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Hinweise zur Geschichte:

Star-Trek-Kurzgeschichte

Philip hatte an diesem Morgen wirklich genug vom Streit seiner Eltern und
verließ daher schon sehr früh das Haus in Little Federation, seiner
Heimatstadt. Es war sechs Uhr in der Früh. Eigentlich kein guter Zeitpunkt
für einen 6-jährigen Jungen, um auf der Straße herum zu laufen. Er achtete
auf gar nichts, weder auf die Verkehrszeichen, die sich unablässig
automatisch der jeweiligen Situation anzupassen schienen, noch auf den Jeep,
der plötzlich vor ihm hielt. Philip erkannte die Frau, die ihn fuhr, nicht
sofort. Erst als sie ihre Stimme erhob bemerkte er, dass es Uzoora war. Sie
war eine entfernte Nachbarin von den Owens, seiner Familie und war wohl die
einzige Androidin, die je für das Jugendamt von Little Federation gearbeitet
hatte.

„Ich nehme an, du hattest noch keine Verkehrserziehung, Philip.”, erklärte
sie in der für ihre Rasse typischen Gleichmut. „Sonst wüsstest du, dass man
bei einem roten Licht stehen bleiben muss. Ich hätte dich fast überfahren.
Du kannst froh sein, dass meine Reflexe besser sind als die von …” „Nimm
mich mit!”, schluchzte der kleine zitternde Junge. „Steig ein.”, sagte
Uzoora gleichmütig und zeigte auf den Rücksitz des Jeeps.

Nachdem sie eine Weile gefahren waren und Philip sich wieder etwas gefangen
hatte, fragte er: „Kannst du mich in die Schule bringen, Uzoora?” Die
Androidin warf einen prüfenden Blick auf die Uhr des Jeeps und antwortete:
„Es ist erst kurz vor sieben, Philip. Die Schule wird noch abgeschlossen
sein. Aber warte mal.” Ihr Datenbankgedächtnis förderte eine Aktennotiz
zutage, die besagte, dass Philip Owens schon seit Monaten die Schule
schwänzte. Darauf angesprochen brach der Kleine erneut in Tränen aus. „Ich
will ja gehen.”, weinte er. „Aber Mum lässt mich nicht. Sie sagt, ich müsse
nichts wissen, das dürften nur Mädchen und ich sei nur ein Junge. Was ich
wissen müsste, würde mir meine spätere Gefährtin schon zeigen und meine
Hormo em … Uzoora, was sind das?”

Ruhig hielt Uzoora den Jeep an. Dann drehte sie sich zu Philip und
antwortete: „Um zu wissen, was Hormone sind, bist du noch zu klein. Aber das
andere kann ich dir vielleicht erklären.” Sie holte ein Haftmodul hervor und
verband sich mit dem Jugendamtscomputer. Einige Sekunden später berichtete
sie: „Deine Mutter war ein Findelkind. Deine Oma ist bei einem Shuttleunfall
ums Leben gekommen. Deine Mutter hatte sie bei sich. Sie war damals noch ein
Baby. Die Rettungskapsel, in die man sie noch legen konnte, bevor das
Shuttle explodierte, trieb bis zu den Genesianern. Deine Mutter wurde
gefunden und von einer Kriegerin aufgezogen. Als sie volljährig war,
unterzeichnete die Regierung der Föderation gemeinsam mit der obersten
Prätora der Genesianer ein Abkommen, mit dem besiegelt wurde, dass deine
Mutter ins Föderationsgebiet zurückkehren sollte, was man dann veranlasste.
Du hast eine Schwester. Ist dir aufgefallen, dass deine Mutter sie anders
behandelt als dich?” Philip nickte und dann sprudelte es aus ihm heraus.
„Cathrin ist 14. Wenn wir essen, kriegen Mum und sie die besten Stücke. Dad
und ich müssen die Reste essen. Cathrin und Mum schlagen Dad und mich, wenn
wir nicht das tun, was sie sagen. Ich darf nur sprechen, wenn eine von den
beiden es mir erlaubt, sonst muss ich Zeichen machen. Mit Dad hat Mum das
auch versucht. Deshalb streiten sie sich oft. Ich soll ins Heim, das hat
dein Chef gesagt.”

„Nein.”, entgegnete Uzoora bestimmt. „Ihr braucht Hilfe und keine
Sanktionen.” Damit wendete sie den Jeep und sie fuhren in Richtung
Enterprise Lane, die Straße, in der das Jugendamt von Little Federation lag.
„Bringst du mich zu deiner Arbeit?”, wollte Philip wissen. „Ja.”, antwortete
Uzoora. „Ich werde Mr. Jannings deinen Fall noch einmal vorstellen.”

Schnellen Schrittes betraten sie bald darauf das Büro von Uzooras
Vorgesetzten. „Sieht Ihnen gar nicht Ähnlich, Ms. Uzoora, dass Sie zu spät
kommen und was ist mit dem kleinen Owens? Warum begleitet er Sie?”, stieß
Mr. Jannings verwirrt hervor, als die beiden sich anschickten, es sich in
den Gästesesseln gemütlich zu machen. „Bitte rufen Sie noch einmal seine
Akte auf, Sir.”, begann Uzoora völlig unbeeindruckt von der Standpauke ihres
Chefs. „Ich bin der Ansicht, dass Mrs. Owens nichts für ihr Verhalten kann
und Hilfe benötigt. Sie wuchs in einer völlig anderen Kultur auf. Wir können
nicht erwarten, dass sie sich unserer Kultur entsprechend verhalten kann.
Von Ihrer Entscheidung, Sir, könnte eine ganze Menge abhängen. Die Presse
weiß genug über diesen Fall. Ich bin sicher, man wüsste gern, wie tolerant
das Jugendamt von Little Fedaration wirklich ist, oder ob das Akzeptieren
anderer Kulturen grade hier nur eine leere Phrase ist. Ich bin bereit,
sollten Sie ihn ins Heim stecken, nur weil seine Mutter einer anderen Kultur
angehört, und deshalb ihrer Meinung nach bestraft werden muss, alle
Einzelheiten in einem Interview preiszugeben. Sie wissen, dass man mir jedes
Wort glauben wird, weil Androiden nicht lügen können.”

Blass kippte Mr. Jannings zur Seite. „Aber du musst doch nicht gleich vom
Stuhl fallen, Onkel.”, kommentierte Philip das Geschehen.

„Nun, Ms. Uzoora.”, stotterte Mr. Jannings nach ein paar Sekunden. „Lügen
können Sie vielleicht nicht, aber prima Leute unter Druck setzen. Schlechte
Presse können wir wirklich nicht gebrauchen, sonst gibt es noch big Trouble
in Little Federation. OK, die Familie braucht also Hilfe statt Strafe.” Er
kramte eine Weile gedankenverloren in seinem Schreibtisch. Plötzlich krähte
Philip: „Uzoora soll uns helfen! Uzoora soll uns helfen!” „Na schön, Sie
kennen den Fall ja am Besten.”, flüsterte der völlig fertige Amtsleiter.
„Danke, Sir.”, antwortete Uzoora, während sie sich erhob. Mit einem
freundlichen „Komm.”, wandte sie sich an Philip und verließ mit ihm das
Rathaus.

Die Familie war von der Idee mit der Therapie sehr begeistert. Nachdem
Uzoora den Eltern alles erklärt hatte, wendete sie sich Cathrin zu. „Du
wirst auf einige deiner Privilegien verzichten müssen …” „Uff, Gott sei
Dank!”, fiel Cathrin ihr ins Wort. „In der Schule lachen alle über uns. Ich
werde komisch angeschaut und die Lehrer fragen auch schon, warum ich meinem
Bruder zum Beispiel eine lange, wenn er unaufgefordert mit mir spricht, wenn
wir uns mal auf dem Spielplatz begegnen. Solche Verhältnisse gibt es in
sonst keiner Familie und wenn das bedeutet, dass wir eine normale Familie
werden können, geht das in Ordnung. Gib mir deine Fünf!” Uzoora wusste mit
dem Slang der Jugend etwas anzufangen. Deshalb klatschte sie bereitwillig in
die ausgestreckte Hand des Teenagers.

Von nun an half Uzoora jeden Tag mit, Mrs. Jannings das Leben zu
erleichtern. Sie unterrichtete sie in Föderationskultur und sorgte dafür,
dass Philip zur Schule gehen durfte. Auch das Verhalten Cathrins gegenüber
ihrem Bruder überwachte sie mit androidentypischer Genauigkeit. So waren
bald alle Differenzen beigelegt.

ENDE
von Bianca Trs, 2006

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