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Hinweise zur Geschichte:

Teil 2 der Mini-Serie "Maruk - Der fuchsrote Wolf"

Hinweise zum Kapitel:

keine

 

 

von Andreas Rößler, 2004

 

Als die Johnsons nach einigen Stunden Autofahrt wieder zu Hause angekommen waren, verließ die Familie ihren Wagen und gingen wieder ins Haus. Alle waren sehr erleichtert, dass sie Maruk wiedergefunden hatten. Sie wussten, dass dem roten Wolf bei seiner Wanderung durch die Wälder bis zu der Siedlung in der Nähe der Kleinstadt Willington einiges hätte zustoßen können. Glücklicherweise war das Abenteuer für Maruk noch mal gut ausgegangen, was er unter anderem auch den Menschen zu verdanken hatte. Diese neuen Erfahrungen trugen auch dazu bei, dass der rote Wolf in Zukunft die Johnsons nicht mehr verließ, worüber sich Kathryn am meisten freute. Maruk wusste jetzt, wo er hingehörte. Wenn der fuchsrote Wolf noch durch den Wald streifte, dann verließ er den Naturschutzpark nicht. Meistens begleitete er den Ranger auf seinen Rundgängen durch den Distrikt, für den Henry und seine Kollegen zuständig waren…..

Inzwischen waren einige Wochen vergangen und der harte Winter war dem Frühling gewichen. Überall wurden die Bäume wieder grün und die Blumen blühten in ihrer ganzen Farbenpracht. Zahlreiche Tiere waren bereits aus ihrem Winterschlaf erwacht und zogen wieder auf der Suche nach Nahrung umher. Jeden Tag wurde es etwas wärmer und die Luft war wieder von dem Summen der Insekten und dem Gesang  der Vögel erfüllt.

Laut kreischte der Adler, der majestätisch über einen mittelgroßen See auf einer größeren Waldlichtung seine Kreise zog. Das Licht der Morgensonne glitzerte auf dem Wasser des Sees. Der Himmel war fast wolkenlos und die Luft war schon recht angenehm warm geworden. Der Winter war vorbei. Maruk beobachtete, wie der Adler tief über das Wasser flog. Nach einen kurzen, kaum hörbaren Klatschen stieg er mit einen Fisch in seinen Krallen wieder empor und segelte davon.

Maruk, der das Schauspiel aus einer größeren Entfernung beobachtet hatte, blickte dem Greifvogel nach. Maruk war ein Wolf, der von Menschen großgezogen wurde. Seine Mutter war zusammen mit den Geschwistern des roten Wolfes von einem Puma getötet worden. Ein Ranger fand ihn damals alleine in der Höhle sitzend, nachdem er die tote Wölfin entdeckt und untersucht hatte. Maruk war damals noch zu klein gewesen, um alleine in der Wildnis überleben zu können. Deshalb beschloss Henry den fuchsroten Wolf mitzunehmen und ihn von seiner Tochter Kathryn aufziehen zu lassen.

Inzwischen setzte auch der Ranger das Fernglas wieder ab und betrat ebenfalls die Lichtung. Direkt am See blieb er stehen. Maruk stand mittlerweile mit allen vier Pfoten im Wasser und trank genüsslich das kühle Nass. Der Blick des Mannes wanderte über den See, als würde er etwas suchen. Wenig später war der Durst des Wolfes gestillt und Maruk verließ wieder das Wasser. Henry lächelte, als der Wolf auf ihn zutrottete. „Komm, wir müssen weiter.”, sagte er und streichelte seinen vierbeinigen Gefährten.

Kaum waren beide wieder im Dickicht verschwunden, als der Wolf abrupt stehen blieb. Das Fell richtete sich auf und Maruk stieß ein kaum hörbares Knurren aus. Der Ranger war gleichfalls stehen geblieben und richtete sein Gewehr auf die Stelle, vorher das Geräusch kam. Das Geräusch erstarb augenblicklich. Maruk hob seine Nase in die Höhe und schnupperte. Der Geruch, der ihm in die Nase drang, kannte er zwar, konnte ihn aber nicht richtig einordnen. Instinktiv wusste der rote Wolf, dass etwas Gefährliches in der Nähe war.

Kurz darauf war das Geräusch wieder zu hören und jemand schien sich wieder von ihnen zu entfernen. Henry ließ seine Waffe sinken. Auch Maruk entspannte sich wieder und beide setzten ihren Weg fort. Nach wenigen Metern entdeckten Johnson und sein Wolf eine Fährte, die noch sehr frisch war. Maruk schnupperte und blickte kurz darauf zu dem Ranger hoch. „Das ist eine Fährte von einem Bären.”, erklärte er, „Und die ist noch ganz frisch. Wahrscheinlich war das der Bär gewesen, den wir eben noch gehört hatten.” Dann setzten sie ihren gemeinsamen Weg fort.

Der rote Wolf kannte zwar den Geruch von Bären, war aber noch nie einen begegnet. Lebhaft konnte er sich allerdings noch an seine Begegnungen mit dem einäugigen Puma erinnern, mit dem er öfter gekämpft hatte. Der erste Kampf fand auf einem Felsvorsprung statt, der unter dem Gewicht beider Tiere nachgegeben hatte und beide mit in die Tiefe riss. Das unfreiwillige Bad im eiskalten Fluss hatte damals ihren Kampf abrupt beendet. Wochen später hatte er sich noch einmal mit der Raubkatze bei den Arlingtons gemessen, wo er auf seine Wanderschaft, als er dem Ruf der Wildnis gefolgt war, regelmäßig die Mülltonnen durchwühlt hatte. Damals wurde zum ersten Mal auf ihn geschossen. Seit dem hat Maruk eine Narbe von dem Streifschuss. Die Johnsons, die dort zu Besuch waren, nahmen ihn wieder mit nach Hause. Seitdem trug der rote Wolf auch einen Halsband, damit niemand mehr auf ihn schießen sollte.

Henrys Blick wanderte in jene Richtung, aus der die beiden gerade gekommen waren. Inzwischen dürfte der Bär am See sein und Fische fangen oder auch nur seinen Durst stillen!, dachte Johnson während beide weitergingen. Maruk hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. Am frühen Nachmittag traf Johnson an der Rangerstation auf seinen Kollegen Jim Baker.

„Hi, Henry, was gibt es Neues?”, fragte der Rothaarige ihn. „Nichts, Jim.”, antwortete dieser und reichte ihm die Hand, „Wir haben gerade unsere Runde beendet. Wenn du nachher zum See gehst, solltest du daran denken, dass sich zurzeit ein Bär in unserem Distrikt aufhält.” Jim sah ihn ernst an. „Was für ein Bär?”, wollte Baker wissen. „Es ist ein Grizzly.”, antwortete Henry, „Wahrscheinlich fängt er am See Fische. Also, sei vorsichtig.” „Hat er euch beide etwa bedroht?”, erkundigte sich der kleinere Mann. Johnson verneinte. „Aber er muss uns wohl gewittert haben.”, erklärte er, „Wir haben ihn im Gebüsch gehört. Nachdem wir weitergingen, schien er uns nicht als Gefahr angesehen zu haben und entfernte sich in Richtung des Sees.” Jim nickte. „Gut, dass du mich gewarnt hast.”, sagte er, „Übrigens muss ich dir auch noch etwas mitteilen, denn ich habe vorhin auf meinem Rundgang einige Holzfäller am Rande des Naturschutzreservates getroffen, die hier in der Nähe arbeiten. Die haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass sich hier in der Nähe wieder ein Puma rumtreibt.” Johnson begann zu grinsen. „Mit Pumas kennt sich Maruk aus.”, sagte er und zeigte auf den roten Wolf, der sich vor Henrys Füßen hingelegt hatte, „Schließlich hat er schon gegen einen gekämpft.” Dann verabschiedeten sich die beiden Männer und Johnson ging zusammen mit Maruk nach Hause.

Ein lautes Poltern im Holzfällerlager ließ Dean Anderson hochschrecken. Sofort zog er sich schnell an, griff nach seiner Taschenlampe und verließ das Zelt. Die restlichen Holzfäller taten es ihm gleich. Ben entdeckte den Bären als erster und rief sofort seine Kollegen. Während die anderen zu Ben Jackson eilten, richtete sich der Grizzly zu seiner vollen Größe auf und blickte die Menschen an. Eine zerfetzte Papiertüte fiel dem Tier von der Tatze. Die Holzfäller starrten den Grizzly an. „Jetzt ganz ruhig bleiben, Männer, dann passiert nichts.”, ordnete der Vorarbeiter an, „Und zieht euch langsam zurück.” Ohne zu antworten zogen sich die Menschen vorsichtig zurück. Im nächsten Augenblick machte der Bär kehrt und verschwand kurz darauf im Dickicht. Erleichtert atmeten die Holzfäller auf. „Das ist noch mal gut gegangen.”, sagte Dean.

Nachdem der Grizzly sich zurückgezogen hatte, untersuchten die Holzfäller ihre Vorräte, die der Bär geplündert hatte. „Verdammt, der hat ja fast nichts übrig gelassen!”, schimpfte Ben. „Und den Rest hat er fein säuberlich auf dem Boden verteilt.”, erwiderte einer der jüngeren Männer, „Hätte der nicht woanders stöbern können?” Dean grinste breit. „Scheinbar nicht, Steve.”, antwortete er, „Sonst wäre der Bär nicht hier gewesen.”

Am nächsten Morgen kontrollierten sie die Vorräte, die noch übrig geblieben waren. Der Schaden, den der Grizzly angerichtet hatte, war geringer, als die Holzfäller angenommen hatten. Darüber waren sie sehr erleichtert, denn der nächste Proviant kam erst in ein paar Tagen. „Hoffentlich bleibt es bei dem einen Besuch.”, meinte Steve, „Ansonsten müssen wir etwas gegen den Grizzly unternehmen.”

Maruk durchstreifte wieder die nähere Umgebung. Diesmal hatte Henry ihn nicht mitgenommen und Kathryn war in der Schule. In der Nähe des Sees fand der rote Wolf die alte Fährte des Bären und begann ihr zu folgen. Der Geruch war nicht mehr so intensiv wie gestern. Während er der Spur folgte, wurden die seltsamen Geräusche, die Maruk schon seit einigen Wochen im Wald hörte, immer lauter. Diese Geräusche wurden von Gerüchen begleitet, die Maruk nicht eindeutig einordnen konnte. Doch sie erinnerten ihn an das Holz, das Henry mit der Axt im Herbst für den Kamin zerkleinerte. Aber es mischte sich noch etwas darunter, was Maruk an ein paar Teile erinnerte, die der Ranger immer wieder verwendete. Der rote Wolf hatte den Geruch von Öl und Benzin in der Nase. Die Geräusche und Gerüche wurden intensiver, je näher er dem Lager der Fremden kam.....

Nach einiger Zeit erreichte er das Camp der Holzfäller. Irgendwo erstarb ein Geräusch und im nächsten Augenblick begann der Baum zu knirschen, von dem einer der Männer zurücktrat und etwas rief. Mit lauten Krachen schlug der Baum auf. Maruk erschrak, als der Baum ihn nur um Haaresbreite verfehlte. Niemand hatte den Wolf bemerkt, der sich nur langsam der Arbeitsstätte genähert hatte. Zahlreiche Blätter rieselten auf Maruk hinab, nachdem er unter den ganzen dünnen Zweigen hervorkam und sich schüttelte. In diesem Augenblick wurde er von den Waldarbeitern entdeckt.....

Ben stieß Dean mit den Ellbogen an und zeigte in Maruks Richtung. „Sie mal, Boss.“, sagte er, „Da ist ja ein Wolf.” Auch die anderen hatten ihre Arbeit unterbrochen und blickten in dieselbe Richtung, wo Dean vor kurzen noch einen Baum gefällt hatte. „Wo kommt der denn auf einmal her?”, meinte Steve Mannings, „Wenn das so weitergeht, dann gehe ich mal ein wenig auf die Jagd.” Maruk war stehen geblieben und beobachtete die fremden Menschen. Sein Instinkt riet ihm zur Vorsicht......

Ein wenig später knallte etwas Hartes gegen seine Flanke. Maruk erschrak und gab einen kurzen Schmerzlaut von sich. Ben hatte bereits weitere Steine aufgehoben, um damit den Wolf zu vertreiben. Dann warf er den nächsten Stein.....

Maruk wich erschrocken zurück. Ein Klacken ertönte, als der Stein gegen einen Baumstamm prallte und dumpf auf den Boden fiel. „Verschwinde!”, brüllte einer der Männer und hob drohend ein Beil hoch. Dean hielt seinen Kollegen am Handgelenk fest. „Halt ein, Ben.”, sagte er und wies auf das Halsband, „Anscheinend gehört der zu jemanden. Sieht ihr das Halsband?” Anderson forderte seine Leute auf, wieder an die Arbeit zu gehen. „Wem der wohl gehört?”, fragte Jackson, als er wieder nach seiner Motorsäge griff um seine Arbeit fortzusetzen. Die anderen zuckten mit den Schultern.

Maruk hatte sich inzwischen wieder ins Dickicht zurückgezogen. Der Schmerz hatte wieder nachgelassen, aber der Schreck steckte noch in ihm. Verunsichert und misstrauisch beobachtete er die Menschen auf der größer gewordenen Lichtung. Dann verlor er das Interesse an ihnen und trottete davon.....

Plötzlich blieb der Wolf stehen. Ein Rascheln im Gebüsch hatte seine Aufmerksamkeit geweckt und die fremden Menschen hatte er bereits wieder vergessen. Neugierig näherte er sich dem Buschwerk. Als er mit der Schnauze die Zweige des Busches auseinander trieb, schoss ihn etwas flatternd entgegen. Es war ein Schneehuhn, das davonflog. Maruk beobachtete es unschlüssig. Doch der Vogel war zu weit weggeflogen. Dann wandte der Wolf sich um und ging wieder weiter.....

Etwas später fand er eine Kaninchenfährte, die er sofort verfolgte. Irritiert blieb Maruk stehen, denn die Spur vermischte sich mit einer anderen. Neugierig schnupperte er ausgiebig. Die Fährte des Kaninchens hatte sich mit der eines Fuchses gekreuzt, die gemeinsam in dieselbe Richtung führten. Maruk folgte der Spur bis zu einer großen Baumwurzel, wo die beiden Spuren in einem angrenzenden Dornenbusch endeten.....

Eine Weile lang schnupperte er am Boden entlang, ohne etwas zu finden. Nachdem Maruk sich mehrmals durch die Dornen an der Schnauze verletzt hatte, ging er davon. Kurz nach Maruk kam auch Henry nach Hause. Kathryn saß neben dem Wolf auf dem Fußboden und streichelte ihn. Maruk hatte seinen Kopf bei ihr auf den Schoß gelegt und lauschte den Geräuschen aus der Küche, wo Peggy das Abendessen zubereitete. Henry nahm im Wohnzimmer Platz und schaltete den Fernseher ein um die Nachrichten zu sehen.....

Während des Abendbrotes erzählte Henry seiner Familie von den Holzfällern, die inzwischen schon mehrfach Besuch von einem Grizzlybären hatten, der ihre Vorräte dezimierte. „Und?”, fragte Peggy, „Wirst du etwas gegen den Bären unternehmen?” „Nun ja.”, antwortete der Ranger nachdenklich, „Das werde ich wohl müssen, denn einige von den Männern sind deswegen etwas nervös geworden.” „Aber Daddy!”, sagte Kathryn, „Du wirst den Bären doch nicht töten wollen, oder?” Der Vater begann zu lächeln. „Nein, natürlich nicht, mein Kind, wenn es sich vermeiden lässt, werde ich nur dafür sorgen, dass der Bär woanders hingebracht wird, wo er weder für sich noch für die Menschen eine Bedrohung ist.”, antwortete Henry und legte dabei seine kräftige Hand auf den Unterarm seiner Tochter, „Erschießen kommt für mich nur dann in Frage, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt.” Erleichtert atmete Kathryn auf, denn nichts war ihr so widerwärtig als das Töten von Tieren. Das Mädchen liebte Tiere über alles. Für sie war es damals schon schlimm genug gewesen, als Maruk damals bei den Arlingtons gegen den Puma gekämpft hatte und Mary auf eines der beiden Tiere schoss. Nachdem beide regungslos am Boden lagen, hatte Kathryn Angst gehabt, dass Mary Maruk getötet haben könnte. Für die Tochter der Johnsons war das ein sehr schlimmes Erlebnis. Seit dem schauderte sie immer, wenn sie ein Gewehr sah.....

Nach einigen Tagen ging Henry zusammen mit seinem Kollegen Jim zu den Holzfällern, um nach dem Rechten zu sehen. Dean begrüßte die beiden Ranger. „Wie sieht es mit dem Bären aus?”, wollte Henry wissen, „Hat er sich noch öfters in Ihrem Lager blicken lassen?” Anderson nickte. „In der Tat.”, antwortete dieser etwas besorgt, „Inzwischen war er noch dreimal in der Nacht hier gewesen und hat erneut unsere Vorräte geplündert. Die Männer sind ein wenig beunruhigt, denn so was haben sie noch nie erlebt. Was werden Sie gegen den Grizzly unternehmen, Mister?” Jim und Henry sahen sich an. „Ich denke, dass wir den Bären fangen werden und ihn an einen anderen Ort wieder in die Freiheit lassen.”, antwortete Baker, „So haben wir uns das gedacht.” „Dann machen Sie schnell.”, erwiderte der hünenhafte Holzfäller, „Ansonsten werden meine Männer ihn erlegen.” „Das kommt nicht in Frage.”, sagte Henry entschieden, „Das hier ist ein Naturreservat. Hier stehen die Tiere unter Naturschutz. Nur die Ranger sind befugt, Tiere zu erschießen, falls es erforderlich sein sollte. Sorgen Sie also bitte dafür, dass keiner Ihrer Männer irgendwelche Dummheiten macht.” Dean nickte. „Und was sollen wir machen, wenn es doch dazu kommt, dass der Bär einen von uns angreift?”, erkundigte sich Anderson. „Dann ist das was anderes.”, antwortete Jim, „Dann ist es eine Notwendigkeit, um das eigene Leben und das Ihrer Männer zu schützen, Mr. Anderson.” Henry nickte. „Denken Sie bitte daran, dass Sie zwar Ihr Camp im Naturreservat haben, aber Sie und Ihre Kollegen arbeiten jedoch außerhalb des Reservates. Der Bär wiederum lebt hier im Reservat, so wie das momentan aussieht.”, fügte Kathryns Vater hinzu, „Deshalb dürfen weder Sie noch Ihre Männer den Bären töten. Haben Sie verstanden?” Dean nickte erneut. „Ja, Sir!”, antwortete der kräftige Holzfäller, „Das war klar und deutlich. Aber Sie sollten wissen, dass es auch mir widerstrebt, ein Tier zu erlegen. Aber für meine Männer würde ich nicht meine Hand ins Feuer halten.” Die beiden Ranger nickten. „Dann halten Sie sie zurück, falls es soweit kommen sollte. Ansonsten sind wir ja einer Meinung.”, konstatierte Henry zufrieden. Dann verließen die beiden Ranger das Lager der Holzfäller.....

Inzwischen war auch Maruk wieder im Wald unterwegs. In der Nähe der Rangerstation wurde der Wolf auf ein Geräusch aufmerksam, das seinen Ursprung zwischen mehreren Büschen hatte. Zusätzlich nahm er noch einen Geruch war, der ihn an dem von der Fährte zum See erinnerte, nur dass dieser Geruch wesentlich intensiver war, als der vor ein paar Tagen. Sofort schlug sein Instinkt Alarm, aber gleichzeitig war auch seine Neugierde geweckt. Vorsichtig schlich er sich zwischen den Büschen hindurch zu dem Punkt, wo die Geräusche herkamen. Als er den letzten Busch passiert hatte, sah er eine mächtige Gestalt, die aufgerichtet an einem Baum stand und mit den Vorderläufen versuchte, in eine Öffnung zu greifen. Ebenfalls ertönte aus derselben Richtung ein seltsames Summen, dass immer weiter anschwoll, solange der Bär sich an der Öffnung zuschaffen machte. Dabei zuckte er mehrfach zusammen und fuhr mit seinen großen Tatzen über seine Nase. Maruk kam neugierig etwas näher. Der Grizzly beachtete ihn nicht und versuchte stattdessen erneut in das Bienennest zu greifen, um an den Honig heranzukommen. Inzwischen schwoll das Summen weiter an.....

Nach wenigen Augenblicken gab der morsche Baum nach und fiel. Kurz darauf war die Luft von dem Summen der Insekten erfüllt, die sofort den Bären attackierten. Mit seinen Tatzen versuchte der Bär die Bienen zu vertreiben. Die Laute des Tieres waren weit zu hören. Maruk war die Sache nicht geheuer und zog sich deshalb langsam zurück. Nach wenigen Augenblicken waren auch schon die ersten Bienen bei dem Wolf.....

Erschrocken zuckte der Wolf zusammen, als eine Biene auf seiner Nase landete und zustach. Sofort versuchte Maruk mit seinen beiden Vorderläufen das Insekt wieder loszuwerden. Immer wieder fuhr er sich mit seinen Vorderpfoten über die Nase. Weitere Bienen schwirrten um ihn herum und versuchten ihn zu stechen. Bei jedem Stich

zuckte er zusammen. Nach wenigen Augenblicken war er bereits mehrfach gestochen worden. So schnell er nur konnte rannte der rote Wolf davon und nach einer Weile war von dem bedrohlichen Summen der Insekten nichts mehr zu hören.....

Auf dem Heimweg versuchte Maruk mehrmals sowohl mit seinen Pfoten als auch mit seiner Zunge die Bienenstacheln zu entfernen, was ihm aber nicht gelang. Mit einer schmerzenden und geschwollenen Nase traf er bei den Johnsons ein. Zu Hause versuchte er mehrmals in das Haus zu gelangen, aber ohne Erfolg. Die Tür war verschlossen, niemand war daheim. Maruk ließ sich auf der Veranda nieder und begann zu warten.....

Nach einigen Minuten ertönte ein Motorengeräusch und ein Geländewagen fuhr auf den Hof. Wenig später stiegen Kathryn und Peggy zusammen aus und holten ihre voll beladenen Taschen aus dem Kofferraum. Die neuen Gerüche veranlassten Maruk aufzustehen und Mutter und Tochter entgegen zu kommen.

„Na, da ist aber jemand sehr neugierig.”, sagte Kathryn kichernd, „Hast wohl Hunger, was?” Auf der Veranda stellten sie ihre Taschen ab und Peggy schloss schnell die Tür auf. Neugierig schnupperte Maruk an eine der Taschen, die sofort umfiel. Lachend schob Kathryn den Wolf sanft beiseite und hob die Tasche wieder auf. „Du kannst es wohl nicht lassen, was Maruk?”, sagte das Mädchen kichernd, „Du musst wohl überall deine Nase reinstecken.” Der rote Wolfsrüde gab einen undefinierbaren Laut von sich. Dann verschwanden sie zusammen mit dem Wolf im Haus..…

„Was ist das denn?”, fragte Kathryn ihre Mutter, nachdem sie den Wolf ausgiebig gestreichelt hatte und die geschwollene Nase sah, „Was hast du denn mit deiner Nase gemacht?” Sofort trat Peggy hinzu und sah sich das ebenfalls an. „Das sind Insektenstiche.”, erklärte sie und zeigte auf die Stacheln, die immer noch auf der Nase steckten, „Das sind eindeutig Bienenstiche, Kathryn.“ „Ich brauche einen sauberen Lappen, etwas Wasser und eine Pinzette, um die Stacheln zu entfernen.”, sagte sie zu ihrer Tochter, „Holst du mir das eben?” Sofort war das Mädchen auf den Beinen und holte die gewünschten Sachen. „Ach ja, und noch etwas zum Desinfizieren.”, fügte sie hinzu, während das Mädchen die notwendigen Utensilien zusammensuchte. Wenig später war Kathryn wieder bei Maruk und ihrer Mutter und beide begannen den Wolf zu versorgen.

Abends erzählten beide Henry Johnson von den Bienenstichen. „Mag der Teufel wissen, wo Maruk schon wieder seine Schnauze reingesteckt hat.“, meinte er, als er sich das verletzte Organ ansah. Sie war immer noch etwas geschwollen. Dann setzte sich die Familie an den Tisch und aßen zu Abend.

Laut drang in der Nacht das Schnarchen von Henry durch die Schlafzimmertür, während sowohl von Peggy als auch von ihrer gemeinsamen Tochter nur ein leises gleichmäßiges Atmen zu hören war. Maruk schlief in Kathryns Zimmer auf dem Teppich. Irgendwo draußen knackten Äste und Zweige, die auf den Boden lagen, und es raschelten Blätter. Plötzlich hob der Wolf seinen Kopf und lauschte aufmerksam. Wenig später erklang dasselbe Geräusch noch einmal. Maruk begann zu schnuppern. Irgendetwas lag in der Luft. Unruhig begann er zu lauschen. Kurz darauf verließ der rote Wolf das Zimmer des Mädchens und lief fast lautlos die Treppen hinunter. An der Tür zur Veranda blieb er stehen und schnupperte an dieser. Ein fremder Geruch drang von dort unter ihr durch in das Haus. Inzwischen spürte der Wolf instinktiv, dass es etwas Gefährliches ist, was er hörte. Der Geruch war derselbe wie von jenem Tier, dass sich vor ein paar Tagen an dem Bienenstock zuschaffen machte..…

Der Wolf wich ein paar Schritte zurück und knurrte. Das Rascheln erstarb augenblicklich und einen Moment später huschte ein großer Schatten an dem Fenster vorbei. Wenig später knarrten die Balken auf der Veranda, als sich der Grizzly erneut zu seiner vollen Größe aufrichtete. Beide Tiere verharrten an der jeweils anderen Seite der Tür und lauschten. Maruk schnupperte erneut an der Tür. Der Bär ließ sich wieder auf seine Vordertatzen runter. Dann macht er kehrt und verschwand wieder im Dickicht. Mehrere Minuten verharrte der Wolf an der Verandatür und lauschte. Nichts geschah, es blieb still. Als sich Maruk sicher war, dass der Bär wieder verschwunden war, lief er wieder die Treppe hinauf in Kathryns Zimmer, legte sich auf den Teppich und schlief wieder ein..…

Nach einigen Tagen war die Nase wieder abgeheilt und Maruk war wieder im Reservat unterwegs. Aufmerksam schnupperte er an verschiedenen Stellen im Dickicht und an den Bäumen. Er verfolgte die Fährte des Grizzlybären, der den Johnsons einen nächtlichen Besuch abgestattet hatte. Sie führte den roten Wolf in die Nähe des Sees, wo er zusammen mit Henry den Bären zum ersten Mal wahrgenommen hatte. Aber trotzdem war der Geruch diesmal etwas anders gewesen. Maruk schnupperte und schnupperte. Dann begriff der Wolf, dass dieser Bär nicht alleine war..…

Maruk verfolgte die Fährte weiter, die inzwischen von dem See wegführte in Richtung des Lagers der Holzfäller. Aber diese Fährte stammte nur von einem Bär, die Gerüche der anderen Bären konnte er unterwegs nicht mehr wahrnehmen. Mehrfach blieb der Wolf stehen und lauschte, aber von dem Grizzly war nichts zu hören. Immer wieder schnupperte und lauschte Maruk währenddessen er dem Lager der Holzfäller immer näher kam. Langsam begannen sich die Gerüche des Waldes mit denen aus dem Lager zu vermischen. Instinktiv blieb der rote Wolf stehen, denn irgendetwas beunruhigte ihn. Dann krachten einige Schüsse.....

Der Bär richtete sich zu seiner vollen Größe auf und brüllte. Die Männer hielten ihre Gewehre hoch und zielten weiterhin auf das große Tier. Reglos blieb der Grizzly vor den Holzfällern stehen. Seine Augen waren auf die Menschen gerichtet, als wollte er sie studieren. Dann krachte ein weiterer Schuss. Der Bär zuckte kurz, machte einen Satz vorwärts auf die Männer zu. Steve Mannings lag am Boden und hielt sich die verletzte Schulter. Seine Waffe lag einige Meter entfernt von ihm. Er stöhnte. Ben zielte erneut auf den Bären. Aber bevor er wieder abdrücken konnte, hatte der Grizzly ihn bereits gepackt und zu Boden gerissen. Dabei löste sich ein weiterer Schuss aus seinem Gewehr…..

Der ließ von seinem Gegner ab und richtete sich erneut auf. Dann brüllte er laut. Vorsichtig kam Dean mit seiner Waffe näher. Wenig später drehte sich der Bär um und verschwand wieder im Dickicht. Erleichtert ließen die Männer ihre Waffen sinken und begannen sich um die den Verletzten zu kümmern…..

„Ist das Vieh weg?”, wollte Steve mit schmerzverzerrtem Gesicht wissen. Dean warf einen Blick in Richtung des Dickichts. „Ja.”, antwortete er, „Er ist wieder in den Wald geflüchtet.” Die Männer verarzteten den Verletzten. „Wenn ich das Biest erwische.”, stöhnte Steve, als ihm die anderen einen sterilen Verband anlegten, „Dann schicke ich es selbst in die Hölle.” Anderson schüttelte energisch mit dem Kopf. „Das kommt überhaupt nicht in Frage.”, sagte er entschieden, „Das ist Aufgabe der Ranger.” „Aber, Sir!”, protestierten die restlichen Holzfäller, „Bis einer von denen hier ist, sind wir bereits tot. Wir sollten ihn besser selbst erlegen, bevor der Bär noch mehr Schaden anrichtet, Boss.” Einige murmelten zustimmend. „Ben hat Recht, Sir.”, sagte einer von ihnen, „Wir können nicht solange warten, bis ein Ranger hierher kommt und ihn einfängt. Wenn wir zu lange warten, könnte es noch mehr Verletzte geben.” „Ich sagte nein.”, erklärte Dean, „Die Ranger haben uns gesagt, welche Konsequenzen es hätte, wenn wir ihn erlegen würden. Wir würden mächtigen Ärger bekommen, weil wir uns hier im Naturschutzreservat befinden und hier sind die Tiere gesetzlich geschützt.” „Das ist mir aber egal.”, fauchte Ben wütend, „Das Mistvieh hat mich angegriffen und fast gekillt und dafür soll die Bestie büßen.” Die anderen murmelten wieder zustimmend, während Jackson demonstrativ seine Waffe in die Höhe streckte. „Ich lass mich von nichts und niemanden abmurksen.”, rief der bärtige Holzfäller, „Und das gilt auch für Bären, damit das klar ist!” Anderson seufzte, während die anderen Holzfäller wieder an die Arbeit gingen. Ist ja super!, dachte der Hüne, Das wird noch ’ne Menge Ärger geben, wenn ich nichts dagegen unternehme! Ich muss mich mit den zuständigen Rangern in Verbindung setzten, damit das nicht weiter eskaliert!, fuhr er in Gedanken fort, Sonst haben wir noch mehr Probleme am Hals! Kurz darauf verschwand Dean in einem der Zelte und griff entschlossen zum Funkgerät.....

Jim Baker saß in der Rangerstation an seinem Schreibtisch, als er von der Funkanlage Dean Andersons Stimme vernahm. Seufzend erhob er sich von seinem Stuhl und setzte sich ans Funkgerät. Jim meldete sich und erkundigte sich, was er für den Boss der Holzfäller tun könnte. Daraufhin berichtete Dean von den letzten Vorfällen mit dem Grizzly und das bei der letzten Aktion, das Tier zu vertreiben, sogar zwei Männer verletzt wurden. Baker versprach sofort seinen Vorgesetzten über die Aktionen des Bären im Holzfällercamp zu informieren um dann zusammen mit seinen Kollegen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, bevor noch mehr passieren kann.....

Unschlüssig verharrte der Wolfsrüde auf der Stelle und lauschte den Geräuschen, die er aus dem Lager hörte. Instinktiv blieb Maruk weiterhin stehen, aber als er den Bären wütend brüllen hörte, schlich er sich vorsichtig näher.....

Erschrocken machte der Wolf kehrt, als der Bär zu ihm ins Dickicht preschte. Der Grizzly beachtete ihn nicht und rannte weiter davon und nach wenigen Augenblicken war er im Wald verschwunden. Der rote Wolf lauschte weiterhin, aber im Lager war es wieder ruhig geworden. Deutlich konnte er die Stimmen der Menschen aus dem Camp hören, die laut miteinander diskutierten. Maruk blieb im Schutz des Dickichts und wartete ab. Sein Instinkt warnte ihn vor den Leuten im Lager.....

Nach und nach begann er an allen Sträuchern und Zweigen zu schnuppern, die der Bär gestreift hatte. Irgendwas roch anders. Es war ein Geruch, der ihn erst etwas irritierte. Doch dann begriff er, dass der Bär verletzt war. Seine Blutspur veranlasste den Wolf der Fährte des Grizzlys zu folgen.....

Nach einer Weile hielt der Bär an und begann sich ausgiebig seine Wunden zu lecken. Im Gebüsch, gut vor den Augen potenzieller Feinde verborgen, blieb er stehen und fuhr mit seinen Tatzen über seine Schusswunden. Sie schmerzten ihm sehr und bei jeder Berührung schnaubte er. Dann brüllte er vor Wut in die Richtung, aus der er gekommen war. Aufgeschreckt flatterten einige Vögel, die auf den Bäumen saßen, davon.

In einiger Entfernung war der rote Wolf stehen geblieben. Erschrocken blickte er in die Richtung, aus der er das Gebrüll des Bären hörte. Es klang sehr wütend. Zögernd lief Maruk weiter. Erst nur eine Pfote vor die andere, aber dann war er bereits genauso schnell wie vor dem Halt.

Eine Stunde später war Henry bereits an der Rangerstation eingetroffen. Baker informierte ihn über die Vorfälle im Camp der Holzfäller. „Ich hab’s geahnt.”, sagte Kathryns Vater, „Jetzt bleibt uns nichts anderes mehr übrig, als ihn zu fangen und umzusiedeln.” Jim nickte. „Ich hoffe nur, dass alles glatt gehen wird.”, antwortete er Henry, „Denn töten möchte ich das Tier nicht, wenn es nicht nötig tut.” „Da bin ich ganz deiner Meinung.”, erwiderte Johnson, „Dann lass, uns gleich an die Arbeit gehen, denn so ein Bär fängt sich nun mal nicht von alleine.” Die Ranger begannen die Jagd nach den Bären vorzubereiten…..

Inzwischen hatten sich einige bewaffnete Holzfäller um Jackson versammelt. Der bärtige Mann hielt seine Waffe hoch und rief: „Lass und den Bären jagen.” Begeistert jubelten ihm einige seiner Kollegen zu. „Ja!”, rief Sullivan, „Ich wollte schon immer mal auf Bärenjagd gehen!” Mike feuerte mehrmals in die Luft. Anderson trat zu ihnen in die Mitte. „Nein, Männer, tut das nicht!”, rief Anderson energisch dazwischen, „Geht stattdessen wieder an die Arbeit! Die Ranger werden sich schon um das Tier kümmern. Dafür werde ich sorgen!” Kurzfristig waren die aufgebrachten Holzfäller ruhig und blickten ihren Vorarbeiter an. „Der Bär wird bald verschwinden.”, versprach er seinen Männern, „Macht euch jetzt keine Gedanken mehr über den Bären. Darum werden sich die Ranger kümmern.”

Der bärtige Holzfäller schüttelte langsam mit dem Kopf. „Nein, das dauert uns zu lange, Boss!”, antwortete dieser, „Also los! Schnappen wir uns das Vieh! Vorwärts!” Entschlossen marschierte Jackson aus dem Lager. Bis auf wenige Arbeiter folgten ihm der Rest mit ihren Waffen. Mehrmals versuchte Anderson seine Leute zurückzurufen, aber ohne Erfolg. Hilflos musste Dean zusehen, wie die aufgeputschte Meute im Wald verschwand…..

Wenig später hatte sich auch Dean Anderson bewaffnet und war mit seinen restlichen Kollegen den anderen hinterher gegangen. Zwei Holzfäller blieben bei den verletzten Steve zurück…..

Nach einer Weile blieb der rote Wolfsrüde wieder irritiert stehen. Die Spur vermischte sich mit zwei weiteren Fährten. Ausgiebig suchte Maruk den Boden ab. Überall, wo er mit seiner feinen Nase hinkam, schnupperte er. Die beiden neuen Fährten stammten ebenfalls von Bären. Unentschlossen blieb er weiterhin stehen. Es waren eindeutig Gerüche von drei Grizzlys, wobei die beiden neuen direkt von einen dicken Baum herunterführten und sich ein paar Meter weiter mit der des verletzten Tieres vereinigten…..

Johnson und Baker durchstreiften den Wald auf der Suche nach dem Bären, der mehrmals bei den Holzfällern war. Nach einer Stunde fand Jim eine Blutspur, die vom Holzfällercamp wegführte. „Die werden doch wohl nicht…..!”, begann der Rothaarige. „…..auf den Bären geschossen haben?”, beendete Henry die Frage seines Kollegen, „Doch, offenbar haben sie das. Sieh mal hier!” Er zeigte auf die Fußabdrücke. „Der Grizzly humpelt sogar.”, konstatierte Kathryns Vater, „Lass uns der Fährte folgen. Aber Vorsicht, der Bär wird auf Grund seiner Verletzungen jetzt sehr gefährlich sein.” Die beiden Ranger folgten der Spur…..

Es raschelte im Dickicht. Aufmerksam spitzte Maruk seine Ohren. Sein Instinkt warnte ihn vor einer unmittelbaren Gefahr. Als er vorsichtig in einen dichteren Busch eindrang, kam daraus laut flatternd ein Rebhuhn heraus. Kaum hatte der Vogel den Busch verlassen, war er auch schon davon geflogen. Der Wolf verschwand in dem Dickicht. Doch kaum war er darin verschwunden, hörte er bereits weitere Geräusche. Kurz darauf war er auf der anderen Seite des Busches wieder draußen. Hier trennten sich die drei Spuren wieder voneinander. Zwei davon führten direkt zu einem sehr hohen Buschwerk, hinter dem mehrere Bäume sehr dicht beieinander standen. Hier war der Geruch sehr intensiv. Aber der stammte nicht von jenem Tier, dass Maruk verfolgte…..

Vorsichtig durchkämmten die Holzfäller den Wald auf der Suche nach dem Bären. Die Anspannung war allen Männern deutlich anzusehen. „Vorwärts!”, trieb Ben die Leute an, „Ich will das Vieh heute noch erledigen, verstanden?” „Den finden wir nie!”, meinte Charly Croydon, „Der könnte sonst wo stecken.” Jackson drehte sich zu ihm um. „Das ist mir egal, wo das Biest steckt!”, sagte der Bärtige scharf, „Hauptsache, wir bringen ihn zur Strecke! Oder wolltest du etwa aufgeben?” Jackson stand nun direkt vor Croydon. „Nein, Sir, natürlich nicht.”, erwiderte Charly eingeschüchtert. Ben schnaubte zufrieden und wandte sich wieder um. „Das hätte ich dir auch ja geraten haben.”, sagte der Bärtige, als er sich noch mal zu dem jungen Mann umwandte, „Oder möchtest du unbedingt der nächste sein, der von dieser Bestie auseinander genommen wird?” Der junge Holzfäller schwieg. Die Gruppe setzte ihren Weg fort…..

Inzwischen waren Henry und Jim der Fährte des verletzten Bären gefolgt, die deutlich zu erkennen war. Nicht weit weg von dieser Fährte war auch noch eine weitere, die aus dem Camp wegführte. Sie stammte eindeutig von Menschen, die leichtes Gepäck bei sich trugen. Die Ranger sahen sich nur kurz an und beide wussten, was der andere jeweils dachte. Die Holzfäller jagten bereits den Grizzly und beide Ranger mussten das Tier eher finden, bevor Deans Leute ihn fanden. Sonst würde die Katastrophe ihren Lauf nehmen..…

Blitzschnell hatte Ben den Arm gehoben, um seinen Kollegen zu signalisieren, dass sie stehen bleiben sollten. Aufmerksam lauschte der bärtige Mann. „Hört ihr das?”, fragte er leise. Die nickten stumm. „Er muss ganz in der Nähe sein.”, flüsterte Jackson, „Ich weiß es.” Die Holzfäller umfassten ihre Waffen fester. Ihre Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Langsam schlichen sie fast geräuschlos weiter. Das leise Knacken von Zweigen und das Rascheln von Blättern war immer noch zu hören. Als die Männer hinter einem Busch standen, war sich Jackson sicher. Der Grizzly musste hier sein. Deutlich konnte er und auch die anderen Geräusche hören, die nicht von einem Menschen herrührten. Vorsichtig schauten die Männer durch das Gebüsch. Dann brach das Chaos los!

Der Grizzly griff vor seiner Höhle seine Verfolger an. Noch ehe Ben sich versah, hatte er keine Waffe mehr. Wie ein dunkler Schatten fiel das verletzte Tier über Ben her. Mit seinen mächtigen Tatzen drückte der Bär seinen Gegner auf den Boden. Die anderen wagten nicht zu schießen, weil sie Jackson nicht verletzen wollten. Stattdessen schossen sie mehrmals als Warnung in die Luft. Doch davon ließ sich der Bär nicht beeindrucken. Gnadenlos zerrte der Grizzly seinen Feind in die Höhle. Kurz darauf waren der Bärtige und das Tier darin verschwunden. Man hörte nur noch das Brüllen des Bären und die Schreie des Mannes…..

Kaum hatte Maruk die Schüsse vernommen, begann er in die Richtung zu rennen, aus der diese gehört hatte. Die Schüsse vermischten sich mit dem Gebrüll des Bären und das Geschrei der Menschen, die ihn verfolgten. Wenig später traf er auf die beiden Ranger, denen er dann folgte…..

Wenig später hatten Dean und seine Männer seine restlichen Kollegen erreicht, die hinter einen Busch standen. Davor befand sich eine Höhle, aus der sie das Brüllen des Tieres und Bens Schreie hörten. „Mein Gott, Ben!”, flüsterte Anderson entsetzt.

Croydon zuckte zusammen als plötzlich Dean hinter ihn stand und ihn an die Schulter fasste. Vor Schreck feuerte der junge Mann seine Waffe ab, noch ehe Anderson etwas sagen konnte. Der Lauf zeigte genau in die Höhle. Jacksons Schreie erstarben…..

„Nimmt die Waffen runter!”, befahl Johnson, der mit Baker zusammen den Ort des Geschehens erreicht hatte. Maruk knurrte dazu die Waldarbeiter an. Sein Fell war dabei fast komplett aufgerichtet. Wortlos ließen die Holzfäller ihre Gewehre sinken. Im nächsten Augenblick preschte der Bär wieder aus der Höhle auf die Holzfäller zu, die Jackson begleitet hatten. Bevor jemand reagieren konnte, hatte das Tier Croydon erreicht und zu Boden gerissen. Dieser schrie vor Schmerzen, als die Krallen des Tieres seinen linken Oberarm aufrissen. Blut quoll hervor. Wenig später war er bereits bewusstlos…..

Dann rannte der Grizzly auf den nächsten Mann los, der vor Entsetzen seine Waffe hochhielt. Zweimal konnte Tony Hill abdrücken, dann war der Bär bereits bei ihm. Weitere Schüsse krachten…..

Der Grizzly zuckte kurz, verharrte in seiner Bewegung und blickte zu den Rangern rüber. Dann brach er zusammen. Mit einem lauten Fluch ließ Johnson sein Gewehr sinken. Sofort rannte Dean zu der Höhle. „Ben!”, rief er in die Höhle, „Ben, bist du okay? Wo bist du?” Suchend blickten sich die Männer um, die ihren Boss sofort gefolgt waren. Baker fand Jackson als erster. Der bärtige Holzfäller war von dem Bären übel zugerichtet worden. Er lebte, blutete aber aus seinen zahlreichen Wunden. Vorsichtig trugen ihn die Männer aus der Höhle, um seine Wunden besser versorgen zu können…..

Während die Männer ihre Verletzten versorgten, achtete niemand auf die nähere Umgebung. Johnson ließ einen Helikopter rufen, der die Verletzten in die nächste Klinik bringen sollte. Die Ranger und auch die restlichen Holzfäller waren so sehr damit beschäftigt, die Verletzten für den Abtransport vorzubereiten, dass niemand Maruks Knurren wahrnahm. Nachdem der Rettungshubschrauber die Verletzten an Bord genommen hatte und nun davonflog, versuchte der Wolf erneut Henry auf seine Beobachtung hinzuweisen. Erschrocken mussten alle feststellen, dass der Bär, von dem alle angenommen hatten, dass dieser tot wäre, verschwunden war!

Suchend blickten sich die Zurückgebliebenen um. „Das gibt’s doch nicht!”, meinte Baker verwundert, „Wo ist der Grizzly geblieben? Ich dachte, der ist tot.” Inzwischen suchte Maruk bereits nach der neuen Fährte des verschwundenen Tieres. „Scheinbar nicht.”, antwortete Henry, „Sonst läge er hier noch.” Einen Moment später gab der Wolf einen kurzen Laut von sich und lief einer Spur folgend davon. Die Ranger hefteten sich sofort an seine Fersen. Die übrigen Holzfäller folgten ihnen…..

Nach einer knappen halben Stunde fanden sie den Bären, der nun tot vor einem sehr hohen Buschwerk lag. Vorsichtig traten Henry und Jim näher und untersuchten ihn. Maruk schnupperte ebenfalls an dem Grizzly, der sich nicht mehr rührte. Instinktiv wusste Maruk, dass von diesem Bär keine Gefahr mehr ausging und dennoch war etwas anders. Irgendwas ließ den Wolf weiterhin aufmerksam bleiben. Unruhig schnupperte er die nähere Umgebung ab, bis er eine neue Fährte fand. Dieser folgte er bis in eine dichte Böschung, aus der er Geräusche hörte. Etwas kratzte am Baumstamm. Maruk fühlte eine innerliche Anspannung, die er nicht kannte. Es war etwas anderes. Der Wolf drang in das Gebüsch ein. Wenig später stieß er auf etwas Weiches, das sehr intensiv nach Bär roch und einen erbärmliches Brüllen von sich gab. Maruk wich aus dem Busch zurück. Kurz darauf folgten ihm zwei Bärenjungen.

„Schau mal, was dein Wolf da aufgegabelt hat.”, sagte Baker zu Johnson. Dieser blickte sich zu dem Wolf um. „Ich hab’s geahnt.”, sagte er und ging sofort zu Maruk, der die beiden jungen Bären liebevoll ableckte, „Ich wusste doch, dass es eine Bärin war. Jetzt haben wir die Bescherung!” Böse blickte er einige der Holzfäller an, die vorher noch die Bärin gejagt hatten. Beschämt blickten die meisten von ihnen auf den Boden. Dean trat an die Ranger heran. „Es tut mir Leid, dass es soweit gekommen ist, Sir!”, sagte er mit fester Stimme, „Ich hätte meine Männer besser im Zaum halten müssen.” Dann blickte Anderson zu seinen Männern. „Das wird Konsequenzen haben.”, fuhr er fort, „Das verspreche ich Ihnen, Sir!” „Davon wird der Bär auch nicht wieder lebendig, Mister.”, gab Jim vorwurfsvoll zurück und zeigte dabei auf die beiden Bärenjungen, „Jetzt haben die beiden keine Mutter mehr, die sie versorgt und aufzieht.” Henry nahm einen von den beiden Bären hoch. Er gab ein zufriedenes Schnauben von sich und schmiegte sich an den Ranger. „Nein, die haben sie nicht mehr.”, sagte er und blickte dabei in die Richtung, wo er wohnte, „Aber meine Tochter Kathryn wird sich um sie kümmern.”

„Oh, sind die süß!”, rief Kathryn begeistert am späten Abend, als sie die Bärenjungen sah. Sofort nahm sie beide in ihre Arme und drückte die Tiere zärtlich an sich. „Und ich darf sie wirklich aufziehen, Daddy?”, vergewisserte sie sich. „Ja, wenn du willst.”, antwortete Henry, nachdem er seiner Familie von dem Schicksal der Bärin erzählte hatte. Als Peggy und Kathryn davon erfuhren, dass Henry wegen der Holzfäller gezwungen war, den Bären zu töten, weil er sich gegen Jackson und seine Leute gewehrt hatte, wurden beide sehr traurig. „Das ist ja furchtbar.”, meinte Kathryn, „Warum können die Menschen die Tiere einfach nicht in Ruhe lassen?” Der Ranger und seine Frau zuckten mit den Schultern. „Das weiß ich auch nicht, mein Kind.”, antwortete er wahrheitsgemäß, „Aber es ist unsere Aufgabe, uns um die Tiere zu kümmern, die uns brauchen.” „Und deshalb will ich mich um die beiden auch kümmern.”, versprach das Mädchen, „Ich werde die beste Bärenmutter sein, die es jemals gab!” Maruk schmiegte sich an Kathryn und gab dabei einen undefinierbaren Laut von sich. „Okay, okay, Wolf- und Bärenmutter!”, lachte sie und streichelte den roten Wolf, „Du wirst auch nicht zu kurz kommen. Versprochen, Maruk!” Zufrieden legte der Wolf seinen Kopf auf den Schoß des Mädchens.

E N D E

von Andreas Rößler, 1984 - Neubearbeitung 2005

Abschlusshinweise zum Kapitel:

keine

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