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Nach mehreren Tagen begannen sie das Wasser zu rationieren. Einige Tage später ging es vollständig zur Neige. „Wir müssen unbedingt eine Oase finden, wenn wir nicht verdursten wollen.”, bemerkte Simdu mit heißerer Stimme. „Das weiß ich bereits, edler Herr.”, antwortete der alte Aldoraner ruhig, „Ich suche schon seit einigen Tagen nach einer geeigneten Wasserstelle.” „Wieso nach einer geeigneten Wasserstelle?”, fragte Tabrun irritiert, „Reicht es denn nicht, wenn wir bei der nächstbesten Stelle anhalten und unsere Wasservorräte wieder auffüllen?” Pelto verneinte. „Das ist zwar richtig, edler Herr.”, antwortete der Aldoraner sachlich, „Aber wir müssen trotzdem aufpassen, dass wir nicht an die falsche Wasserstelle gelangen, sonst könnte das für uns eine Menge Probleme ergeben.” „Probleme für uns?”, stutzte der hellbraunhaarige Sohn von Gūrad Nandor, „Inwiefern? Wie meint Ihr das?” Pelto versuchte sein Kojn-Kojn auf der Höhe von Mandraks Reittier zu halten, als er zu einer Antwort ansetzte. „Wir müssen immer damit rechnen, dass jemand Anspruch auf eine Wasserstelle erhebt, wenn hier jemand in der Wüste leben sollte.”, erklärte der Alte, „Ferner ist nicht jedes Wasser in so einer Oase trinkbar.” „Wieso nicht?”, wollte Tabrun wissen, der sein Kojn-Kojn näher an das von dem des Alten geführt hatte. Der Aldoraner zuckte mit den Schultern. „Manchmal ist das Wasser vergiftet und an anderen Wasserstellen leben gefährliche Tiere im Wasser, die man nicht sofort sehen kann. Es gibt genügend, deren Bisse selbst für uns Belluraner tödlich sind.” Mandrak spürte, wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete. „Das haben wir nicht gewusst.”, gestand Tabrun, „Dann wollen wir mal hoffen, dass uns die Götter zu den richtigen Wasserstellen führen werden.” „So sei es. Mögen Eure weisen Worte bei Zātul Gehör finden.”, meinte Pelto trocken. Kaum hatte der Aldoraner seine Bemerkung ausgesprochen, entdeckte Simdu auch schon in der Ferne einige kleine Lichtpunkte. „Was kann das sein?”, wollte Mandrak wissen. „Wenn dort eine Oase sein sollte, dann sind es mit Sicherheit Lagerfeuer, was wiederum bedeuten würde, dass dort jemand an der Wasserstelle sein Lager aufgeschlagen hat.”, antwortete Pelto, „Bald werden wir wissen, wie sie Fremden gegenüber gesonnen sind. Ich hoffe nur, dass es keine Oskonier sind.” Schweigend flogen sie weiter auf die Lichtpunkte zu, die sich rasch als Lagerfeuer an einer Oase entpuppten.

Außer Sichtweite der Fremden landeten die Tabrun, Mandrak, Simdu und Pelto ihre Reittiere. Fast geräuschlos setzten die Kojn-Kojns mit ihren Hufen auf dem sandigen Boden auf. Rasch stieg der Aldoraner aus dem Sattel. „Wartet hier, edle Herren.”, sagte er leise, „Ich werde mal nachschauen, wer die Fremden sind.” Simdu nickte dem Alten zu, der sich kurz darauf davonschlich. Es vergingen mehrere Minuten, bis Pelto zu seinen Gefährten wieder zurückkehrte, die inzwischen von ihren Kojn-Kojns abgestiegen waren. „Und?”, überfiel ihn gleich der blonde Ulani, „Habt Ihr herausbekommen, wer diese Leute da drüben sind?” Der Angesprochene nickte ernst. „Ich fürchte ja.”, antwortete Gōlad angespannt, „Es sind Oskonier.”

Gūrad Nandors Söhne fluchten leise hingebungsvoll. „Sind das etwa Soldaten?”, wollte Simdu wissen. „Bei allen Göttern!”, erwiderte der alte Mann flüsternd, „Ich weiß es nicht, ob das welche sind. Zumindest habe ich dort keine gesehen. Aber es sieht ganz danach aus, dass sie dort jemanden gefangen halten. Vor einigen Zelten sind jedenfalls Wachen aufgestellt und die sind schwer bewaffnet.” „Und was machen wir jetzt?”, fragte Mandrak, „Wir brauchen unbedingt Wasser. Und unsere Tiere auch.” Der Aldoraner ließ die Schultern sinken. „Das weiß ich doch auch. Aber ich fürchte, wir werden wohl unseren Weg ohne frisches Wasser fortsetzen müssen.”, sagte er düster und blickte seine ulanischen Gefährten unverwandt an, „Wir sollten möglichst keine Begegnung mit ihnen riskieren, solange wir nicht wissen, was wir von ihnen zu erwarten haben.” Simdu ließ geräuschvoll die Luft aus seinen Lungen entweichen. „Dann lasst uns sofort wieder aufbrechen, bevor sie merken, dass wir hier sind.”, schlug der Blonde vor und stieg bereits wieder auf sein Reittier, dass er die ganze Zeit über an seinen Zügeln festhielt.

„Ihr braucht nicht mehr zu verschwinden, denn wir haben Euch schon vor einer geraumen Zeit entdeckt und beobachtet.”, sagte eine fremde Stimme schneidend mit starken Akzent auf Aldoranisch zu den vier Männern, „Runter von dem Kojn-Kojn und zwar langsam, wenn ich bitten darf.” Erschrocken blickten Tabrun, Mandrak, Simdu und Pelto in jene Richtung, woher die raue gutturale Stimme kam. Erst in diesem Augenblick erkannten sie, die sie bereits von den Fremden umzingelt waren. Alle waren schwer bewaffnet. Mehrere von Ihnen hatten bereits Pfeile auf die Sehnen ihrer Bogen gelegt und zielten auf die vier Expeditionsteilnehmer. Langsam stieg Simdu wieder aus dem Sattel. Vorsichtig kamen die Oskonier einen kleinen Hügel herab auf die vier Männer zu. Pelto stieß leise einen Fluch aus.

Dicht vor den vier Männern blieben die Fremden stehen. Misstrauisch beobachteten sie Tabrun und seine drei Begleiter. Dabei hielten die anwesenden Schützen ihre Bogen mit den Pfeilen auf den Sehnen weiterhin auf die vier Neuankömmlinge in Anschlag. Bei den Feuerseen im Glandāku!, dachte der jüngste Sohn von Gūrad Nandor, Bloß jetzt keine Fehler machen und etwas Falsches sagen! „Lass mich mit ihnen sprechen, edle Herren.”, flüsterte Pelto, „Da ich die oskonische Zunge beherrsche, ist es wohl das Beste.” Inzwischen traten zwei der Oskonier zu ihnen und blieben direkt vor Pelto und den drei Ulani stehen. Aufmerksam musterte ein älterer Mann mit schwarzen Haar und Vollbart im Fackelschein die vier Männer. „Eurer Kleidung und Eurem Verhalten nach zu urteilen, seid Ihr Fremde hier.”, begann er und sah dabei jeden von ihnen nacheinander mit misstrauischen Blick an, „Hat denn Euch noch niemand gesagt, wie gefährlich es ist, die Honduš-Wüste bei Nacht zu durchqueren? Also spricht, wer seid Ihr und was macht Ihr hier?” Die tiefe brummige Stimme des Oskoniers hatte einen angenehmen Klang. Gōlad räusperte erst, bevor er dem Fremden antwortete. „Ihr habt Recht, edler Herr.”, begann der Alte, „Wir sind nicht von hier.”

„Was hat Euch denn hierher verschlagen, wenn Ihr nicht von hier seid?”, unterbrach der Oskonier Pelto brüsk, bevor dieser weitersprechen konnte, „Die Wüste ist nun wahrlich kein Ort, wohin man reisen sollte, wenn man es nicht muss. Also, was wollt Ihr hier?” Deutlich war die Ungeduld des schwarzhaarigen Fremden aus dessen Stimme herauszuhören, der es gewohnt war, dass man seine Befehlen gehorchte und man ihm sofort antwortete, wenn er Fragen stellte. Der Alte begann noch mal zu antworten, als der Aldoraner erneut von jemanden unterbrochen wurde. Diesmal war es ein Warnruf aus dem Lager jenseits des Hügels gewesen, der den schwarzhaarigen Oskonier herumwirbeln ließ. Rasch erteilte er seinen Leuten Befehle, die von den anwesenden Fremden sofort ausgeführt wurden. Zu den drei Ulani und Pelto gewandt, sagte er: „Folgt mir schnell ins Lager! Wir sind hier nicht mehr sicher. Einer meiner Männer hat anscheinend ein paar Xularis entdeckt, die hier jagen, und es ist besser, wenn wir dichter am Lagerfeuer sind. Solange wir uns so dicht wie möglich am Feuer aufhalten, lassen uns diese Biester in Ruhe. Sonst enden wir sehr rasch als Futter für diese Bestien.” Ohne eine Antwort seitens der drei Ulani und dem Aldoraner abzuwarten, machte der Fremde kehrt und kletterte raschen Schrittes den Hügel wieder hinauf und war einen kurzen Augenblick später aus dem Blickfeld von Tabrun, Mandrak, Simdu und den Alten verschwunden. Schnell griffen die Männern nach den Zügeln ihrer Kojn-Kojns, die inzwischen auch unruhig wurden, und folgten den Oskoniern in ihr Lager. In einem kleinen Abstand folgten die Bewaffneten lautlos den drei Ulani und dem Aldoraner, ohne dabei ihre Waffen sinken zu lassen. Im Lager blieben die beiden Söhne von Gūrad Nandor, Simdu und der Alte zusammen dicht neben dem Anführer der Oskonier stehen. Der Fremde, der sie am Fuße des Hügels angesprochen hatte, bellte energisch ein paar Befehle in seiner Muttersprache, woraufhin Peltos Augenbrauen überraschend in die Höhe kletterten. Kurz darauf eilten einige Leute durch das gesamte Lager und stellten überall mehrere große Fackeln auf, die sie sofort anzündeten. Wenig später wurde das Lager heller erleuchtet.

„Was ist los?”, fragte Tabrun, der im Schein des Feuers die Überraschung in der Mimik des Aldoraners ebenfalls wahrgenommen hatte. Arankas Mann hob die Schultern. „Keine Ahnung.”, erwiderte er flüsternd, „Ich weiß nicht, was Pelto gesehen hat.” Simdu wandte sich an den Alten, doch dieser sagte bereits etwas, was Jakodos selbst ebenfalls einen überraschten Laut ausstoßen ließ. Sofort berichtete der Blonde seinen beiden Landsleuten, was er gerade von Gōlad erfahren hatte. „Ich glaube, wenn ich Pelto richtig verstanden habe, sind diese Leute keine Oskonier, sondern Xendavas oder Kandas und das bedeutet, dass wir uns zurzeit in einem autonomen Gebiet aufhalten. Es scheint im Augenblick so, dass wir momentan vor den Oskoniern selbst sicher sind, wenn man mal von der Bedrohung durch diese komischen Viecher absieht.” Der schwarzhaarige Fremde wandte sich zu den drei Ulani und Pelto um und blickte den Alten ernst an. „Ich seid ein guter Beobachter.”, sagte dieser mit sonorer Stimme, „Ihr habt Recht. Wir sind keine Oskonier, sondern Xendavas.” Dann befahl er etwas in seiner Muttersprache, woraufhin die Bewaffneten ihre Waffen sinken ließen und ihre Pfeile wieder in ihre Köcher verschwinden ließen. Dann zogen sie sich zurück. Fragend blickten ihn Tabrun, Mandrak, Simdu und Pelto an. Der Fremde erwiderte den Blick der vier Männer. „Was habt Ihr Euren Männern befohlen?”, wollte der Alte wissen, der diesen Xendava-Dialekt nicht sehr gut verstehen konnte. „Ich habe meinen Leuten gesagt, dass Ihr unsere Gäste seid und Gäste heißt man nicht mit schussbereiten Waffen willkommen. Zumindest ziemt sich das nicht für die Gastfreundschaft der Xendavas.”, antwortete der Fremde und begann zu lächeln, als er sah, wie sich die drei Ulani und der Aldoraner sich sichtlich entspannten. Dann legte er seine flache Hand auf seine Brust und hielt sie anschließend den vier Männern hin. „Im Übrigen lautet mein Name Kelūru Mandūri.”, stellte sich der Xendava vor, „Trotz des rauen Empfangs, wäre es uns eine Ehre, wenn Ihr unsere Gastfreundschaft annehmen würdet.” Nachdem Pelto übersetzt hatte, begannen auch die drei Ulani zu lächeln. Dankbar nahmen die vier das Angebot der Xendavas an.

„Aber bevor wir zu den angenehmeren Dingen übergehen können, müssen wir erst einmal mit diesen schrecklichen Viechern fertig werden.”, sagte Mandūri und blickte seine Gäste nacheinander musternd an. „Habt Ihr Waffen oder könnt Ihr zumindest mit ihnen umgehen, wenn man Euch welche gibt?”, fragte der Xendava. Pelto übersetzte die Frage rasch ins Ulanische. Mandrak und Tabrun tauschten untereinander rasche Blicke aus. Dann nickte Simdu. „Wir haben zwar keine Waffen dabei, aber ich selbst kann zumindest ein wenig mit Pfeil und Bogen umgehen.”, sagte er, „Der beste Schütze bin ich allerdings nicht.” Pelto musste grinsen, als er dies dem Xendava übersetzte. „Wisst Ihr denn mit dem Schwert umzugehen?”, wollte Mandūri wissen. Arankas Mann verneinte. Dann wandte sich Kelūru an Tabrun und Mandrak. Auch sie verneinten, nachdem der Aldoraner übersetzt hatte. Der Xendava zog nachdenklich seine Stirn in Falten. „Das ist nicht gut.”, meinte er grübelnd, „Wie wollt Ihr Euch denn verteidigen können, wenn Ihr noch nicht einmal mit Waffen umzugehen wisst?”

Dann wandte sich der Anführer um und bellte rasch ein paar Befehle, woraufhin mehrere Xendavas zu ihm eilten. Dicht vor Mandūri blieben sie stehen und blickten Kelūru fragend an. „Wir haben Gäste, die keine Waffen besitzen und auch nicht im Umgang mit ihnen vertraut sind.”, begann dieser mit ernstem Gesichtsausdruck, „Weil unsere Gesetze es nicht erlauben, können wir ihnen solange keine von unseren geben, solange sie nicht zu unseren Waffenbrüdern wurden. Deshalb habe ich beschlossen, dass ich euch zum Schutz unserer neuen Freunde abkommandiere. Eure Aufgabe ist es von nun an, sie zu beschützen, solange sie in unserem Lager verweilen. Macht eure Aufgabe gut, damit ihnen nichts geschieht. Wenn ihr versagt, werde ich euch entsprechend hart bestrafen. Habt ihr verstanden?” „Und falls wir von den Xularis angegriffen werden sollten, drückt ihnen Speere in die Hand, damit sie uns im Kampf gegen Mūruks Geschöpfe beistehen können.”, fügte der Anführer der Xendavas hinzu, „Für den Kampf sind sie mit Sicherheit kräftig genug.” Die sechs Gestalten verbeugten sich ehrfürchtig vor Mandūri. „Ja, Gebieter!”, erwiderten sie unisono, „Die Götter werden unser Geschick leiten, während wir dem Befehl unseres Herrn und Gebieters Folge leisten und mögen uns die Götter bestrafen, wenn wir versagen.” Kelūru nickte zufrieden. „Wohlan, so sei es!”, erwiderte der Anführer lächelnd, „Tut euer Bestes und es wird euch nichts geschehen.” „Da nur einer unserer Gäste mit der oskonischen Zunge vertraut ist, spricht grundsätzlich mit dem Alten.”, fügte er hinzu und wies dabei mit seiner kräftigen Hand auf Pelto, „Er ist der einzige, der die oskonische Zunge zu übersetzen vermag.” Daraufhin verbeugten sich die sechs Xendavas erneut vor Mandūri, während sich eine weitere Gestalt dem Anführer näherte.

Dicht vor Kelūru blieb der weitere Xendava stehen und informierte Mandūri über den aktuellen Stand der Dinge bezüglich der Xularis. „Herr, die Geschöpfe Mūruks haben sich wieder in die Dunkelheit zurückgezogen, da sie den Atem Zātuls nach wie vor fürchten.”, berichtete jener Mann, der etwas kleiner als Mandūri war, „Ich habe zusätzlich noch ein paar Wachen bei unseren Tieren aufgestellt, damit sie besser geschützt sind.” „Das ist gut, Kejtar.”, meinte Kelūru zufrieden, „Sorge auch weiterhin dafür, dass die Xularis von unserem Lager fern bleiben.” Der Kleinere nickte wieder. „Ja, Gebieter.”, sagte dieser, wobei sein tiefschwarzer Bart leicht zitterte, „Die Götter werden mein Geschick leiten, damit ich Euren Wünschen gerecht werde.” Mit einer stummen Handbewegung entließ er Kejtar, der sich unter mehren Verbeugungen rasch von Mandūri zurückzog.

Zu den drei Ulani und dem Aldoraner gewandt, begann er zu lächeln. „Jetzt können wir uns den schöneren Dingen wieder zuwenden.”, verkündete er und ging durch den Wüstensand in Richtung des größten Lagerfeuers davon. „Folgt mir.”, forderte er die vier Neuankömmlinge auf und winkte sie hinter sich her, „Gibt die Zügel Eurer Tiere meinen Männern. Sie werden sich gut um Eure Kojn-Kojns kümmern.” Nachdem Tabrun, Mandrak, Simdu und Pelto ihre Tiere Mandūris Männern anvertraut hatten, folgten sie Kelūru zum größten Lagerfeuer.

Dicht am Lagerfeuer nahmen die drei Ulani und der Aldoraner Platz. Kelūru saß auf einem geflochtenen Stuhl, der sehr bequem aussah und reich verziert war. „Dilāra!”, rief er wenig später, nachdem er sich gesetzt hatte, „Bring uns rasch den besten Wein, den wir haben, damit wir unsere Gäste jetzt auch offiziell willkommen heißen können.” Sofort eilte die Angesprochene davon und kehrte nach wenigen Augenblicken wieder zu Mandūri zurück. In ihren Händen hielt sie zwei Weinschläuche und mehrere glänzende Kelche, die reich verziert waren. Geschickt füllte sie die Kelche und reichte sie nacheinander Kelūru und den vier Neuankömmlingen. Nachdem sie allen einen Kelch überreicht hatte, hielt Mandūri das junge Mädchen zurück.

„Seht her, edle Herren.”, sagte er nicht ohne Stolz in seiner Stimme, „Seht Euch dieses junge liebreizende Mädchen an, denn sie ist Dilāra, Tochter von Temka Dajhān und Kelūru Mandūri.” Schüchtern ging sie vor ihrem Vater in die Knie und küsste seine rechte Hand, die er ihr hinstreckte. Ihre Wangen bekamen etwas mehr Farbe, nachdem der Anführer der Xendavas sie den drei Ulani und dem Aldoraner vorstellte. Seine Stimme wurde sanfter, fast sogar zärtlich, als er seine nächste Bitte an sie richtete.

„Dilāra, mein Kind.”, sagte er und lächelte etwas, „Würdest du für unsere Gäste und auch für deinen alten Vater zur Ehre tanzen?” Während er seine Bitte aussprach, legte er sanft seine flache Hand auf das braunhaarige Haupt seiner Tochter, die sich vor ihm tief verbeugte, wobei ihr die Kapuze wieder auf den Kopf zurückrutschte und damit ihr Haupt vollends bedeckte. „Ja, Vater.”, sagte sie leise, „Ich werde für dich und auch für unsere Gäste tanzen.” Dann erhob sie sich wieder und trat etwas dichter an das Lagerfeuer heran. Aufmerksam beobachteten die drei Ulani und auch der Aldoraner, wie das junge Mädchen langsam die Kapuze von ihrem Kopf nahm und anschließend den kompletten Umhang vollständig ablegte. Laut schnappten besonders Tabrun und Mandrak nach Luft, als die Kapuze Dilāras langen braune Haare freigab, die sofort erst ihre wohlgeformten Schultern bedeckten und anschließend wie eine fast lautlose Flut über ihren gesamten Oberkörper hinabglitten. Ihre makellose Haut glänzte leicht im Schein des Feuers. Mehrere Xendavas setzten sich mit ihren Musikinstrumenten ans Feuer und begannen eine Melodie zu spielen, die weder die drei Ulani noch der Aldoraner kannten. Fasziniert sahen sie dem jungen Mädchen beim Tanzen zu, während weitere Frauen verschiedene Speisen servierten. Besonders Mandraks Blick hing wie gefesselt an dem schönen Mädchen, das vor ihnen am Lagerfeuer tanzte.

Nachdem Essen wurde weiterhin viel Wein getrunken, der einen leicht süßlichen Geschmack hatte. Immer wieder forderte der Anführer der Xendavas seine Gäste auf, mehr von dem köstlichen Wein zu trinken. Die drei Ulani waren es nicht gewohnt, einen so starken Wein zu trinken. Sie kannten nur jene Weine und Biere, die es in ihrer Heimat gab, die wesentlich weniger Alkohol enthielten. Es dauerte nicht lange, bis sowohl Gūrads Söhne als auch Arankas Mann von dem Alkohol berauscht waren. Nur Pelto blieb von dem Rauschzustand weitestgehend verschont, da er schon auf seinen vielen Reisen oft an zahlreichen Festivitäten teilgenommen hatte.

Im Laufe des Abends fragte Kelūru Pelto, wohin er mit seinen drei Arbeitsherren reisen wollte. Nachdem ihm der Aldoraner berichtet hatte, wohin sie eigentlich wollten bot Mandūri den drei Ulani und dem Aldoraner an, sie auf ihrer Reise zum Brondus-Damrajd zu begleiten. Zuerst wollte er das Angebot ablehnen, doch im Nachhinein, nachdem ihm Mandūri mehrmals versicherte, dass man besser geschützt sei, wenn man in einer großen Gruppe in ein unbekanntes Gebiet reist, überlegte er sich das anders.

„Ich hoffe, dass meine Arbeitsherren damit einverstanden sind.”, meinte er etwas unsicher und warf einen kurzen Blick zu den drei Ulani hinüber, von denen sich Simdu und Tabrun miteinander in ihrer Muttersprache über ihre Studienzeit unterhielten, währenddessen Mandrak etwas verträumt weiterhin Dilāra beim Tanzen zusah. Wohlwollend klopfte Mandūri dem alten Aldoraner mit seiner flachen Hand auf den Rücken. „Ich denke schon, dass Eure Herren keine Einwände haben werden.”, erwiderte Kelūru zuversichtlich, „Immerhin kennen wir das Gebiet, das Ihr dorthin bereisen müsst.” Nach wenigen Augenblicken nickte Pelto. „Ja, da könntet Ihr Recht haben, wenn man das bedenkt.”, gab der Alte zu, „Ich selbst kenne den Brondus-Damrajd ja auch nicht. Bisher habe ich nur davon gehört und das, was ich bisher darüber gehört habe, ist bis jetzt noch nicht allzu viel, muss ich gestehen.” Der Anführer begann zu lächeln. „Seht Ihr, mein Freund.”, antwortete Kelūru, „Dann ist es umso besser, wenn wir Euch dahin begleiten. Wir kennen zumindest einen kleinen Teil des Gebietes, in das Ihr wollt. Schaden tut das bestimmt keinem von uns, wenn wir gemeinsam diesen Teil der Reise machen. Aber wenn Ihr das lieber mit Euren Arbeitsherren klären wollt, dann tut das ruhig.”

Inzwischen hatten Tabrun und Simdu das Thema gewechselt und sprachen über ihre Rivalitäten, die zwischen ihnen herrschte, als sie beide noch um Aranka geworben hatten. „Mann, waren das noch Zeiten, als wir beide damals um Arankas Gunst warben!”, meine Tabrun gerade, als Simdu ihn mit einen undefinierbaren Blick ansah. „Wieso sprichst du in der Vergangenheit?”, fragte Jakodos konsterniert, „Ist es nicht so, dass du auch heute noch gerne um sie werben würdest, wenn sie nicht mit mir verheiratet wäre?” Herausfordernd sah er Gūrads ältesten Sohn an, der gelassen seinen Blick erwiderte. „Ja, das wäre schon möglich.”, gab Tabrun zu, „Aber, da sie bereits vergeben ist, ist das Thema für mich auch schon durch.” Simdu nickte und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Kelch, der erst vor Kurzem von einer sehr jungen Xendava nachgefüllt worden war. „Bist du dir da ganz sicher?”, erwiderte Arankas Mann etwas kühler, „Ich bin mir da nicht so sicher. Als wir uns auf die Reise zum Brondus-Damrajd aufbrachen, musste ich Aranka zum Abschied versprechen, dass wir Freunde werden.” Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. „Während der ganzen Reise habe ich mich immer wieder gefragt, warum sie unbedingt dieses Versprechen von mir wollte.”, sagte er, wobei seine Stimme immer schroffer wurde, „Ich verstehe das nicht. Man könnte glatt meinen, dass da immer noch etwas zwischen Euch beiden wäre, findest du nicht auch?” Herausfordernd sah er wieder Tabrun an, der gerade seinen Kelch leerte und anschließend Simdu überrascht ansah. Die Überraschung in dem Gesicht des schwarzhaarigen Ulanis schlug in Wut um. „Was willst du von mir hören?”, fragte Tabrun verärgert zurück, der sich in die Enge getrieben fühlte, „Willst du von mir hören, dass ich mich nach wie vor um Arankas Gunst bemühe? Oder was willst du hören?” Eisig sahen sich die beiden ulanischen Männer an, während der älteste Sohn Gūrads Sohn fortfuhr. „Ich kann dir nur eines versichern, Simdu.”, antwortete Tabrun wütend, als Jakodos aufstand und seinen schwarzhaarigen Landsmann finster anblickte, „Aranka hatte sich damals für dich entschieden. Heutzutage betrachtet sie mich als einen sehr guten Freund, den sie sehr schätzt. Das dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach der Grund für das Versprechen sein, dass sie dir vor der Abreise abgerungen hatte, weil sie dich kennt und weißt, wie du auf mich zu sprechen bist. Mehr steckt nicht dahinter.” Simdu gab ein abfälliges Schnauben von sich. „Spar dir deine Beteuerungen!”, zischte der blonde Ulani voller Wut und ballte dabei seine beiden Hände zu Fäusten, „Ich glaube dir kein einziges Wort.” Tabrun stand auf. Mit ebenfalls zu Fäusten geballten Händen starrte er zornig den Blonden an. „Bei allen Göttern!”, rief Tabrun wütend, „Ich sage aber die Wahrheit!” „Das kannst du jemanden erzählen, den man einen Kuš-Kuš als ein Kojn-Kojn verkaufen kann!”, rief er zornig, „Aber nicht mit mir! Ich lasse mir auch nicht von dir ein Mivuku für ein Muvango vormachen!”

Wenig später wurde Tabrun hart von Simdus Faust getroffen, woraufhin der Schwarzhaarige ein paar Schritte zurücktaumelte und in den weichen Sand fiel. Sofort stand Gūrads ältester Sohn wieder auf und rieb sich das schmerzende Kinn. „Bei Faruls Schmiedehammer! Sage mal, bist du denn jetzt total verrück geworden?”, platzte es aus Tabrun heraus. „Bestimmt nicht.”, zischte Simdu zornig und ließ dabei erneut seine Faust vorschnellen, „Ich will nur diese Angelegenheit zwischen uns beiden ein für alle Mal klarstellen und zwar sofort! Aranka gehört zu mir. Sie ist meine Frau.” Doch diesmal war der schwarzhaarige Ulani vorbereitet und wich den Schlag des Blonden geschickt aus. „Und damit ich das ja auch begreife, meinst du, auf mich eindreschen zu müssen, oder wie?”, antwortete Mandraks Bruder wutschnaubend, als er einen weiteren Fausthieb Simdus parierte, „Dafür hast du dir aber den denkbar verkehrtesten Mann ausgesucht, Freundchen, denn das lasse ich mir nicht gefallen.” Wenig später traf Tabruns Faust das Gesicht des Blonden, der ein schmerzhaften Grunzlaut von sich gab und ein paar Schritte zurücktaumelte, aber nicht fiel. „So, so, du willst es also auf die harte Tour.”, presste Simdu zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor, „Das kannst du haben!” Wie ein Besessener begann er auf Tabrun einzuschlagen, der sich dementsprechend wehrte.

Inzwischen hatte Pelto begonnen, Kelūru von seinen zahlreichen Reisen zu erzählen, als dieser plötzlich von dem Anführer der Xendavas unterbrochen wurde. „Was ist denn mit Euren beiden Arbeitsherren los?”, fragte der schwarzhaarige Xendava etwas verwundert, als er mitbekam, wie sich Tabrun und Simdu einander anbrüllten und sich gegenseitig mit ihren Fäusten bedrohten, „Worüber streiten die sich?” Der Aldoraner wandte sich nun ebenfalls zu den beiden um, die sich inzwischen zu prügeln begonnen hatten. „Ich habe keine Ahnung.”, gestand der Graumelierte und stand auf, „Aber ich denke, da sollte man besser dazwischen gehen, bevor noch etwas Schlimmeres passiert.” Kelūru nickte und erhob sich ebenfalls. Gemeinsam schritten sie zu den beiden Ulani, die in ihrem Streit gar nicht bemerkten, dass es im Lager ruhig geworden war und alle Anwesenden die beiden Streithähne interessiert beobachteten. Sogar die Musiker hatten aufgehört zu spielen und sahen zu den beiden Ulani hinüber, die sich heftig miteinander stritten. Auch Mandrak war aufgestanden und eilte zu seinem Bruder, der mit einer aufgeplatzten Unterlippe, die stark blutete, vor Simdu stand. Dilāra folgte dem hellbraunhaarigen Ulani. Dicht neben ihm blieb sie stehen, als sie alle gemeinsam Peltos Worte vernahmen.

„Sagt mal, was zum Mūruk ist denn in Euch gefahren, edle Herren?”, übersetzte der Aldoraner gerade die Fragen des Xendavas, „Wieso streitet Ihr Euch?” Hasserfüllt starrten sich die beiden Rivalen an. Pelto wiederholte Kelūrus Frage noch einmal, wobei seine Stimme einen schärferen Klang annahm. „Der hat sich an meine Frau rangemacht.”, beklagte sich der Blonde ohne Unschweife, woraufhin ihn Tabrun verblüfft ansah. „Ich habe was gemacht?”, platzte es zornig aus Gūrads ältesten Sohn heraus, „Bei Zātul! Die Götter haben dir wohl sämtliche Sinne vernebelt! Das ist ja gar nicht wahr! Seit dem Ende meines Studiums habe ich Aranka nicht mehr gesehen, wenn man mal davon absieht, dass ich sie zum ersten Mal wiedergesehen habe, als du dich uns auf unserer Reise anschloss.” Mandūri unterbrach Simdu, als dieser zu einer weiteren wütenden Antwort ansetzte.

„Ich habe den Eindruck, dass dieser Konflikt zwischen den beiden schon etwas länger existiert.”, sagte Kelūru sachlich zu Pelto, „Und so, wie ich die Sache einschätze, geht es bei diesem Streit um eine Frau. Das sehe ich schon an der Eifersucht in ihren Augen.” Der Aldoraner nickte. „Die Götter haben Euch mit Weisheit gesegnet.”, antwortete der Graumelierte respektvoll, „Ihr habt Recht. Die beiden streiten sich tatsächlich um eine Frau.” Die Augenbrauen des Xendava-Anführers kletterten nach oben. Pelto lächelte über die stumme Frage Mandūris. „Nein, es geht nicht um Eure liebreizende Tochter Dilāra.”, erklärte der Alte dem Xendava, „Es geht viel mehr um die Ehefrau des blonden Ulani. Anscheinend herrscht zwischen den beiden noch eine uralte Rivalität aus der Studienzeit.” Kelūru zog nachdenklich die Stirn in Falten. „Vielleicht ist es besser, wenn sie die Sache heute endgültig klären könnten.”, meinte Mandūri mit Nachdruck, „Auf einer gefährlichen Reise wie dieser sollte keine Gruppe zerstritten sein, damit keine Konflikte ausbrechen, wenn man in ernsten Schwierigkeiten kommt. Das ist ein Luxus, den sich hier niemand leisten kann. Am besten ist es, wenn die beiden sich wieder vertragen würden. Das Problem muss auf jeden Fall aus der Welt geschafft werden, damit sie niemanden auf der Reise gefährden. Je früher umso besser.” Der Aldoraner nickte. „Ich verstehe.”, sagte Pelto und übersetzte mit Nachdruck in seiner Stimme die Aussage Kelūrus ins Ulanische.

Beschämt hörten sich die beiden Ulani Peltos Übersetzung an, ohne ein Wort zu sagen. Nachdem der Aldoraner geendet hatte, sahen sich Tabrun und Simdu gegenseitig an. Der Zorn in ihren Augen war für alle Anwesenden unübersehbar. Es dauerte eine Weile, bis Tabrun als erster reagierte. Er nickte und blickte kurz darauf in die Runde. „Ich bitte hiermit für mein unschickliches Verhalten alle um Verzeihung.”, sagte er nach mehrmaligen Räuspern, wobei jeder es ihm ansah, wie schwer es dem Ulani fiel, seinen Zorn unter Kontrolle zu halten, „Ich wollte niemanden durch meine Tat kränken oder gar beleidigen.” Rasch wurden die Worte des schwarzhaarigen Ulani ins Oskonische übersetzt. Dann blickten sie alle Simdu erwartungsvoll an, der bisher seinen Rivalen nur wütend angestarrt hatte. Wenig später ließ auch er seine Schultern sinken und entschuldigte sich ebenfalls. „Vielleicht sollten Tabrun und ich die Sache klären, wenn wir wieder zu Hause sind.”, fügte er hinzu, „Ich hatte auf keinen Fall vorgehabt, jemanden durch mein Verhalten in Schwierigkeiten zu bringen.” Kelūru begann zu lächeln. „Na also.”, sagte er etwas zufriedener, „Vielleicht wart Ihr nur nicht unseren Wein gewohnt, der ja recht kräftig ist. Zumindest wird das immer wieder von allen Leuten behauptet, die mal unsere Gäste waren. Trotzdem denke ich, dass es wohl besser wäre, wenn man sich langsam zur Nachtruhe begibt. Morgen ist ein neuer Tag.” Ernst sah Mandūri die Anwesenden an. Es dauerte nicht lange und die Runde löste sich leise murmelnd langsam auf. Als Kelūru zusammen mit seiner Tochter Dilāra und Kejtar Sāmoš bei den Gästen zurückblieben, machte der Anführer der Xendavas dem kleineren vollbärtigen Mann ein Handzeichen. Sofort verneigte sich dieser vor seinem Herrn.

„Zeige unseren Gästen das Zelt, das für sie vorbereitet wurde.”, befahl er. Kejtar nickte und verbeugte sich wieder vor Kelūru. „Jawohl, mein Gebieter.”, sagte er, „Ich kümmere mich sofort darum.” Mandūri nickte zufrieden und entließ ihn mit einer kurzen Handbewegung. „Kejtar wird Euch nun Eure Unterkunft zeigen, in der Ihr die Nacht verbringen könnt.”, sagte er zu Pelto, „Und wenn etwas sein sollte, so scheut Euch nicht, nach Kejtar Sāmoš, Dilāra, meiner Frau Temka Dajhān oder nach mir zu rufen. Mögen die Götter allen eine geruhsame Nacht schenken.” Mit diesen Wort verließ der Anführer der Xendavas die Gruppe und verschwand kurz darauf in seinem eigenen Zelt. Rasch folgte die junge Xendava ihrem Vater und war nach wenigen Augenblicken in ihr eigenem Zelt verschwunden. Besonders fasziniert sah Mandrak dem jungen Mädchen nach, bis er sie nicht mehr sehen konnte.

„Kommt.”, sagte Kejtar leise und stieß dabei Pelto leicht mit seinen Ellenbogen an, „Ich zeige Euch das Zelt, wo Ihr schlafen könnt.” Wortlos folgten die drei Ulani und der Aldoraner dem schwarzhaarigen Xendava, bis dieser vor einem großen Zelt stehen blieb. Mit seiner Hand wies er auf den Eingang. „Dort könnt Ihr schlafen.”, sagte er fast flüsternd, „Wenn Ihr etwas braucht, dann ruft mich. Mein Zelt steht links neben dieses hier.” Pelto blickte in jene Richtung, in der Kejtar mit seiner Hand wies.

„Es ist alles im Zelt, was Ihr in dieser Nacht möglicherweise noch brauchen werdet.”, fuhr der Xendava mit seiner rauen Stimme fort und betrat dabei zusammen mit den Gästen das Zelt, „In den Krügen ist genügend Wasser für alle und auf dem Tisch findet Ihr frisches Obst.” Pelto nickte und dankte Kejtar im Namen seiner Arbeitsherren und auch in seinem eigenen. Der Xendava verabschiedete sich und verließ kurz darauf die Unterkunft. Als die drei Ulani und Aldoraner wieder allein waren, legten sie sich rasch zum schlafen hin, denn sowohl Mandrak, Tabrun, Simdu und auch Pelto mussten feststellen, wie müde sie doch in Wirklichkeit waren. Es dauerte nicht lange, bis sie alle tief und fest schliefen.

Erschrocken fuhr Mandrak aus dem Schlaf. Aufmerksam ließ der Ulani seinen Blick durch das dunkle Zelt schweifen, ohne sofort etwas zu bemerken. Abgesehen von den regelmäßigen Atemzügen seiner Reisebegleiter im Zelt konnte er weder etwas hören noch sehen, was ihm seltsam vorkam. Aber Mandrak war sich sicher, dass er ein Geräusch gehört hatte. Wenig später hörte er wieder jenes Geräusch, das ihn aus den Schlaf geholt hatte. Es war ein sehr leises Schnurren. Der junge Ulani stand nach einigen Augenblicken auf. Vorsichtig schlich er in jene Richtung, aus der er das Geräusch gehört hatte. Erschrocken zuckte er zusammen, als er gegen den Tisch mit den Krügen und dem frischen Obst stieß. Reflexartig griff er nach einen der Krüge, der dicht am Rand stand und durch die Berührung runterzufallen drohte. Erleichtert ließ Mandrak die Luft aus seinen Lungen entweichen, als er das Gefäß wieder auf seinen Platz zurückstellte. Dann taste er sich weiter vor. Nach zwei weiteren Krügen ertastete er die erste Schale, auf der frisches Obst lag. Wenig später berührte er bereits die zweite Schale, wobei eine der Tekkos aus der Schale fiel und über den Tisch rollte. Mandrak konnte sie rechzeitig festhalten, bevor die Frucht vom Tisch fallen konnte. Vorsichtig legte er sie wieder in die Schale zurück, wo sie herausgefallen war. Überrascht hielt er inne, als er dabei etwas Pelziges berührte, das sich sofort zu ihm umdrehte und Mandrak böse anfauchte und kratzte. Erschrocken zog der Hellbraunhaarige seine Hand zurück und betastete die blutende Wunde. Ein orangefarbenes Augenpaar starrte den Ulani an, bevor das Tier fast lautlos vom Tisch sprang und davonhuschte. Nur schemenhaft konnte er jenes flüchtendes Tier erkennen, dass mit einer Vukuva, die es als Beute in seinen krallenbewehrten Vorderläufen festhielt. Rasch erreichte das Tier den Ausgang und verließ das Zelt, ohne sich nach seinen vermeintlichen Verfolger umzusehen. Mandrak blieb seufzend im Zelt zurück. Kurz darauf füllte der junge Ulani etwas Wasser in eine Schale und wusch darin seine Hände. Nachdem er damit fertig war und festgestellt hatte, dass die Blutung wieder aufgehört hatte, legte er sich wieder schlafen.

Kurz vor Sonnenaufgang ließ Kelūru bereits das Lager abbauen und alles für die Fortsetzung der Wanderschaft zusammenpacken. Pelto war als erster wach geworden und weckte seine ulanischen Arbeitsherren. Müde und verschlafen verließen sie das Zelt und gingen mit Kelūrus zum Schutz abkommandierten Leuten als Begleitung zur Wasserstelle. In sicherer Entfernung blieben die Xendavas stehen, als die drei Ulani und der Aldoraner ein ausgiebiges Bad nahmen. Anschließend kehrten sie wieder zu jenem Zelt zurück, das ihnen als Nachtlager gedient hatte. Nach dem Essen nahm Mandrak seine leeren Wasserschläuche mit und kehrte allein an die Wasserstelle zurück, um diese aufzufüllen.

Rasch begann er die Schläuche direkt an der Quelle aufzufüllen. Als er damit fertig war, hing er sie sich wieder über seine kräftigen Schultern und machte sich auf den Rückweg ins Lager, als ein Geräusch im Busch zwischen den Bäumen ihn innehalten ließ. Vorsichtig legte er den Wasservorrat wieder ab. Kurz darauf tauchte eine Gestalt auf, die er sofort erkannte. Die junge Frau trug dezente Kleidung, die ihren wohlgeformten Körper gut betonte. Dilāra begann zu lächeln, als sie Mandrak erblickte und sagte etwas in ihrer Muttersprache zu ihn, was er aber nicht verstand. Verlegen begann er das Lächeln der jungen Frau zu erwidern und begann sich zu ärgern, als er nur ein unverständliches Krächzen zustande brachte. Dicht vor dem schüchternen Ulani blieb sie stehen und sah den jüngsten Sohn Gūrads an. Geduldig wiederholte sie ihre Frage und wies diesmal dabei mit ernster Miene auf seine verletzte Hand. Mandrak verstand immer noch nicht, was sie sagte. Zu seiner Überraschung griff sie nach seiner Hand und betrachtete die Verletzung. Mandrak blickte nun ebenfalls auf seine Hand, als hätte er sie zum aller ersten Mal gesehen und wüsste gar nicht, was er damit anfangen sollte. Mit einen Finger deutete sie auf die verkrustete Wunde und sagte erneut etwas. Aufmerksam sah Dilāra Mandrak an, der sie nur schüchtern ansah. „Das ist...also das habe ich....”, begann er zu stottern. Kelūrus Tochter begann verständnisvoll zu lächeln.

Kurz darauf stieß sie einen Pfiff aus. Nach mehrmaligen Rascheln im Gebüsch huschte ein kleines Kundo aus dem Dickicht und richtete sie direkt vor Dilāra zu seiner vollen Größe auf. Es war ein Nagetier, das ein Halsband trug und deren Augen orange waren. Sofort erkannte Mandrak jenes Geschöpf wieder, das ihn in der vergangenen Nacht aus den Schlaf gerissen und später am Tisch verletzt hatte. Sofort deutete er Dilāra zuerst auf seine verletzte Hand und anschließend auf das Tier. „Dafür ist das Biest verantwortlich.”, sagte er, „Es hat letzte Nacht unserem Zelt einen heimlichen Besuch abgestattet und eine Vukuva stibitzt.” Verständnis leuchtete nach einigen Momenten in ihren blauen Augen auf, als sie verstand, was Mandrak ihr mitteilen wollte. Sofort sagte sie etwas tadelnd zu dem Tier, das augenblicklich zusammenzuckte. Dann versetzte die junge Frau dem Kundo noch zusätzlich einen kleinen Klaps. Kurz darauf flitzte es wieder in Richtung des Lagers, das gerade abgebaut wurde, davon und verschwand im Gebüsch. Mandrak griff nach seinen gefüllten Wasserschläuchen und wollte ebenfalls wieder ins Lager zurück, als Dilāra den jungen Ulani zurückhielt. Gūrads jüngster Sohn sah sie fragend an.

Kelūrus Tochter ging zu einen Busch und pflückte dort ein paar dunkelgrüne Blätter ab, mit denen sie wieder zu Mandrak zurückkehrte. Vorsichtig entfernte sie das getrocknete Blut auf dem Handrücken des jungen Ulani und legte anschließend die Blätter darauf. Wenig später ging sie noch einmal zu den Büschen hin und rupfte dort etwas heraus, das aussah wie ein dünnes breites Band, das sich zu den Seiten verjüngte. Sorgfältig verband sie damit Mandraks Hand. Als sie fertig war, begutachtete sie ihr Werk und nickte nach einen kurzen Augenblick zufrieden. Auch der Hellbraunhaarige sah sich das Werk an. „Danke für deine Hilfe.”, sagte Mandrak auf Ulanisch, als er seine Wasserschläuche wieder aufhob. Dilāra lächelte. Zusammen kehrten sie ins Lager zurück, das bereits komplett abgebaut war. Direkt vor ihrem Reittier blieb sie stehen und blickte dem Ulani nach, bis dieser seinen Bruder und seine beiden Begleiter erreicht hatte, von denen er schon vermisst wurde.

Abschlusshinweise zum Kapitel:

keine

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