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Argus hatte Joran inzwischen zu Logar geführt. Der Vendar hatte dem imperianischen König alles erklärt. „Das ist ein ungeheurer Hoffnungsschimmer, Joran.“, hatte der Herrscher erleichtert geantwortet. „Kannst du sagen, wann es so weit ist und ob Valora dir gesagt hat, ob das Pferd auch damit einverstanden ist?“ „Eure erste Frage kann ich Euch leider nicht beantworten, Milord.“, sagte Joran ehrfürchtig. „Die zweite schon. Valora hat mit dem Geist des Pferdes Kontakt aufgenommen und ihm beziehungsweise ihr alles erklärt. Sie sagt, dass sie einverstanden ist, sich ihren Körper ab jetzt mit Valora zu teilen.“ „Dessen bist du wirklich sicher?“, versicherte sich Logar. „In der Tat, mein König.“, antwortete Joran. Dann ging er wieder zu den Gauklern zurück, um mit ihnen für das Stück zu proben. Trotz der politischen Situation hatte Logar die Aufführung nicht verboten. Auf keinen Fall wollte er sich seiner Tochter mental geschlagen geben, was auch bedeutete, dass er weiterhin Meinungsfreiheit an seinem Hof gelten ließ.

Telzan hatte den Kontaktkelch allein benutzt. Deshalb war er über das, was er jetzt sah, auch nicht wirklich sicher. „Bitte schaut mit mir durch den Kelch, Milady.“, bat er Sytania. Diese legte wie er ebenfalls eine Hand auf den Fuß des Kelches, gab ihm die andere und konzentrierte sich darauf. Plötzlich erschauerte sie. „Was muss ich sehen!“, rief sie aus. „Ein Waffenstillstand! Das kann doch nicht wahr sein! Ein Waffenstillstand! Jetzt werden sie alles genau unter die Lupe nehmen und am Ende kommen sie mir noch drauf! Das darf nicht passieren! Nein, das darf nicht passieren!“ Sie raufte sich ihr langes schwarzes Haar. „Das wird auch nicht passieren, Milady. Grämt Euch nicht.“, tröstete Telzan. „Was meinst du damit!“, fragte Sytania wütend. Dann schickte sie nach einer ihrer Hofdamen, die ihr ein Tablett mit Gläsern bringen musste. Diese warf sie eines nach dem anderen gegen die Wand. Telzan wartete geduldig den Wutausbruch seiner Herrin ab. Als sie sich wieder gefangen hatte, sagte er: „Ich werde als erstes morgen Valoras Körper von dem Metzger zurückkaufen. Dann werde ich mit meinen Leuten nachsehen, ob die Sternenflotte oder gar die Tindaraner ein Schiff schicken. Falls ja, solltet ihr Eurem Vater eine kleine Handreichung darbieten. Sagt, Ihr wollt Euch mit ihm versöhnen und zu seinen Ehren ein Gelage feiern, zu dem natürlich auch die Fremden herzlich eingeladen sind. Es gebe einen trefflichen Rehbock, den Eure Jäger zu diesem Anlass extra geschossen hätten. Wenn man Valora das Fell abzieht, kann rein visuell niemand ihr Fleisch von dem eines Rehs unterscheiden. So haben wir Euren Vater und die Fremden gleichermaßen demoralisiert, denn erst am Ende des Mahles werden sie erfahren, was sie wirklich gegessen haben.“ „Oh, Telzan.“, keifte die Prinzessin, stieg von ihrem Thron und warf ihre Arme um ihn. Dann flüsterte sie in hoch erregtem Zustand: „Ich habe dich nicht ohne Grund zum Anführer meiner Vendar ernannt! Nicht ohne Grund!“

Shimar und ich waren in die Simulationskammer gegangen, um dort gleich das praktisch auszuführen, über das wir gerade theoretisch gesprochen hatten. Ich ließ uns ein Sternenflottenshuttle simulieren. „In der ersten Runde tastest du nur mit.“, instruierte ich ihn. „Dann fliegst du. Bitte nicht wundern. Ich lasse IDUSA für den Start einen platonischen Antrieb und für die Landung einen celsianischen benutzen. Hat man zwar noch nie gesehen, dass sich während des Fluges der Antrieb verwandelt, aber, in der Simu-Kammer ist alles möglich.“ „Mein schräges Kleines!“, rief er erfreut aus. „Das hätte ich sicher nie programmiert. Dafür bin ich zu konventionell. Aber noch mal was anderes. Wie hast du dir vorgestellt, soll ich mittasten. Es gibt in heutigen Shuttles keine altertümlichen Steuerknüppel mehr, die sich mit bewegen. Also, wie …“ „Aber du hast einen telepathischen Geist.“, erinnerte ich ihn. „Du kannst fühlen, was ich fühle, wenn du willst.“ „Bist du sicher, Kleines, dass du eine derart enge Verbindung zwischen uns zulassen kannst?“, fragte er besorgt. „Versuch es einfach.“, lächelte ich.

Seine Versuche waren erfolgreich. Nicht nur in der Hinsicht, dass ich zulassen konnte, dass er permanent in meinem Geist war, auch bezüglich der Fliegerei half ihm die Verbindung mit mir sehr weiter. Er wusste jetzt, was er erreichen musste.

Ich hatte das Shuttle heil auf den Boden gebracht. „Jetzt bin ich dran.“, sagte Shimar energisch. „Setze bitte das Pult unter Energie. Dann müssen wir nicht erst die Plätze tauschen.“ „Wie du willst.“, lächelte ich. Dann wendete ich mich an den Shuttle-Computer: „Computer, Kontrolle auf das rechte Steuerpult überschreiben.“ „Befehl wird ausgeführt.“, kam es sachlich zurück.

Schon beim Start war Shimar von sich selbst überrascht. „Das kann doch nicht wahr sein.“, bemerkte er. „Wow, sie macht ja gleich, was ich von ihr will und das ohne Krampf, Kampf und gutes Zureden.“ „Sage ich doch.“, erwiderte ich zufrieden.

Die Landung nach einer Platzrunde fühlte sich an, als würden wir in ein weiches Kissen fallen. „Klasse!“, sagte ich erfreut. „Mit einem Wort, klasse!“ „Das habe ich nur dir zu verdanken.“, schob Shimar den verbalen Lorbeerkranz von sich. „Du bist eine super Fluglehrerin!“ Er nahm mich fest in den Arm. Dann flüsterte er: „Hätte nicht gedacht, dass man sogar mir noch was beibringen kann.“ Wir beendeten das Programm und verließen die Simulationskammer.

Shannon und Joran saßen in dem Zelt, das Ticione ihnen gegeben hatte. Joran grinste über beide Ohren. „Was ist so witzig, Grizzly?“, wollte Shannon wissen. „Es ist nichts Witziges.“, erklärte Joran. „Eher etwas Niedliches. Piccolina hat mich gefragt, wozu der Buckel in meinem Nacken gut ist. Ich habe ihr erklärt, dass da Valora drin ist.“ „Klar.“, erwiderte die blonde Irin. „Weitere Zusammenhänge sind für ’ne 4-jährige auch noch zu schwer.“ „Das ist nicht der Punkt!“, entgegnete Joran etwas energischer. Er hasste es, wenn man ihn einfach unterbrach. „Was ist dann das Entscheidende.“, drängte Shannon auf eine rasche Antwort. „Sie hat ihre kleine Hand auf meine Sifa gelegt.“, berichtete Joran. „Dann hat sie ganz enttäuscht geschaut und gemeint, man fühlt ja nichts. Darauf habe ich ihr gesagt, dass sie ja auch keine Telepathin ist.“ „Knuffig!“, rief Shannon aus. „Das ist typisch Kindermund!“ „In der Tat.“, bestätigte Joran.

Shannon tippelte nervös von einem Bein auf das andere. „Bitte setz dich, Shannon O’Riley.“, bat Joran. „Du machst mich ganz nervös und es mir somit unmöglich, das Fütterungsritual zu beginnen.“ „Sorry.“, flappste Shannon zurück und ließ sich neben ihn auf den Boden fallen. „Zufrieden?“ Joran nickte. „Du kannst nicht zufällig genau sagen, wann es so weit ist?“, fragte sie. „Nein.“, antwortete Joran schon ziemlich weit weg. „Ich meine nur, es wäre vielleicht gut, den Zeitpunkt zu kennen wegen Ticiones Stück und der politischen Situation.“ „Keine Sorge.“, tröstete Joran. „Ich kann versuchen, Valora zu fragen.“ „Dann mach’ das.“, antwortete Shannon. „Mir wär’ echt wohler dabei, weest de?“

Shimar und ich befanden uns in unserem gemeinsamen Quartier. Ich lag auf dem Bett neben ihm und genoss das Kopfkino, das er mir vorführte. Plötzlich brach er die Verbindung ab und fragte mich: „Mache ich etwas falsch?“ „Was meinst du?“, fragte ich zurück. „Du scheinst mit irgendwas nicht einverstanden zu sein.“ Ich wurde knallrot. „Hey, ist ja gut.“, tröstete er mich. „Du musst dich doch nicht schämen. Sag mir doch einfach, was los ist. Ich werde dir schon nicht den Kopf abreißen.“ Ich drehte mich um. „Da ist eine Information, mit der ich nichts anfangen kann.“, druckste ich herum. „Welche ist das?“, forschte er nach. Dann änderte er plötzlich seine Körperhaltung als wolle er sich selbst zwingen, sich am Riemen zu reißen und sagte: „Oh, nein, ich dummer Tropf! Du kannst ja mit Farben nichts anfangen. Ich muss ein größeres Augenmerk auf taktile Dinge legen und farbliche Eindrücke ganz weglassen.“ „Kannst du Geschmäcker und Gerüche übermitteln?“, neugierte ich. „Habe ich noch nie versucht.“, gab er zu. „Unter Telepathen gilt das aber als sehr schwierig, weil oft gleichzeitig die eigenen Empfindungen eine große Rolle spielen und oft mit rüber kommen. Aber bisher habe ich ja alles hingekriegt, um das du mich gebeten hast. Also gut, ich versuche es.“ Er stellte sich vor, wie wir Hand in Hand durch einen Rosengarten spazierten. Dabei hielt er mir die eine oder andere Rose unter die Nase. Tatsächlich nahm ich nur den Duft wahr, ohne seine eigenen Empfindungen mit zu bekommen. „Geht doch.“, lächelte ich.

Er hatte mir etwas gezeigt, das wie Waldmeister roch. Gleichzeitig hatte er an das Wort Glibber gedacht. Ich musste lachen. „Ups.“, lächelte ich. „Was ist dir denn da passiert?“ „Oh.“, erwiderte er. „Da habe ich wohl an die Pleite mit der Götterspeise von neulich gedacht. Die habe ich in IDUSAs Datenbank entdeckt und habe gedacht, es wäre was Besonderes, was Fluffiges, das du auch mögen könntest. Ich hatte ihr befohlen, das ganze Sortiment zu replizieren, damit du dir was Gutes aussuchen könntest. Aber dann kamen Schüsseln mit rotem Glibber, grünem Glibber, gelbem Glibber und so weiter aus dem Replikator. Ich habe Jenna die Fehlfunktion sofort gemeldet, aber sie hat gelacht und gesagt, es sei alles OK.“ Ich lachte: „Oh, Backe, Shimar. Gut, dass du mir das gesagt hast. Ich mag nämlich auch keinen Glibber, beziehungsweise keine Götterspeise.“ Shimar musste ebenfalls lachen. „Da wäre ich ja total im Fettnäpfchen gelandet. Aber, eure Götter müssen echt komisch drauf sein, wenn sie auf Glibber stehen.“

Zirell hatte gerade einen SITCH mit der Zusammenkunft hinter sich gebracht. „Sie wollen endlich Resultate.“, fasste sie das Gespräch gegenüber Maron zusammen. „Wahrscheinlich wird es meinem ehemaligen Arbeitgeber ähnlich gehen.“, pflichtete der Demetaner bei. Maron arbeitete seit einem hier nicht näher auszuführenden Zwischenfall nicht länger für die Föderationsregierung, sondern für den tindaranischen Geheimdienst. „Wissen die Regierungen, dass wir den Kontakt zu unserem Außenteam verloren haben, seit IDUSA sie zurücklassen musste?“, fragte Maron. „Ja, das wissen sie.“, antwortete Zirell. „Sie wollen sogar, dass wir ein zweites Team schicken, das noch einmal nach dem Rechten sieht und Sytania stoppt. Shannon und Joran kann sonst etwas geschehen sein. Am Ende sind sie sogar Gefangene Sytanias.“ „Das schließe ich aus!“, erwiderte Maron energisch. „Joran kennt Sytania zu gut und Shannon wird sich nicht von seiner Seite wagen, wie ich sie einschätze.“ „Ihr demetanischen Seelentröster.“, entgegnete Zirell. „Wie macht ihr das nur immer, dass ihr die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt findet?“ Maron grinste: „Das wird für immer unser süßes Geheimnis bleiben. Wir sollten jetzt aber über einen Schlachtplan nachdenken, den wir den Regierungen vorlegen können.“

In einer einzelnen Box stand das alte kranke Pferd. Argus hatte es immer allein gefüttert, da es im großen Laufstall keine Chance mehr hatte, überhaupt an Futter zu kommen. Die anderen Pferde, die viel schneller und stärker waren, hatten ihm immer alles weggefressen. Außer dann, wenn Kipana sich eingemischt hatte, die alte kranke Stute war nämlich Kipanas beste Freundin.

Nachdem er die letzte Schaufel Heu in die Raufe gehäuft hatte, wurde der Junge plötzlich auf einen Schatten aufmerksam. Verschreckt drehte Argus sich um. „Keine Angst, Argus.“, gab sich Joran zu erkennen. „Was machst du hier?“, fragte Argus erstaunt. „Valora wünscht es so.“, antwortete der Vendar ehrerbietig. „Sie will, dass ich das Fütterungsritual in der Nähe ihres neuen Körpers durchführe. Ich kann es nicht sicher sagen, aber ich denke, dass sie bereits in Kontakt mit dem Geist des Pferdes steht und versuchen will, dass sie sich leichter an ihre Anwesenheit gewöhnen kann. So wird es ihr leichter fallen, nachher mit ihr zu leben.“ „Verstehe.“, sagte Argus. „Dann wird es bei Valora und ihr wohl anders laufen, als bei dem Einhorn, das aus Sytanias Geschöpf und einem Ackergaul besteht, den Sytanias Diener irgendwo auf einem Viehmarkt erstanden haben.“ Joran hörte aufmerksam zu. Er witterte anscheinend eine Chance. Jedenfalls stand er aus der Haltung, die er immer für das Fütterungsritual einnahm, auf und sagte: „Erkläre mir auf der Stelle, was du weißt. Jede Information kann wichtig sein.“ „Wie du möchtest.“, sagte Argus und setzte sich auf einen Heuballen. Joran tat es ihm gleich. Dann begann Argus: „Ich habe die jetzige Führerin der Einhornherde in der Schlacht gesehen. Ihre Bewegungen waren irgendwie zögerlich, ja sogar abrupt, als wäre sie sich mit sich selbst uneins. Vielleicht ist der Geist des Ackergauls nicht mit Sytanias Schöpfung in seinem Körper einverstanden und versucht, sie zu bekämpfen. Das könnte heißen, dass …“ Weiter kam Argus nicht, denn Joran umarmte ihn kräftig und freute sich: „Bei allen Göttern, Argus, das ist die beste Information, die ich seit langem bekommen habe. Lass uns zu Logar gehen und ihm berichten. Ich kann das Fütterungsritual auch noch um ein paar Minuten verschieben.“

Shimar und ich gingen über die Station. „Nicht gerade ein romantischer Ort, Kleines, was?“, fragte er und strich über meine Hand. „Das stimmt schon.“, bestätigte ich. „Aber als Sternenflottenoffizierin bin ich es gewohnt, mich mein halbes Leben auf Stationen aufzuhalten. Auch dort kann man es sich gemütlich machen.“ „Stimmt.“, pflichtete mir Shimar bei.

Wieder verging eine ganze Zeit, in der wir uns nur gegenseitig die Hände massierten und verträumt über die Flure streiften. „Es kribbelt.“, flüsterte mir Shimar nach einer Weile zu. „Oh, sorry.“, meinte ich peinlich berührt. „Habe ich dich irgendwo angefasst, wo es jetzt unpassend wäre?“ Er lachte: „Nein. Es ist nur wegen deines Status.“ „Oh, ich mag meinen Status.“, erwiderte ich. „Er ermöglicht mir, mit dir zusammen zu sein.“ „Aus dem gleichen Grund mag ich deinen Status auch.“, entgegnete Shimar und küsste mich.

Weder Shimar noch ich hatten bemerkt, dass wir uns genau vor der Tür des Bereitschaftsraumes befanden. Jedenfalls öffnete sich diese plötzlich und Maron empfing uns mit den Worten: „Genau die zwei, die ich noch gesucht habe.“ Dann warf er mir eine Tasche mit einer replizierten Ausrüstung zu. „Shimar, pack deine Sachen. Dann komm mit Allrounder Betsy zu IDUSAs Andockplatz. Jenna ist schon dort und wartet das Schiff. Auch sie wird uns begleiten. Unser Ziel ist das Dunkle Imperium. Shimar, du wirst an Bord von IDUSA bleiben, und die Mission von oben überwachen. Jenna, Betsy und ich werden runtergehen.“ Shimar hatte sichtlich Mühe, die ganzen Informationen in seinem Kopf zu ordnen. Dann sagte er aber doch: „OK.“, und zog mich mit sich.

Telzan und Sytania hatten das Treiben auf der Tindaranerbasis durch den Kontaktkelch mitbekommen. „Bis jetzt läuft alles nach Plan!“, freute sich Sytania. „Sie schicken ein zweites Team, das ich mit dem größten Vergnügen mit Hilfe deines Plans demoralisieren werde. Davon werden sie aber nichts ahnen, denn ich lasse sie während ihres Weges hier her völlig unbehelligt.“ „Das wäre nicht gut.“, widersprach Telzan. „Wie kommst du dazu, an meinen Ideen zu zweifeln?!“, erboste sich Sytania. Ihr Diener machte ein beschwichtigendes Gesicht und meinte: „So habe ich das nicht gemeint, Herrin. Ich wollte Euch nur warnen. Unter ihnen ist auch Mc’Knight. Sie wird sofort Lunte riechen, wenn etwas zu leicht von der Hand geht. Dann wird sie hellhörig und steckt alle anderen damit an. Der Demetaner vertraut ihr und er leitet die Mission. Wenn also …“ „Verstehe.“, entgegnete Sytania. „Du denkst also, wir können ihnen ruhig ein paar Steine in den Weg legen, damit sie nicht sofort wissen, woran sie sind. Also gut. Ich habe ja auch die Kontrolle über das Wetter. Mal sehen, wie das tindaranische Schiff mit Fallwinden klar kommt.“

Shimar und ich saßen in IDUSAs Cockpit. Jenna und Maron waren in der Achterkabine. „Willst du, oder soll ich.“, flüsterte Shimar mir zu. „Mach du ruhig.“, entgegnete ich. „IDUSA ist schließlich euer Schiff.“ „Sie hätte aber bestimmt nichts dagegen, wenn du sie fliegen würdest.“, warf Shimar mir den Ball im übertragenen Sinne wieder zurück. „Wenn wir hier noch lange diskutieren, hat ’ne alte Oma den Bahnhof bevölkert.“, sagte ich schließlich und wendete mich an IDUSA: „IDUSA, lade unsere Reaktionstabellen und sag uns, wer dich ins Dunkle Imperium fliegen soll.“ IDUSA führte meinen Befehl aus und sagte dann: „Wenn Sie beide sich nicht einigen können, ist es wohl besser, wenn ich uns auf Automatik in die Dimension bringe.“ Damit startete sie selbstständig. „Sie ist eben eine Freundin effizienter Lösungen.“, erklärte mir Shimar das Verhalten der Einheit. „Kann ich mir denken.“, erwiderte ich. „Die Xylianer und die Borg hätten sicher ihre Freude an ihr.“ Bei meinen letzten Worten bemühte ich mich, ein gut hörbares Grinsen in meine Stimme zu legen. „Ich weiß nicht.“, sagte IDUSA skeptisch. „Der Gedanke, langsam aber sicher in einen Borg-Kubus verwandelt zu werden, behagt mir gar nicht. Wenn ich wählen dürfte, dann würde ich lieber das Forschungsobjekt einer Xylianischen Sonde. Die untersuchen einen zwar bis zur Vergasung, aber sie lassen einen zumindest sein, was man ist.“ „Mach dir keine Sorgen, IDUSA.“, tröstete Shimar. „So weit ich weiß, gibt es die Borg, einer gewissen Captain Janeway sei dank, nicht mehr.“ „Was für eine Erleichterung.“, atmete IDUSA auf. „Wir gehen in Kürze in den Interdimensionsmodus.“, informierte sie uns. Ich wusste, dass in Kürze bei IDUSA eigentlich sofort bedeutete.

Nach dem Interdimensionsflug meldete sich Jenna über die Bordsprechanlage. Shimar nahm das Mikrofon und fragte: „Was gibt es, Jenn’?“ „Hast du nicht auch das Gefühl, dass das zu leicht war?“, fragte Jenna zurück. „Merkwürdig ist das schon.“, pflichtete Shimar ihr bei. „Sytania kann es doch nicht gefallen, dass wir einfach so …“ Wir verloren rapide an Höhe. „Bitte werden Sie sich einig!“, redete IDUSA uns ins Gewissen. „Ich brauche in unberechenbaren Situationen die Hilfe von Piloten mit Instinkt und Bauchgefühl. Solche Fallwinde fallen in keine mathematische Kategorie.“ „Schon gut.“, beruhigte ich sie. „Zeig mir die Steuerkonsole.“ IDUSA tat, was ich ihr gesagt hatte und ich lenkte sie seitwärts. Shimar kriegte vor Staunen den Mund nicht mehr zu. „Wow, Kleines.“, sagte er nur. „Anders geht es doch auch nicht.“, sagte ich cool. „Da hast du schon Recht.“, meinte er. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass du so die Nerven bewahrst.“ „Es war keine Wolke am Himmel und dann plötzlich so etwas.“, referierte ich. „Das kann ja nur Sytania gewesen sein. Jenn’ hat mich im Prinzip längst vorgewarnt gehabt. Um uns zu narren, muss Sytania schon früher aufstehen.“

„Tut mir Leid, dass ich das Gespräch zwischen Ihnen zwei Turteltäubchen unterbrechen muss.“, meldete sich IDUSA. „Aber wir sind bei den Koordinaten, an denen sich Allrounder Betsy dem Rest anschließen wird.“ „Ist schon gut, IDUSA.“, sagte ich und griff meine Ausrüstung. „Beame mich zu Maron und Jenna.“ Während des Transportes hörte ich Shimar in meinen Geist sprechen: IDUSA und Ich werden gut auf euch achten. Sag das den anderen.

In der Nähe des Schlosses auf einem Hügel traf ich auf den Rest des Außenteams. Maron und Jenna waren gerade in eine richtig schöne Diskussion vertieft und bemerkten mich zuerst nicht. Erst, als ich Maron auf die Schulter klopfte, drehte er sich um. „Da sind Sie ja, Allrounder.“, sagte er. „Lassen Sie uns jetzt zum Schloss hinuntergehen. Logar wird sich bestimmt freuen. Mc’Knight interpretiert die Situation als nicht sehr rosig, in der sich Logar zu befinden scheint, oder was meinen Sie dazu?“ „Ich kann dazu nichts sagen, solange ich keine Informationen habe, Sir.“, entgegnete ich. „Also gut.“, meinte Maron. „Ich werde Ihnen beschreiben, was ich sehe.“ Er beschrieb mir, wie es rund um Logars Palast aussah. „Klingt ja nicht sehr rosig.“, analysierte ich.

Die tindaranischen Agenten hatten Datas Vernehmung beendet und er durfte sich jetzt frei auf Tindara bewegen. Sein erster Weg führte ihn in die Klinik, wo man Scotty psychotherapeutisch behandelte.

Shimell, seine Therapeutin, hatte gerade die Sitzung beendet. „Für heute soll es reichen, Scotty.“, lächelte die etwa 1,40 m große vollschlanke Tindaranerin mit schwarzem Pferdeschwanz. „Ich habe gerade vom Empfang erfahren, dass Sie Besuch bekommen haben. Gehen Sie ruhig.“ Für Shimell musste es extrem ungewohnt sein, jemanden zu siezen. Die tindaranische Sprache kennt diesen Ausdruck nämlich nur im Zusammenhang der Interaktion zwischen den IDUSA-Einheiten und den Tindaranern selbst.

Data schritt den Gang zu Scottys Zimmer entlang. Hier wollten sie sich treffen. „Hey.“, flapste der Schotte, als er seinem androiden Freund ansichtig wurde. „Haben die Damen und Herren Polypen Sie endlich entlassen?“ „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mit dem Ausdruck Polypen die Agenten des tindaranischen Geheimdienstes meinen?“, versicherte sich Data. Ihm war der Ausdruck durchaus bekannt. Laut seinem Wörterbuchgedächtnis handelte es sich um eine sehr saloppe Bezeichnung für jede Art von Polizisten. „Genaustens, alter Knabe.“, entgegnete Scotty. „Von den Dingern in der Nase rede ich nicht.“ „Ich wollte nur sicher gehen, dass wir beide das Gleiche meinen.“, antwortete Data. „In meinem Leben gab es schon Missverständnisse genug.“

Sie setzten sich in eine Sitzecke im Flur. „In mein Krankenzimmer will ich nich’.“, schnodderte Scotty. „Den ganzen Tag Wände ansehen kann ich noch lange genug. Ich brauch’ frische Luft.“ „Wie Sie möchten.“, erwiderte Data sachlich. Dann schnappte er sich eine Magnetfeld gestützte Gehhilfe, die auf dem Flur stand, schnallte sie Scotty um und betätigte die Fernsteuerung. „Im Umgang mit Patienten habe ich bereits viel von meiner Frau gelernt.“, erklärte Data sein Verhalten. „Ihr Kreislauf ist sicher etwas instabil.“ „Reden Sie keinen Quatsch.“, erwiderte Scotty. „’nen echten Schotten haut so schnell nichts um.“ „Na gut.“, meinte Data und deaktivierte die Gehhilfe, worauf es Scotty schwindelig wurde. Blitzschnell hatte Data mit ein paar kurzen Befehlen an das Gerät Scottys Gleichgewicht wieder hergestellt. „Mein lieber Schwan.“, staunte Scotty. „Das Ding haben Sie aber im Griff.“ „Ich sehe keinen Schwan.“, entgegnete Data irritiert. „Außerdem wäre ein Vogel sicher nicht in der Lage, ein solch komplexes Gerät zu bedienen.“ In Datas letzte Worte mischte sich ein extremer Lachanfall Scottys. „Ich schmeiß’ mich weg, alter Knabe. Oh, Mann, ich mach’ gleich ’n Salto rückwärts und ’n anständigen Flickflack noch dazu. Oh du liebe Güte, ha, ha, ha, hören Sie auf! Sie machen ja immer noch die gleichen Fehler wie am Anfang, dabei sollte man meinen, Sie hätten in diesen fast 1000 Jahren kräftig dazugelernt!“ „Aber das habe ich doch.“, widersprach Data. „Ich habe gelernt, dass es viele Wesen als lustig erachten, wenn ich mit meinem Androidenverhalten kokettiere. Auf diese Weise ist es mir endlich gelungen, das Konzept des Humors zu …“ „Ach so!“, grölte Scotty durch den gesamten Park, in welchem sie mittlerweile angekommen waren. „Hilfe! Ich platze!“, lachte er danach. „Vielleicht sollte ich dann mal die Luft aus Ihnen herauslassen.“, schlug Data vor und beäugte Scotty von oben bis unten. „Ich finde nur leider kein Ventil.“ „Ventil!“, schrie Scotty zwischen zwei Lachsalven. „Das wird ja immer schöner! Du heilige Scheiße sind Sie komisch geworden.“ „Ich nehme an.“, vermutete Data. „Dass der einzige Grund, aus dem Sie noch nicht geplatzt sind, der ist, dass Sie noch keinen Dummen gefunden haben, der hinterher die Schweinerei entfernt.“ „Aufhören, bitte, ich kann nich’ mehr.“, bettelte Scotty.

Beide setzten sich auf eine Bank. „Ich möchte ja nicht wissen, was bei Ihnen zu Hause manchmal abgeht.“, erklärte Scotty, nachdem er mit Lachen aufgehört hatte. „Hoffentlich lassen die mich bald gehen. Während des Waffenstillstandes kann ich ja vielleicht wieder nach Celsius und Sie nach Terra. Wird jetzt ja noch mal aufgerollt, die ganze Geschichte. Hoffentlich kriegen meine Frau und ihr Team Sytania zum Singen. Ich drück’ meiner Betsy und den Tindaranern auf jeden Fall die Daumen.“ „Ich glaube nicht, dass die Stellung Ihrer Finger über den Ausgang der tindaranischen Mission entscheiden kann.“, erklärte Data. „Ich hatte doch gesagt, Sie sollen aufhören.“, ermahnte ihn Scotty. „Dieses Mal meine ich es ernst.“, verteidigte sich Data. „Ich habe nie verstanden, warum die Terraner diesen alten Brauch noch praktizieren, obwohl sie eigentlich längst verstanden haben müssten, dass ihre Fingerstellung völlig egal ist. Ich habe Simulationen von Missionen der bekannten Sternenflottenschiffe durchlaufen lassen. Dabei hatten die Besatzungsmitglieder in der einen Simulation gekreuzte Finger und in der anderen nicht. Die Mission ging aber immer gleich aus.“ „Ach, Data.“, schmollte Scotty. „Lassen Sie uns doch unseren kleinen Aberglauben.“

Am Fuß des Hügels, auf dem Sytanias Schloss stand, machte sich ein Gespann, begleitet von einem jungen Reiter, an den Aufstieg. Der große Wagen wurde von vier prächtigen Rappen gezogen, die goldenes Geschirr und Zaumzeug trugen. Die Ladung unter der Plane war nicht so ohne Weiteres sichtbar, aber das war auch Absicht. Sytania und ihre Verbündeten wären schlecht beraten gewesen, wenn die Bauern in den Dörfern auch nur ein Fitzelchen von ihrem Plan mitbekommen hätten. Zwar hätten sie Sytania nicht wirklich gefährlich werden können, aber sie hätten uns informieren können, was dem Plan der Prinzessin sehr abträglich gewesen wäre.

Menach, die auf dem Kutschbock des Wagens saß, brachte durch sanfte Aufnahme der Zügel ihre Pferde zum Stehen, als sie sich dem Tor näherten. Auch Serdan, der auf einem großen muskulösen Schimmel nebenher geritten war, tat es ihr gleich. Die Pferde schnaubten wohlig und kauten auf ihren Beißstangen, ein Zeichen, dass sie sehr entspannt waren und keine Angst vor dem Wächter hatten, der in klirrender Rüstung auf sie zu kam. „Fein so.“, flüsterten die Vendar-Jugendlichen ihnen zu. Natürlich wussten Menach und Serdan, dass den Pferden die Abläufe und Geräusche an Sytanias Hof bekannter waren als ihnen selbst. Dennoch wollten sie, wie es auch richtig ist, ihr korrektes Verhalten bestätigen.

Der Wächter hatte sein Schwert gezogen. „Parole!“, rief er. „Heil Sytania, Herrin aller Welten!“, gaben Serdan und Menach aus einem Mund zurück. Der Wächter steckte seine Waffe wieder ein und winkte einigen Mannschaftsgraden der Wache, die sich sofort daran machten, die schwere Zugbrücke herunterzulassen. „Passiert!“, rief er den Jugendlichen zu. Menach und Serdan ließen die Zügel locker und schnalzten ihren Pferden zu, worauf diese sich freudig in Trab setzten. Sie wussten genau, dass es heimwärts ging.

Zirell hatte sich mit Ishan verabredet. Die beiden wollten über Scottys Situation sprechen. Ishan sollte ihr sagen, ob es bald medizinisch in Ordnung sei, Scotty zu entlassen. Zirell war sehr an seinem Schicksal interessiert. Das war sie eigentlich immer, wenn man ein Opfer Sytanias gerettet hatte. Jetzt saßen die beiden in Ishans Sprechzimmer auf der Krankenstation. „Wie ich hörte.“, begann der Arzt. „Wollen meine Kollegen Techniker Scott bald entlassen. Er wird nach Celsius zurückkehren.“ „Wird er dort weiterhin therapeutisch betreut?“, fragte die tindaranische Kommandantin mit einem fast mitleidigen Blick. „Sie sagen, dass dies eigentlich nicht mehr nötig sei.“, erwiderte Ishan. „Oh.“, machte Zirell überrascht. „Der scheint ja wirklich eine Menge wegstecken zu können. Ich hatte erst geglaubt, sein Raubein wäre nur Fassade, aber jetzt bin ich eines Besseren belehrt.“ „Ich vermute.“, begann Ishan, nachdem er Zirell dabei zugesehen hatte, wie sie sich einen Drink repliziert hatte. „Seine Wut auf Sytania wird ihren Teil zu seiner Genesung beigetragen haben. Aber mach dir keine Sorgen, Zirell. Allein wird er zunächst nicht sein. Datas Vernehmungen sind auch beendet und er wird Techniker Scott nach Celsius begleiten und dort eine Weile auf ihn achten. Er wird außerdem Kontakt mit Scientist Cupernica halten, die Ärztin ist. Außerdem ist sie Datas Ehefrau.“ Zirell atmete auf: „Dann ist ja zunächst alles im grünen Bereich.“

 

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