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Plötzlich wurde die Zeltplane des Eingangs zurückgeworfen und Dilāra stand vor den beiden im Eingang. Mit finsteren und tadelnden Blick sah sie die beiden Männern an. „Was ist hier los?”, fragte sie verständnislos, „Was soll das ganze Theater?” Der Wächter nahm Haltung an, als er die Tochter des Anführers erblickte. Gleichzeitig ließ er auch den Ulani los, der jedoch keine Anstalten machte, das Zelt zu betreten. „Dieser Mann versucht die ganze Zeit das Zelt zu betreten.”, antwortete der Xendava mit ernster Miene, „Aber Ihr habt mir selbst befohlen, dass ich niemanden reinlassen soll, Herrin.” Dilāra sah Tabrun an, als der Wächter weiterberichtete. „Er hat die ganze Zeit versucht, an mir vorbei zu kommen, aber ich habe ihn nicht passieren lassen.”, fuhr der Wächter fort, „Ich musste ihn sogar hart am Arm packen, um ihn am Betreten des Zeltes zu hindern. Dabei musste ich schon ziemlich energisch werden, um ihm klarzumachen, dass er nicht rein darf, solange Ihr nichts anderes sagt, Herrin. Da leider keiner von uns beiden die Zunge des anderen kennt, können wir uns auch nicht verständigen und deshalb kann ich ihm die ganze Sache auch nicht klarmachen.” Dilāra brauchte nicht lange, um eine Entscheidung zu treffen. Ernst blickte sie den Wächter an, der seine Aufgabe pflichtbewusst wahrnahm. „Okay.”, sagte sie mit fester Stimme, „In Zukunft machst du bei ihm und dem Alten, der ihn als Dolmetscher dient, eine Ausnahme. Sie dürfen solange ins Zelt, solange die anderen beiden noch hier drinnen sind. Habt Ihr verstanden?” Der Xendava nickte. „Ja, Herrin.”, antwortete er pflichtbewusst, „In Zukunft lasse ich die beiden ins Zelt, wenn sie reinwollen.” Dilāras Gesichtszüge entspannten sich wieder. „Gut.”, stellte sie zufrieden fest, „Dann ist das jetzt geklärt.” Dann gab sie Tabrun ein Handzeichen, dass er nun das Zelt betreten durfte.

Die Verletzungen, die Simdu und Mandrak bei ihren Kämpfen davon getragen hatten, waren nicht allzu schwer. Trotzdem dauerte es etliche Wochen, bis die beiden Ulani wieder soweit genesen waren, dass die ganze Gruppe wieder reisefähig war. Jeden Tag besuchten Pelto und Tabrun ihre beiden Gefährten, die die meiste Zeit über sich in den Zelten der Heiler aufhalten mussten. Nur Dilāra, die Tochter des Anführers der Xendavas, wachte die längste Zeit an Mandraks Bett. Nach wenigen Tagen war er bereits wieder aus der Besinnungslosigkeit erwacht. Bei Arankas Mann machte die Rekonvaleszenz wesentlich schnellere Fortschritte als bei Tabruns jüngsten Bruder. Er konnte auch nicht so schnell wieder aufstehen wie Simdu, der zwar eine längere Zeit über ein geschientes Bein hatte, aber mit Krücken doch recht schnell das Zelt wieder verlassen konnte, obwohl das auch bei ihn gute drei Wochen dauerte. Mandrak war froh, dass Dilāra die meiste Zeit über in seiner Nähe blieb und ihn betreute. Auch wenn sie sich nach wie vor sich nicht mit ihm verständigen konnte, versuchte sie immer wieder mit ihm ins Gespräch zu kommen. Langsam versuchte sie mit viel Geduld dem jungen Hellbraunhaarigen die ersten Worte auf Xendavu beizubringen, die Mandrak nicht immer sofort behalten konnte. Das erste Wort, das der junge Ulani im Kopf behielt, war der Begriff für Wasser. Während der Genesung lernte er von ihr noch ein paar weitere Vokabeln aus dem Xendavu. Nach knapp zwei Monaten war auch der Hellbraunhaarige wieder soweit genesen, dass er das Zelt der Heiler wieder verlassen konnte.

An diesem Abend entschied Kelūru, das es Zeit war, die gemeinsame Reise zum Brondus-Damrajd fortzusetzen. Das gab er auch am Lagerfeuer bekannt. „Laut den Aussagen unserer Heiler sind unsere Gäste inzwischen wieder soweit genesen, dass wir nun den schwersten Teil unserer Reise antreten können.”, sagte er laut in die Runde, „Deshalb sollten wir diese Nacht auch sehr früh das Nachtlager aufsuchen, damit wir bei Morgengrauen unser Lager abbrechen und die begonnene Reise fortsetzen können.” Aufmerksam sah er dabei in die Runde. Doch niemand erhob Einwände. Zufrieden nahm Mandūri das zur Kenntnis. Nachdem der Anführer die Leute für die Nachtwache eingeteilt hatte, begaben sich bereits die ersten in ihre Zelte um zu schlafen. Auch die drei Ulani und der Aldoraner gingen recht früh schlafen, nachdem Pelto für sie übersetzt hatte.

Nachdem am nächsten Tag das Lager vollständig abgebaut und die gesamt Ausrüstung auf den Reittieren verladen war, setzten sie gemeinsam ihre Reise fort. Die Hitze war nach wie vor unerträglich und die Sonne brannte immer noch unerbittlich auf die Reisenden herab. Die Xendavas waren froh, dass sich weit und breit keine Xularis mehr blicken ließen. Die Reittiere verhielten sich ruhig, was alle für ein gutes Zeichen werteten. So vergingen mehrere Tage, bis sie die letzte Oase vor dem Brondus-Damrajd erreichten. Am Horizont konnte sie deutlich die Gebirgsausläufer erkennen, deren Gipfel von schweren dunklen Wolken verhangen waren. An der Oase rastete die ganze Gruppe mehrer Tage lang, bevor Mandūri entschied, dass sie den letzten Teil der Honduš-Wüste endgültig hinter sich bringen sollten.

Die Landschaft begann sich im Laufe der nächsten Tage langsam zu verändern und die karge Wüstenlandschaft wurde Stück für Stück durch eine Savannenlandschaft, in der es bereits vereinzelte Bäume und Büsche gab, ersetzt. Tag für Tag wurden die Pflanzen üppiger und ihre Farbenpracht kräftiger, was die Reittiere dazu veranlasste, unruhiger zu werden. Immer wieder hielten die Xendavas unfreiwillig an, weil die Kuš-Kuš und Kojn-Kojns zu grasen anfingen. Beim dritten unerwarteten Halt befahl Kelūru einigen seiner Männer, etwas voraus zu reiten und nach Wassertümpeln oder einem kleinen Fluss Ausschau zu halten, der vielleicht in der Nähe wäre. Es dauerte nicht lange, bis die Krieger wieder zu ihren Anführer zurückkehrten und Dilāras Vater Bericht erstatteten. „Wir haben einen halben Tagesritt von hier eine Mulano-Fährte entdeckt.”, sagte Kejtar, „Das bedeutet, dass es hier in der Nähe irgendwo ein Wasserloch oder gar ein Fluss sein muss, Herr.” Kelūru sah in jene Richtung, aus der die Xendavas zurückgekommen waren. „Berichtet weiter!”, befahl Mandūri, „Habt Ihr noch etwas gesehen?” Die Männer bejahten unisono. „Wir haben noch Fährten von anderen Tieren gesehen.”, sagte Kēloš, „Unter anderem haben wir noch eine Kundo-Fährte gesehen. Außerdem war vor kurzen auch noch eine Herde Kalunos hier gewesen. Ihre Spur führt in dieselbe Richtung, wie die der Mulanos und Kundos.” Dilāras Vater nickte verständigt. „Dann gibt es in dieser Richtung einen etwas größeren Fluss.”, meinte er nachdenklich, „Am besten werden wir den Fährten folgen, bis wir den Fluss erreichen. Wenn uns die Götter wohl gesonnen sind, werden wir ihn nach bei Einbruch der Nacht erreichen. Danach sehen wir weiter.” „Jawohl, Gebieter!”, erwiderten die Männer ergeben und ritten zu ihren Familien zurück, die in dem Treck auf sie warteten. Sobald sie ihre Angehörigen erreicht hatten, setzte sich die ganze Gruppe wieder in Bewegung. In der frühen Abenddämmerung erreichten sie gemeinsam das Flussufer, wo Kelūru Mandūri das Nachtlager aufschlagen ließ.

Als die Lagerfeuer entfacht wurden und die Reittiere mit Nahrung versorgt waren, ruhten sich die Xendavas und ihre Gäste zusammen von der langen anstrengenden Reise aus. Sobald die Sonne am Horizont versunken war, kühlte sich die Luft rasch ab. Nach dem Essen gingen die meisten von ihnen in ihren jeweiligen Zelten schlafen. Nur wenige blieben noch am Feuer sitzen und sprachen leise miteinander.

Mandrak blieb ebenfalls noch eine Weile lang auf. Er entschloss sich, zum Fluss hinunter zu gehen, um sich dort im Wasser etwas abzukühlen. Direkt am Ufer blieb er jedoch nachdenklich stehen. Er war sich nicht sicher, ob er es wagen konnte, in dem Fluss, den er im Grunde genommen ja gar nicht mal kannte, zu baden. Wer weiß?, dachte er, Vielleicht leben ja dort gefährliche Tiere im Wasser! Zögernd blieb er nach wie vor dem Wasser stehen. Langsam zog er seine Schuhe aus und wagte dann einen ersten zögerlichen Schritt ins Wasser. Der hellbraunhaarige Ulani war ein wenig überrascht, als er feststellen musste, dass das Wasser des Flusses doch recht kühl war. Nichtsdestotrotz empfand er es als sehr angenehm, wie das Wasser durch die leichte Strömung seine beiden Füße umschmeichelten. Er begann sich zu entspannen und gab einen leisen Seufzer von sich. Langsam setzte er sich an einer kleinen Uferböschung und schloss die Augen. Dabei ließ er genüsslich seine Füße im Flusswasser baumeln, das munter vor sich hinplätscherte. In der Ferne hörte er verschiedene Tiere, die er überwiegend nicht kannte. Aber keines der Geräusche beunruhigte ihn. Am Abend kam auch ein leichter Wind auf, den alle nach der Hitze des Tages als sehr wohltuend empfanden. Mandrak merkte, wie er rasch müde wurde. Doch er war nicht mehr in der Lage, sich dagegen zu wehren und döste ein.

Erschrocken fuhr der junge Ulani hoch, als ihn jemand vorsichtig an seiner Schulter berührte. Da inzwischen die ersten beiden Monde aufgegangen waren, konnte der Hellbraunhaarige die Gestalt einigermaßen erkennen und er war froh, dass es kein wildes Tier war, das ihn aus seinen Schlaf gerissen hatte. Als die Frau etwas auf Xendavu zu ihm sagte, erkannte er Dilāra Dajhān, die Tochter von Temka Dajhān und Kelūru Mandūri. Erleichtert entspannte er sich sofort wieder, während sich die junge Frau dicht neben ihn setzte und nun ebenfalls ihre Füße ins kühle Wasser hielt. In diesem Mondlicht betrachtete Mandrak die zierliche Gestalt der jungen Xendava. Das fahle Mondlicht ließ ihre schemenhafte Gestalt noch viel weicher erscheinen, als sie es ohnehin schon tat. Nachdenklich blickte er wieder auf das Wasser, von deren Oberfläche das Mondlicht reflektiert wurde. Mandrak wollte nicht, dass Dilāra seine Blicke spürte. Doch sie hatte es bereits bemerkt und begann wegen der Schüchternheit des Ulani verständnisvoll zu lächeln.

Unerwartet wandte sich die junge Xendava zu Mandrak um und fragte ihn etwas, was er nicht verstehen konnte. Verständnislos blickte er sie an. Als sie mit dem Finger auf die neue Narbe an seinem Bauch zeigte, begriff er, was sie eigentlich von ihm wissen wollte. Sofort hob er sein Hemd an. Als die Narbe, die inzwischen recht gut verheilt war, zum Vorschein kam, sah sie sich das etwas genauer an. Vorsichtig strich sie mit ihren Fingern über die ehemalige Verletzung. Sie nickte zufrieden, nachdem sie ihre Hand wieder zurückgezogen hatte. „Jēlo tamakko kimašungol tāna.”, konstatierte sie zufrieden lächelnd, „Bangu kwonda tamārukazāmus lējnoš lesawungol.” Der junge Ulani sah sie nur verständnislos an. „Es tut mir sehr Leid.”, sagte er bedauernd und ließ sein Hemd wieder sinken, „Leider kann ich deine Zunge immer noch nicht verstehen. Aber, ich wünschte, ich könnte es.” Fragend blickte Dilāra den Hellbraunhaarigen an, der inzwischen wieder gedankenverloren auf den Fluss hinausschaute. Er musste an sein Zuhause sowie an seine Eltern und Geschwister denken, die er mit seinem Bruder Tabrun zusammen zurückgelassen hatte und er fühlte, wie langsam die Sehnsucht nach seiner Heimat in dem Hellbraunhaarigen emporstieg. „Kamējžu dēmu varandas kējžuk, damti lējnoš panangol mekk tamaš.”, sagte Dilāra, die Mandrak damit sofort aus seine Gedanken riss. Der junge Ulani wandte sich zu ihr um und sah sie fragend an. Unwillkürlich begann Kelūrus Tochter zu kichern. Dann lehnte sie sich an den starken Ulani und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Wie selbstverständlich legte Mandrak seinen Arm um sie und drückte die junge braunhaarige Xendava an sich. „Kadējžu kēmu kumbrāžu, Mandrak.”, flüsterte sie leise. Gūrads jüngster Sohn hatte zwar nichts verstanden, aber er zog die junge braunhaarige Frau instinktiv näher zu sich heran. „Ich weiß zwar nicht, was du gerade zu mir gesagt hast.”, gestand er, „Ich wünschte, wir könnten uns miteinander verständigen. Dann könnte ich dir sagen, was ich für dich empfinde.” Sie hob wieder den Kopf und sah den jungen Ulani an. Ihre Blicke trafen sich. Sofort schlang sie einen Arm um Mandrak und zog ihn zu sich herab. Deutlich fühlte der Hellbraunhaarige die Wärme, die von dem zierlichen Körper der jungen Frau ausging. Als er sich weiter zu ihr herabbeugte, fühlte er Dilāras Atem auf seiner Haut. Dabei rann ihm ein wohliger Schauer über den Rücken. Sie flüsterte etwas, als sie anfing, mit ihrer Hand in seinen Haaren zu spielen. Die Xendava zog ihn weiter zu sich herunter, bis sich ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss fanden.

Müde betrat während dessen Kelūru sein Zelt, in dem bereits Temka auf ihn wartete. Auch sie war von dem anstrengenden Tag sehr müde. Doch dieses Mal konnte sie nicht so einfach schlafen gehen, denn sie musste dringend mit ihrem Mann reden. „Dein Nachtlager ist bereitet, mein Gemahl.”, sagte sie, „Aber bevor wir schlafen können, muss ich mit dir über unsere Tochter Dilāra reden.” Fragend blickte der Anführer der Xendavas seine Frau an. „Dilāra?”, fragte er müde, „Was ist mit ihr?” Temka steckte ihre Fäuste in die Hüften und sah ihren Mann streng an. „Du fragst allen Ernstes, was mit unserem Kind ist?”, erwiderte Dajhān ein wenig überrascht, „Soll das etwa heißen, du hast bis jetzt überhaupt nichts davon mitbekommen, was mit Dilāra los ist?” Kelūru sah Temka verständnislos an. „Nein, ich hab keine Ahnung, was du meinst.”, antwortete er mit ausdrucksloser Miene, „Was soll denn mit ihr sein?” Verständnislos schüttelte Temka mit dem Kopf. „Ist dir denn in letzter Zeit gar nichts in ihr aufgefallen?”, wollte sie wissen, „Deine Tochter ist bis über beide Ohren verliebt!” „Was?”, entfuhr es Mandūri verblüfft, „Sag das noch einmal! Unsere Dilāra ist was?” Als Temka sein fassungsloses Gesicht sah, musste sie unwillkürlich schmunzeln. „Unsere Dilāra? Verliebt?”, stotterte er perplex, als er endlich begriff, was Temka ihn gesagt hatte und ließ sich dabei auf einen kleinen unbequemen Hocker fallen, „In wem?” „Na, in wem wohl.”, erwiderte sie ernst, obwohl Temka sehr gerne über die Reaktion ihren verdatterten Mannes liebend gerne laut losgelacht hätte, den sie noch nie ihrem ganzen Leben so ratlos und verdattert erlebt wie in diesem Augenblick, „Sie hat sich in den hellbraunhaarigen Ulani verliebt.” „In einen Ulani?”, echote Kelūru, der es immer noch nicht fassen konnte, was ihm seine Frau gerade erzählt hatte. „Ja.”, antwortete sie amüsiert, „Unsere Dilāra hat sich in Mandrak Nandor verliebt. Ich sage dir das, weil du es bis heute noch nicht mitbekommen hast. Zumindest hatte ich bis jetzt nicht den Eindruck gehabt, dass du das mitbekommen hast.” Der Anführer der Xendavas schüttelte mit dem Kopf. „Unsere Tochter ist verliebt.”, sagte er fassungslos, „Und ich habe das nicht mitgekriegt.” Dann sah er Temka an. „Bring mir Wein.”, befahl er mit einer Stimme, der in diesem Moment ein wenig die Festigkeit fehlte, die sie sonst von Mandūri gewohnt war, „Darauf muss ich erst einmal einen trinken.” Als sie den gewünschten Wein holte, grinste sie amüsiert.

Noch vor Sonnenaufgang wurde das Lager wieder abgebaut und die Xendavas setzten zusammen mit ihren Gästen die Reise zum Brondus-Damrajd fort. Müde und mit einem mächtigen Brummschädel saß Mandūri auf seinem Kojn-Kojn und sah missmutig in die Ferne, wo sich am Horizont immer deutlicher die ersten Gebirgsausläufer zu sehen waren. Die Sonne brannte auch an diesem Tag wieder erbarmungslos auf die Reisenden herab. Immer wieder warf Kejtar Sāmoš dem Anführer der Xendavas besorgte Blicke zu, der die ganze Zeit über neben Kelūru ritt. Nach einiger Zeit fasste er den Entschluss und sprach den Anführer direkt an. „Irgendwie habe ich den Eindruck, dass Ihr heute nicht ganz gut zuwege seid, mein Gebieter.”, sagte er und sah dabei Kelūru direkt an, „Haben die Götter Euch in der vergangenen Nacht keinen erholsamen Schlaf beschert? Ihr scheint mir heute mit Euren Gedanken irgendwie ganz weit weg zu sein.” Dilāras Vater wandte sich Kejtar zu und sah seinen engsten Freund und Vertrauten nachdenklich an. „Nein, mein Freund.”, antwortete dieser nachdenklich, „Das ist es nicht. Die Götter haben mir durchaus eine erholsame Nacht gegeben. Es ist etwas anderes, was mich die ganze Zeit schon beschäftigt.” Fragend sah Sāmoš den Anführer an. „Es geht um meine Tochter Dilāra.”, sagte Mandūri, „Sie hat sich verliebt.” Kejtars Miene blieb ausdruckslos, als er seinem Anführer die nächste Frage stellte. „Wer hat Euch das erzählt, mein Gebieter?”, wollte er wissen. Ohne eine Antwort zu geben, gab Kelūru unerwartet seinem Reittier die Sporen. Daraufhin beschleunigte das Tier seinen Gang und setzte sich rasch von der Gruppe ab. Kejtar folgte seinem Beispiel und gab seinem Kojn-Kojn die Sporen. Als er den Anführer wieder eingeholt hatte, berichtete dieser seinem Freund ausführlich von der gestrigen Unterhaltung mit seiner Frau Temka Dajhān. Schweigend lauschte Sāmoš Mandūris Worten, ohne diesen zu unterbrechen.

Kejtar ließ laut die Luft aus seinen Lungen entweichen, nachdem Kelūru mit seinem Bericht geendet hatte. „Und?”, wollte er wissen, „Werdet Ihr mit Eurer Tochter darüber sprechen?” „Nein.”, antwortete der Anführer der Xendavas aufrichtig, „Dilāra hat wie alle anderen Frauen unseres Volkes ebenfalls das Recht, sich ihren Gemahl selbst auszuwählen. Es stört mich nicht, dass sie sich verliebt hat. Es spielt für mich auch keine Rolle, wer der Glückliche ist, dem sie ihr Herz schenken will. Diese neue Entwicklung kam für mich nur so unerwartet.” Einen kurzen Augenblick lang ritten beide schweigend nebeneinander. „Ich verstehe jetzt, was Ihr meint, mein Gebieter.”, gestand Kejtar, „Euch belastet es nicht, dass sich Dilāra verliebt hat und auch nicht in wem. Sondern Euch belastet es, dass Ihr nun feststellen musstet, dass Eure Tochter mittlerweile erwachsen geworden ist und anfängt, ihre eigenen Wege zu gehen.” Kelūru nickte. „So ist es, mein Freund.”, erwiderte er nachdenklich, „Genauso ist es. Es ist schwer, sein Kind loszulassen.” „Ja, mein Gebieter.”, antwortete Sāmoš, „Ihr habt weise Worte gesprochen.” Eine Weile lang ritten die beiden Xendava-Männer weiter voraus, bis sie beide sich wieder zurückfallen ließen.

Es dauerte noch mehrere Wochen, bis sie gemeinsam die ersten Berge des Brondus-Damrajd erreichten. Die ganze Zeit über zogen sie direkt an dem Fluss entlang, der ihnen jede Menge kühles und sauberes Wasser bot. In dieser Zeit änderte sich das Landschaftsbild schnell. Eine artenreiche Flora und Fauna bestimmten wieder das Bild. Als sie einen kleinen Wald erreichten, hielten sie an. Mandūri wollte sicher gehen, dass sich in der Nähe keine gefährlichen Wildtiere aufhielten. Deshalb schickte er mehrere bewaffnete Männer aus, die die nähere Umgebung auskundschaften sollten. Nach einigen Stunden kehrten diese zu ihren Anführer zurück und erstatten ihm Bericht.

Als sie geendet hatten, nickte der Anführer. „Also gut.”, entschied er, „Heute Nacht bleiben wir hier. Morgen ziehen wir weiter über den ersten Pass in den Brondus-Damrajd, den wir finden.” Pelto trieb sein Kojn-Kojn näher an das von Mandūri heran. Als sie auf gleicher Höhe waren, hielt er das Tier an. „Wisst Ihr denn, wo die Larunos hier im Brondus-Damrajd gedeihen, edler Herr?”, wollte er auf Oskonisch wissen und blickte dabei Dilāras Vater an. Dieser schüttelte bedauernd mit dem Kopf, nachdem er aus dem Sattel gestiegen war. „Leider nein, edler Pelto.”, antwortete der Xendava mit ernster Miene, „Unser Volk kennt zwar diese Früchte, weil wir sie regelmäßig von Kanda und auch anderen Xendavas ankaufen, wenn sich unsere Gruppen unterwegs treffen. Aber wo diese Bäume wachsen, wissen wir nicht. Ich bin mir sicher, dass die Götter uns nicht lange suchen lassen werden. Sobald wir den Pass hinter uns gelassen haben, werde ich sofort meine Männer losschicken, um nach den Larunos suchen zu lassen.” Der Aldoraner stieg nun ebenfalls von seinem Reittier, das mit seinen Vorderläufen auf den Boden scharrte und zufrieden Laut von sich gab. Er trat vor den Anführer hin und machte vor diesen eine sehr tiefe respektvolle Verbeugung. „Ihr seid so gütig, edler Herr.”, sagte der Aldoraner, „Ich werde es meinen Arbeitsherren ausrichten.” Kelūru nickte. „Gut, tut das.”, sagte er, „Sie werden sich bestimmt darüber freuen, dass sie bald das haben werden, wonach sie die ganze Zeit über gesucht haben.” Sofort eilte Gōlad mit seinem Kojn-Kojn an der Trense davon.

„Na dann wird unsere eigentliche Suche nach den Larunos jetzt erst richtig losgehen.”, meinte Simdu zu Tabrun und Mandrak, nachdem er Peltos Bericht ins Ulanische übersetzt hatte, „Ich finde es schade, dass die Xendavas selbst nicht genau wissen, wo diese Bäume zu finden sind, obwohl sie anscheinend die Früchte recht gut kennen.” „Zumindest scheint ihnen der Brondus-Damrajd kein unbekanntes Gebiet zu sein.”, warf Tabrun ein, „Zumindest einen kleinen Teil davon. Immerhin begleiten sie uns und Kelūru Mandūri hat auch gesagt, dass die Reise hierhin nicht ungefährlich ist.” „Wir können nur hoffen, dass uns keine Xularis mehr über den Weg laufen werden und uns wieder Scherereien machen.”, meinte Simdu mit ein wenig Besorgnis in seiner Stimme, „Auf einer weiteren Begegnung mit Mūruks Geschöpfen bin ich jedenfalls nicht erpicht.” „Die Frage ist nur, ob es hier überhaupt welche gibt.”, gab Mandrak zu Bedenken, „Soviel ich bis jetzt mitbekommen habe, hat noch niemand von den Xendavas, und auch selbst Pelto nicht, eine Spur von ihnen hier in dieser Gegend gefunden. Ansonsten hätte jemand schon etwas darüber gesagt.”

„Dann können wir nur hoffen, dass wir nicht allzu lange nach den Larunos suchen müssen.”, meinte Tabrun, „Leider wissen wir nicht, wie diese Bäume und ihre Früchte aussehen, denn der Kojn-Kojn-Züchter selbst hatte ja nie welche auf seinem Hof angepflanzt. Das heißt also, dass auch wir weiterhin in Zukunft auf die Augen unserer Xendava-Freunde verstärkt angewiesen sind, damit wir diese Pflanzen so schnell wie möglich finden. Es wäre schön, wenn wir sie schnell finden würden, damit wir nach unserer Rückkehr Vaters Farm retten können.” Der hellbraunhaarige Ulani nickte zustimmend.

 

Abschlusshinweise zum Kapitel:

keine

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