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Hinweise zur Geschichte:

Star-Trek-Kurzgeschichte

Ich war aus dem Bus gestiegen. Eigentlich war das nichts Ungewöhnliches. Das
tat ich jeden Werktag, wenn ich von der Arbeit kam. Das Ungewöhnliche folgte
auf dem Fuß, und zwar in Form einer Frauenhand, die mich in Richtung unserer
Wiese zog. Es war nicht meine Mutter, so viel konnte ich sagen. Meine
Versuche, sich aus ihrem Griff zu befreien, blieben erfolglos.

Endlich blieben wir stehen. Sie ließ mich los und kramte in ihrer Tasche.
„Ich nehme an, du wirst nicht weglaufen.”, sagte sie bestimmt. Jetzt
erkannte ich ihre Stimme. „Jenna?” Dass ich sie erkannt hatte, entlockte ihr
ein erleichtertes „Uff.” Dann hatte sie offensichtlich gefunden, wo nach sie
gesucht hatte. „IDUSA.”, sprach sie in ein Mikrofon. „Öffne die Luke und
lade meine und Betsys Neurotabelle, damit sie dich auch sehen kann.” Der
große hohe Gegenstand vor uns machte: „Bss, klack.” und dann half Jenna mir,
den Einstieg zu überwinden. Mit einem weiteren „Bss, plong.” schloss sich
die Einstiegsluke wieder. „Ich kann es nicht glauben!”, rief ich aus. „Du
holst mich tatsächlich mit IDUSA ab, Jenna?” „Ja.”, antwortete die Frau aus
der Zukunft. „Mit IDUSA, tatsächlich. Oder wäre dir ein Düsenjet lieber?”
„Oh, Jenn’!”, entfuhr es mir in Begleitung eines tierischen Lachanfalles.
„Du weißt doch genau, was ich meine.” „Keine Angst!”, entgegnete Jenna fast
streng. „Die kleine Geschichtsveränderung wird keinen kratzen. Mehr noch,
sie ist gewollt und nun vertrau mir einfach.” Bei ihren letzten Sätzen klang
sie schon wieder fast wie Major Carter. „Gehen Sie doch nicht so mit ihr um,
Jenna.”, mischte sich IDUSA, die künstliche Intelligenz, ein. „Warum nicht,
IDUSA?”, wies Jenna den Schiffscomputer zurecht. „Dann hat sie auf dem Flug
zumindest was zum Denken.”

Jenna sollte Recht behalten. Den ganzen Flug über musste ich daran denken,
warum sich die Sternenflotte dazu hinreißen lassen sollte, eine Zeitreise zu
erlauben, noch dazu, das in die Hände ihrer neuen Alliierten, der
Beschützer, zu legen, eine Frau damit zu beauftragen, die ursprünglich auch
aus dem 21. Jahrhundert kommt und eine andere Frau aus dieser Zeit entführen
zu lassen.

Ich hatte noch nicht einmal gemerkt, dass wir sowohl die Zeitreise als auch
die interdimensionale Reise hinter uns gebracht hatten und auf einen
Planeten gebeamt waren. „Telshanach.”, ließ sich eine mir wohl bekannte
bärige Stimme vernehmen und jemand rannte auf uns zu. Er umarmte Jenna fest,
hob sie hoch, küsste sie laut schmatzend, setzte sie wieder ab und gab mir
feierlich, fast weise und mit einer langsamen Bewegung, die Hand. „Joran?”,
fragte ich irritiert. „In der Tat.”, gab er zurück und drängte Jenna und
mich, ihm zu folgen. „Was war das denn?”, erkundigte ich mich bei Jenna, die
mich führte. „Sag bloß, du hast vergessen, dass Joran und ich zusammen
sind.”, antwortete Jenna. „Ach, entschuldige, dass ich auf dem Flug so zu
dir war, aber ich war tierisch nervös. In so einer Situation bin ich eine
miese Pädagogin. Ich kann wahrscheinlich besser einem Computer etwas
beibringen als einem Menschen.”

Wir betraten ein Gebäude, in dem sich viele Vendar befinden mussten,
jedenfalls erkannte ich die Sprache, die im Flüsterton gesprochen wurde, als
Vendarisch. Ein Wort fiel sehr oft: „Tarianach.” Da Joran mir einmal gesagt
hatte dass die Vendar die Erde als Taria bezeichnen, konnte das in
Berücksichtigung der Silbe „nach” als anzeigende weibliche Endung nur
Terranerin, also Erdenbewohnerin heißen. „Taria” hatte in Vendarisch aber
noch eine andere Bedeutung, nämlich: „uninteressant, langweilig.” Das war
nicht ungewöhnlich, wenn man bedachte, dass die Vendar auf Terra keine
Telepathen finden könnten, um den Durst der mächtigen Wesen, in deren Dienst
sie vielleicht standen, nach telepathischer Energie zu stillen. So
aufmerksam und konzentriert wie sie schienen, konnten sie das aber auf
keinen Fall meinen. Jenna übergab mich an eine jüngere Vendar, die sich mir
als Sianach, Schülerin von Joran, vorstellte. Sianach führte mich zu einem
Kissen, das auf dem Boden lag und forderte mich in einem leicht
akzentuierten Englisch auf, mich darauf zu setzen. Bevor ich fragen konnte,
was hier eigentlich los war, erklang Jorans Stimme von einem Podest in der
Mitte des Raumes. Er übersetzte, was eine ältere Vendar, offenkundig eine
Priesterin und genau so offenkundig wohl Namach, Jorans Ehefrau, in
Vendarisch sagte, ins Englische. „Heute kamen wir her.”, begann er. „Um
Betsy von Taria in die Kunst des Rituals von Kel Mashâr einzuweisen. Mögen
die Götter unser Tun und das ihre segnen. Unser Unterbrechungswort für
dieses Mal ist Keshaf. Jenna von Taria, tritt nun zu uns.” Jenna betrat das
Podest und erhielt aus Jorans Hand ein Pad und einen Datenkristall. „Die
Timach, also die Vorleserin, weiß auch nie, was sie vorlesen wird.”,
erklärte Sianach.

Jenna las den ersten englischen Satz aus dem Pad vor. Joran übersetzte nun
von Englisch in Vendarisch. Ich erkannte unsere Weihnachtsgeschichte aus
diesem Jahr. Wie waren die da dran gekommen? Gut, ich hatte eines Tages das
Bedürfnis verspürt, sie trotz nerviger Netzwerkverbindungsfenster noch
einmal im Internet nachzulesen. Die Beschützer waren Telepathen. Sollten sie
am Ende …

Die Vendar hielten es vor Spannung kaum aus. Zumindest erklärte mir Sianach
leise, dass sie ziemlich gespannte aber gleichzeitig erfreute Gesichter
machten. Auch Joran konnte fast nicht mehr. Er musste sich mehrmals leise
ermahnen, konzentriert zu bleiben. „Sie halten es fast nicht mehr aus.”,
zischte Sianach mir nach einer Weile zu. „Sag es. Wir dürfen nicht über
diesen Punkt hinaus. Zumindest noch nicht.” Laut schmetterte ich das
Codewort in den Raum. Jenna und Joran unterbrachen darauf die Lesung.

Dies wiederholte sich ab jetzt jeden Abend. Mal waren die Stücke kürzer, mal
länger. Es gelang mir aber jedes Mal, im richtigen Moment zu unterbrechen,
wie Joran lobend erwähnte. Er wusste, dass Sianach mir beim ersten Mal
vorgesagt hatte, fand das aber nicht schlimm. Im Gegenteil, es war auch ihre
Aufgabe gewesen. So gelang es uns, die Geschichte über drei Wochen
hinzuziehen, ohne sie langweilig werden zu lassen. Joran hatte mir verboten,
auf das Betteln einiger nach einem weiteren Stück der Geschichte nach
Beendigung der Lesung einzugehen. „Sie sind tief in der Vorfreude.”,
erklärte Joran, der offenkundig selbst einen schweren Kampf mit sich führte.
„Versage ihnen das nicht, indem du alles verrätst.” „Kapiert.”, gab ich
zurück. „Info Häppchenweise und manchmal nur fürs Auge.”

Am Ende musste ich eine Menge Hände schütteln. Einige davon waren sogar
extrem schwitzig. Andere zitterten vor einer wohligen Entspannung weichender
Spannung. Mittlerweile hatte ich gelernt, dass „Telshanach” „Liebling”
bedeutete.

Jenna und IDUSA brachten mich zurück. Wieder auf der Wiese schärfte Jenna
mir ein: „Du musst das unbedingt deinen Freunden beibringen. Sie können es
auf jede Star-Trek-Serie anwenden, damit dies alles weiter existiert. Dann
haben dieser Mr. Schwarzenecker und seine sauberen Freunde keine Chance.”

Damit stieg sie in IDUSA und verschwand.

Als ich an diesem Nachmittag Matthias’ Mail las, wurde mir ganz schwummerig.
Ich hatte nämlich davon geträumt, bevor ich überhaupt über den neusten
Streich von Mr. S. gelesen hatte.

ENDE
von Bianca Trs, Januar 2009

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