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Die Vorgänge in der tindaranischen Heimatdimension waren Telzan nicht verborgen geblieben. Durch eine getarnte Spionagesonde, die er dorthin geschickt hatte, konnte er sich jetzt ein genaues Bild darüber machen, dass das tindaranische Militär in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden war aufgrund einer Tatsache, die eigentlich gar keine war. Natürlich wusste der Vendar, der ja über Sytanias Pläne sehr gut informiert war, dass sie dieses Mal wohl tatsächlich unschuldig war. Aber er wusste auch, dass sie dies als willkommenen Anlass sehen könnte, einen Angriff auf Tindara zu starten. Die Tindaraner würden es noch bitter bereuen, sie zu Unrecht beschuldigt zu haben!

Cirnach hatte jenes Zimmer betreten, in dem sich Telzan jetzt die Bilder der Sonde ansah. Auch sie war in der Lage, diese sofort zu interpretieren, konnte sich aber nicht vorstellen, warum ihr Mann trotz der ungeheuren Anschuldigungen gegen ihre Herrin noch so freudig grinste. „Freut dich etwa, dass diese Tindaraner sich herausnehmen, unsere Herrin einfach so eines Verbrechens zu beschuldigen, das sie nie begangen hat?!“, fragte Cirnach empört. „In gewisser Weise ja, Telshanach!“, grinste Telzan zurück. „Ich höre wohl nicht recht!“, meinte seine Ehefrau. „Oh doch.“, sagte Telzan. „Du hörst verdammt recht, meine liebe Cirnach. Mich freut tatsächlich, dass man Sytania dessen beschuldigt, denn so liefern ihr die Tindaraner einen astreinen Vorwand, sie anzugreifen. Wenn du eines Verbrechens beschuldigt würdest, das du nicht begangen hast, würdest du dich dann etwa nicht wehren wollen? Unsere Herrin wartet schon seit Jahren auf einen solchen Vorwand und hier ist er!“

Er zog die Bilder von der Sonde auf einen Datenkristall, den er dann in ein Pad legte. „Sytania wird sich freuen, Telshanach.“, sagte er mit einem teuflischen Grinsen auf dem Gesicht. „Sie wird sich freuen! Komm! Lass uns rasch zu ihr gehen!“ Cirnach nickte und folgte ihm.

Sytania saß in ihrem Thronsaal auf ihrem Thron, als die beiden Vendar diesen betraten. „Was bringt ihr mir für Nachrichten?!“, fragte die Prinzessin mit mürrischem Gesicht, nachdem sie einen Blick auf die beiden Gesichter ihrer Vertrauten geworfen hatte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum sie so gut gelaunt waren. Seit Wochen hatte sich nichts mehr getan, das ihr einen Vorwand liefern konnte, sich für die erlittene Niederlage an der Föderation oder ihren Verbündeten zu rächen. Sie wusste, dass die Föderation jetzt um so vorsichtiger werden würde, was ihr Verhalten anging, um ihr nie wieder so einen Punkt zum Einhaken zu liefern. Nugura hatte sich öffentlich bei den Romulanern für den Plan entschuldigt, der vor ca. 800 Jahren durch einen Sternenflottenoffizier gefasst worden war und man hatte ihre Entschuldigung tatsächlich angenommen, da man durch Sytania ja selbst in eine verzweifelte Lage geraten war und die Beweggründe so auch sehr gut verstehen konnte. Das war eine Tatsache, die der imperianischen Königstochter gar nicht gefiel! „Wie zur Hölle könnt ihr es wagen, so gute Laune zu haben?!“, herrschte Sytania ihre beiden Vertrauten an. Telzan und Cirnach schwiegen aber nur unbeeindruckt und verzogen keine Miene. „Das muss ja etwas sehr Vorteilhaftes für uns sein, was ihr da in der Hand habt.“, sagte Sytania. „In der Tat.“, bestätigte Telzan und holte grinsend das Pad hinter seinem Rücken hervor. Dann ließ er es die Nachricht abspielen. „Was für eine ungeheuerliche Anschuldigung!“, empörte sich Sytania. „Und ihr wagt es, mir dies als Vorteil für uns zu präsentieren?!“ „Ja, das tun wir, Gebieterin.“, mischte sich jetzt auch Cirnach ein. „Überlegt doch bitte einmal. Die Nachricht hat doch sicher etwas mit Euch gemacht, oder?“ „Oh ja, Cirnach!“, sagte Sytania mit viel Wut in den Augen. „Sie hat dafür gesorgt, dass ich die Tindaraner am liebsten auf der Stelle angreifen würde! Diese haltlose Anschuldigung lasse ich nicht auf mir sitzen, obwohl es mir sicher gefallen hätte, wenn ich wirklich getan hätte, wessen sie mich beschuldigen. Sie haben mich da in gewisser Weise schon auf eine Idee gebracht, aber mich auch gleichzeitig vorgewarnt. Wenn ich das jetzt wirklich versuchen würde, würden sämtliche Telepathen in Alarmbereitschaft sein und mich erkennen. Das wäre sehr zu meinem Nachteil und deshalb versuche ich es gar nicht erst. Aber sie sollen mich kennen lernen!“ „Dann lasst es uns doch tun.“, schlug Telzan vor. „Lasst uns den Tindaranern ein für alle Mal zeigen, dass sich die Thronfolgerin des Dunklen Imperiums nicht so einfach eines Verbrechens beschuldigen lässt, dass sie nie begangen hat!“ „Ich wusste, du würdest mit mir einer Meinung sein, Telzan!“, freute sich Sytania. „Versammle deine Truppen! Wir werden …!“

Cirnach trat vor und räusperte sich. „Mit Verlaub, Gebieterin.“, sagte sie. „Ihr dürft nicht außer Acht lassen, dass die Tindaraner starke Verbündete haben, die …“ „Du denkst an Zeitland, das Raum-Zeit-Kontinuum, meinen Vater, die Aldaner und so weiter, was?!“, fiel die Prinzessin ihrer Dienerin ins Wort. Cirnach nickte nur. „Dann will ich dir mal etwas erklären, Cirnach.“, sagte Sytania schulmeisterlich. „Die Meisten von denen würden sich wohl kaum direkt einmischen, weil sie garantiert irgendwelche hochgestochenen Gründe dafür finden.“ „Aber was ist, wenn sie es doch tun?“, fragte Cirnach und legte die Stirn in Sorgenfalten. „Ich meine, immerhin sind sie Verbündete und die helfen einander, wenn es hart auf hart kommt.“ „Oh ja.“, meinte Sytania abfällig. „Diese verdammten Bündnisse und Freundschaften! Wie ich sie hasse! Das erinnert mich auch gleich an den Grund für meine schlechte Laune! Wisst ihr, wie Nugura das neue Bündnis mit den Romulanern nennt?! Sie nennt es ein Bündnis der Ehrlichkeit! Noch so etwas, das ich abgrundtief hasse und das mir die Ekelpusteln ins Gesicht treibt, wenn ich es nur höre! Ehrlichkeit, Freundschaft und Bündnisse sind Dinge, die doch nur abhängig machen und lästige Verpflichtungen mit sich bringen. Aber wenn man die Leute nach Strich und Faden für sich ausnutzt, stets boshaft ist und immer nur zum eigenen Vorteil handelt, lebt man doch bedeutend leichter! Aber nun sage mir, Cirnach. Was genau gefällt dir an dem Plan nicht, die Tindaraner gleich anzugreifen?“ „Ihr wisst.“, sagte die Vendar und hob mahnend den Zeigefinger ihrer rechten Hand. „Dass die Tindaraner, wenn sie sich geistig zusammenschließen und alle gleichzeitig auf ein Ziel konzentrieren, eine schier undurchdringliche mentale Mauer bilden können. Aber auch ein einzelner Tindaraner allein könnte Euch schon sehr gefährlich werden, wenn er es richtig anstellt. Erinnert Euch doch nur einmal an Euren letzten Kampf mit Shimar El Tindara! Außerdem haben sie ihre selbstständig denkende und handelnde Technologie, die ihnen mit Sicherheit auch mit etwas Rosannium mithelfen würde, Ihr versteht hoffentlich! Wir wären schön dumm, würden wir so einfach gegen sie anrennen! Nein. Mir schwebt da eher vor, sie zu spalten und sie in einen 2-Fronten-Krieg zu verwickeln. Ich dachte da an einen mit den Genesianern zum Beispiel.“ „Und wie willst du das erreichen, Cirnach?!“, fragte Sytania.

Cirnach sah ihren Mann an. „Ich habe durch unsere Spionagesonden erfahren.“, sagte Telzan. „Dass sich ein tindaranisches Patrouillenschiff in der Nähe der Grenze zum genesianischen Raum befindet. Wenn dieses ohne Vorwarnung die Grenze überfliegen würde, dann würden die Genesianer das sicher als aggressiven Akt sehen.“ „Und wie willst du den Piloten dazu bewegen?!“, fragte Sytania sehr aufgeregt. „Das muss ich gar nicht.“, sagte Telzan im Gegensatz zu ihr sehr ruhig. „Ihr könntet ein Phänomen erschaffen, das die Warpspulen des Schiffes erfasst und es zwingt, über die Grenze zu fliegen. Es darf natürlich nicht für genesianische Sensoren sichtbar sein, aber …“ „Pah.“, machte Sytania und schaute gelangweilt. „Das dürfte eine meiner leichtesten Übungen sein! Also gut! Unser Plan steht also. Ich kümmere mich um den Tindaraner und ihr wartet, bis diese Front aufgebaut ist. Danach fallt ihr in ihre Dimension ein! Ich will sie lehren, was es heißt, Sytania ohne Beweise zu verdächtigen! Ich mag zwar ihre Feindin sein, aber ich lasse mich nicht zum Sündenbock machen!“ „Sicher nicht, Milady.“, sagte Telzan und winkte seiner Frau, um mit ihr in die vendarische Garnison zurückzukehren. Hier würden sie alles für den Überfall auf die Tindaraner vorbereiten.

Sedrin und ich hatten Lyciras Cockpit betreten. „Ich werde mich nie mit der Tatsache anfreunden können, dass dieses Schiff mit Ihnen telepathisch kommunizieren kann.“, sagte Sedrin. „Vielleicht können Sie sich aber mit dem Gedanken anfreunden, dass sie mit Ihnen telepathisch kommunizieren kann, Agent.“, machte ich lächelnd ein kleines Wortspiel. „Hören Sie schon auf mit Ihrer kommunikationsoffizierischen Bauernschläue und Wortgewandtheit, von der ich mir sicher noch eine dicke Scheibe abschneiden könnte.“, sagte Sedrin und ich konnte an ihrer Betonung gut hören, dass die sonst immer so souveräne Sedrin jetzt doch sehr nervös zu werden schien. „Haben Sie Angst, dass unser Plan, wie immer er auch lauten möge, nicht funktioniert?“, fragte ich sie gerade heraus. „Sagen Sie mir bitte nicht, Sie haben das auch schon wieder gehört, Allrounder!“, sagte Sedrin und ich bekam das starke Gefühl, dass sie sich sehr ertappt fühlte. „Oh doch, Agent!“, sagte ich mit viel Überzeugung in der Stimme. „Das habe ich genau gehört!“ „Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben, das zu überspielen!“, erwiderte Sedrin und ihre Enttäuschung über sich selbst war nicht zu überhören. „Das ist es ja gerade.“, stellte ich fest. „Sie haben sich zu sehr bemüht.“ „Verstehe schon.“, sagte Sedrin. „Ich bin eben manchmal eine verdammt miese Schauspielerin.“ „Oh.“, lächelte ich. „Das ist aber in Ihrem Beruf gar nicht gut, wenn Sie sich mal tarnen müssen.“ „Das stimmt.“, sagte die Demetanerin und atmete hörbar aus. „Bitte lassen Sie uns jetzt endlich starten, bevor ich noch gänzlich die Nerven verliere.“ „So schlimm?“, fragte ich und versuchte ein mitleidiges Gesicht zu machen. Dann gab ich Lycira den Gedankenbefehl zum Start.

Mir fiel im selben Moment auf, dass Sedrin abwechselnd mit dem rechten und dem linken Fuß auf den Boden tippte. „Ich fürchte, da benötigt jemand dringend eine Ablenkung.“, sagte ich und zeigte auf die beiden weichen Vertiefungen in der Konsole vor Sedrins Sitz. „Legen Sie dort bitte die Hände hinein, Madam.“, erklärte ich dann. „Lycira würde Sie nämlich gern kennen lernen.“

Sedrin tat, was ich ihr vorgeschlagen hatte. Im gleichen Moment hörte sie Lyciras telepathische Stimme: Hallo, Sedrin. Ich bin Lycira, Betsys Schiff. Ich würde gern wissen, wie unsere Mission lautet. „Wie antworte ich ihr, Allrounder?“, flüsterte mir Sedrin in mein rechtes Ohr, da sie rechts von mir saß. „Denken Sie einfach, was Sie ihr sagen wollen.“, half ich ihr auf die Sprünge. „Da hätte ich auch gleich selbst drauf kommen können.“, sagte Sedrin, der ihr leichter Anflug von Dummheit, wie sie wohl selbst fand, sehr peinlich zu sein schien. Hi, Lycira., dachte Sedrin. Es freut mich sehr, dich kennen zu lernen. Weißt du eigentlich, dass du eine sehr schöne telepathische Stimme hast? Aber du wolltest ja wissen, wie unsere Mission lautet. Wir fliegen nach Tindara und halten denen mal ein wenig den Spiegel vor. Ich glaube, ich verstehe schon, Sedrin., erwiderte Lycira.

Am Rascheln ihrer Kleidung stellte ich fest, dass sich Sedrin bewegt haben musste. Sofort schloss ich, dass sie ihre Hände wieder aus den Mulden genommen hatte. „Ich bin etwas neidisch auf Sie, Betsy.“, stellte Sedrin fest. „Warum das?“, fragte ich verwundert. „Sie haben ein Schiff, das alle Erwartungen übertrifft. Was müssen die Saloraner für findige Ingenieure sein?! Ich denke, von ihnen könnten sich sogar die Celsianer noch eine dicke Scheibe abschneiden.“ „Es gibt halt immer noch eine Steigerung, Madam.“, lächelte ich.

Wir hatten das Sonnensystem verlassen. „Haben Sie Lycira über unsere Mission aufgeklärt?“, fragte ich. „Ja, das habe ich, Betsy.“, sagte Sedrin. „Und das Gleiche werde ich jetzt mit Ihnen tun. Ich habe vor, der tindaranischen Regierung im wahrsten Sinne des Wortes den Spiegel vorzuhalten. Aber dafür werden wir nicht etwa ins Parlament marschieren und eine Protestflagge schwenken. Nein! Das werden wir viel subtiler anstellen. Wir werden dafür noch nicht einmal den Planeten selbst aufsuchen. Wie beurteilen Sie die Situation um Ihren Freund? Glaubt er an die Existenz der Nidari-Travelers?“ „Er ist sich nicht so sicher, glaube ich.“, sagte ich. „Aber ich denke, er wird leicht zu überzeugen sein.“ „Um so besser.“, sagte Sedrin und grinste hörbar. „Dann ist er ja schon einmal ein williges Opfer für meinen Plan. Könnte Lycira ihn von der interdimensionalen Schicht aus finden?“ „Das denke ich schon.“, sagte ich. „Und was dann?“ „Dann werden wir ihm zunächst den Spiegel vorhalten. Das bedeutet, Lycira wird alle seine Manöver spiegeln. Können Sie ihr das beibringen?“ „Ich denke schon, Agent.“, sagte ich. „Aber welchen Zweck verfolgen Sie damit?“ „Ganz einfach.“, sagte Sedrin. „Shimar wird unser Verhalten sehr merkwürdig finden und es bestimmt melden. Zirell wird er es melden, die es sofort der Regierung weitergeben wird, weil sie sich sicher auch keinen Reim darauf machen können wird. Ich hoffe so, die Zusammenkunft ganz unterschwellig zum Nachdenken bringen zu können.“ „Igitt!“, grinste ich. „Was für ein hinterlistiges Hintertürchen!“ „Dafür bin ich ja bekannt, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Wir haben es ja durch die Vordertür versucht.“, rechtfertigte sie ihr Vorgehen. „Aber leider ohne Erfolg. Sie haben ja selbst gehört, was dabei herausgekommen ist.“ Ich nickte mit traurigem Ausdruck im Gesicht. Dann sagte ich: „Das haben die Travelers sicher nicht gewollt! Sie wollten doch nur hallo sagen und statt dessen gibt es ihretwegen jetzt bald Krieg zwischen Tindara und Sytanias Teil des Dunklen Imperiums!“ „Nicht, wenn wir es verhindern können, Betsy!“, meinte Sedrin motivierend. „Und jetzt aktivieren Sie Lyciras interdimensionalen Antrieb, damit wir Ihren Freund bald finden und unseren Plan in die Tat umsetzen können!“ „Aye, Madam!“, nickte ich und führte ihren Befehl aus. Dann sagte ich zaghaft: „Hoffentlich dreht mir keiner aus dieser Sache später einen Strick.“ „Wenn hier jemandem einer gedreht wird.“, sagte Sedrin. „Dann allerhöchstens mir! Ich bin die ranghöhere Offizierin und trage deshalb alle Verantwortung auf dieser Mission. Wenn Ihr Commander, die Präsidentin oder von mir aus auch das gesamte Oberkommando der Sternenflotte also jemandem den Hals umdrehen wollen, dann bitteschön! Hier ist meiner und der ist ziemlich flexibel! Verstehen Sie?!“ Ich gab einen bestätigenden Laut von mir. Dann sagte ich: „Danke, Agent.“ „Da brauchen Sie sich nicht bei mir zu bedanken, Allrounder.“, sagte Sedrin grinsend. „Danken Sie lieber denen, die mal die Sternenflottenvorschriften erfunden haben.“

Betsy! Ich hatte Lyciras telepathische Stimme vernommen. „Was ist, Lycira?“, fragte ich laut und dachte es gleichzeitig, denn diese Gewohnheit würde ich wohl mein Lebtag nicht ablegen. Aber es war auch besser für Sedrin, denn dann war auch sie im Bilde. Ich habe Shimar und sein Schiff gefunden., erklärte mein Schiff. „Dann bring uns hin!“, befahl ich. OK., meinte Lycira und konfigurierte ihren interdimensionalen Antrieb zum Wiedereintritt in unser Universum. „Was ist?“, fragte Sedrin. „Sie hat ihn!“, sagte ich. „Na dann!“, sagte Sedrin. „Sie wissen ja, was Sie zu tun haben.“ „Allerdings.“, bestätigte ich nickend.

Auch an Bord von 281 Alpha waren zwei Offiziere dabei, auf ihre Art die Regierung der Tindaraner zur Geduld zu mahnen. Hierzu hatten sie sich in der Simulationskammer mit Hilfe des Programmierassistenten eine hübsche Winterlandschaft erstellt, in der jetzt beide dabei waren, Iglus zu bauen. Aber nicht etwa aus großen Blöcken, sondern aus kleinen filigranen Schneebällchen, die sie mit Wasser und Pulverschnee, in den sie auch klein gehacktes Stroh gemischt hatten, aneinander befestigten. So hatten sie es schließlich aus IDUSAs Datenbank erfahren. Wenn die Bauwerke fertig waren, würde man sie Zirell präsentieren. Aber auch jetzt war das Programm bereits öffentlich zugänglich, zumindest was das Beobachten ihrer Fortschritte anging. Bei den beiden Baumeistern handelte es sich um Joran und Maron. Beide hatten mit Sorge das Verhalten der Zusammenkunft beobachtet und hatten sich eigentlich gewünscht, dass man die Geduld hätte, wenigstens das Ende der Ermittlungen abzuwarten. Statt dessen hatte man aus verletzten Gefühlen heraus begonnen, auf eine Person einzudreschen, die, wenn sie sich wehrte, doch sehr gefährlich werden konnte. Wenn Maron oder Joran an ihrer Stelle gewesen wären, hätten sie mit Sicherheit eher eine ruhige Hand bewiesen, als so vorzugehen. Eine Solche benötigten sie auch bei ihrem Bauvorhaben. Dieses war also ein Sinnbild im doppelten Sinne.

Maron hatte einen Schneeball in die Wand seines Iglus eingefügt. Dann hatte er sich an den Avatar des Stationsrechners gewandt, die sich in einiger Entfernung auf einem Schlitten sitzend der Bauaufsicht widmete: „IDUSA, haben wir viele Zuschauer?“ „Oh ja, Agent.“, grinste IDUSA. „Das Netzwerk bricht fast zusammen, so viele sehen Ihnen und Joran zu. Wahrscheinlich fragt sich der Großteil gerade, was das soll, was Sie hier tun. Ich denke, sie würden Sie das auch gern selbst fragen, aber Sie haben mir ja sogar strengstens verboten, eine Kommunikationsmöglichkeit in das Programm einzubauen.“ „Und das aus gutem Grund, IDUSA.“, sagte Maron. „Die Bevölkerung von Tindara und seinen Kolonien soll ruhig noch eine Weile daran herumrätseln, was wir ihnen wohl damit sagen wollen. Ich hoffe, dass sie es dann, wenn sie das Rätsel meinen gelöst zu haben, ihrer Regierung weitergeben. Ach! Ich liebe die Auswirkungen direkter Demokratie am Morgen!“ Er gab einen genießerischen Laut von sich. „Wenn ich ehrlich sein darf.“, setzte IDUSA an. „Dann hätte ich Ihnen so eine subtile Art der Demonstration nicht zugetraut, Agent Maron, obwohl Sie Demetaner sind. Aber Sie sind doch eher als jemand bekannt, dem solche Pläne im Allgemeinen nicht gelingen und der vom Pech verfolgt ist.“ „Vielleicht habe ich ja auch mal Glück, IDUSA.“, sagte Maron. „Sie werden mich also wegen meiner Äußerung nicht Techniker McKnight melden?“, fragte der Rechner erstaunt. „Aber nein.“, erwiderte Maron mild. „Wo kämen wir denn da hin?“ „Ich dachte nur.“, sagte IDUSA. „Weil Sie unter Umständen das Gefühl haben könnten, ich wolle Ihre Autorität untergraben oder Ähnliches.“ „Oh nein, IDUSA!“, versicherte Maron ihr. „Du hast doch nur die Wahrheit gesagt und ich habe mittlerweile viel über euch und den Umgang der Tindaraner mit euch gelernt! Ich habe gelernt, deine Meinung zu akzeptieren, wie ich auch die jeder anderen Lebensform akzeptiere. Die Sternenflotte akzeptiert ja sogar die Meinung von Androiden und Hologrammen oder selbstständig denkenden Simulationen, wie du eine bist.“ „Die Sternenflotte ja.“, sagte IDUSA. „Aber Sie persönlich hatten damit bisher leider Ihre Schwierigkeiten.“ „Ich hoffe aber.“, sagte Maron. „Dass dieser Knoten jetzt endlich geplatzt ist.“

Joran schaute zu Maron und IDUSA hinüber. „Worüber habt ihr gerade geredet, Maron El Demeta?“, fragte er seinen Vorgesetzten. „Es war nur was Persönliches, Joran.“, sagte Maron. „Außerdem wollte ich von ihr wissen, ob uns viele Leute zusehen.“ „Und?“, fragte der Vendar mit neugierigem Blick. „Tun sie das?“ „In der Tat, wie du immer zu sagen pflegst.“, freute sich der demetanische Agent. „Sie sagt, dass das tindaranische Netzwerk fast zusammenbricht und das nur wegen uns! Also: Halb Tindara staunt und die andere Hälfte wundert sich.“ „Ich schätze, du hast mit voller Absicht ein Motiv aus deinem Heimatuniversum gewählt, das die einfache Bevölkerung auf Tindara nicht unbedingt kennt.“, sagte Joran. „Damit das Rätsel noch größer ist.“ „Wie gut du mich doch kennst.“, grinste der Demetaner und schickte sich an, einen weiteren Schneeball aufzustapeln, aber Joran hielt ihn zurück: „Deine Bälle werden immer größer, Maron El Demeta! So könnte es sein, dass du zu schnell fertig wirst.“ „Dann fass dir mal bitte an die eigene Nase.“, sagte Maron. „Bei dir sieht es so aus, als wärst du auch kurz davor, die Geduld zu verlieren.“

Joran sah sich sein eigenes Bauwerk von oben bis unten an. Mit scharfem Blick verglich der Vendar jeden Ball mit dem anderen. Dann sagte er nur resignierend: „In der Tat.“ Seine Gesichtshaare stellten sich auf. „Das ist noch lange kein Grund, gleich blass zu werden.“, tröstete Maron. „Oh doch, Maron El Demeta.“, sagte Joran. „Wenn wir so weiter machen, verfliegt doch der Effekt unseres Mahnmals völlig und wir geben uns der Lächerlichkeit preis, weil wir es nicht einmal merken.“ „Oh, ich bin sicher, IDUSA hätte es gemerkt und uns schon früh genug aufmerksam gemacht.“, sagte Maron. „Aber woher kann das kommen?“, fragte Joran. „Ich glaube, dass wir unbewusst langsam tatsächlich selbst die Geduld verlieren.“, sagte Maron. „Bei allen Göttern!“, sagte Joran verzweifelt. „Das darf nicht passieren!“

Der Avatar des tindaranischen Rechners war von ihrem Schlitten aufgestanden und hatte sich den Männern genähert. Jetzt legte sie beiden ihre dick in Handschuhe verpackten Hände auf die Schultern. Maron die Rechte und Joran die Linke. Dann flüsterte sie: „Das wird auch nicht passieren, wenn Sie mir jetzt zuhören, Gentlemen. Ich habe dies tatsächlich schon länger beobachtet und auch schon einen Plan ersonnen, wie wir der Ungeduld Ihrer beider Unterbewusstsein ein Schnippchen schlagen. Wie wäre es, wenn Sie sich gegenseitig helfen, indem jeder die Bälle für den anderen rollt?! So entsteht vielleicht bei Ihnen ein größeres Gefühl der Zusammengehörigkeit und gleichzeitig führen Sie beieinander die notwendigen Kontrollen durch.“

Zwischen Maron und Joran gab es lebhaften Augenkontakt, was der Rechner ebenfalls zur Kenntnis nahm. Dann flüsterte Maron: „Sie ist gut, Joran! Ein Sternenflottencomputer wäre sicher nicht auf so etwas gekommen. Aber ich finde ihren Vorschlag gar nicht so schlecht!“ „Ich auch nicht, Maron El Demeta.“, sagte Joran und Maron hatte fast das Gefühl, einen Anflug von Bewunderung und Ehrfurcht in der Stimme des Vendar wahrzunehmen. „Deshalb finde ich, wir sollten ihren Vorschlag ruhig annehmen.“ „Das finde ich auch.“, sagte Maron. Dann wandte er sich IDUSA zu: „Wir werden deinen Vorschlag annehmen, IDUSA. Aber du könntest uns noch zwei große Kübel auf Schlitten replizieren, in die wir die Bälle zum Abtransport legen können. Die tauschen wir dann einfach immer wieder aus. Mutter Schicksal! Du eignest dich wirklich hervorragend als Komplizin, IDUSA! Mit einem Sternenflottencomputer wäre das sicher nicht möglich gewesen.“ „Ein Hoch auf meine Selbstständigkeit!“, lächelte IDUSA und stellte das Gewünschte für Maron und Joran bereit.

Eine ganze Weile lang hatten die Beiden jetzt schon ihre Tätigkeit fortgesetzt und dabei bemerkt, dass IDUSAs Vorschlag ihnen die Arbeit tatsächlich sehr erleichtert hatte. Dann aber unterbrach der Rechner das Programm jäh. „Was gibt es, IDUSA?!“, fragte Maron alarmiert. „Ich muss Ihnen etwas zeigen, Gentlemen.“, sagte der Avatar. Ihr Gesicht vor den geistigen Augen der Männer war leichenblass. „Es ist möglich.“, fuhr sie fort. „Dass Sie gleich wieder zum Dienst müssen. Aber keine Sorge. Ich habe die Situation in Ihrem Programm gespeichert.“ „Zeig uns doch erst mal, was dich so in Alarmbereitschaft versetzt hat, IDUSA.“, sagte Maron.

Der Avatar nickte und ihr Bild wich dem einiger Vendar, die ihre Schiffe warteten. „Woher sind diese Bilder, IDUSA?“, fragte der erste Offizier. „Sie kommen von der interdimensionalen Sensorenplattform.“, sagte IDUSA. „Sie hat dies im Dunklen Imperium beobachtet. Bitte schauen Sie sich genau an, auf welche Systeme die Vendar ihr verstärktes Augenmerk legen.“ „Die Interdimensionsantriebe und die Waffen! Insbesondere die mit Rosannium!“, stellte Joran fest. „Wenn man das mit den anderen Ereignissen zusammennimmt, könnte das bedeuten …“ „Dann bedeutet es!“, verbesserte der erste Offizier seinen Untergebenen. „Es bedeutet, dass Sytania sich wehrt und wir alle wissen, wie das aussieht. Sie ist jetzt wie ein angeschossenes Tier! Also unberechenbar! Warum konnte die Zusammenkunft nicht einfach nur die Ermittlungen abwarten?! Sind sie denn so schnell zu beleidigen?! Das hätte ich von ihnen nicht gedacht! Sie müssten doch eigentlich genau wissen, was passieren kann, wenn man Sytania wütend macht und jetzt haben wir den Salat! Los komm! Ab zur Kommandozentrale! IDUSA, verständige Zirell!“

Wenige Minuten danach trafen sie bereits in der Kommandozentrale ein, wo sie schon von Zirell erwartet wurden, die von IDUSA befehlsgemäß verständigt worden war. Auch ihr hatte der Rechner die Bilder gezeigt, aber inzwischen hatte sich etwas geändert. „Für mich sieht es so aus, als hätten die Vendar vor, sich irgendwo in der interdimensionalen Schicht zu versammeln und auf etwas zu warten.“, sagte Zirell. „In der Tat.“, bestätigte Joran. „Meine ehemaligen Kameraden haben zwar die Antriebe ihrer Schiffe konfiguriert, um in unsere Dimension einzufliegen, aber sie tun es nicht. Sie scheinen tatsächlich auf etwas zu warten.“ „Aber auf was warten sie?“, wollte Zirell wissen. „Das kann ich dir leider nicht beantworten, Anführerin.“, sagte Joran. „Aber ich befürchte, das werden wir noch früh genug sehen.“ „Das denke ich auch.“, sagte Zirell. „Aber so lange wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als zu warten. Oh, ich hasse Belagerungen!“ „Ich denke, darauf werden sie wohl keine Rücksicht nehmen, Zirell.“, sagte Maron.

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