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Ich bin´s wieder, Flexy.

Auf der Hippo war Weihnachten eingekehrt, das erste Weihnachten draußen im All.

Da zu Weihnachten die Herzen offen sind und voller Verständnis für die Nöte Anderer, hatte Soleta sich entschieden, eine Resolution einzubringen, mit der sie durchsetzen wollte, das die Crew der Hippo künftig jegliche Art Leben auf jedem Planeten als vollständig, selbständiges denkendes und fühlendes Individuum anerkannte – was letztlich zur Folge gehabt hätte, dass jeder Stein auf jeder Außenmission eine Lebensform darstellte, wenn er unter irgendwelchem Viecherbefall litt.

So war es nicht verwunderlich, dass mon capitaine Carter davon ganz und gar nicht erbaut war und Soletas gut gemeines Werk mit einem klaren „So ein Blödsinn!“ ablehnte. Da half auch logische Argumentation nichts.

Carter schnaubte: „Ich werde meine Meinung nicht ändern, Soleta. Was Sie da vorschlagen, ist absurd und kostet unnötig Zeit. Wir haben bereits sehr klare Vorschriften, was Lebensformen angeht. Ich will nichts mehr davon hören....ich werde meine Meinung nicht mehr ändern, denn ich ändere meine Meinung nie. Selbst wenn eine Zuckerstange hier vor mir stehen und mich darum bitten würde!“

Danach sahen wir Soleta tagelang nicht mehr. Sie hatte sich in ihrem Quartier eingeschlossen, nachdem sie sich krank gemeldet hatte.

„Ich wusste nicht, dass eine emotionslose Frau wie sie derart emotionsgeladen schmollen kann.“, schmunzelte Tr`Vak, als ich, er und John Soleta einen Besuch abstatteten. Wir hatten die Türklingel noch nicht einmal angerührt, da fauchte es gerade zu von innen: „Geht weg.“

„Soleta, bitte. Wir sind doch deine Freunde...“, bat John. „Nimm es dir doch nicht so zu Herzen, du weißt, wie Carter ist. Schau, ich habe sogar extra für dich einen fettfreien und mit leckeren Früchten gefüllten Lebkuchenmann gebacken. Mach´ doch bitte auf.“

Es blieb eine Weile still, dann erschien Soleta. Ihre Miene verriet nichts, aber da war ihr Blick der alles sagte. Carter hatte sie persönlich getroffen und es nagte an ihr. Sie nahm John das Tablett mit dem Gebäckstück ab. „Danke. Aber sich etwas zu Herzen zu nehmen, ist unlogisch.“ Und schon war sie wieder drinnen.

„Wenigstens mag sie meinen Kuchen.“, seufzte John. Tr`Vak hieb ihm auf die Schulter, so heftig, dass John fast einbrach. „Keine Sorge...Unkraut vergeht nicht...vulkanisches erst recht nicht.“

Tatsächlich gingen einige Tage ins Land, dann erschien Soleta eines Morgens pünktlich zum Dienst auf der Brücke. D. h. sie blieb halb im Lift stehen und schaute Carter demonstrativ an.


„Möchten Sie nicht reinkommen? Es zieht!“, brummelte der. „Oder möchten Sie den Dienst quittieren?“ - „Ganz im Gegenteil, Sir.“, sagte Soleta ruhig. „Ich möchte Ihnen vielmehr unser neues Besatzungsmitglied vorstellen.“ - „Besatzungsmitglied? Wieso weiß ich davon nichts? - Dooonner!“, schnauzte er ins Interkom, gemeint war der Erste Offizier. Der meldete sich auch sofort. „Ja, Sir?“ - „Wir haben ein neues Besatzungsmitglied und ich weiß davon nichts?“ - Tut mir leid, Sir...aber wir haben definitiv kein neues Mitglied.“

Carter blickte Soleta böse an, diese erwiderte nur kurz: „Er irrt. Ich selbst brachte das Mitglied an Bord.“- „Illegal?“, kreischte Carter. - „Natürlich nicht. Eigentlich befand er sich schon hier, aber ich habe ihn erst mit dem Nötigen versorgt.“

Endlich trat sie aus dem Lift heraus. Etwas kam an ihr vorbei, nicht größer als ihr Knöchel.

„Ein Lebkuchenmann??!“

Tatsächlich stand vor Soleta John´s Lebkuchenmännchen. Mit nur einem Unterschied. Der hier war quicklebendig und konnte sogar sprechen.

"Guten Tag, Sir. Ensign Küchle meldet sich zum Dienst.“, sagte die kleine Piepsstimme ernst und der Lebkuchenmann salutierte.

„Äh...ja...Ensign...rühren...Soleta...verdammt noch mal...was soll denn das?“ Carter war völlig aus dem Häuschen.

„Nun, Sir.“, setzte Soleta an. „Nach Ablehnung der Resolution erinnerte ich mich an Ihre Worte, dass Sie Ihre Meinung selbst dann nicht ändern würden, wenn eine Zuckerstange Sie darum bitten würde. Nun...eine Zuckerstange konnte ich leider nicht auftreiben, dafür aber dieser Lebkuchen hier. Ich habe ihm auf medizinischem Wege erlaubt, Intelligenz zuzufügen. Er ist nun eine eigenständige Lebensform und hat das Recht, als solche anerkannt und behandelt zu werden!“

„Entschuldigung, Sir...wo kann ich anfangen? Steht schon fest, in welche Abteilung ich kommen werde?“, fragte Küchle.

"In gar keiner...ich meine...Soleta...das ist nicht Ihr Ernst. Ich meine, sollen wir in Zukunft unsere Schiffe durch Lebkuchenmänner fliegen lassen, die von gebrannten Mandeln kommandiert werden und deren Zuckerstangen im Maschinenraum arbeiten? Und als Antrieb nehmen wir kein Dilithium mehr, sondern Glühwein?“

„Es geht mir nur um das Prinzip.“, entgegnete Soleta bockig. „Dies ist nun eine Lebensform und ich erwarte Sonderregelungen für sie.“

„Der Kommandostab enthebt mich, wenn ich ihm sage, dass unser neues Mitglied ein Lebenkuchenmann namens Küchle ist.“, stöhnte Carter.

„Was ist daran so ungewöhnlich? Glauben Sie, ich schaff das nicht?“, piepste es neben Soleta.

„Das habe ich nicht gesagt. Aber unsere Schiffe sind nicht für Lebkuchenmänner gemacht.“ - „Dann werde ich der erste sein, für den es gemacht wird. Ich bin jung, ich strotze vor Energie...ich kann...“

„Wow...ein Lebkuchenmännlein. Cool!“ Zwei starke Hände schoben sich aus dem Turbolift, hoben den verblüfften Küchle hoch – und mit einem zufriedenen Schmatzen verschlang das antikanische Besatzungsmitglied die neu geschaffene intelligente Lebensform.

So endete Soletas Experiment – in der Hoffnung, dass sie es nicht wiederholte. Es hieß, am darauf folgenden Ostern habe man sie mit Schokohasen verschwinden sehen.

 

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