so manche wohl nicht zugetraut hätten und am wenigsten hat ihr diesen Mut wohl Sytania selbst zugetraut. Das war wohl auch der Grund, aus dem sie Sytania schlussendlich fast im Alleingang besiegt hat. Aber auch ihr Mut, mit dem Feind zusammenzuarbeiten und ihm zu vertrauen, muss belohnt werden! Deshalb verleihe ich ihr hiermit heute den Sarek-Stern am Bande für diese außerordentliche diplomatische Leistung. Seien Sie ehrlich, Ladies und Gentlemen. Wer von Ihnen hätte Sytanias Vendar so einfach die Hand gereicht?“

Sie ließ eine dramatische Pause, in der sich tatsächlich einige nachdenklich am Kopf kratzten. Dann fuhr sie fort: „Deshalb bitte ich Sie jetzt zu mir, Allrounder Betsy Scott!“

Data hatte mir erneut seinen Arm hingehalten und unter dem tosenden Applaus der anderen Gäste war ich von ihm zu Nugura geführt worden. „Mr. Saron, den Orden bitte!“, sagte die Präsidentin an ihren Sekretär gewandt, der ihr sofort das Kissen aus Samt mit dem Sarek-Stern in die Hand gab. Dieses hielt sie mir nun hin. Dann fragte sie: „Nehmen Sie diese Auszeichnung an, Allrounder Betsy Scott?“

Ich räusperte mich, stellte mich gerade hin und sagte salutierend: „Madam Präsident, verehrte Anwesende, ich, Allrounder Betsy Scott, nehme diese Auszeichnung dankbar an. Was ich tat, um sie zu verdienen, geschah aus lauteren Motiven und ich würde jederzeit wieder so handeln!“ „Dann erlauben Sie mir bitte, Ihnen den Orden umzuhängen!“, sagte Nugura feierlich und ich beugte mich leicht vor. Sie nahm den Orden vom Kissen und ich spürte ihre Hände in meinem Nacken. Dann sagte ich: „Danke, Madam President.“ Und salutierte erneut. Dieses Mal aber erwiderte sie den Salut als Ehrbezeugung. Normalerweise hätte sie ja vor mir nicht salutieren müssen, weil sie ja die Oberbefehlshaberin der Sternenflotte und ich nur eine Untergebene war. Die Situation aber war jetzt aber eine andere, denn ich war diejenige, die hier geehrt werden sollte. Meine Kameraden von der Granger schlossen sich Nuguras Salut an. Dann spielte der Computer noch die Hymne der Föderation ab.

Ich atmete tief durch, denn der offizielle Teil der Zeremonie war damit vorbei. Jetzt würden zwar noch alle von mir eine Rede zum Dank erwarten, aber die würde ich ohnehin aus dem Stehgreif halten müssen, denn ich hatte keine Zeit mehr gehabt, sie noch großartig zu üben.

Ich stellte mich also gerade hin, holte tief Luft und begann dann: „Madam President, sehr geehrte Anwesende, es mag für Sie alle so aussehen, als hätte ich diesen Sieg ganz allein errungen. Dies ist so aber nicht richtig und ich will gern die Vorarbeit zum Wahrwerden eines Wunsches leisten, den Sie, Madam President, einmal in einer Ihrer Reden äußerten. Damals sagten Sie, Sie würden sich wünschen, dass die Geschichte einmal nicht mehr von Siegern, sondern von der Wahrheit geschrieben würde. Dies muss kein frommer Wunsch bleiben, wenn wir alle in Zukunft ehrlicher mit so mancher Situation umgehen, denn jemand hat mir einmal gesagt, dass man nicht die große Welt verändern kann, jedoch im Kleinen in seinem eigenen Umfeld oft eine Menge bewirkt. Wenn das jeder täte, dann hätten wir bald ganz von allein eine bessere Welt. Um dies zu erreichen, werde ich heute ehrlich zugeben, dass nicht ich es war, die den ersten Schritt zu unserer Zusammenarbeit getan hat, sondern Cirnach Ed Telzan, die bedauerlicherweise heute nicht hier ist, um meine Einlassung zu bestätigen. Ich gebe zu, Ladies und Gentlemen, dass einige von Ihnen das sicher nicht gern hören, aber die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache. Auch wenn es vielen vielleicht nicht wirklich gut passt, dass der Feind … Oh nein!“

Etwas hatte mich diesen Ausspruch tun und meine Rede so abrupt unterbrechen lassen. Etwas, das von meinem feinen Gehör sofort als der Hufschlag kleiner Hufe identifiziert wurde, die in schnellem Galopp auf uns zukamen. Es mussten die Hufe eines halbstarken Fohlens sein. Das schätzte ich zumindest. Aber wo sollte ein solches Fohlen plötzlich herkommen? Als einziges fiel mir das Dunkle Imperium ein. Hier gab es die Einhörner und es gab vor allem Benevidea, die es auch nur sein konnte, denn ihr Bruder war zu alt. Seine Hufe waren schwerer. Er würde jetzt ja schon ausgewachsen sein.

Noch ehe ich etwas sagen konnte, kam die Kleine bereits um die Ecke und Scotty und Shimar, die ihrer als erste ansichtig wurden, trauten ihren Augen nicht. Sie sahen nämlich, wie die Kleine im Zickzack durch den Park rannte, über diverse Tische sprang und dabei deren Tischtücher und alles andere, was noch so darauf stand in Richtung Boden beförderte. Auch alle, die vorher an den Tischen gesessen hatten, liefen jetzt wild durcheinander, gestikulierten und schrien. Die Ordner hatten alle Hände voll damit zu tun, die aufgebrachte Menge mindestens etwas unter Kontrolle zu halten.

„Was is’ mit Benevidea?“, fragte Scotty an Shimar gewandt, von dem er offenbar eine kompetente Antwort erwartete. „Die Kleine hat furchtbare Angst.“, antwortete der junge Telepath, der auf Scottys Frage hin versucht hatte, mit dem kleinen Einhorn Kontakt aufzunehmen. „Sie lässt mich aber nicht sehen, wovor sie solche Angst hat. Ihre Gedanken sind auch von dieser Angst total beherrscht und sehr wirr. Ich kann dir nichts sagen.“

Benevidea hatte die Bühne erreicht und war jetzt offenkundig auf dem Weg zu Data und mir. „Ja, komm her, Süße!“, schmeichelte ich, die an ihrem Verhalten auch erkannt hatte, was Shimar telepathisch gesehen hatte. Auch mir war klar, dass sie große Angst haben musste. Dabei zeigte sie aber eher das Verhalten eines verängstigten Pferdes als das eines Mächtigen. Das war aber für mich auch verständlich, wenn ich bedachte, dass ihre Mutter schließlich ein sterbliches Pferd war.

„Du musst keine Angst haben. Es ist doch alles in Ordnung.“, sagte ich beruhigend. „Ganz ruhig, Benevidea. Ganz ruhig. Wir kümmern uns …“

Jemand hatte mich um die Hüften gefasst, in die Luft gehoben und gedreht, so dass mein Gesicht zu seinem zeigte. Dann hatte er sich identifiziert: „Keine Angst, Allrounder. Ich bin es Data. Umfassen Sie meinen Nacken. Dann liegen Sie stabiler.“ Ich tat, was er mir gesagt hatte, denn ich dachte mir, dass es sein Ziel sein würde, mich aus dem Gefahrenbereich zu tragen. Selbstständig gehen und das vor allem schnell genug, konnte ich gerade nicht und das hatte wohl auch er gesehen, denn meine Anspannung war so groß geworden, dass ich am gesamten Leib wie Espenlaub zitterte. Benevidea würde mich zwar im Normalfall sicher nicht umlaufen, aber das hier war kein Normalfall. Allerdings würde Data das wohl nicht ganz gelingen, denn im nächsten Moment spürte ich Benevideas Atem. Dann wurden wir von ihr mit ihrem Horn berührt und ich hatte das Gefühl, dass wir schwebten. In diesem Moment wurde mir sehr schwindelig. Dann wurde ich offenbar ohnmächtig.

Viele hatten die Situation beobachtet. Unter anderem auch jemand, der im nächsten Augenblick etwas durch die Luft warf, das von den Umstehenden nur als pfeifender roter Schatten wahrgenommen wurde und direkt auf Benevideas Horn landete. Sofort ging die Kleine zu Boden. Dann erschien Barnaby auf der Bildfläche. Er hatte das andere Ende des Lassos in der Hand, dessen Schlinge jetzt um das Horn des armen Einhorns gelegt war. Mit der rechten Hand hielt er es fest und mit der linken machte er eine Siegerpose. Seine Augen blitzten und er schrie immer wieder: „Seht mal! Ich habe es noch drauf! Ich habe es besiegt! Ich habe ein mächtiges Einhorn besiegt! Ich, Laurence Barnaby, ein einfacher sterblicher Mensch, habe ein mächtiges Einhorn besiegt! Schaut doch her! Schaut her!“ Dabei kippte seine Stimme wie die eines Wahnsinnigen von tief auf schrill und andersherum. Außerdem führte er einen Veitstanz auf. Dann geriet er aber plötzlich ins Stolpern und fiel lang hin. Mit seinem Kopf landete er auf einem Stein, was seine sofortige Bewusstlosigkeit zur Folge hatte.

Den Grund für sein Stolpern hatte Commander Jaden H. Huxley geliefert, der ein im Gras liegendes Tischtuch aufgenommen und zu einem Seil gedreht hatte. In dieses hatte er eine Schlinge geknüpft, in welche Barnaby offensichtlich geraten war. Jaden hatte dann nur noch in seinem Versteck unter einem der Tische an seinem Ende zu ziehen brauchen. „Ich habe den Irren!“, hatte er seiner Frau, einer ausgebildeten Agentin, wie allen bekannt sein dürfte, zugerufen. „Komm her, Jinya!“ Dann zischte er dem bewusstlosen Barnaby noch zu: „Mit Lasso-Tricks kann ich auch dienen, Bürschchen!“

Sedrin hatte sich ihm zugedreht und die Situation in Augenschein genommen. Dann winkte sie Cupernica, die sofort entschied: „Ich verständige die Besatzung des Rettungsshuttles. Rescue One soll ihn in die Nervenklinik auf Demeta bringen. Wir haben alle gesehen, dass er mit seinem Verhalten eine Gefahr für sich und andere darstellt. Ich werde ihm ein Mittel spritzen, welches ihn den Flug über betäubt hält. Agent, in seinem jetzigen Zustand ist Mr. Barnaby nicht vernehmungsfähig.“ „Ist mir klar, Scientist.“, sagte Sedrin. „Ich nehme an, Sie werden die Ärzte dort instruieren, mit mir Kontakt aufzunehmen, wenn er so weit ist.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Androidin und begann damit, alles, was sie gerade gesagt hatte, zu veranlassen. Auch Sedrin ging zum Replikator und replizierte sich ein Behältnis, in das sie das Lasso legte. Schließlich handelte es sich um ein Beweismittel. Dann steckte sie dieses ein und wandte sich noch kurz an ihren Mann: „Danke, Jaden. Du hast richtig gehandelt. Du hast ja schließlich nur vom Jedermann-Paragraphen Gebrauch gemacht.“ „Danke, Jinya Demetana.“, sagte Jaden. „So ein Irrer! Und so was is’ Chefleibwächter der Präsidentin!“ „Ich kann dich beruhigen. Diesen Job wird er wohl nach seiner Entlassung aus der Klinik nicht mehr ausüben dürfen. Ein derart psychisch auffälliger Mann darf schließlich nicht mit Waffen hantieren. Von der Verantwortung für eine zu schützende Person ganz zu schweigen. Das wäre zu gefährlich für die Allgemeinheit. Wir reden zu Hause, Jineron.“, sagte die Demetanerin und wandte sich ab. Sie würde nach ihrer Partnerin suchen, um mit ihr die weiteren Ermittlungen abzusprechen.

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